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"Bildung" ist ein sprachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff. Er ist auf den deutschen Sprachraum begrenzt, hat dort aber eine sehr komplexe Bedeutung.
 
"Bildung" ist ein sprachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff. Er ist auf den deutschen Sprachraum begrenzt, hat dort aber eine sehr komplexe Bedeutung.
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Der erste Satz ist eine Selbstverständlichkeit, der zweite informativ. Es folgen eine Reihe evokativer Adjektive und eine Erinnerung an die menschliche Endlichkeit. Sehr hoch angesetzt. Im dritten Absatz wieder eine Folge von schönen Worten. --[[Benutzer:Anna|anna]] 11:41, 3. Nov 2005 (CET)
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Der moderne dynamische und ganzheitliche Bildungsbegriff steht für den lebensbegleitenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert. Es kann aber keinen perfekten Menschen geben; individuelle Anlagen sowie zeitliche, räumliche und soziale Bedingungen setzen der Verwirklichung eines wie auch immer definierten Bildungs-Ideals Grenzen.
 
Der moderne dynamische und ganzheitliche Bildungsbegriff steht für den lebensbegleitenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert. Es kann aber keinen perfekten Menschen geben; individuelle Anlagen sowie zeitliche, räumliche und soziale Bedingungen setzen der Verwirklichung eines wie auch immer definierten Bildungs-Ideals Grenzen.

Version vom 3. November 2005, 12:41 Uhr

Bildung

Einführung + Zitate

"Bildung" ist ein sprachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff. Er ist auf den deutschen Sprachraum begrenzt, hat dort aber eine sehr komplexe Bedeutung.

Der erste Satz ist eine Selbstverständlichkeit, der zweite informativ. Es folgen eine Reihe evokativer Adjektive und eine Erinnerung an die menschliche Endlichkeit. Sehr hoch angesetzt. Im dritten Absatz wieder eine Folge von schönen Worten. --anna 11:41, 3. Nov 2005 (CET)

Der moderne dynamische und ganzheitliche Bildungsbegriff steht für den lebensbegleitenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert. Es kann aber keinen perfekten Menschen geben; individuelle Anlagen sowie zeitliche, räumliche und soziale Bedingungen setzen der Verwirklichung eines wie auch immer definierten Bildungs-Ideals Grenzen.

Nach Daniel Goeudevert ist Bildung "ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener Prozess in dessen glücklichem Verlauf eine selbstständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige Persönlichkeit entstehen kann". Bildung kann daher nicht auf Wissen reduziert werden: Wissen ist nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl ein Hilfsmittel. Darüber hinaus setzt Bildung Urteilsvermögen, Reflexion und kritische Distanz gegenüber dem Informationsangebot voraus; andernfalls handelt es sich eher um Halbbildung.

Eine alternative Definition findet sich bei Kössler: "Bildung ist der Erwerb eines Systems moralisch erwünschter Einstellungen durch die Vermittlung und Aneignung von Wissen derart, dass Menschen im Bezugssystem ihrer geschichtlich-gesellschaftlichen Welt wählend, wertend und stellungnehmend ihren Standort definieren, Persönlichkeitsprofil bekommen und Lebens- und Handlungsorientierung gewinnen. Man kann stattdessen auch sagen, Bildung bewirke Identität..." (Henning Kössler 1989, S. 56).

Während in unserem Alltagsdenken und -handeln der Bildungsbegriff stark mit Begriffen wie "Belehrung", "Wissensvermittlung" etc. verbunden ist, haftet seit Wilhelm von Humboldt in der Theorie und der Programmatik "dem Wort Bildung das Moment der Selbständigkeit, also des Sich-Bildens der Persönlichkeit" an (Hartmut von Hentig). Nach Humboldt ist Bildung die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen.

Das Wort Bildung selbst ist ein typisch deutsches und steht in spezifischer Beziehung zu "Erziehung". Diese in der deutschen Sprache unterschiedlich belegten Begriffe sind im Englischen als "education" zusammengefasst.

Die historische Entwicklung des Bildungsbegriffs

Der Begriff der Bildung erfuhr während seiner Entwicklung mehrmals einen Bedeutungswandel.

Die Anfänge

Obwohl die Antike noch nicht den Begriff Bildung verwendete, waren die Ideen, die diesen Begriff prägen sollten, doch schon präsent. In Platons "Politeia" finden sich im Rahmen seiner Beschreibung der Erziehung zu einem Philosophenkönig - besonders im Höhlengleichnis - Gedanken zur Bildung, die noch unser heutiges Verständnis prägen. Der deutsche Begriff entstand im Mittelalter, wahrscheinlich als Begriffsschöpfung Meister Eckharts im Rahmen der Imago-Dei-Lehre. Der Begriff ist also theologischen Ursprungs. Bilden wird verstanden als gebildet werden durch Gott, nach dem Abbild Gottes. Die menschliche Seele wird gebildet im Sinne von "nachgebildet". Bildung ist also ein Prozess, auf den der Einzelne keinen Einfluss hat. Es ist nicht die Aufgabe des Menschen, sich zu bilden. Der Prozess wird von außen an den Menschen herangetragen. Das angestrebte Ziel dieses Prozesses ist in der Schöpfung festgelegt und damit durch Gott bestimmt.

Der Einzug des Begriffs Bildung in die Pädagogik

Erst mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert hält der Begriff Bildung Einzug in die Pädagogik. Das entstehende neue Menschenbild eines aufgeklärten, in wissenschaftlichen Kategorien denkenden und handelnden Menschen formt auch den Begriff der Bildung um. Durch die Auseinandersetzung deutscher Autoren mit Shaftesbury wird der Begriff säkularisiert. Die theologische Bedeutung weicht einer Bedeutung, die sich der platonischen nähert. Der Mensch soll sich nun nicht mehr zum Abbild Gottes entwickeln, sondern das Ziel ist die menschliche Vervollkommnung. Diese Idee findet sich unter anderem bei Pestalozzi (Abendstunde eines Einsiedlers), Herder (Ideen), Schiller und Goethe (Wilhelm Meister). Immanuel Kant präzisiert in seiner Schrift "Über Pädagogik" die Aufgabe von Bildung wenn er schreibt:

Die Pädagogik oder Erziehungslehre ist entweder physisch oder praktisch. [...] Die praktische oder moralische ist diejenige, durch die der Mensch soll gebildet werden, damit er wie ein frei handelndes Wesen leben könne. [...] Sie ist Erziehung zur Persönlichkeit, Erziehung eines frei handelnden Wesens, das sich selbst erhalten, und in der Gesellschaft ein Glied ausmachen, für sich selbst aber einen innern Wert haben kann.

Waren die Bildungsziele vor der Bedeutungswende noch durch Gott gegeben, so sind sie nun bestimmt durch die Notwendigkeit des Menschen in einer Gesellschaft zu leben. Es geht darum die "Rohmasse" Mensch so zu formen, dass er ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden könne. In diesem Formungsprozess werden vorhandene Anlagen entwickelt. Doch immer noch werden die Bildungsziele nicht durch das Individuum festgelegt, sondern sind Idealvorstellungen die unabhängig vom einzelnen ewige Geltung beanspruchen (vgl. Ideenlehre) und von aussen an das Individuum herangetragen werden.


Die Wende zur Subjektivität

Der deutsche Idealismus wendet den Bildungsbegriff zum Subjektiven. Bildung wird verstanden als Bildung des Geistes der sich selber schafft. Dieser bei Fichte beschriebene Prozess lässt sich in der Formel fassen: Das Ich als Werk meiner Selbst. Ausserdem ist es Fichte, der seinen Bildungsbegriff das erste Mal auf objektives Faktenwissen begründet. Ziel ist wie bei den Denkern der Aufklärung die Genese einer vollkommenen Persönlichkeit. Vollkommen ist die Person, wenn eine Harmonie zwischen "Herz, Geist und Hand" besteht.


Die Programmatische Wende

Humboldt schließlich erhebt Bildung zum Programm. Das Bedürfnis sich zu bilden sei im Inneren des Menschen angelegt und müsse nur geweckt werden. Jedem soll Bildung zugänglich gemacht werden. Diese Forderung mündet leider noch nicht in der Umsetzung "Gleiche Bildung für Alle!". Humboldt erschafft ein mehrgliedriges Schulsystem in dem jeder nach seinen Fähigkeiten und nach den Anforderungen, die die Gesellschaft an ihn stellt, gefördert wird. Allerdings geht es beim humboldtischen Bildungsideal nicht um empirisches Wissen, sondern immer noch um die Ausbildung/Vervollkommnung der Persönlichkeit und das Erlangen von Individualität. Dieses "Sich-bilden" wird nicht betrieben, um ein materielles Ziel zu erreichen, sondern um seiner selbst willen.

Bürgerliches Statussymbol und messbares Gut, das am praktischen Leben orientiert sein muss, wird Bildung erst mit der Bürokratisierung, in Form von Gymnasiallehrplänen. Bildung genügt sich nicht mehr allein, sondern soll Nutzen und möglichst auch Gewinn bringen. Damit wird Bildung zum Statussymbol der Gesellschaft und zum sozialen Abgrenzungskriterium. Man gehört entweder dazu, ist gebildet oder eben nicht. So schreibt Friedrich Paulsen 1903:

Wenn ich mein Sprachgefühl ganz gewissenhaft erforsche, so finde ich dieses: gebildet ist, wer nicht mit der Hand arbeitet, sich richtig anzuziehen und zu benehmen weiß, und von allen Dingen, von denen in der Gesellschaft die Rede ist, mitreden kann. Ein Zeichen von Bildung ist auch der Gebrauch von Fremdwörtern, das heißt der richtige: wer in der Bedeutung oder der Aussprache fehlgreift, der erweckt gegen seine Bildung ein ungünstiges Vorurteil. Dagegen ist die Bildung so gut wie bewiesen, wenn er fremde Sprachen kann [...]. Damit kommen wir dann auf das letzte und entscheidende Merkmal: gebildet ist, wer eine 'höhere' Schule durchgemacht hat, mindestens bis Untersekunda [10. Klasse. Anmerkung des Verfassers], natürlich mit 'Erfolg'.(Lit.: Paulsen, 1903)

Und zur Bewertung von Bildung schreibt er weiter:

Und um über den Erfolg, also über den Besitz der Bildung keinen Zweifel bestehen zu lassen, besteht in Deutschland jetzt allgemein die Einrichtung, daß der Schüler beim Abschluss der Untersekunda geprüft und ihm über die Bildung eine Bescheinigung ausgestellt wird.[...] Damit hätten wir denn auch einen von Staats wegen festgesetzten Maßstab der Bildung: es gehört dazu, was in den sechs ersten Jahreskursen der höheren Schulen gelernt wird;[...];(Lit.: Paulsen, 1903)

An der Geschichte des Bildungsbegriffs lässt sich verfolgen, dass dieser im Laufe der Zeit nicht eine, sondern mehrere Konnotationen erhalten hat. Angefangen bei der religiösen Bedeutung über die Persönlichkeitsentwicklung bis hin zur Ware Bildung. In heutigen gesellschaftlichen Debatten wird der Bildungsbegriff mit allen diesen Konnotationen zugleich oder in Teilen verwendet, je nach dem, in welchem Kontext die Äußerung steht. Mögliche Kontexte sind zum Beispiel: soziale Abgrenzung, wirtschaftliche Interessen oder politische Ziele. Verallgemeinernd kann eigentlich nur gesagt werden, dass die meisten Definitionen auf den Mündigkeitsaspekt des Begriffs &#132;Bildung&#147; hinweisen. Zu den Begriffen und Begriffsschöpfungen, die im gemeinten Kontext zur Sprache kommen, gehören Bildungssystem, Bildungsmisere, Allgemeinbildung, Bildungspolitik, bildungsferne Schichten u.a.m. Wie nicht zuletzt die Diskussion um die Pisa-Studie zeigt, werden heute auch die allgemeinbildenden Schulen mit immer größerer Selbstverständlichkeit unter dem Gesichtspunkt der "Optimierung von Lernprozesssen im Hinlick auf deren Relevanz für ökonomisch verwertbare Arbeit" (Ribolits, 13) bewertet.

Lernen, Erziehung, Bildung

Die Fähigkeit des Menschen, lernen zu können, ist die Grundlage für Erziehung und Bildung. Beim Erziehungsprozess werden Kinder und Jugendliche durch die pädagogisch Verantwortlichen (Eltern, Erzieher, Lehrer, Jugendleiter) in die Welt der Erwachsenen eingeführt. Sie lernen dabei Regeln, Normen und Verhalten, aber auch selbständiges Denken und Handeln. Der Weg zum Selbstverstehen führt über das Fremdverstehen, d.h. über das Begreifen und Aneignen der umgebenden Welt. Während Erziehung eher äußere Steuerungsimpulse der Persönlichkeitsentwicklung meint, bezieht sich Bildung wesentlich auf Prozess und Ergebnisse der individuellen Verarbeitung und Aneignung. Bildung ist im Gegensatz zu Ausbildung bzw. Berufsbildung nicht unmittelbar an ökonomische Zwecke gebunden. Der Erwerb allgemeinbildender Abschlüsse, insbesondere des Abiturs, ist jedoch oft Voraussetzung für den Zugang zu gut bezahlten Berufen.

Zum Problem der Konkurrenz von Bildung und Ausbildung äußerte sich Johann Heinrich Pestalozzi folgendermaßen: &#132;Allgemeine Emporbildung der inneren Kräfte der Menschennatur zu reiner Menschenweisheit ist allgemeiner Zweck der Bildung auch der niedrigsten Menschen. Übung, Anwendung und Gebrauch seiner Kraft und Weisheit in den besonderen Lagen und Umständen der Menschheit ist Berufs- und Standesbildung. Diese muss immer dem allgemeinen Zweck der Menschenbildung untergeordnet sein ... Wer nicht Mensch ist, dem fehlt die Grundlage zur Bildung seiner näheren Bestimmung.&#147; Johann Gottfried von Herders Gedanken ähneln denen von Pestalozzi: &#132;Menschen sind wir eher, als wir Professionisten werden! Von dem, was wir als Menschen wissen und als Jünglinge gelernt haben, kommt unsere schönste Bildung und Brauchbarkeit für uns selbst her, noch ohne zu ängstliche Rücksicht, was der Staat aus uns machen wolle. Ist das Messer gewetzt, so kann man allerlei damit schneiden.&#147;

Da allgemeine Schulpflicht besteht, werden Bildungsprozesse wenigstens zunächst nicht freiwillig initiiert. Weil in unserer Gesellschaft Wissen verlangt wird, besteht lebenslang ein äußerer Druck, möglichst viele Informationen aufzunehmen. Wissen und Lernen allein ergeben jedoch noch keine Bildung, daher kann auch ein wissensbasierter Bildungskanon nicht mehr sein als ein wichtiges Hilfsmittel der Förderung von Bildung. Friedrich Paulsen äußert sich im enzyklopädischen Handbuch der Pädagogik von 1903 zu diesem Thema folgendermaßen: &#132;Nicht die Masse dessen, was [man] weiß oder gelernt hat macht die Bildung aus, sondern die Kraft und Eigentümlichkeit womit [man] es sich angeeignet hat und zur Auffassung und Beurteilung des ihm Vorliegenden zu verwenden versteht. ... Nicht der Stoff entscheidet über die Bildung, sondern die Form.&#147;

Demnach ist seit langem klar, dass Schulabschlüsse, die hauptsächlich Lernleistungen prämieren, nur bedingt als Bildungsnachweise tauglich sind.

Frühe Bildung

Zunehmende Bedeutung, auch mit Rückwirkungen auf die Diskussion über schulische Bildung, gewinnt die frühe Bildung von Kindern in den ersten Lebensjahren. Während man noch in den 50er und 60er Jahren vom "dummen ersten Jahr" sprach und damit die Bildungsunfähigkeit kleiner Kinder beschreiben wollte, ist heute allgemeiner Kenntnisstand, dass Bildung spätenstens mit der Geburt beginnt und dann in höchstem Tempo die wesentlichen Voraussetzungen aller späteren Bildungsprozesse gelegt werden. Wichtige Impulse hat dieser Prozess durch die Hirnforschung erfahren sowie durch vergleichende internationale Bildungsstudien (z.B. PISA-Studien) und das schlechte Abschneiden des deutschen Bildungssystems. (siehe auch Vorschule)

Bildung und soziale Ungleichheit

Mit "Bildung" und dem Ausbau des Bildungssystems war in der Vergangenheit häufig die Hoffnung verbunden, soziale Ungleichheiten abzubauen. Daß es sich bei der ersehnten "Chancengleichheit" um eine Illusion handelt, haben die französischen Soziologen Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passeron schon in den 60er Jahren gezeigt. Dabei gibt es nationale Unterschiede. Im internationalen Vergleich bestimmt in Deutschland das Elternhaus in besonders hohen Maß den Bildungserfolg. Das Bildungswesen kann unter solchen Voraussetzungen dazu dienen, soziale Ungleichheit zu legitimieren, da das Versagen im Bildungssystem häufig als individuelle Unfähigkeit interpretiert und erlebt wird.

Bildungsziele

Einem eng gefassten Kanon von Bildungszielen stehen der individuelle Charakter jeglicher Bildung, die plurale Verfasstheit menschenrechtlich begründeter Demokratien und das breite kulturelle Spektrum der sich ausbildenden Weltgesellschaft entgegen. Daher sind die unten genannten Ziele nicht als allgemeinverbindliches Bildungsideal aufzufassen, sondern eher als elementare Richtungsweiser. Auch stehen sie in einer gewissen Spannung zur vorherrschenden Funktion des Bildungs- und Ausbildungssystems, auf die Berufstätigkeit vorzubereiten, in der oft ganz andere Fähigkeiten und Einstellungen verlangt werden. Wenn aber die freie Entfaltung der Persönlichkeit, wenn Brüderlichkeit der Menschen untereinander und ein gleiches Recht für alle als Daseinsnormen der menschenwürdigen Existenz zur Geltung gebracht werden sollen, wird man in Erziehung und Bildung die nachstehenden Ziele nicht preisgeben dürfen:

  • Mannigfache Fähigkeiten der Lebens- und Alltagsbewältigung einschließlich praktischen und für das Arbeitsleben qualifizierenden Könnens sowie der Beherrschung elementarer Kulturtechniken;
  • Kreativität und Selbstbeherrschung; Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft
  • Toleranz, besonders als Achtung vor der Individualität und Überzeugung des anderen;
  • Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitssinn und Fähigkeit zu solidarischem Handeln;
  • Aufgeschlossenheit für die Sphären des Wahren, Guten und Schönen;
  • Anteilnahme am kulturellen Leben, an Kunst und Musik;
  • Gesundheitsbewusstsein und entsprechende Körperpflege;
  • selbstbestimmtes Handeln, Urteils- und Kritikfähigkeit, politische Kompetenz;
  • Kompromiss- und Friedensfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt, Ehrfurcht vor allem Lebendigen, dessen Teil wir sind.

Der pädagogisch begleitete Bildungsprozess (Klafki)

In Klafkis Sicht zielt Bildung auf die Vermittlung und den Erwerb von drei grundlegenden Zielen:

  • Selbstbestimmungsfähigkeit
  • Mitbestimmungsfähigkeit
  • Solidaritätsfähigkeit

Bildung solle in allen Grunddimensionen menschlicher Fähigkeiten von statten gehen, das bedeutet über kognitive Funktionen hinaus:

  • handwerklich-technische Bildung
  • Ausbildung zwischenmenschlicher Beziehungsmöglichkeiten
  • ästhetische Wahrnehmungs-, Gestaltungs- und Urteilsfähigkeit
  • ethische und politische Handlungsfähigkeit.

Im Bildungsprozess seien spezifische Einstellungen und Fähigkeiten zu vermitteln und zu erwerben:

  • Kritikbereitschaft und -fähigkeit, einschl. Fähigkeit zur Selbstkritik
  • Argumentationsbereitschaft und - fähigkeit
  • Empathie
  • Fähigkeit zu vernetztem Denken

Fragen zur Bildung

  • Wie kann man Bildung messen?
  • Wie kann man die Qualität der Schulbildung vergleichen? Siehe hierzu Schulleistungsuntersuchungen, Zentralabitur, ...
  • Was hat Lesen mit Bildung zu tun? Siehe hierzu [1] Rubrik Lesen und Schule

Zitate

Warum dich durch die Außendinge zerstreuen? Nimm dir Zeit, etwas Gutes zu lernen, und höre auf, dich wie im Wirbelwind umhertreiben zu lassen.
Marc Aurel

Bildung ist ein durchaus relativer Begriff. Gebildet ist jeder, der das hat, was er für seinen Lebenskreis braucht. Was darüber, das ist vom Übel.
Friedrich Hebbel

Es ist ein Beweis hoher Bildung, die größten Dinge auf die einfachste Art zu sagen.
Ralph Waldo Emerson [1803-1882]; amerik. Philosoph und Schriftsteller

Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.
John F. Kennedy

Gebildet ist, wer Parallelen zu sehen vermag. Dummköpfe sehen immer wieder etwas ganz Neues.
Sigmund Graff

Bildung - Die Menschen stärken, die Sachen klären
Hartmut von Hentig

Die Festschreibung einiger (notwendigerweise spezieller) Inhalte als »allgemeinbildend« verkehrt den Sinn von Allgemeinbildung. Denn eine inhaltlich kanonisierte »allgemeine Bildung«, die erstrebt wird, um gebildet zu sein und um vor anderen gebildet zu erscheinen, deformiert die Bildung zum Statussymbol, ist ungehemmte Begierde, ist mithin ein Nichts.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Ziel heutiger Bildung ist die Akzeptanz des post-fordistischen Legitimationsmusters, daß das Recht der Partizipation an den prinzipiell knappen Früchten der gesellschaftlichen Arbeit nur jenen zusteht, die ihre grundsätzliche Austauschbarkeit akzeptiert haben und, aus diesem Bewußtsein heraus, sich permanent um ihre weitere und bessere Vermarktbarkeit bemühen.
Erich Ribolits

Bildung ist nicht Wissen, sondern Interesse am Wissen.
Hans Margolius

Bildung gleich Warten können.
Theodor W. Adorno

Der wahre Zweck des Menschen - nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welchen die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt - ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen.
(Wilhelm von Humboldt 1791/92 in: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen).

Bilden kann man sich nur selbst.
K.Steinmetz

Der Mensch wird frei geboren und dann eingeschult.
unbekannt

Literatur

  • Armin Bernhard: Bildung. In: Armin Bernhard, Lutz Rothermel (Hrsg.): Handbuch Kritische Pädagogik. Stuttgart 2001, ISBN 3825282147
  • Herwig Blankertz: Bildung im Zeitalter der großen Industrie. Hannover 1969
  • Georg Bollenbeck: Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996 (suhrkamp taschenbuch, 2570)
  • Pierre Bourdieu, Jean-Claude Passeron: Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs. Klett, Stuttgart 1971
  • Anja Durdel: Der Bildungsbegriff als Konstruktion. Verlag Dr. Kova\u010d, Hamburg 2002 (Erziehung-Unterricht-Bildung, 93), ISBN 3-8300-0570-9
  • Ernst Peter Fischer: Die andere Bildung. Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte. Hamburg 2001 ISBN 3-548-36448-9
  • Manfred Fuhrmann: Bildung. Europas kulturelle Identität. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-018182-8
  • Manfred Fuhrmann: Der europäische Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters. Frankfurt/Main, Leipzig 1999. ISBN 3-458-16978-4
  • Daniel Goeudevert: Der Horizont hat Flügel. Die Zukunft der Bildung, München 2001, ISBN 3-548-75086-9
  • Hartmut von Hentig: Bildung. Ein Essay. München, Wien 1996
  • Hartmut von Hentig: Die überschätzte Schule. Frankfurter Rundschau, 11. Mai 2004 [2]
  • Heinz-Joachim Heydorn: Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft. 1970 (Band 3 Heydorn-Studienausgabe 2004: ISBN 3-88178-333-4)
  • Florian Keisinger u. a. (Hrsg.): Wozu Geisteswissenschaften? Kontroverse Argumente für eine überfällige Debatte, Frankfurt a. M./New York 2003 ISBN 359337336X
  • Henning Kössler: Bildung und Identität. In: H. Kössler (Hrsg.): Identität : fünf Vorträge. Erlangen 1989 (Erlanger Forschungen, Reihe B; Bd. 20), S. 51-65
  • Friedrich Paulsen: Bildung. In: W. Rein (Hrsg.): Encyclopädisches Handbuch der Pädagogik. 2. Auflage, Langensalza 1903. S. 658-670
  • Erich Ribolits: Die Arbeit hoch? Berufspädagogische Streitschrift wider die Totalverzweckung des Menschen im Post-Fordismus. München und Wien: Profil 1995
  • Dietrich Schwanitz: Bildung. Alles was man wissen muß Frankfurt/Main 1999, ISBN 3-82-180818-7

Weblinks

  • Wiktionary: Bildung - Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
  • Deutscher Bildungsserver
  • Glossar für das Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland
  • Fachportal Pädagogik
  • Kommentierte Linkliste der Informationsstelle Bildungsauftrag Nord-Süd
  • Aufsätze des Schweizer Pädagogen Arthur Brühlmeier
  • Bildung & Wissenschaft
  • Das schweizerische Bildungssystem
  • Das österreichische Bildungssystem
  • Die deutschen Landesbildungsserver
  • Österreichischer und ungarischer Bildungsserver
  • BV-Päd. Berufsverband der Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler e.V., BV.Päd., in Dortmund.
  • Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin
  • Pro kopf - Bildungsinitiative der Friedrich-Naumann-Stiftung




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