Bildung, ausgerechnet (tphff)

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Impuls Franz Felber

In diesem Statement möchte ich die Bildungssituation wie sie aus meiner Sicht sich in Österreich immer noch darstellt, kurz thematisieren. Die These lautet, dass Bildung in Österreich der letzte verbliebene Klassenkampf in der Gesellschaft ist, der noch spezifisch ausgetragen wird: Und zwar ist es der Kampf um die in der Relation zuwenig bestehenden guten Schulplätze.

Die Nachkriegsordnung hat in Österreich zwei Parteien hervorgebracht, die sich die Staatsmacht untereinander aufteilen. Die so genannten „Schwarzen“ aus deren Klientel die meisten Akademiker hervorgehen, und die „Roten“ oder Sozialisten, ehemals mehrheitlich Arbeiter, mittlerweile Arbeiter und Angestellte aber mehrheitlich Nichtakademiker. Hier besteht eine imaginäre Kluft, die nur in eher seltenen Fällen durchbrochen wird. Schon im praktischen Alltag hat das Kind von Akademikern seit frühester Jugend praktische Vorteile gegenüber Kindern von Arbeitern. Man müsste hier vielleicht Piaget bemühen, aber auch so kann mit ziemlicher Sicherheit gesagt werden, dass schon Kleinkindern beim Sprechenlernen der wesentlich größere Wortschatz von Akademikern zugute kommt. Des Weiteren sind Akademiker schon sehr gezielt beim Aussuchen der Grundschule, was praktisch bedeutet, dass üblicherweise eine Privatschule bevorzugt wird. Die Ehefrau, wenn nicht selbst Akademikerin, dann zumindest mit Maturaabschluss, hat selbst bei eigenem Job, das Rüstzeug sich dem Kind dementsprechend zu widmen. Bei der überwiegenden Mehrheit der Kinder, wenn man von hochtalentierten absieht, ist eine mitführende Betreuung parallel mit der Schule nicht nur wichtig, sondern geradezu entscheidend, ob das Kind eben in dieser kurzen Zeitspanne von vier Jahren (wie das in Österreich trotz aller Diskussionen immer noch vorherrschend ist), anschließend die nötige Reife besitzt, um in ein Gymnasium aufgenommen zu werden. Akademikereltern wissen hier ganz genau, wie der dafür vorgesehene Weg am effizientesten einzuschlagen ist. Zu allererst aus eigener Erfahrung dazu kommt auch, dass sie Netzwerke pflegen und sich untereinander austauschen.

Der Arbeiter, aber auch der Angestellte ist meist schon finanziell benachteiligt, außerdem meist in fixen Arbeitsprozessen mit starren Arbeitszeiten mit wenig Spielraum eingebunden. Ebenso geht es der arbeitenden Ehefrau. Oft mit einer Teilzeitbeschäftigung um eben nachmittags, wenn das Kind von der Schule kommt, ebenfalls zu Hause zu sein. Der Bildungsstand der Eltern spielt hier eine tragende Rolle. Das Kind geht in die nächstgelegene Schule, oft mit hohem Emigrantenanteil, mit Sprachgewirr und damit erschwerten Lernbedingungen. Die Mutter, konfrontiert mit Doppelbelastung, dadurch oft überbeansprucht, hat wenig Lust sich in der notwendigen Weise mit dem Kind schulisch auseinanderzusetzen. Es bleibt meist bei Imperativen (lern endlich!), aber bei wenigen konstitutiven, dem Kind förderlichen Maßnahmen. Die Familien (vor allem die Mütter) von Akademikern kommunizieren untereinander und wissen meist schon zu Beginn der Volksschule den weiteren Bildungsweg ihres Sprösslings. Nicht selten wird die Schule die z. B. der Vater erfolgreich besuchte auch für das Kind wiedergewählt. So setzt sich dieser Zwei-Wege-Weg der Bildung von Generation zu Generation weiter fort, und wird leider in viel zu geringen Fällen durchbrochen. Die oben angesprochenen Parteien (hier in erster Linie die ÖVP hat wenig Interesse am Status quo etwas zu ändern), haben sich ziemlich in ihren traditionellen Positionen einzementiert. Die Sozialisten wollen zwar mit einer Gesamtschule bis zum 14. Lebensjahr die so entscheidende Reifefrage der Schüler und Wahlfrage des Schulsystems reformieren, scheitern aber immer wieder, wohl auch an der eigenen Unzulänglichkeit.

Reaktionen

Ich habe mich - als ein Beispiel der Akademikerherkunft - davor gescheut, diese Zusammenhänge so deutlich für die österreichische Situation auszubuchstabieren und stattdessen den Umweg über Herrn Vural genommen. Die Beschreibung Franz Felbers trifft offensichtlich einen entscheidenden Punkt. Das heisst zunächst einmal, dass das Problem viel früher beginnt als bei der akademischen Bildung. Die "guten Schulplätze" sind bereits auf dem Niveau der Grundschule ausschlaggebend. Hier ist der Einstieg ins Bildungssystem deutlich eine Frage des Geldes und des sozialen Konflikts. So verstehe ich auch den Hinweis auf den Klassenkampf.

Wir haben ein System. das zunehmend US-amerikanisiert wird. Die Gesellschaft produziert (Aufstiegs-)Möglichkeiten, welche Individuen ergreifen können. Sie ist offen genug, um gute Performance zu belohnen. Die Sozialdemokratie hat gezeigt, dass sie regierungsfähig ist und das heißt auch, dass sie in ihren Reihen die nötigen Kompetenzen zur Administration eines modernen Staates hat. Was zunehmend zurückbleibt sind die Einwohner, die zurückbleiben. Die Situation wird dadurch verschärft, dass diese Zurückbleibenden auf Neuankömmlinge treffen, die eventuell an ihnen vorbeiziehen. Das ist jedenfalls das Ressentiment.

Und damit wird "Bildung" ein Codewort für den Klassenkampf. Interessant ist dabei, dass es nicht um die Grundschule geht, sondern dass der Konflikt eine symbolische Ebene höher ausgetragen wird. Es sind die vergleichsweise bereits arrivierten Studierenden, die sich in vergleichsweise günstigen Umständen darauf besinnen, dass der genannte Bruch durch die Gesellschaft ging -- und die ihn auf hohem Niveau re-aktualisieren. --anna 09:08, 28. Okt. 2011 (CEST)


@"Die Familien (vor allem die Mütter) von Akademikern kommunizieren untereinander und wissen meist schon zu Beginn der Volksschule den weiteren Bildungsweg ihres Sprösslings"

ich denke die Mütter der nicht-akademischen Familien kommunizieren ebenfalls, nur auf auf einer anderen Ebene - Karriere im Sinne der Schulbildung (als Status) sowie die anschließende Eingliederung in einen angesehenen Beruf sind weniger bis nicht relevant. Wenn Bildung als Status betrachtet wird, der dann nach dem Abschluss in Form eines Titels vor sich hergetragen wird, dann wird auch hier der Begriff, oder der Sinn von Bildung quasi zur Floskel, finde ich. Bildung bedeutet leider etwas, was man dann 'hat' und damit kann dann den Beruf bla ausüben und wiederum damit in der Gesellschaft glänzen und sich einen BMW kaufen. Das Bildung eine Möglichkeit darstellen kann, Dinge zu spüren, Denkspiele weiter zu entwickeln, einen offeneneren, tieferern, Blick zu etablieren steht nicht zur Debatte, weil Menschen gefälligst Leistungsfähige Mitglieder werden sollen - egal auf welcher Ebene, als Friseur, als Ärztin, als Gärtner, als Jurist, was auch immer.

Das Studierende aufgrund von Interesse und Muse ihre Seminare wählen ist fast unmöglich, wir haben ein Curriculum, welches mehr oder weniger straff geordnet sagt, was wichtig ist und was wir 'brauchen' um dann blablabla. Schnell und effizient spuckt die Uni dann 'fertige' AkademikerInnen aus, die sich ihren Platz in der Gesellschaft suchen. Die Unibrennt-Bewegung scheiterte ua daran, dass es eben um das System an sich geht - ein Bildungsbegriff der straff und unbeweglich eingebettet ist in ein Wirtschaftssystem, in dem man muss und nicht darf oder kann. Das die Gesellschaft an sich völlig überfordert oder übermüdet ist, kann man überall sehen. AbteilungsleiterInnen und ManagerInnen die ein Haufen Geld verdienen, aber keine Zeit haben es zu genießen, der Bauarbeiter und die halbtags arbeitende Hausfrau die nicht mal mehr im Traum Zeit und Muse für ihre Interessen und ihren Spass finden. Dazu wird uns dann gesagt, wie wir gesund leben können und bei welchem Bäcker wir das beste Wellnessbrot bekommen und eine Wiener Stadtzeitung erzählt uns davon wie schön es doch in Wien ist und auch so sicher! Parallel wird man überschüttet mit bösen, raubenden Ausländerbanden und gefährlichen Grippeviren. Halbwegs passender Artikel mit Verweisen auf weitere halbwegs passende Artikel: Zeit online --CoS 12:00, 29. Okt. 2011 (CEST)


Zur Diskussion um den Zusammenhang von sozialer Herkunft/Bildung der Eltern und Zugang zu höherer Bildung noch ein paar aktuelle Zahlen von Statistik Austria: "„Betrachtet man die berufliche Position der Eltern von Studierenden, so sind bei über einem Viertel der StudienanfängerInnen sowohl Mutter als auch Vater Angestellte, etwa 7% der Studierenden kommen aus einem Selbstständigenhaushalt, ebenso viele haben BeamtInnen oder Vertragsbedienstete/öffentlicher Dienst als Eltern und nur 1% der Studierenden kommt aus einer ArbeiterInnenfamilie.“ -> http://www.statistik.at/web_de/presse/055466

Bildung lässt sich überdies geographisch zuordnen: die besten Chance, Maturaniveau zu erreichen hat ein Kind aus dem Bezirk Hietzing (2,5x so hoch wie Kinder aus dem Tiroler Bezirk Schwaz); die Wohngegend korrespondiert hier selbstverständlich auch mit Bildung und Einkommen der Eltern. -> http://www.statistik.at/web_de/dynamic/statistiken/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/universitaeten_studium/publdetail?id=135&listid=135&detail=461 --jst 15:49, 2. Nov. 2011 (CET)


Reaktion Franz Felber

Meine „Schrift“ war schon geschrieben, bevor ich hier gelesen habe. Ich möchte mich aber dem Artikel der Verfasserin oben (jetzt ist der Artikel unterhalb, das Wiki macht mit mir was es will), voll inhaltlich anschließen.

Eingehen auf die Bildungsdebatte Teil zwei, auch aktuell zum dieswöchigen Bildungs-Volksbegehren. Die Perversität per excellence ist ja, dass die da draußen in der „rauhen“ Wirtschaftsökonomie nach wirtschaftlich gut ausgebildeten Schulabgängern schreien. Seit Jahren wird von den jungen Leuten schon mehr „mitgebrachte“ Kompetenz zur realen schnelllebigen Wirklichkeit gefordert. Dass die Elite der Absolventen die ökonomisch-kapitalistischen Gepflogenheiten in geradezu atemberaubender Schnelligkeit intus haben, wird geflissentlich verschwiegen. D.h. die „Wirtschaft“ schreit nach Ökonomie, denn das ist das wirkliche Leben und das Schulsystem verharrt ungerührt seit Jahrzehnten in ihrem geschlossenen System und zementiert sich zusätzlich mit der Lehrergewerkschaft ein.

Diesen Absatz verstehe ich nicht ganz. Es wird gesagt dass
  1. die Wirtschaft von den Universitäten Absolventinnen mit praktisch umsetzbaren Qualitäten erwartet
  2. die exzellenten Absolventinnen sich sehr schnell im Kapitalismus zurechtfinden
Heißt das, dass die Exzellenzinitiative und die Erwartungen der Wirtschaft sowieso zusammenpassen? Dann wäre die Politik der Exzellenz als Aufbrechen des verhärteten Systems die richtige Vorgehensweise? Die Beobachtung, dass junge Forscherinnen heute beides haben müssen (und auch haben), nämlich professionelle Fachkenntnis und Verkaufstalent kann man schon machen. --anna 08:36, 4. Nov. 2011 (CET)

das soll heißen, dass es paradoxerweise so ist, dass einerseits die Schule die Schüler wenig bis gar nicht auf das zukünftige Wirtschaftsleben nach den Vorstellungen der Wirtschaft vorbereitet, anderseits die besten der besten sich natürlich unglaublich "fix" in der freien Wildbahn, sprich Business, zurechtfinden. Felber

Armin Thurnher schreibt im Mittwoch erschienen Falter, eine Kolumne in seiner unnachahmlichen Art:

„...für den Pisatest zu lernen. Die Mittelschule umstellen, ein paar überflüssige Fächer wie Kunst und Geschichte spritzen und durch Testkunde ersetzen (vielleicht mit Freifach Schwindeln, aber richtig), dann wäre Österreich Pisasieger und es herrschte endlich Bildungsruhe. Nach Bildung bellt in Wahrheit kein Hund. In diesem Zusammenhang von krähenden Hähnen zu sprechen, verbietet sich so lange, als das Plagiatsverfahren des ehemaligen Wissenschaftsministers Hahn nicht abgeschlossen ist (wie lange, Universität, wirst du diesbezüglich unsere Geduld noch strapazieren?)“


Zu Bildungsbedingungen der Zukunft die auch unsere Vorlesung betreffen, möchte ich nochmals mit Armin Thurnher antworten: „Momentan halten wir bei der Fähigkeit vieler Menschen, digitale Geräte in Betrieb zu nehmen - ob das schon für eine neue Neuzeit reicht, bezweifle ich bis zum Beweis des Gegenteils, wofür mich die neuen digitalen Eingebildeten einen unbelehrbaren Holzkopf schelten.“ Dem würde ich mich bedingungslos anschließen. Einiges hat sich in diesem Bereich der Elektronik, zumindest vordergründig, ja zum Positiven verändert. Mit schaudern denke ich an Zeiten der 80iger Jahre, wo wir riesige Plattenstationen von Philips, nur mit eingeschulten Programmierern in Betrieb nehmen konnten. Denen musste man neben einem „fürstlichen“ Gehalt auch noch den roten Teppich zur Arbeitsmotivation ausbreiten.

Armin Thurnher tut nur so. Es ist - denke ich - erlaubt, die kleine Anekdote zu erzählen, dass er bei der Aufnahme des ersten "Medienquartetts" von seiner Mutter erzählt hat, die in hohem ALter von Apples iPad begeistert ist.
Was hier im Wiki passiert ist ebenfalls die Schulung im Gebrauch digitaler Geräte. Mit Hilfe von Protokollen und Programmen wird der gedankliche Austausch Studierender und Lehrender aufgezeichnet, kanalisiert und transformiert. Forschung im engeren Sinn verläuft nach strikteren Regeln, das ist das Thema der Ausführungen zu SGML/XML. Aber auch Wiki-Diskussionen sind universitäre Beiträge, sozusagen lehrgeleitete Forschung. --anna 08:36, 4. Nov. 2011 (CET)