Berufliche Integration (Jugend und Behinderung)

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Schulische Integration

Allgemein ist zu sagen, dass Integration so früh wie möglich angesetzt werden sollte, weil später gesellschaftliche Wertungen den Umgang miteinander erschweren (vgl. Cloerkes 2001, S. 214). Daher konzentriert sich gegenwärtig das Forschungsinteresse eher an der schulischen Integration (vgl. Cloerkes 2001,S. 222) – die gemeinsame Erziehung im Kindergartenalter (vorschulische Integration) ist heutzutage schon als normal anzusehen (vgl. Cloerkes 2001, S. 223). KRON (1988; 1990) berichtet über die wissenschaftlichen Begleituntersuchungen zur vorschulischen Erziehung in Hessen: Kindergartenkinder unterscheiden etwa noch nicht zwischen behindert und nichtbehindert und es gelingt ihnen Behinderung zu relativieren. Erst allmählich entdecken sie die Widersprüche zu ihrem bisherigen Bild von Welt, was zumeist Unsicherheit und Ratlosigkeit hervorruft, doch erleben sie in der offenen Auseinandersetzung mit der Behinderung – z.B. durch das Miterleben von Lösungswegen – eine Entschärfung des Problems. Interessanterweise verbinden die nichtbehinderten Kinder die Daseinsform als Behinderter durchaus mit der eigenen Person. Dabei stellen sie fest, dass auch sie eigene Unsicherheiten und Schwächen haben, die im Prinzip den Schwächen der behinderten Kinder ähnlich sind. Durch den Umgang mit Behinderung lernen sie aber auch mit sich und ihren eigenen Problemen umzugehen und so zu hohe Leistungsansprüche zu relativieren. (vgl. Cloerkes 2001, S. 213-214)

Was sagen PädagogInnen zur integrativen Erziehung

Von wesentlicher Bedeutung für die praktische Integration sind vor allem die Einstellung und die Bereitschaft der beteiligten SonderpädagogInnen. Fundamental ist auch das „Prinzip der Freiwilligkeit“. „Zwangsrekrutierte“ PädagoInnen wären hier wenig hilfreich und eher ein Störfaktor für die Entfaltung der Kinder. Weiterhin ist es wichtig sich in neue berufliche Verfahrensweisen und Aufgaben einzuarbeiten und etwaige Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zu besuchen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Sonderpädagogen treten für Integration in Schulen ein, haben aber eine Reihe von Vorbehalten (z.B. Grad der Behinderung, günstige Rahmenbedingungen,…) und die Bereitschaft ist nur bei persönlichem Interesse groß. (vgl. Cloerkes 2001, S. 214-215)

Was sagen Eltern behinderter Kinder und nichtbehinderter Kinder über Integration

Zunächst wurde Integration nur von wenigen Eltern begrüßt, heute gibt es aber schon eine große Elternschaft die sich engagiert um Integration in Schulen bemüht, unter anderem die Elterninitiative „Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen“, was wiederum auf Länderebene zu einer Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) geführt hat. Im Jahre 1985 wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) gegründet (ROSENBERGER 1988; 1998a, b, c; 1999) Ein großer Erfolg war auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichthofes vom August 1996, dass behinderte Menschen prinzipiell Anspruch auf Integration haben.

Eltern, deren Kinder Integrationsgruppen oder -klassen besuchen sind in hohem Maße mit der kognitiven und sozialen Entwicklung ihrer Kinder zufrieden, was die Bereitschaft zur Fortsetzung von Integration auch nach der Grundschule zur Folge hat. Allerdings gibt es bis heute noch Zweifel von Eltern nicht behinderter Kindern, dass die integrative Beschulung ihren Kindern zur Last fallen könnte. Entsprechend niedrig ist hier also die Bereitschaft zur Integration, obwohl bei Eltern die der „Integration auf Probe“ zustimmten, diese Befürchtung nicht eingetreten ist und die Integration deutlich Vorteile hervorbrachte.

Allgemein wird Integration aber von beiden Gruppen von Eltern (die nicht behinderter und behinderter Kinder) voll akzeptiert, Änderungswünsche beziehen sich weitgehend auf die räumliche und sachliche Ausstattung. Interessant sind auch die elterlichen Aussagen hinsichtlich der Schulleistungsentwicklung ihrer Kinder. In erster Linie bewerten Eltern die sozialen Lernfortschritte ihres Kindes: Der Leistungsaspekt hat bei den Eltern von nicht-integrierten Schülern einen höheren Stellenwert als bei Eltern von integrierten Schülern. Diese haben oft Angst, dass normal- und hochbegabte Kinder bei Integration unterfordert sein könnten, obwohl der Leistungsstand integrativer Klassen keineswegs schlechter ist. Eltern von integrierten Schülern legen hier mehr Wert auf Erziehung zur sozialen Kompetenz.

Eltern nicht behinderter und behinderter Kinder sind aber trotzdem nicht für die Abschaffung von Sonderschulen und -einrichtungen, sondern eher für eine Weiterentwicklung dieser. Außerdem fordern sie die freie Wahl der Schule für ihre Kinder.

Zweifel werden aber bei einigen wenigen Eltern laut, die die Grenze der Integration bei geistigbehinderten und stark verhaltensauffälligen Kindern sehen, weil diese erhöhte Anforderungen an pädagogischem wie therapeutischem Personal haben. Hier wären zwei oder mehr LehrerInnen als Team nötig, da sich ein/e LehrerIn allein nicht ausreichend um die Anforderungen der schwerstbehinderten Kinder und gleichzeitig um die nicht-behinderten Kinder kümmern könnte. Bis auf wenige SchülerInnen haben somit Kinder mit schweren bzw. mehrfach Behinderungen kaum die Chance eine Regelschule zu besuchen. (vgl. Cloerkes 2001, S. 215 – 218)

Integration von Menschen mit schweren mehrfachen Behinderungen

Die Integration von Menschen mit schwersten bzw. schweren mehrfachen Behinderungen ist Stolperstein und Herausforderung zugleich. Sie besuchen etwa auch erst seit 20 Jahren die Sonderschule, nachdem man auch diesem Personenkreis das Recht auf schulische Förderung, Erziehung und Bildung zuerkannt hatte (BEGEMANN 1980, 3; HAHN 1979, 69f.; MÜHL 1991, 133; TUCKERMANN 1978, 31). Doch auch in Sonderschulen werden schwerstbehinderte Kinder in Klassen bzw. gesonderten Abteilungen für Schwerstbehinderte zusammengefasst und in basalen Lernbereichen unterrichtet, gepflegt und therapeutisch versorgt. (FRÖHLICH 1991, 273; HEDDERICH 1991, 51-87)

Folgende Voraussetzungen wären unter anderem wünschenswert für die Realisierung und Organisation eines integrativen Unterrichts mit schwerstbehinderten Kindern:

  • Änderung des Schulsystems
  • räumliche Bedingungen
  • Veränderter Zeitrhythmus
  • zwei oder mehr LehrerInnen als Team
  • Möglichkeit ein Kind auch aus der Klasse nehmen zu können
  • Möglichkeit zur Lagerung Schwerstbehinderter im Klassenzimmer
  • Grundwissen über Behinderungsformen bei allen Beteiligten
  • Beratungsangebot für LehrerInnen
  • ausgewogenes Verhältnis der Kinder (z.B. nur ein schwerstbehinderter)
  • Freiräume / Rückzugmöglichkeiten für Schüler mit Behinderung (Schonraum)

Bisherige Erfahrungen mit der Integration von schwerstbehinderten Kindern lassen folgende Aussagen zu:

  • Schwerstbehinderte Kinder profitieren von ihrem Dabeisein in Integrationsklassen (größere Wachheit und Aufmerksamkeit durch mehr Ansprache von Kindern, vielfältige soziale Bezüge, Kontakte), es kann aber trotzdem nicht gesagt werden, ob sich ein schwerstbehindertes Kind in der Integrationsklasse anders entwickelt hätte als in einer Sonderschulklasse.
  • Auch im integrativen Unterricht kann man so auf die Bedürfnisse schwerstbehinderter Kinder eingehen, dass sie sich wohlfühlen.
  • Probleme bereiten die Zusammenarbeit mit den Fachkräften, die Klassenführung und die Bewältigung des Alltages.
  • Die Interaktionen zwischen schwerstbehinderten und nichtbehinderten Kindern werden als „erfrischend normal“ beschrieben.
  • Schwerstbehinderte Kinder werden in ihrem „Anders-sein“ akzeptiert und als aktive Sozialpartner anerkannt.

HINZ fasst den Erkenntnisstand zusammen: „Gemeinsamer Unterricht mit Kindern mit schwersten, anderen und ohne offensichtliche Behinderung in der allgemeinen Schule ist ein realistisches, bewältigbares und sinnvolles Unterfangen. Es ist nicht mehr die Frage ob es geht, sondern es ist deutlich geworden, dass es geht und, dass es gut geht.“ (vgl. Cloerkes 2001, S. 218 – 221)

Das integrative Bewusstsein kennzeichnet in einem positiven Sinne den Wechsel vom Fürsorgeansatz zum Bürgerrechtsanspruch und sorgt dafür, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung ihrer Schulpflicht prinzipiell auch an einer Regelschule nachkommen können (vgl. Cloerkes 2001, S. 229). Meist hat Integration auch tatsächlich einen deutlich positiven Einfluss auf die Lernentwicklung behinderter SchülerInnen. Allerdings ist mir großer Sorge zu beobachten, dass die Integrationsbewegung auf bestimmte Behinderungsarten moderaterer Ausprägung mehr oder weniger vergisst. Sie sieht diese als eine bevorzugt zu integrierende bzw. nicht mehr aus den Regelschulen in Sonderschulen auszusondernde Personengruppe. Solche Behinderungsarten moderater Ausprägung wären zum Beispiel die Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit „partiellen“ Beeinträchtigungen, Teilleistungsstörungen, peripheren Syndromen und speziellen Bedürfnissen. Dies ist einerseits zu begrüßen, andererseits wir damit die Qualität der Etiketten für nicht behinderte Menschen spürbar negativer. (vgl. Cloerkes 2001, S. 230)

Schlussendlich ist also unsere Aufgabe, gemeinsam in kooperativer Art und Weise an einer demokratischen, humanen und nichtaussondernden Schule für ALLE zu arbeiten. (vgl. Cloerkes 2001, S. 222)

Schnittstelle Schule - Beruf

Die Schnittstelle Schule und Arbeitswelt stellt in jeglicher Hinsicht eine kritische Zeit und Situation sowohl für beeinträchtigte als auch für nicht beeinträchtigte Jugendliche dar. In Österreich gibt es für behinderte Kinder und Jugendliche die Möglichkeit bis zur 8. Schulstufe (Hauptschule) eine Integrationsklasse zu besuchen. Jedoch fehlt es an Institutionen oder Möglichkeiten die Schulpflicht völlig in Integrationsklassen abzuschließen. Die Schüler werden nach der 8. Schulstufe in die Sonderschulen zurückgedrängt und das kann einen großen Rückschritt in der Entwicklung bedeuten. Die Betroffenen erleben diese Zurückdrängung in die Sonderschule als „schreckliche Stigmatisierung“ (Specht, et al. 2001, S. 28). Unterschiedliche Fallstudien haben ergeben, dass Jugendliche, die aus einer Sonderschule kommen in der Berufswelt weniger integriert werden. Allein durch den Ausdruck „Sonderschule“ erfahren diese eine gewisse Abwertung durch die Umwelt. (vgl. Specht, et al. 2001, S. 28) Zweifelhaft ist ebenfalls, ob Sonderschulen am Ende der Schulpflicht tatsächlich eine geeignete Berufsvorbereitung anbieten können, die den Bedürfnissen der SchülerInnen und den aktuellen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt entsprechen. Die Sonderschule stellt eine weitere Bestätigung dar, dass diese Schüler sozial randstellig sind bzw. verhalten sich die Betroffenen dementsprechend. Schüler aus Integrationsklassen hätten eine viel bessere Chance sich am Arbeitsmarkt zu etablieren, als diejenigen aus Sonderschulen. Jedoch mangelt es hier an höheren (Berufbildenden-)Schulen (ab 8. Schulstufe), die Integrationsklassen anbieten. (vgl. Specht, et al. 2001, S. 28f)

Berufliche Integration

Rechtliche Grundlagen

In der österreichischen Bundesverfassung ist u.a. das Behinderteneinstellungsgesetz verankert, welche wichtige rechtliche Grundlagen enthält, die für mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt sorgen sollen. Im Artikel 2 ist §1 der Beschäftigungspflicht gewidmet. Hier steht geschrieben, dass (außer in Ausnahmefällen für bestimmte Wirtschaftssektoren) pro 25 Beschäftige mindestens ein begünstigt Behinderter aufgenommen werden muss. Weiters darf z.B. das Entgelt aus dem Grunde der Behinderung nicht gemindert werden (vgl. Behinderteneinstellungsgesetz, Artikel 2, §7). Einen weiteren wichtigen Abschnitt des Gesetzestextes stellt §7 mit dem Diskriminierungsverbot dar. Im Gesetzestext sind viele weitere wichtige Punkte zur Sicherstellung einer Gleichberechtigten Behandlung von Behinderten verankert. Genaueres ist unter http://www.ris.bka.gv.at/bundesrecht/ nachzulesen.

Berufliche Integration (in Deutschland)

Der Sozialstaat Deutschland hat sich als Ziel die berufliche Rehabilitation aller Menschen mit Behinderung gesetzt. Diese berufliche Rehabilitation soll in weiterer Folge zur sozialen Integration führen. Die berufliche Rehabilitation stellt den Weg dar, während die berufliche Integration das Ziel. (vgl. Cloerkes 1997, S. 224) Es gibt schon einige Organisationsformen, die sich mit der Integration von Behinderten beschäftigen, jedoch werden Menschen mit einer schweren oder mit mehrfachen Behinderungen vernachlässigt bzw. werden ihnen berufliche Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten. Je länger es dauert, bis der erste Kontakt zu Nichtbehinderten stattfindet und je älter die betroffene Person ist, desto schwieriger ist es diese in ein soziales Berufsumfeld zu integrieren. (vgl. ebd., S. 225.) Ein weiteres Problem stellen der allgemeine Arbeitsmarkt bzw. der Sonderarbeitsmarkt WfB (Werkstättte für Behinderte) dar. Auf ersterem erhalten (geistig) behinderte Menschen zu wenig Schutz und Hilfestellung, auf letzterem jedoch zu wenig Normalität und Existenzabsicherung.

In Deutschland lassen sich vier integrative Organisationen ausmachen (vgl. Boban, Hinz 2001 [online Publikation]):

Integrationsfirmen

Als Integrationsfirmen werden Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes bezeichnet, in denen Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenarbeiten. Der Anteil der Menschen mit Behinderung liegt je nach Branche und Größe des Betriebes zwischen 40 und 80 Prozent. Ziel ist es, durch den Absatz von Dienstleistungen und Produkten unter Einbeziehung von Zuschüssen wirtschaftlich zu arbeiten. Im Vordergrund steht dabei die Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit und ohne Behinderung und nicht die Gewinnmaximierung. Es werden üblicherweise reguläre Arbeitsverhältnisse unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingegangen und es bestehen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Weitere Arbeitsformen im Bereich der Integrationsfirmen stellen Zuverdienstarbeitsplätze, also Arbeitsangebot im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung oder Teilzeitarbeit, und gemeinnützige Leiharbeit dar. Deren Intention ist es die Hemmschwellen der ArbeitgeberInnen zur Einstellung von Menschen mit Behinderungen zu senken, indem sie das „Risiko“ bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Krankheiten etc. übernehmen. Ziel ist dabei die Übernahme in eine Daueranstellung.

Integrationsabteilungen

Von den Integrationsfirmen sind die Integrationsabteilungen zu unterscheiden. Bei ihnen handelt es sich um geschützte Abteilungen in Betrieben. Hier arbeiten Menschen mit Behinderungen unter besonderer Anleitung im Rahmen regulärer Arbeitsverhältnisse. In der DDR stellten Integrationsabteilungen eine weit verbreitete Form von „geschützter Arbeit“ dar, nach dem Beitritt zur Bundesrepublik wurde ein Großteil dieser Abteilungen geschlossen. Im Gegenzug dazu wurden die Werkstätten für Behinderte in großem Maße ausgebaut.

Werkstätten für Behinderte

Für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr oder noch keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben können, ist die berufliche Rehabilitation in einer Werkstatt für Behinderte vorgesehen. Die behinderten MitarbeiterInnen müssen gemeinschaftsfähig und sie dürfen nicht außerordentlich pflegebedürftig sein. Zunächst wird ein, bis zu zwei Jahre dauernder, Förderungsprozess durchlaufen mit dem Ziel, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich der Werkstatt zu erbringen. Die MitarbeiterInnen haben einen Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben, insbesondere in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte mit der entsprechenden Betreuung und Begleitung durch qualifiziertes Personal. Die Werkstatt für Behinderte muss, da sie nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen organisiert ist und ein unternehmerisches Profil aufweist, wirtschaftliche Arbeitsergebnisse erzielen. Ihre Wirtschaftlichkeit ist Voraussetzung, um den behinderten Beschäftigten ein möglichst angemessenes Entgelt zahlen zu können. Um dies zu ermöglichen stützen sich die Werkstätten für Behinderte auf drei ökonomische Standbeine: Auftragsarbeiten, Eigenproduktionen und Dienstleistungen. Ihre typischen Arbeitsfelder liegen in den Bereichen: Verpackung, Montage, Versand, Druck, Holzverarbeitung, aber auch Garten- und Landschaftspflege sowie Küchenservice und Wäscherei. Für die behinderten Beschäftigten in der Werkstatt für Behinderte werden Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, nicht jedoch Arbeitslosenversicherung, da davon ausgegangen wird, dass sie nicht arbeitslos werden können. Sie haben keinen Arbeitnehmerstatus. Gesetzliche Aufgabe der Werkstatt für Behinderte ist es, behinderte oder gesundheitlich eingeschränkte Menschen für einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten und dorthin zu vermitteln. Die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann auch durch die Einrichtung ausgelagerter Arbeitsplätze vorbereitet werden. Im Jahr 1994 wurden z.B. mehr als 2.300 Werkstattbeschäftigte auf Außenarbeitsplätze vermittelt, also auf Arbeitsplätze, die die Erwerbswirtschaft den Werkstätten zeitweise zur Verfügung stellt. An einige Werkstätten sind Vermittlungsdienste angegliedert, die die behinderten MitarbeiterInnen bei der Suche nach einem regulären, tarifentlohnten Arbeitsplatz außerhalb der Werkstatt für Behinderte unterstützen.

Betreuung in Tagesförderstätten

In Tagesförderstätten werden Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen betreut, die nicht im Arbeitsbereich einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt werden, z.B. wenn ein außerordentlicher Pflegebedarf besteht und ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann. Tagesförderstätten haben vor allem die soziale Integration von Menschen mit Behinderungen als Aufgabe, sie bieten eine feste Tagesstruktur im Sinne des Normalisierungsprinzips. Menschen, die in Tagesförderstätten betreut werden, haben keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, sie besitzen auch keinen arbeitnehmerähnlichen Status und sind somit auch nicht in das System der Sozialversicherung einbezogen. Nach Möglichkeit sollen sie auf eine Beschäftigung in der Werkstatt für Behinderte, z.B. eine Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich, vorbereitet werden.

Kritik an der Entwicklung beruflicher Rehabilitation

(vgl. Boban, Hinz 2001 [online Publikation])

Die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen ist entsprechend dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMA), Ausgangspunkt für die gesellschaftliche Integration, da die Arbeit, Menschen mit Behinderungen ermöglicht, entsprechend ihrer Fähigkeiten zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen. Dennoch hat sich, wie von mancher Seite kritisiert wird, das System der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen zu einem eigenständigen, abgegrenzten Bereich entwickelt. Die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen findet zumeist in speziellen Institutionen, wie Berufsbildungswerken, Berufsförderungswerken oder Werkstätten für Behinderte, getrennt vom realen Arbeitsleben statt. Von diesen verschiedenen Institutionen aus sind zwar prinzipiell Möglichkeiten zur Integration vorgesehen und es gibt vielfältige Bemühungen um integrative Anschlüsse, jedoch in der Realität mit eher zweifelhaftem Erfolg. Zudem wird an den Arbeitsfeldern, die z.B. von Werkstätten für Behinderte angeboten werden, kritisiert, dass sie auf einige wenige Bereiche beschränkt sind und überwiegend einseitige und wenig komplexe Arbeitstätigkeiten, z.B. Montage-, Verpackungs-, Tischler- und Näharbeiten bieten. Diese standardisierten Beschäftigungsmöglichkeiten erscheinen KritikerInnen kaum geeignet, die Lern- und Entwicklungsfähigkeiten der dort arbeitenden Menschen anzuregen und zu fördern, geschweige denn, sie auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Zudem wird kritisch gesehen, dass der Lohn, den die Beschäftigten in der Werkstatt für Behinderte erhalten, sehr gering ist, und keinen geeigneten Beitrag zur Sicherung der Existenzgrundlage liefert. Für Jugendliche mit einer geistigen Behinderung führt der Weg der beruflichen Rehabilitation fast alternativlos in die Werkstatt für Behinderte, ganz gleichgültig, welche individuellen Eigenheiten und Entfaltungsmöglichkeiten der Mensch hat. Die Werkstätten für Behinderte sind innerhalb des Arbeitsmarktes ein eigener geschlossener Arbeitsmarkt geworden. Das Ausbilden von individuellen Fähigkeitsprofilen wird weitgehend verfehlt. Damit ist der Übergang in Arbeitsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur schwer möglich, und die angestrebte berufliche Eingliederungsmaßnahme führt real in die gesellschaftliche Ausgliederung. Seit die Werkstatt für Behinderte betriebswirtschaftlich orientiert arbeiten soll, gerät sie zunehmend in einen Interessenkonflikt, denn gerade leistungsfähige Beschäftigte, die fähig wären, auf dem freien Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden, erhöhen die Wirtschaftlichkeit der WfB.

Die Angebote des Systems der beruflichen Rehabilitation, so die Kritik zusammenfassend, könnten lediglich in dem Sinne als integrativ bezeichnet werden, als sie ein entsprechendes Ziel formulieren. Sie gehen jedoch nicht einen integrativen Weg, sondern bedienen sich spezieller Institutionen mit je unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen und Anschlüssen. Dies geschieht in Abhängigkeit von der jeweiligen Schädigung der RehabilitandInnen, und es geschieht mit eher geringem Erfolg, wenn man die Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zum Ziel erklärt. Zudem stellt sich die Problematik, dass konkrete Personen nicht immer in die institutionell vorgegebenen Kategorien „passen“, sondern zwischen die Stufen des differenzierten Systems beruflicher Rehabilitation geraten. Dieser Weg und seine Gestaltung auf der Grundlage eines ›Defizit-Modells‹ von Behinderung tragen KritikerInnen zufolge sogar eher dazu bei, das Erreichen dieses Ziels zu verhindern.


Literatur

  • BERNSMEIER HELMUT (Hrsg.), „Behinderte“ (Stuttgart: Reclam, 1983)
  • BOBAN INES; HINZ, ANDREAS: Integrative Berufsvorbereitung. Unterstützendes Arbeitstraining für Menschen mit Behinderung. Beltz. 2001.
  • http://bidok.uibk.ac.at/library/boban-berufsvorbereitung.html#id2842177 (Download am 28.5.)]
  • BOBAN INES, HINZ ANDREAS: Geistige Behinderung und Integration, © Boban/Hinz 1993, Erschienen in: Zeitschrift für Heilpädagogik 44 327-340
  • CLOERKES GÜNTHER: Soziologie der Behinderten – Eine Einführung, 2. Auflage, Heidelberg: Winter, 2001
  • MATTNER DIETER, „Behinderte Menschen in der Gesellschaft: zwischen Abgrenzung und Integration“ (Kohlhammer Pädagogik, 2000)
  • RITTMEYER CHRISTEL, "Unterricht von Schülern mit geistiger Behinderung" (Hamburg 2006)
  • SPECHT WERNER et al.: Jugendliche mit Behinderungen zwischen Schule und Beruf. Berichte aus dem „Projekt Schnittstelle: Schule-Arbeitswelt-Soziale Integration“. Dorrong: Graz, 2001.
  • http://www.ris.bka.gv.at/bundesrecht/ (Download am 5.5.2007)