Benutzer Diskussion:Blade Runner/WS08-OSP-E07-21 11 08

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Version vom 15. Dezember 2008, 18:17 Uhr von Andyk (Diskussion | Beiträge) (kl. provokation)
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Der Prozess der Verschriftlichung

Als ich gestern Abend einen Teil dieses Transkripts bearbeitet/formatiert habe, ist mir wieder in Erinnerung gekommen, warum ich seit letztem Semester mit dem, was jetzt Trankripts heißt, begonnen habe. In der mündlichen Rede fallen einem gewisse Unterscheidungen nicht so stark auf. Wenn man gesprochene Rede niederschreiben will, bietet es sich an, an manchen Stellen Umformulierungen und Markierungen vorzunehmen. Durch den Prozess des Unterstreichens und Umformulierens macht man sich Gedanken über den Inhalt des Gesprochenen, man versucht, die Bedeutung des Satzes so explizit wie möglich zu machen. Durch die Strukturierungen kann man den Kontext der Sätze andeuten (das ist der konstruktive Teil bei der Verschriftlichung).

Mir ist zum Beispiel durch folgende Formulierung die Verbindung zwischen Allgemeinen und Öffentlichen bei Sokrates erst richtig klar geworden:

Sokrates stellt diese WAS-IST-Fragen im Bereich (AKA: Scope) einer Öffentlichkeit, die über (AKA: den Scope der) Fachmeinungen hinausgehen. Damit verblüfft Sokrates seine Gesprächspartner zunächst einmal; er lässt sie ratlos sein. Dadurch gelingt es ihm, deren Einzelmeinungen zu zerlegen.

Dieser Prozess der Verschriftlichung ist vielleicht vergleichbar mit Heinrich von Kleists allmählicher Verfertigung der Gedanken beim Reden:

"Kleist empfiehlt in seinem Aufsatz, schwierige Fragen mit einem Gesprächspartner zu besprechen [...] um die Notwendigkeit auf Seiten des Sprechenden, sich eines Sachverhaltes im Moment des „Darüber-Sprechens“ klarer zu werden: Wenn nämlich der Sprechende seine Gedanken ordnet, um seine Sichtweise dem Hörenden zu erläutern, wird er sich der Dinge bewusster und gelangt dadurch zu einer tieferen Einsicht in die von ihm angesprochenen schwierigen Sachverhalte."

Das Problem dabei war, dass der Sprechende sich seiner Gedanken zwar klarer wurde, der Hörende aber mit Gedanken konfrontiert wurde, die ihm noch nicht geläufig waren und der deswegen einen ähnlichen Prozess wie der Sprecher durchmachen müsste (er müsste also auch darüber sprechen). Durch die Umformulierungen, Hervorhebungen und Verlinkungen bei der Verschriftlichung kann man - so geht es mir dabei zumindest - den Verstehensprozess vertiefen, mit dem zusätzlichem Ergebnis, dass die Leser dieser bearbeiteten Transkripts etwas davon haben.

Ein Kollege aus der Informatik, der sich diese Transkripts regelmäßig und parallel zu den MP3-Strems durchliest, hat mir letztens erzählt, dass er sehr unterschiedliche Trankript-Qualitäten bemerkt hat, die er vor allem auf die mangelnden Umformulierungen zurückgeführt hat. Die starre Abbildung des Redeflusses ist - so schließe ich mich dem Kommentar meines Kollegen an - für alle Beteiligten (Vortragender, Schreiber und Leser) nicht wünschenswert. Dieses Statement ist vielleicht eine kleine Provokation - das Risiko gehe ich aber ein. Vielleicht haben andere dazu andere Vorstellungen? --Andyk 17:17, 15. Dez. 2008 (CET)