Benutzer Diskussion:Andyk/Philosophie und Informatik Architektur und Störung

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Ökonomische Betriebsamkeit - H.A.L. 13:31, 14. Jan. 2011 (UTC)

„Der ökonomischen Betriebsamkeit nahe, scheint sich die Informatik schwerlich mit dem Ringen der Philosophie um ein wahres, schönes und gutes Wissen zu vertragen[.]“

Überspitzt gesagt: Daß die Informatik der ökonomischen Betriebsamkeit nahe ist, liegt weniger an der Informatik als an der ökonomischen Betriebsamkeit. Auch in der Informatik gibt es den Traum vom wahren, schönen und guten Betriebssystem, aber die meisten Informatikerinnen sind zu eng in ihr tägliches Leben eingebunden, um sich darum zu kümmern.

Philosophie dagegen ist vielleicht die Distanz von der ökonomischen Betriebsamkeit selbst. Deshalb muß sich die Philosophie auch im universitären Betrieb rechtfertigen. Informatik dagegen kann beides sein - ökonomische Betriebsamkeit oder Suche nach dem Fundamentalen. Die Informatik neigt sich in die Richtung, in der sie anerkannt ist.

Ähnliches kennt man auch von den Naturwissenschaften. Es gibt eine Physik, die nach der Weltformel sucht, und eine technische Physik, die das macht, was die Industrie gerade braucht.

Ein Beispiel für fundamentale Informatik wäre vielleicht Donald Knuth, der seit den sechziger Jahren an einem mehrbändigen Grundlagenwerk über Programmierung arbeitet. Seit 1990 hat er keine E-Mail-Adresse mehr. In seinem Kommentar dazu schreibt er: "Email is a wonderful thing for people whose role in life is to be on top of things. But not for me; my role is to be on the bottom of things."

Andere Formulierung: Die Informatik hat eine Seite, die der ökonomischen Betriebsamkeit nahesteht, und eine, die davon entfernt ist. Unter dem Druck der Verhältnisse fokussiert sie einseitig die ökonomische Seite. Philosophie dagegen kann man sehen als die Distanzierung von der ökonomischen Betriebsamkeit selbst.

Oder: Die Informatik ist der ökonomischen Betriebsamkeit gegenüber neutral. Deshalb zeigt sie sich in einer ökonomisierten Welt von ihrer ökonomischen Seite. Die Philosophie dagegen sieht sich als der Betriebsamkeit entgegengesetzt.

Leerstellen - H.A.L. 13:31, 14. Jan. 2011 (UTC)

„Zuerst projiziere ich die Tätigkeitsbereiche der beiden Disziplinen auf Begriffe der Baukunst: Philosophie entwirft kontrafaktische Architekturen, Informatik Softwarearchitekturen. Beide haben mit der Planung und Gestaltung von unterschiedlichen Räumen (Leerstellen) zu tun. Die Gestaltung benötigt Kreativität, Methodeneinsatz und (auch in der Philosophie) Erfahrung. Man schöpft aus sich selbst und seiner disziplinspezifischen Konditionierung.“

Planung von Leerstellen: Den Begriff „Leerstelle“ kenne ich aus der Literaturwissenschaft. Dort bezeichnet er einen nicht festgelegten Bereich in einem Werk, eine Stelle, an der ein Text auf verschiedene Weisen interpretiert werden kann. Nach einer gängigen Vorstellung ist es Aufgabe eines Kunstwerks, dem Publikum solche Leerstellen zur Verfügung zu stellen. Ähnlich kann man es in der Architektur sehen: Beim Bau eines Wohnblocks gilt es unter anderem, dem späteren Besitzer ein leeres Zimmer zu eröffnen, das dieser dann nach eigenen Vorstellungen einrichten kann. (Insofern ist „Gestaltung von Räumen/Leerstellen“ eine nicht ganz eindeutige Formulierung. Bezieht sich das auf die Architektin, die den leeren Raum anlegt, oder auf den Kunden, der ihn mit Inhalt füllt?)

Philosophie sehe ich ein bißchen anders. Ein möglicher Zweck eines philosophischen Werkes ist, ein allgemeines Erklärungsmodell zu liefern, das ich möglichst umfassend heranziehen kann, um Fragen zu bearbeiten, die mich beschäftigen. Ein Philosoph sucht nach einem auf wissenschaftlichem Niveau durchkonstruierten allgemeinem Weltbild. Dazu zieht er auch die Ergebnisse anderer Versuche von bedeutenden Philosophinnen zu Rate. Bisweilen sieht das tatsächlich so aus, daß er in einen ihm genehmen Raum eines bestehenden Gedankengebäudes einzieht und dort die Möbel aufstellt, die er braucht (dann muß er aber kein Philosoph sein, ich kann auch Inhalte eines philosophischen Textkorpus auf eine einzelwissenschaftliche Frage anwenden). Bisweilen fungiert die Vorlage aber eher als ein Fallbeispiel, dann ist die Philosophin keine Architektin, die mir einen Raum zum Einziehen baut, sondern eher eine, die auf einer Messe interessante Wohnzimmerlösungen präsentiert. - Daneben gibt es noch die Möbeldesignerin, die Komponenten erzeugt, welche ich in mein eigenes Gedankengebäude einbauen kann.

Man könnte jetzt noch überlegen, wie diese Sicht auf Wohnbauarchitektur eingeschränkt werden kann. Die Aufgabe der Architektin ist es nicht nur, mein Wohnzimmer mit vier Wänden zu umrahmen. Sie muß auch eine Infrastruktur bereitstellen (Strom, Gas, Wasser). - Und sie hat eine Grundvorstellung davon, wie ich in diesen Räumen wohnen möchte. Wie groß die Gemeinschaftsräume im Verhältnis zu den persönlichen Schlafzimmern sind, das räumliche Arrangement von Küche und Wohnzimmer etc. setzen Vermutungen dazu um, wie wir die Räume benutzen wollen werden.

wichtig vielleicht: Es gibt das Werk als Möglichkeitsspielraum, als Beispiel oder als Komponente. Und: In allesn Bereichen - Philosophie, Architektur, Literatur, Informatik - gibt es die Frage: Wie viel gibt die Architektin dem User vor, und wie viel läßt sie offen?

Später wird der Raum als Leerstelle wieder aufgegriffen: „Räume im Allgemeinen sind Leerstellen, die gestaltet werden können. In Räumen ist man - bei gegebenen Grenzen des Raumes - frei, sich einzurichten.“ Das wäre vielleicht eine Frage fürs Review: Wird der Text noch darauf rekurrieren, daß die Räume als Leerstellen fungieren?

Noch was Interessantes: In der Architektur sind die beiden Komponenten "Raum" und "Struktur" eindeutig voneinander geschieden: Ein Haus besteht aus Wänden, aber ein Raum ist da, wo keine Wand ist. Gilt das genauso für andere Disziplinen? Ich schaffe einen Möglichkeitsraum, indem ich ihn eingrenze.

Definitionen - H.A.L. 12:44, 15. Jan. 2011 (UTC)

„Wie geplant, müssen wir zunächst die Transformation durchführen. Dazu ist es nötig, die Basisterminologie zu definieren: Architektur und Raum.“

Der Abschnitt hat mich ein bißchen mehr beschäftigt, weil die Jury sich stark auf die Begriffe konzentriert hat. Tatsächlich werden hier anscheinend keine Begriffe definiert, sondern es werden die Begriffe aufgelistet, die für den Text eine Rolle spielen. Wirklich definiert muß hier keiner der Begriffe werden, weil die Verwendung so locker ist, daß die Unschärfen einer alltäglichen Verwendungsweise voraussichtlich keine Mißverständnisse provozieren werden.

In der Auflistung erscheint mir der Parallelismus der Sätze wichtiger als was der einzelne Satz genau aussagt. Die wesentliche Aussage scheint: Das Verhältnis von Baukunst zu Informatik zu Philosophie entspricht dem von Bauwerken zu Komponenten zu Möglichkeiten und dem von Bauwerkarchitektur zu Softwarearchitektur zu kontrafaktischer Architektur. Ein solcher Parallelismus dürfte wahrnehmungspsychologisch der beste Weg sein, eine solche Aussage auszudrücken; wenn man dem Zuhörer sagt, daß zwei Strukturen einander entsprechen, wird er das wohl weniger gut verarbeiten als wenn man ihn die Entsprechung entdecken läßt. Allerdings kann man einen wissenschaftlichen Text auch mit der Erwartung angehen, daß Präzision wichtiger ist als Eleganz. Dann wären die relevanten Informationen des Abschnitts ganz andere. Bei Leuten, die darauf bestehen, streng am Wortlaut zu lesen, muß das zu Mißverständnissen führen.

Was hier vielleicht wichtig wäre, wäre, die Begriffe „Architektur“ und „Baukunst“ (oder auch zwei andere Ausdrücke) voneinander abzugrenzen. Das eine wird allgemein jene Disziplinen bezeichnen, die sich mit der Bereitstellung von Möglichkeitsräumen auseinandersetzen, das andere konkret eine Disziplin, in der es darum geht, Häuser zu bauen. Der Definitionsabschnitt müßte klarmachen, daß in diesem Text Informatik keine Form von Baukunst ist, aber eine Form von Architektur (und der Text sich dann auch daran halten).

Dann müßte man wohl noch klären, was eine Leerstelle ist. Hier steht, daß es die Architektur ist, die den Raum gestaltet, in der nächsten Bemerkung aber, daß ein Raum eine Leerstelle ist, die gestaltet werden kann. Im Wohnbau ist es eben nicht die Architektin, die den Raum gestaltet, sondern der Bewohner; die Architektin stellt den Raum zur Verfügung. Hier müßte man sich fragen, wie wichtig die Unterscheidung zwischen der Struktur und der durch die Struktur eröffneten Leerstelle ist.