Benutzer Diskussion:Andyk/Badiou/weltenwandel: Unterschied zwischen den Versionen

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Ich denke, man kann hier unbesorgt zeitgemäßer, mit "trennende Bezeichnungen", übersetzen.
 
Ich denke, man kann hier unbesorgt zeitgemäßer, mit "trennende Bezeichnungen", übersetzen.
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= Der Empirismus argumentiert auf Basis von Zwängen =
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* Das ist zunächst eine Irritation, denn bei Zwängen denkt man gemäß dem, was man gerade in Wien gehört und gelesen hat, zunächst an den reinen Rationalismus à la Christian Wolff, der versucht Erkenntnis durch zwingende logische Schlüsse zu gewinnen - durch das Sezieren und Zusammenführen von Begriffen - und Erfahrung außen vor zu lassen.
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* Nächster Schritt: Kant's Autonomiebegriff beschreibt jene Tätigkeit, ''sich selbst'' ein Gesetz zu geben. Man urteilt vor allem auf Basis des selbst gegebenen Gesetzes, bei Kant dem Kategorischen Imperativ. Die Anmaßung ist, dass der Imperativ bei allen Menschen gleich und - Sie erlauben - ziemlich banal ist: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Anders gesagt: Wenn in dieser Situation jeder das tun würde, was ich nun zu tun im Begriff bin, ''kann'' ich das wollen? Welches Gesetz hindert mich daran, auf diese Frage immer "ja klar kann ich das, du wirst es gleich sehen, was ich kann" zu antworten? Kant würde die Antwort geben: OK, du kannst es, aber kannst du es argumentieren? Die Argumentation muss Bestand haben angesichts der allgemeinen Erkenntnismechanismen, die ich dir in zwei Bänden vorgelegt habe. Was für eine Autonomie!? Man versteht warum die Kritik eine Mauer ist.
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** Nebenbemerkung: Badiou schließt in Sein und Ereignis insofern an Kant an, dass er ebenfalls strenge allgemeine Mechanismen beschreibt. Doch er geht (historisch) vor Kant, indem die Mechanismen nicht Operationen des Subjekts, sondern Operationen des Seins sind (dem wir zugehören). Der strukturierende Blick verlagert sich von Erkenntnis auf das Geschehnis in das wir hineingestellt sind. Reine Gesetze der Präsentation treten an die Stelle der reinen Introspektion.
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* Selbstgesetzgebung, neuer Anlauf: Das was ich sehe gibt mir einen Spielraum für meine Urteile. Ich gebe mir ein Gesetz, so wie ich das will. Das Gesehene, so wie es sich zeigt, zwingt mich nicht zuerst. Wenn wir denken, sagt Badiou, gehen wir von Prinzipien aus, die wir uns geben. Die Prinzipien geben ein Tempo und eine Orientierung vor, wie wir uns am Gesehenen abarbeiten. Bei der Art der Strukturierung gibt es also einen Freiheitsgrad den wir entscheiden. Doch es gibt ein Risiko: Es kann sich zeigen, dass die Strukturierung sich nicht halten lässt. Hier ist also ein Moment des Zwangs, der zurückwirkt auf Wille und Wunsch.
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** Zwischenbemerkung: Bei der Übersetzung eines Textes gibt es einen Spielraum, den die Übersetzerin gestalten kann. Der Spielraum entsteht durch die Spannungen und Entspannungen zwischen der Quellsprache und der Zielsprache. Wenn wir die Quellsprache nicht so gut kennen, erscheint es, als gäbe es viel mehr Freiraum. Soviel Freiraum, dass wir nicht wissen, wie wir anfangen sollen. Aber zumindest zeigt sich etwas: Zeichenketten. Was fängt man damit an? Wir fangen z.B. mit einem Zusammenhang an, von dem uns die Übersetzung schon bekannt ist. Wir kennen uns doch aus in der Zielsprache, also können wir mit Vorsicht auf die Quellsprache rückschließen und uns von hier aus weiter bewegen. Egal, ob uns existierende Übersetzungen vorliegen oder nicht, irgendwann müssen wir Annahmen treffen über die Struktur der Quellsprache, so wie wir wollen und meinen. Text ist geduldig. Wie wissen wir, dass es stimmt, also dass wir die Struktur der Quellsprache nicht verletzen? Sie, die Quellstruktur, könnte sich melden. Doch wie tut sie das? Wenn sie sich meldet, meldet sie sich durch die Zielsprache beim Aus- oder Entsetzen der Übersetzerin, die, z.B. zwischen Satz und Folgesatz eine Inkonsistenz bemerkt und sich gezwungen sieht, ihre Fiktion, d.h. die Annahmen über die Quellstruktur zu überarbeiten, damit Satz und Folgesatz sich wenigstens in der Zielsprache ausgehen. Vielleicht sind das die Momente, in denen die Zeichen der Quellsprache beginnen etwas zu bedeuten. Manchmal werden wir die Verletzung nicht bemerken (wollen), denn wir messen mit unserem Maß, welches das Maß der Brauchbarkeit für die Teilnehmerinnen der Zielsprache ist. Eins noch: Was gibt uns Anlass zu sagen, dass sich die Quellsprache gemeldet hat? Die Übersetzerin wird aussagen, dass sie nicht willkürlich aufgehört hat und nun neue Annahmen behauptet. Dies wird sich in weiterer Folge bewähren müssen.

Aktuelle Version vom 7. August 2012, 22:49 Uhr

noms séparateurs - abscheidende Namen - trennende Bezeichnungen

Der Term ist die Übersetzung des deutschen Terms "abscheidende Namen" und scheint von Humboldt's "Über die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus" zu kommen. Im Kontext der Klassifizierung von Sprachen wendet sich Humboldt gegen die stringente Trennung von analytischen und synthetischen Sprachen und möchte daher Bezeichnungen vermeiden, die einen solchen Gegensatz nahelegen:

"Der in jede feinste Abschattung der Ideen eingehende Urheber jener Benennungen bemerkt bei den synthetischen und analytischen Sprachen selbst, dass die Grenzlinie nicht scharf zu ziehen ist, und es paßt dies noch mehr auf die synthetischen /i.S.v. flektierenden/ und affigierenden. Darum aber halte ich abscheidende Namen für nachtheilig, und habe mich , sowohl bei einer, übrigens der Schlegelschen ganz ähnlichen Eintheilung aller Sprachen, als hier bei der Absonderung der formloseren von den fester organischen nur solcher Umschreibungen bedient, welche sowohl den Unterschied, als den Übergang der trennenden Gränzen in einander angeben."

Ich denke, man kann hier unbesorgt zeitgemäßer, mit "trennende Bezeichnungen", übersetzen.

Der Empirismus argumentiert auf Basis von Zwängen

  • Das ist zunächst eine Irritation, denn bei Zwängen denkt man gemäß dem, was man gerade in Wien gehört und gelesen hat, zunächst an den reinen Rationalismus à la Christian Wolff, der versucht Erkenntnis durch zwingende logische Schlüsse zu gewinnen - durch das Sezieren und Zusammenführen von Begriffen - und Erfahrung außen vor zu lassen.
  • Nächster Schritt: Kant's Autonomiebegriff beschreibt jene Tätigkeit, sich selbst ein Gesetz zu geben. Man urteilt vor allem auf Basis des selbst gegebenen Gesetzes, bei Kant dem Kategorischen Imperativ. Die Anmaßung ist, dass der Imperativ bei allen Menschen gleich und - Sie erlauben - ziemlich banal ist: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Anders gesagt: Wenn in dieser Situation jeder das tun würde, was ich nun zu tun im Begriff bin, kann ich das wollen? Welches Gesetz hindert mich daran, auf diese Frage immer "ja klar kann ich das, du wirst es gleich sehen, was ich kann" zu antworten? Kant würde die Antwort geben: OK, du kannst es, aber kannst du es argumentieren? Die Argumentation muss Bestand haben angesichts der allgemeinen Erkenntnismechanismen, die ich dir in zwei Bänden vorgelegt habe. Was für eine Autonomie!? Man versteht warum die Kritik eine Mauer ist.
    • Nebenbemerkung: Badiou schließt in Sein und Ereignis insofern an Kant an, dass er ebenfalls strenge allgemeine Mechanismen beschreibt. Doch er geht (historisch) vor Kant, indem die Mechanismen nicht Operationen des Subjekts, sondern Operationen des Seins sind (dem wir zugehören). Der strukturierende Blick verlagert sich von Erkenntnis auf das Geschehnis in das wir hineingestellt sind. Reine Gesetze der Präsentation treten an die Stelle der reinen Introspektion.
  • Selbstgesetzgebung, neuer Anlauf: Das was ich sehe gibt mir einen Spielraum für meine Urteile. Ich gebe mir ein Gesetz, so wie ich das will. Das Gesehene, so wie es sich zeigt, zwingt mich nicht zuerst. Wenn wir denken, sagt Badiou, gehen wir von Prinzipien aus, die wir uns geben. Die Prinzipien geben ein Tempo und eine Orientierung vor, wie wir uns am Gesehenen abarbeiten. Bei der Art der Strukturierung gibt es also einen Freiheitsgrad den wir entscheiden. Doch es gibt ein Risiko: Es kann sich zeigen, dass die Strukturierung sich nicht halten lässt. Hier ist also ein Moment des Zwangs, der zurückwirkt auf Wille und Wunsch.
    • Zwischenbemerkung: Bei der Übersetzung eines Textes gibt es einen Spielraum, den die Übersetzerin gestalten kann. Der Spielraum entsteht durch die Spannungen und Entspannungen zwischen der Quellsprache und der Zielsprache. Wenn wir die Quellsprache nicht so gut kennen, erscheint es, als gäbe es viel mehr Freiraum. Soviel Freiraum, dass wir nicht wissen, wie wir anfangen sollen. Aber zumindest zeigt sich etwas: Zeichenketten. Was fängt man damit an? Wir fangen z.B. mit einem Zusammenhang an, von dem uns die Übersetzung schon bekannt ist. Wir kennen uns doch aus in der Zielsprache, also können wir mit Vorsicht auf die Quellsprache rückschließen und uns von hier aus weiter bewegen. Egal, ob uns existierende Übersetzungen vorliegen oder nicht, irgendwann müssen wir Annahmen treffen über die Struktur der Quellsprache, so wie wir wollen und meinen. Text ist geduldig. Wie wissen wir, dass es stimmt, also dass wir die Struktur der Quellsprache nicht verletzen? Sie, die Quellstruktur, könnte sich melden. Doch wie tut sie das? Wenn sie sich meldet, meldet sie sich durch die Zielsprache beim Aus- oder Entsetzen der Übersetzerin, die, z.B. zwischen Satz und Folgesatz eine Inkonsistenz bemerkt und sich gezwungen sieht, ihre Fiktion, d.h. die Annahmen über die Quellstruktur zu überarbeiten, damit Satz und Folgesatz sich wenigstens in der Zielsprache ausgehen. Vielleicht sind das die Momente, in denen die Zeichen der Quellsprache beginnen etwas zu bedeuten. Manchmal werden wir die Verletzung nicht bemerken (wollen), denn wir messen mit unserem Maß, welches das Maß der Brauchbarkeit für die Teilnehmerinnen der Zielsprache ist. Eins noch: Was gibt uns Anlass zu sagen, dass sich die Quellsprache gemeldet hat? Die Übersetzerin wird aussagen, dass sie nicht willkürlich aufgehört hat und nun neue Annahmen behauptet. Dies wird sich in weiterer Folge bewähren müssen.