Benutzer Diskussion:Andyk/Badiou/M1

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Eine Analyse "extrafein". Ich versuche, ihr entlang, einige Bemerkungen.

ens et unum

"Ens et unum convertuntur" ist schon vor Leibniz eine scholastische These: "quodlibet ens est unum, verum, bonum seu perfectum". Das sind die sogenannten "Transzendentalien", die jedem Seienden zukommen. Man müsste nun genauere philologische Forschungen betreiben, wie "quodlibet ens" und "esse" zusammenhängen. "Jedes Seiende ist eins", das kann man als analytische Aussage betrachten (wenn man sowas annimmt). Wir sind nicht gewillt, einen Satz zu akzeptieren, in dem wir über etwas sprechen, das nicht auch eins ist. Also auch die gegenwärtige Wasserspiegelung ist eins, sofern sie als angesprochenes Thema in unseren Aussagen vorkommt. Die Frage ist allerdings, wie man hier mit dem Unterschied zwischen "jedes Seiendes" und "Sein" umgeht.

Denn "Sein" liegt offenbar auf einer höheren Betrachtungsstufe. Mit "Das Sein ist eins" oder "Das Sein ist Eines" kommt man in einen speziell metaphysischen Bereich.

  • "Alle Granny Smith Äpfel sind grün." -- "Die Sorte Granny Smith ist grün." Das sagt man wohl, aber es ist ein übertragener Gebrauch.
  • "... ist eins" ist ein Prädikat analog zu "... ist grün". Dagegen tritt "eins" in "...ist Eines" als Prädikatsnomen auf. Das wird bedenklich: "Ein Granny Smith ist Grünes" geht noch irgendwie. Aber die Sorte ist nichts Grünes.
  • Und man muss sehen, dass es sich um Seinsbestimmungen handelt. Das wird am "X ist Y" greifbar. Wir sprechen "dem Sein" eine Beschaffenheit zu, die "es ist".

über-drüber

Das sind nur kurze sprachanalytische Hinweise. Wie funktioniert die Sache nun nach Badiou? Ich paraphrasiere. Das ist dann mit Andreas' Orientierungsversuchen in Beziehung zu setzen.

"Das Sein" ist ein Gipfelpunkt der Betrachtung der Gegebenheiten auf der Welt. Abstrakter geht es nicht mehr, das Denken stößt an eine Grenze. Es ist so wie der absolute Nullpunkt der Temperatur oder die Lichtgeschwindigkeit: non plus ultra. Und von diesem Punkt ist etwas zu sagen, was mit ihm angelegt, gegeben ist und was von ihm aus alle Weltgegebenheiten bestimmt. Er kann nicht anders als eins sein und alles, was auf ihn hin hoch-verweist teilt dieses Eins-Sein. Wir wissen, woraufhin alles hinausläuft, und wir stellen alles unter seine Obhut. Damit ist die Schwierigkeit genannt. Zwei Motive sollen gleichzeitig vertreten werden:

  • Es gibt eine über-drüber Instanz
  • Sie ist unter uns zugegen

Wenn man das beides haben will, wird eine Auskunft fällig. Wie sieht es aus, wenn sich die über-drüber Instanz zu uns herab bequemt? Die Dialektik der platonischen Teilhabe. Ein Graben wird aufgerissen und überbrückt. Hegel hat diesen Seiltanz brilliant vorgeführt. Die Philosophiegeschichte ist voll von Vorschlägen, wie das zu denken wäre. Badious Schachzug ist, diese Dialektik auszubuchstabieren und zu verwerfen. Er setzt damit ein anderes Verhältnis zwischen dem Über-Drüber und dem, wovon es über-drüber ist. Das ist der Hintergrund seiner Sprachregelung.

Sprachregelungen

Wie kommt man an Formulierungen wie "Seiendes ist eins", "Sein ist Einheit" heran? Bei Badiou fehlt völlig die Überlegung, dass wir hier mit verschiedenen Wortarten verschiedene Effekte zu erzielen versuchen.

Andreas:

das Verhältnis von un (1), l'un, l'Un und l'unité

Ein Zahlwort (eins), daraus ein Substantiv gemacht (die Eins), daraus eine Bezeichnung für den Begriff, der die Instanzen dieses Substantivs bestimmt (das Eine) und das erweitert durch eine weitere Bezeichnung dieses Begriffes. "grün", "das Grün", "das Grüne", "die Grünheit". Es ist schon sehr erstaunlich, dass ein Mathematiker und Ontologe sich ungeniert und undefiniert in diesem Feld bewegt.

Die Ecksätze:

  1. l'un n'est pas
  2. Il y a de l'Un
  3. il n'y a pas d'un, il n'y a que le compte-pour-un.

Nach (1) kann von der Eins nicht gesagt werden, dass sie ist. Nach (2) kann gesagt werden, dass es das Eine gibt. Nach (3) gibt es die Eins nicht, stattdessen aber die Zählung-als-Eins. Das klingt verwirrend. Welchen Unterschied macht Badiou zwischen "l'un" und "l'Un"? Bringt dieses Changieren etwas weiter? Reicht die folgende Paraphrase:

Traditionell ist die abstrakteste Kennzeichung alles Besprechbaren ("Sein") automatisch mit der Qualifikation "eins" verbunden worden. Diese Qualifikation ist nichts, was man wie Besprechbares besprechen kann.

--anna 13:37, 12. Aug. 2011 (UTC)