Benutzer Diskussion:Blade Runner/WS08-OSP-E07-21 11 08

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Der Prozess der Verschriftlichung

Als ich gestern Abend einen Teil dieses Transkripts bearbeitet/formatiert habe, ist mir wieder in Erinnerung gekommen, warum ich seit letztem Semester mit dem, was jetzt Trankripts heißt, begonnen habe. In der mündlichen Rede fallen einem gewisse Unterscheidungen nicht so stark auf. Wenn man gesprochene Rede niederschreiben will, bietet es sich an, an manchen Stellen Umformulierungen und Markierungen vorzunehmen. Durch den Prozess des Unterstreichens und Umformulierens macht man sich Gedanken über den Inhalt des Gesprochenen, man versucht, die Bedeutung des Satzes so explizit wie möglich zu machen. Durch die Strukturierungen kann man den Kontext der Sätze andeuten (das ist der konstruktive Teil bei der Verschriftlichung).

Mir ist zum Beispiel durch folgende Formulierung die Verbindung zwischen Allgemeinen und Öffentlichen bei Sokrates erst richtig klar geworden:

Sokrates stellt diese WAS-IST-Fragen im Bereich (AKA: Scope) einer Öffentlichkeit, die über (AKA: den Scope der) Fachmeinungen hinausgehen. Damit verblüfft Sokrates seine Gesprächspartner zunächst einmal; er lässt sie ratlos sein. Dadurch gelingt es ihm, deren Einzelmeinungen zu zerlegen.

Dieser Prozess der Verschriftlichung ist vielleicht vergleichbar mit Heinrich von Kleists allmählicher Verfertigung der Gedanken beim Reden:

"Kleist empfiehlt in seinem Aufsatz, schwierige Fragen mit einem Gesprächspartner zu besprechen [...] um die Notwendigkeit auf Seiten des Sprechenden, sich eines Sachverhaltes im Moment des „Darüber-Sprechens“ klarer zu werden: Wenn nämlich der Sprechende seine Gedanken ordnet, um seine Sichtweise dem Hörenden zu erläutern, wird er sich der Dinge bewusster und gelangt dadurch zu einer tieferen Einsicht in die von ihm angesprochenen schwierigen Sachverhalte."

Das Problem dabei war, dass der Sprechende sich seiner Gedanken zwar klarer wurde, der Hörende aber mit Gedanken konfrontiert wurde, die ihm noch nicht geläufig waren und der deswegen einen ähnlichen Prozess wie der Sprecher durchmachen müsste (er müsste also auch darüber sprechen). Durch die Umformulierungen, Hervorhebungen und Verlinkungen bei der Verschriftlichung kann man - so geht es mir dabei zumindest - den Verstehensprozess vertiefen, mit dem zusätzlichem Ergebnis, dass die Leser dieser bearbeiteten Transkripts etwas davon haben.

Ein Kollege aus der Informatik, der sich diese Transkripts regelmäßig und parallel zu den MP3-Strems durchliest, hat mir letztens erzählt, dass er sehr unterschiedliche Trankript-Qualitäten bemerkt hat, die er vor allem auf die mangelnden Umformulierungen zurückgeführt hat. Die starre Abbildung des Redeflusses ist - so schließe ich mich dem Kommentar meines Kollegen an - für alle Beteiligten (Vortragender, Schreiber und Leser) nicht wünschenswert. Dieses Statement ist vielleicht eine kleine Provokation - das Risiko gehe ich aber ein. Vielleicht haben andere dazu andere Vorstellungen? --Andyk 17:17, 15. Dez. 2008 (CET)

Verschriftlichung und Qualität

Vorbemerkung

Da dies mein erster Beitrag in diesem Wiki ist, sei es mir vorab erlaubt, als bislang staunend beobachtender Informatikstudent einige Bemerkungen vorauszuschicken: Zuallererst – ich bin begeistert von der Vortrags- und Diskussionskultur in dieser Gemeinschaft, die mir im Vergleich zur gewohnten von außergewöhnlicher Empathie, Behutsamkeit und zugleich Produktivität und Zielstrebigkeit geprägt zu sein scheint.

Was ist Qualität?

Versuch einer Hierarchie über die verschiedenen geistigen Produktionen rund um die VO OSP.

Dieser Text sollte eigentlich eine Art Antwort auf den Diskussionsbeitrag von Andreas Kirchner sein, und daher möchte ich zunächst den Begriff der Qualität aus jenem Kontext heben, der in uns oft diese mehr oder weniger implizite Wertung zwischen „gut“ und „weniger gut“ hervorruft: Gerade im Zusammenhang mit Open Source könnten wir dieser Qualität doch die sprachliche und inhaltliche Distanz zur ersten Quelle als Maßstab zugrunde legen, also: wie weit sind die Mitschriften vom gesprochenen Wort entfernt? Und dann können wir sagen „gut, hier gibt es eine Reihe von Umformulierungen drin, das erleichtert mir das Verständnis, wenn ich nur das Transkript lese, ohne die MP3s dazu parallel anzuhören.“ Die besser-schlechter-Wertung ergibt sich dann für jeden persönlich und ist natürlich nur in sehr komplexen Zusammenhängen wirklich greifbar. (Ich erlaube mir diese Aussage hier, weil ich der Kollege war, von dem Andreas Kirchner im vorigen Beitrag spricht.)

Mit der genannten Distanz kommt eine Art Klassifikation für diesen Qualitätsmaßstab ins Spiel, die ich hier relativ willkürlich in eine grafische Darstellung zu verpacken versucht habe und für oder gegen die man wohl eine große Zahl an Argumenten vorbringen kann.

Über die Verschriftlichung

Den angesprochenen „Prozess der Verschriftlichung“ (als Verarbeitung und Verständnishilfe) sehe ich recht ähnlich wie mein Vorredner, und gerade diese Verständnisprozesse, die ein Vortragender on-the-fly bei seinen Zuhörern hervorrufen kann, sind imho etwas, das in der Praxis definiert, ob wir von einem Vortrag begeistert sind oder nicht (die Motivation, sich selbst durch Verständnis des Inhalts begeistern zu können, mal vorausgesetzt). Ich bin davon überzeugt, dass wir diese Wertungen zu einem wesentlichen Teil unbewusst vornehmen (was wir etwa nachvollziehen können, wenn wir versuchen, uns selbst zu erklären, warum wir die Person X oder die Lehrveranstaltung Y sympathisch finden, da kommen wir mit rein rationalen Argumenten nicht besonders weit).

Mich würde auch durchaus interessieren, was ihr darüber denkt!

--matthieu 21:00, 26. Dez. 2008 (CET)