Benutzer:PW\Schulmotto: Unterschied zwischen den Versionen

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Ich möchte hier ein Fallbeispiel präsentieren, in dem es einerseits um den Umgang mit Texten und andererseits um Bildungseinrichtungen, die u.A. auch der Einführung in unsere Schriftkultur dienen, geht. Es handelt sich um ein Thema, das mich vor einiger Zeit sehr beschäftigt hat und das ich jetzt aus größerer Distanz noch einmal betrachten möchte.
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Ich möchte hier ein Fallbeispiel präsentieren, in dem es einerseits um den Umgang mit Texten geht und andererseits um Bildungseinrichtungen, die u.A. auch der Einführung in unsere Schriftkultur dienen. Es handelt sich um ein Thema, das mich vor einiger Zeit sehr beschäftigt hat und das ich jetzt aus größerer Distanz noch einmal betrachten möchte.
  
 
Es geht um ein Wiener Realgymnasium, das, im Kampf mit schwindenden SchülerInnenzahlen, beschlossen hat, das eigene Profil durch einen sogenannten Schulentwicklungsprozess zu schärfen. Es wurden verschiedene Veränderungen angestrebt: der Umstieg von einer 6- auf eine 5-Tage-Woche, eine neue modulare Oberstufe und einiges anderes. Das Bemerkenswerte daran war aber, dass man nur äußerst selten sachliche Argumente für diese Umstellungen hören konnte, die Grundidee schien eher zu sein: wir probieren einmal aus was geht und wenn wir Glück haben, dann bekommen wir dadurch auch mehr SchülerInnen.
 
Es geht um ein Wiener Realgymnasium, das, im Kampf mit schwindenden SchülerInnenzahlen, beschlossen hat, das eigene Profil durch einen sogenannten Schulentwicklungsprozess zu schärfen. Es wurden verschiedene Veränderungen angestrebt: der Umstieg von einer 6- auf eine 5-Tage-Woche, eine neue modulare Oberstufe und einiges anderes. Das Bemerkenswerte daran war aber, dass man nur äußerst selten sachliche Argumente für diese Umstellungen hören konnte, die Grundidee schien eher zu sein: wir probieren einmal aus was geht und wenn wir Glück haben, dann bekommen wir dadurch auch mehr SchülerInnen.

Version vom 2. Mai 2011, 10:30 Uhr

Ich möchte hier ein Fallbeispiel präsentieren, in dem es einerseits um den Umgang mit Texten geht und andererseits um Bildungseinrichtungen, die u.A. auch der Einführung in unsere Schriftkultur dienen. Es handelt sich um ein Thema, das mich vor einiger Zeit sehr beschäftigt hat und das ich jetzt aus größerer Distanz noch einmal betrachten möchte.

Es geht um ein Wiener Realgymnasium, das, im Kampf mit schwindenden SchülerInnenzahlen, beschlossen hat, das eigene Profil durch einen sogenannten Schulentwicklungsprozess zu schärfen. Es wurden verschiedene Veränderungen angestrebt: der Umstieg von einer 6- auf eine 5-Tage-Woche, eine neue modulare Oberstufe und einiges anderes. Das Bemerkenswerte daran war aber, dass man nur äußerst selten sachliche Argumente für diese Umstellungen hören konnte, die Grundidee schien eher zu sein: wir probieren einmal aus was geht und wenn wir Glück haben, dann bekommen wir dadurch auch mehr SchülerInnen.

Diese Grundidee drückte sich auch in einem Gedicht aus, das dem Leitbild der Schule vorangestellt wurde:

Wer will
dass die Welt
so bleibt
wie sie ist
der will nicht
dass sie bleibt.

Das Gedicht stammt vom Namensgeber der Schule, Erich Fried, und wurde nicht nur an der prominenten Stelle im Schul-Leitbild, sondern auch in diversen anderen Schriftstücken im Zusammenhang des Schulentwicklungsprozesses so wiedergegeben.

Die Pointe ist nun, dass dieses Gedicht in dieser bestimmten Form kein Gedicht von Erich Fried ist. Zunächst einmal trägt das echte Gedicht einen Titel (der manchmal mitgenannt wurde): "Status quo". Andererseits trägt es auch noch einen sinnstiftenden Untertitel: "zur Zeit des Wettrüstens", der in den Zusammenhängen der Schulentwicklung immer unterschlagen wurde. Vollständig lautete es:

Status quo
zur Zeit des Wettrüstens

Wer will
daß die Welt
so bleibt
wie sie ist
der will nicht
daß sie bleibt.

Ein Freund von mir hat diesen Zitierfehler entdeckt und auch die Verantwortlichen informiert. Darauf und auf einen Artikel im Schuljahrbuch zu diesem Thema gab es keine Reaktion. In darauf folgenden Semestern versuchten einige (wenige) Lehrer, die SchülerInnenvertretung und einige Elternvertreter diese Peinlichkeit - eine Schule, die nicht einmal ihren Namensgeber richtig zitieren kann, bzw. ihn sogar missbraucht - zu beheben, stießen aber auf großen Widerstand einer Gruppe von LehrerInnen, die im Schulentwicklungsprozess sehr engagiert waren und diese Version des Gedichts sehr lieb gewonnen hatten. Letztlich erschien sogar ein Artikel im Spectrum der Presse zu diesem Thema: Setzen, nicht genügend. Bis heute hat sich nichts daran geändert, dass diese Schule, die sonst so viel Wert auf "wissenschaftliches Arbeiten" und korrektes Zitieren legt, auf ihren Websites die besagte (Sinn-)gekürzte Variante des Gedichts als eigenes Motto präsentiert: Leitbild des BRG9.