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Ich bin jetzt dabei, Ihnen ganz kurz und protoypisch drei Probleme zu nennen, die sich mit diesem Ansatz ergeben, um dann Ihnen zu zeigen, dass Platon diese Probleme auch schon gesehen hat und dass es seit dem Beginn des Platonismus die Schwierigkeit und auch die Selbstkritik des Platonismus gegeben hat in Hinblick auf diese Probleme. Die Probleme kann man sich in drei verschiedenen Weisen vorstellen.  
 
Ich bin jetzt dabei, Ihnen ganz kurz und protoypisch drei Probleme zu nennen, die sich mit diesem Ansatz ergeben, um dann Ihnen zu zeigen, dass Platon diese Probleme auch schon gesehen hat und dass es seit dem Beginn des Platonismus die Schwierigkeit und auch die Selbstkritik des Platonismus gegeben hat in Hinblick auf diese Probleme. Die Probleme kann man sich in drei verschiedenen Weisen vorstellen.  
  
Erstens, wie kommt der Bildungsprozess, dieses Abstreifen der Körperlichkeit, in Gang? Wer ist dazu qualifiziert? Zweitens, die strahlenden Ideen: Wie sind wir ihnen gewachsen?  
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1) Wie kommt der Bildungsprozess, dieses Abstreifen der Körperlichkeit, in Gang? Wer ist dazu qualifiziert?  
  
Drittens, eben diese Ideen: Warum geben sie sich mit uns ab?  
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2) Die strahlenden Ideen: Wie sind wir ihnen gewachsen?
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3) Eben diese Ideen: Warum geben sie sich mit uns ab?  
  
 
Zweitens und drittens sind Dinge, zu denen ich noch ein bisschen etwas sagen möchte. Diese beiden Problembereiche sind typische Probleme, die mit einem Dualismus zusammenhängen. Immer dann, wenn Sie philosophische Auffassungen haben, die mit zwei markant voneinander getrennten Begriffen arbeiten, z.B. Körper und Geist oder Gehirn und Bewusstsein oder Sein und Sollen, diese Art von dichotomischem Begriffsgebrauch, immer dann handeln Sie sich die Rückfrage ein: Sie haben das auseinander gerissen, wie kann man aus dem wieder etwas zusammentun? Das ist der Typus von philosophischer Frage oder Disputation, die so aussieht, dass man sagt, es gibt eine Uhr, die sehr gut funktioniert, man nimmt die Uhr auseinander, dann haben Sie die einzelnen Bestandteile der Uhr, Sie haben unterschieden zwischen der funktionierenden Uhr und den einzelnen Bestandteilen, jetzt möchte ich doch wissen, ob Sie das wieder zusammenbringen, ob Sie die Uhr wieder zusammensetzen können. Wenn Sie das auseinander nehmen, dann zerstören Sie einen funktionierenden Zusammenhang und können nicht erklären, wie die Gesamtmechanik und die Einzelmaterialität zusammenpassen. Das heißt, es gibt bei jeder Art von dualistischem Ansatz notorisch das Problem der Frage, wie passt es wieder zusammen. Wenn man es scharf und schärfer voneinander trennt, wird es schwer und schwerer zu erklären, wie man das, was man säuberlich getrennt hat, auch wiederum zusammenfasst. Ersparen Sie mir das im Zusammenhang mit z.B. österreichischer Staatsbürgerschaft oder Migration auszubuchstabieren. Sie können sich selber einen Reim darauf machen, wenn es die supersauberen ÖsterreicherInnen und die Nicht-ÖsterreichInnen, die nicht supersauber sind, dann haben Sie zwar eine klare Trennung der Welt. Aber die Frage, wie das funktionieren kann z.B. im Zusammenhang mit globalen Abhängigkeitsverhältnissen bleibt offen.
 
Zweitens und drittens sind Dinge, zu denen ich noch ein bisschen etwas sagen möchte. Diese beiden Problembereiche sind typische Probleme, die mit einem Dualismus zusammenhängen. Immer dann, wenn Sie philosophische Auffassungen haben, die mit zwei markant voneinander getrennten Begriffen arbeiten, z.B. Körper und Geist oder Gehirn und Bewusstsein oder Sein und Sollen, diese Art von dichotomischem Begriffsgebrauch, immer dann handeln Sie sich die Rückfrage ein: Sie haben das auseinander gerissen, wie kann man aus dem wieder etwas zusammentun? Das ist der Typus von philosophischer Frage oder Disputation, die so aussieht, dass man sagt, es gibt eine Uhr, die sehr gut funktioniert, man nimmt die Uhr auseinander, dann haben Sie die einzelnen Bestandteile der Uhr, Sie haben unterschieden zwischen der funktionierenden Uhr und den einzelnen Bestandteilen, jetzt möchte ich doch wissen, ob Sie das wieder zusammenbringen, ob Sie die Uhr wieder zusammensetzen können. Wenn Sie das auseinander nehmen, dann zerstören Sie einen funktionierenden Zusammenhang und können nicht erklären, wie die Gesamtmechanik und die Einzelmaterialität zusammenpassen. Das heißt, es gibt bei jeder Art von dualistischem Ansatz notorisch das Problem der Frage, wie passt es wieder zusammen. Wenn man es scharf und schärfer voneinander trennt, wird es schwer und schwerer zu erklären, wie man das, was man säuberlich getrennt hat, auch wiederum zusammenfasst. Ersparen Sie mir das im Zusammenhang mit z.B. österreichischer Staatsbürgerschaft oder Migration auszubuchstabieren. Sie können sich selber einen Reim darauf machen, wenn es die supersauberen ÖsterreicherInnen und die Nicht-ÖsterreichInnen, die nicht supersauber sind, dann haben Sie zwar eine klare Trennung der Welt. Aber die Frage, wie das funktionieren kann z.B. im Zusammenhang mit globalen Abhängigkeitsverhältnissen bleibt offen.

Version vom 22. Januar 2011, 17:00 Uhr

Prüfung

Drei Fragen, die man relativ kurz beantworten kann, eher standardisiert. Und ich werde eine Frage stellen, bei der man sich ein bisschen geistig betätigen kann, ein bisschen zeigen kann, welche Probleme man sieht und wie man mit den ausgewählten Themen dieser Vorlesung umgeht.

Prüfung kann auch in der Sprechstunde gemacht werden. Auch im März gibt es eine schriftliche Prüfung (wird bekannt gegeben).


Einleitung

Ich werde diese Sitzung dafür verwenden, zwei Dinge zu tun. Einerseits Ihnen noch einmal vor Auge zu führen, was in etwa die Themenstellung gewesen ist, mit der ich mich beschäftigt habe, einige Grundvoraussetzungen, die man anspricht und betrachtet, wenn man mit dem Stichwort Cyberplatonismus umgeht. Und ich werde im zweiten Teil Ihnen einige Passagen von Platon vorstellen, aus dem Phaidon und aus dem Parmenides, damit Sie in einer direkteren Weise, als es bisher geschehen ist, sehen, wie dieser Typus von Problem aussieht, als er das erste Mal in der Philosophiegeschichte formuliert worden ist. Wir haben an dieser Stelle eine doppelte Zugangsweise, die in der Philosophie durchaus gebräuchlich und berechtigt ist, nämlich dass es auf der einen Seite Personen gibt, die Trendsetter sind in dem Sinn, dass sie auf ein Problem aufmerksam gemacht haben; dass sie bestimmte Fragen gestellt haben. Und auf der anderen Seite haben diese Fragen gezündet. Leute denken nach diesen Vorgaben, interessieren sich dafür und beschreiben den Typus von Problem, der das erste Mal aufgetreten ist an dieser Stelle. Platon hat auf der einen Seite einen Typus von Problem geschaffen (über diesen Typus haben wir die meiste Zeit gesprochen), er hat aber diesen Typus von Problem auf eine bestimmte Art und Weise angerissen. Es gibt so etwas wie ein Erstmals-in-die-Welt-treten eines Problems. Dieses Problem ist geboren worden an dieser Stelle unter diesen Konstellationen. Und auf der anderen Seite ist das Problem überzeugend und interessant für Personen, die auch gar nichts über Platon wissen. Man muss in einem gewissen Sinn – und das ist philosophisch berechtigt – gar nicht wissen, wer Platon gewesen ist; es könnte jemand ganz anderer gewesen sein, es könnte die Person XY gewesen sein. Das Problem hat Bestand und Interesse, auch wenn es nicht Platon gewesen wäre. Und dennoch ist es so, dass es eben Platon gewesen ist auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Das nennt man in der Wissenschaftsforschung den context of discovery und den context of legitimation. Es gibt einen Kontext, in dem der Elektromagnetismus oder die radioaktive Strahlung gefunden worden ist und es gibt einen Kontext, in dem das nun in der Wissenschaft etabliert ist und darüber argumentiert wird. Ich nenne diese Parallele darum, weil in gewöhnlichen – zumindest naturwissenschaftlichen – Verfahrensweisen der context of discovery zwar interessant ist und sich gut eignet für Fernsehdokumentationen und für nostalgische Rückgriffe in die Geschichte der Wissenschaft. Um ein Beispiel zu nennen: Einstein eignet sich aus mehreren Gründen großartig, der Genie des Jahrhunderts gewesen zu sein: er sieht gut aus, er ist politisch auf der richtigen Seite, er ist ein absolut genialer Physiker. Wenn Sie Physik und Relativitätstheorie studieren, brauchen Sie aber kein Bild von Einstein, sondern Sie brauchen ein paar Formeln, und diese Formeln kommen zwar von Einstein, aber wie immer diese Formeln formuliert werden und wie sie pädagogisch, didaktisch, theoretisch besser dargestellt werden, ist die wichtige Geschichte, die die Physik betreibt und nicht das, was Einstein vielleicht dazu geschrieben hat.

Ich habe das vorher schon zweimal gesagt, dass das in der Philosophie anders ist. Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen. Es gibt in der Philosophie auf der einen Seite auch diese Tendenz zu sagen, systematisch platonische Fragestellungen können wir verfolgen auch ohne Platon. Zweitens aber ist die Philosophie durchzogen von Ansätzen und wesentlichen Beiträgen, die daher kommen, dass man sagt, wir lesen das wie es Platon geschrieben hat im Originalgriechisch noch einmal und noch einmal und noch einmal. Und indem wir in den platonischen Texten schürfen und schauen, dass Platon ja kein Unrecht geschieht durch [?], treiben wir die Philosophie voran. Das absolut schlagendste und wirksamste Beispiel der letzten fünfzig/sechszig Jahre im Zusammenhang mit Platon war Heidegger, der gesagt hat, ich lese Platon neu, ich lese das platonische Werk neu und ich entwickle aus meiner Neulektüre von Platon eine Initiative für die Philosophie heutzutage, eine neue Form zu philosophieren. Auf diese Art und Weise kann es in der Philosophie vorgehen, kann es geschehen, dass die direkte Beschäftigung mit dem Stoff (wenn Sie so wollen Philologie) eine gewisse Verliebtheit in das originale Auftreten dieser Ideen für die Philosophie wichtig ist. Diesem Bedürfnis habe ich in der bisherigen Vorlesung nicht so viel Rechnung getragen. Ich werde versuchen, es heute nachzuholen.


Erinnerung

Erster Teil: Zur Erinnerung dessen, was wir gemacht haben. Ich habe das in ein paar kurzen Sätzen zusammengefasst: Durch digitale Technologien entstehen virtuelle Welten. Sie simulieren Realitäten und können diesen Realitäten in Grenzfällen ersetzen. Dann hat ein informatisches Konstrukt die greifbare Körperlichkeit ersetzt. Wir haben das einerseits diskutiert an dem Punkt, wo wir gesagt haben, Bilder und Spiegel sind ganz ohne digitale Voraussetzungen Formen der Wiedergabe, der Repräsentation, des Abbildens und Ausprobierens von Realität. Wir können diesen Effekt der Ähnlichkeit und Abbildung steigern, indem wir ins Digitale gehen. Ich habe Ihnen an dieser Stelle dann auch die Extremposition, wohin das ästhetisch-gedanklich[?] gehen kann, anhand der Matrix dargestellt, also eine Wiederspiegelung der gesamten Welt auf digitaler Grundlage in diesem Science-Fiction-Szenario. Und ich habe zweitens statt der Simulation der virtuellen Welten Ihnen auch einiges unter dem Stichwort Modellierung vorgeführt, Modellierung in objektorientierter Programmierung. Was nüchterner ist, aber dieselbe Themenstellung hat: es soll auf digitalisierender Grundlage eine Realität rekonstruiert werden, die (und das ist der Punkt, auf den ich hinaus will) nicht einfach eine Ansammlung von Events ist. Was ist der springende Punkt in diesen Rekonstruktionen? Ein wesentlicher Punkt ist, dass wir in der Rekonstruktion der Welt, in der wir uns befinden, sei es ästhetisch, sei es informatisch, sei es erkenntnistheoretisch, nicht einfach mit dem Finger bestimmten Anregungen und Anstößen nachfahren, die wir entwickeln. Weder in der Wissenschaft noch in der Philosophie noch in unserem Alltagsleben laufen wir planlos herum und schauen, was passiert. Schon in dem Ausdruck planlos steckt drinnen, dass wir uns in diesem Modus der Planlosigkeit den Umgebungsbedingungen ausliefern. Herumbrowsen oder herumschlendern oder ohne ein Ziel in einer gewissen enviroment herumspazieren sind durchaus schöne Dinge, die wir wollen und die wir wichtig nehmen. Aber als ein Gegenprogramm dazu, dass hohe Anteile unseres Lebens von Plänen geformt sind, sei es von der Umgebung, sei es von uns selbst… Mein Beispiel vom letzten Mal war jenes von den Autos und von den Tieren. Wir stellen fest, dass kleine Kinder, indem sie aufwachsen, an Typologien, an wiederkehrende Ähnlichkeiten gewöhnt werden und sich gewöhnen können, sodass man sagen kann, jedes Mal wenn du vom Gehsteig auf die Straße trittst, musst du aufpassen oder jedes Mal, wenn ein bestimmtes Geräusch ist, musst du das und das machen. Das sind zunächst Abrichtungsvorgänge. Aber diese Abrichtungsvorgänge könnten nicht gelingen, wenn es nicht eine Wiedererkennbarkeit von ähnlichen Reizen gäbe. Darüber haben wir das letzte Mal gesprochen. Darauf will ich noch einmal kurz verweisen. Diese Regularitäten, die wir in unserer Umgebung wahrnehmen, sind nicht Stein gefasst, sondern diese Regularitäten, die wir wahrnehmen, sind plastisch, sie sind mobil. Ich habe dieses Beispiel das letzte Mal erwähnt und habe mich dann ein bisschen in der Diskussion verlaufen, habe nicht genau unterstrichen, welchen Zweck ich mit diesem Beispiel verfolgt habe. Das Beispiel diente genau dazu darauf hinzuweisen, dass wir einerseits zwar mit solchen Regularitäten umgehen und umgehen müssen, weil Personen, die diese Regularitäten nicht internalisieren möglicherweise drastisch reduzierte Lebenserwartungen haben, dass aber auf der anderen Seite es auch Ansätze gibt, eine Plastizität dieser Erwartungen anzuerkennen, sodass das Training im Umgang mit Regularitäten nicht von der Art und Weise wie der Designprozess eines Autos ist, so wie er in der objektorientierten Programmierung rekonstruiert wird. Meine Pointe in dem Zusammenhang war: wir sind in der Lage, wenn es um Autoproduktion geht, festzulegen, so und so laufen die Maschinen und wenn die Maschinen richtig laufen, dann ist das, was da rauskommt nach dieses und jenen Spezifikationen in den Typenschein so einzutragen und wir brauchen darüber nicht weiter zu diskutieren. Was an der Stelle passieren kann, ist, dass die Maschine kaputt geht oder dass es einen Produktionsschaden gibt. Der Produktionsschaden wird dadurch definiert, dass er eine Abweichung von einem Normprodukt aus dem Designprozess ist. Da gibt es ein In/Out, ein Ja/Nein, Abfall oder Ausschuss und auf der anderen Seite entspricht dem Typus [?]. Die Pointe des Begriffsgebrauches, die Pointe der Plastizität, von der ich geredet habe, besteht darin, dass an der Stelle Raum für Alternativen ist; dass durchaus etwas passieren kann wie Umgebungsbedingungen, die eintreten und wo man sagt, das ist eigentlich nicht das, was geplant war. Aber obwohl es nicht das ist, was geplant war, kann man es trotzdem als so etwas erkennen und man kann es sogar als z.B. eine interessante neue Variation von dem qualifizieren und anerkennen, was wir schon geplant haben.

Eine kurze Erinnerung an das Beispiel von Badiou. Es gibt – und Badiou hat als Mathematiker eine starke Tendenz in diese Richtung zu denken – die Versuchung, die Art und Weise, wie in unserer Welt Pferde entstehen und eine Rolle spielen, so zu betrachten wie die Entstehung von Autos. Ich habe nicht umsonst nicht bei den Pferden begonnen, was philosophisch traditionell berechtigt wäre, sondern mit den Autos. Bei den Autos ist es sehr schön beschreibbar, wie die Zusammenhänge sind. Es ist aber in der Philosophie traditionell näher zu sagen, nicht die Automarken sind es, sondern die Pferdheit, das, was ein Pferd ausmacht, was eine natürliche Art ist, um es mit einem allgemeineren Ausdruck zu sagen. Wie kommt es zu den natürlichen Arten? Das ist eine Frage, auf die es viele Antworten gibt.

Wir haben bei Platon über das Gerechte, Schöne und Gute geredet. Hier gibt es einen Begriff, der nicht einzelne gerechte Sachen betrifft, sondern die Gerechtigkeit selbst. Aber Platon bezieht das nicht nur auf moralische Kategorien, sondern er bezieht das auch auf so etwas wie Menschen oder Feuer oder Wasser. Mensch, Feuer, Wasser sind natürlich Arten. Und man hat eine starke Tendenz – Badiou entspricht der Tendenz – zu sagen, für diese Arten, z.B. für das Pferd, gibt es einen Typus, eine Vorprägung. Der beste Beweis für den Typus des Pferdes, sagt Badiou, ist, dass die Leute in der Höhle von [?] vor dreißigtausend Jahren und der moderne Maler Picasso diese Pferde auf dieselbe Art und Weise darstellen, obwohl sie nichts voneinander wissen. Das entspricht, um ein bisschen respektlos aus einer anachronistischen Betrachtungsweise zu sagen, einer Erfassung der Natur und der Welt nach dem Muster der Auto- oder irgendeiner anderen Produktion. Es gibt einen Plan (ich habe vom planlosen Plan geredet), und für die Menschen durch die Jahrtausende und für uns ebenso ist erklärungsbedürftig, wieso immer Pferde rauskommen aus bestimmten natürlichen Zusammenhängen. Aus heutiger Sicht können Sie sagen, es ist genetische Information. Aber wie bestimmen Sie die Konsistenz und Einheitlichkeit der genetischen Information, die an dieser Stelle angesetzt wird? Einerseits gibt es die Pferde und andererseits (und deshalb habe ich Badiou zitiert, weil ich auch Gegenbeispiele genannt habe und weil ich etwas von der Flexibilität gesagt habe) wenn sich der Typus Pferd aus einem Paratypus[?] entwickelt hat, das Picasso noch nicht gezeichnet hat und das die [Leute in der Höhle] auch nicht gezeichnet haben, aber das trotzdem genetisch ähnlich ist. Wenn sich das Pferd genetisch in eine andere Art und Weise entwickelt, die wir nicht mehr als Pferd typologisieren würden, dann sind wir mitten in der Frage, wie gehen wir um mit der offenen Problemlage, dass wir Regularitäten, Typologien haben, die wir in der Welt wahrnehmen, die wir brauchen und die wir erklären wollen? Wo bringen wir die Verantwortung für diese Regularitäten in der Welt unter?

Ein Terminus, den ich rausgenommen habe aus dem platonischen Kontext, lautet: αἰτίας τὸ εἶδος. Das ist ein sehr bemerkenswerter Terminus in der Diskussion (wir kommen weiter unten noch darauf zu sprechen). αἰτίας sind die Gründe. εἶδος ist der Typus, die Form, das Ansehen, die Gestalt, die Idee in weiterer Folge. Was Platon, bevor er anfängt über die Ideen zu sprechen, als seine eigene Aufgabe definiert, ist, dass er sagt, wir brauchen den richtigen – ich sage es modern – Begriff von Grund. Das steht nicht ganz so drinnen, weil εἶδος wird im 19. Jahrhundert und darüber hinaus lange Zeit mit Begriff übersetzt. Aber Begriff hat zu viel von der Kantianisch-Hegelianischen Philosophie, als dass man ihn hier leicht einsetzen könnte. Worum es eigentlich geht, ist auf der einen Seite: wir wollen αἰτίας/Gründe haben, wir wollen Gründe haben für die Regularitäten, die wir kennen. Und dann müssen wir uns auch fragen – erinnern Sie sich daran, dass ich zu einem früheren Zeitpunkt als wir über die Höhle geredet haben, schon einmal auf den Phaidon hingewiesen habe und darauf, dass es im Phaidon, bevor die Diskussionen über Ideen losgehen, eine komplett faszinierende Stelle gibt, die folgendermaßen abläuft. Sokrates erinnert sich (möglicherweise fiktiv) daran, dass er ein Naturphilosoph einmal gewesen ist; dass er die physis, die Natur, das ist genau die Regularität der Welt, die uns umgibt, erforschen wollte und dass er ganz begeistert war, dass er Anaxagoras gelesen hat. Anaxagoras war ein so genannter Präsokratiker, der ein Naturphilosoph gewesen ist und der eine Theorie, wie denn die Natur entsteht und wie die Ordnung der Natur zusammenhängt, entwickelt hat. Es gibt Erklärungsversuche aus der Philosophiegeschichte: es kommt alles aus dem Wasser, es kommt alles aus der Erde oder aus der Luft. Anaxagoras hat sich dadurch ausgezeichnet, dass er gesagt hat, ich sage euch, wie alles zusammenhängt. Es hängt alles durch den nouV (Geist). Wie Platon die Sache darstellt, ist es so, dass Anaxagoras das Angebot gemacht hätte zu sagen, ich erkläre euch jetzt, wie die Dinge in der Wirklichkeit vernunftmäßig (Geist und Vernunft sind nahe zusammen) zusammenhängen, sodass alles auf das Beste geordnet ist. Sokrates wäre davon ganz begeistert gewesen (Jetzt erklärt mir endlich jemand, wie das vernunftmäßig zusammenhängt). Das hängt, wenn jemand das Angebot macht, daran, was unter Vernunft verstanden wird. Sokrates berichtet seine große Enttäuschung (empfohlener Link Höhle), dass Anaxagoras unter dem Titel Vernunfterklärung nur sehr banale physische Beispiele gegeben hat (warum etwas hinunter fällt, warum etwas aufsteigt und ähnliches), was sich auf äußerliche, empirische Gesetze bezogen hat. Sokrates sagt (und das ist der Punkt, warum es so faszinierend ist und ein schönes Beispiel dafür, dass wir an der Stelle, wenn wir Platon lesen, eine Inspiration mitbekommen, von der wir sagen können, das gab es vor zweieinhalbtausend Jahren und es ist noch immer unsere eigene Inspiration, und dass Platon das so geschrieben hat, trifft uns geradezu direkt auch noch heute), ich sitze jetzt im Gefängnis und bin verhaftet und warte auf den Tod und das ist ein Teil meiner Lebenswelt, und jetzt soll mir jemand erklären, warum ich da im Gefängnis sitze und auf den Tod warte. Im naturwissenschaftlichen Erklärungsmodell, wenn ich nach solchen äußerlichen Gründen gehe, wäre ein Ansatz (er macht sich natürlich ein bisschen lustig darüber) zu sagen, ich sitze deswegen da, weil meine Muskeln auf diese Art und Weise angespannt sind, ich sitze da, weil ich nicht da liege, ich sitze da, weil ich einen Sessel habe, auf den ich mich draufsetzen kann, ich sitze da, weil meine Knochen noch nicht gebrochen sind. Das sind alles Erklärungen dafür, warum ich dasitze. Sokrates sagt, beim Hund, der würde uns doch wirklich foppen. Eine Person, die erklärt, warum meine Knochen nicht mittlerweile in [?] sich aufhalten statt hier im diesem Gefängnis, jemand, der mir nicht erklären kann, warum meine Knochen nicht im Ausland sind und ich geflohen bin und mir stattdessen sagt, an meinen Knochen liegt es, den kann ich nicht ernst nehmen. Die Pointe davon ist, dass Erklärungen nach dem Anforderungsprofil von Sokrates nicht in dieser physiologisch-naturwissenschaftlichen Art und Weise sind, sondern was er sehen möchte, sind Erklärungen, die wirklich etwas mit Vernunft zu tun haben, und Vernunft ist an der Stelle nicht irgendein zweckorientiertes Geschehen, sondern Vernunft ist etwas, was Überzeugungen betrifft, die sich in einer öffentlichen Debatte im Kontext der Politeia, der Bürgerschaft unter Einbeziehung von moralischen und anderen Intuitionen abwickelt. Der Grund, warum er im Gefängnis sitzt, ist, weil er den Gesetzen des Staates gehorcht. Und den Gesetzen des Staates gehorcht er, weil die Gesetze des Staates für ihn Beispiele von Gerechtigkeit sind oder zumindest sein sollten. Und diese Art von Grund ist das, was ab Sokrates und Platon in die Philosophie eingeführt wird. Die richtige Übersetzung [von αἰτίας] wäre Arten von Gründen. Es gibt verschiedene Arten von Gründen. Die Art von Grund, um die es in der sokratischen und postsokratischen Philosophie geht, sind Gründe, die mit Argumentation zu tun haben.

Ich habe es hier noch einmal im Hinblick auf die Diskussion vom letzten Mal gesagt: „Es begegnen uns kleine Tiere und große Maschinen, viele dieser Tiere und dieser Maschinen sehen ähnlich aus. Es gibt auch verschiedene Maschinen, die verschiedenen Tieren ähnlich sehen. Was soll man dazu sagen? Es gibt wohl Gründe dafür. Aber was für eine Art von Gründen? Platon hat ein Erklärungsschema vorgeschlagen“, um eine Planbarkeit herzustellen. Diese Idee, dass mit Hilfe der platonischen Zugänge eine Planbarkeit hergestellt worden ist, ist die Grundlage dafür, dass man sagen kann, er ist Technokrat. Sein Vorschlag, diese Planbarkeit herzustellen, läuft über das Höhlengleichnis, und das Höhlengleichnis ist die Grundgeschichte des Bildungsbewusstseins und der Bildung. An dieser Stelle berührt sich das gegenseitig: die Planbarkeit, die Technokratie und die Bildungsproblematik. Ich habe etwas darüber gesagt, wie die platonische Vorschlagsschematik in etwa aussieht: „Zur Welt des Anscheins gibt es eine wahre Welt. Sie ist der philosophischen Erkenntnis zugänglich. Dazu muss man die Körperlichkeit abstreifen. So gelangt man zur Welt der Ideen.“


Drei Probleme

Ich bin jetzt dabei, Ihnen ganz kurz und protoypisch drei Probleme zu nennen, die sich mit diesem Ansatz ergeben, um dann Ihnen zu zeigen, dass Platon diese Probleme auch schon gesehen hat und dass es seit dem Beginn des Platonismus die Schwierigkeit und auch die Selbstkritik des Platonismus gegeben hat in Hinblick auf diese Probleme. Die Probleme kann man sich in drei verschiedenen Weisen vorstellen.

1) Wie kommt der Bildungsprozess, dieses Abstreifen der Körperlichkeit, in Gang? Wer ist dazu qualifiziert?

2) Die strahlenden Ideen: Wie sind wir ihnen gewachsen?

3) Eben diese Ideen: Warum geben sie sich mit uns ab?

Zweitens und drittens sind Dinge, zu denen ich noch ein bisschen etwas sagen möchte. Diese beiden Problembereiche sind typische Probleme, die mit einem Dualismus zusammenhängen. Immer dann, wenn Sie philosophische Auffassungen haben, die mit zwei markant voneinander getrennten Begriffen arbeiten, z.B. Körper und Geist oder Gehirn und Bewusstsein oder Sein und Sollen, diese Art von dichotomischem Begriffsgebrauch, immer dann handeln Sie sich die Rückfrage ein: Sie haben das auseinander gerissen, wie kann man aus dem wieder etwas zusammentun? Das ist der Typus von philosophischer Frage oder Disputation, die so aussieht, dass man sagt, es gibt eine Uhr, die sehr gut funktioniert, man nimmt die Uhr auseinander, dann haben Sie die einzelnen Bestandteile der Uhr, Sie haben unterschieden zwischen der funktionierenden Uhr und den einzelnen Bestandteilen, jetzt möchte ich doch wissen, ob Sie das wieder zusammenbringen, ob Sie die Uhr wieder zusammensetzen können. Wenn Sie das auseinander nehmen, dann zerstören Sie einen funktionierenden Zusammenhang und können nicht erklären, wie die Gesamtmechanik und die Einzelmaterialität zusammenpassen. Das heißt, es gibt bei jeder Art von dualistischem Ansatz notorisch das Problem der Frage, wie passt es wieder zusammen. Wenn man es scharf und schärfer voneinander trennt, wird es schwer und schwerer zu erklären, wie man das, was man säuberlich getrennt hat, auch wiederum zusammenfasst. Ersparen Sie mir das im Zusammenhang mit z.B. österreichischer Staatsbürgerschaft oder Migration auszubuchstabieren. Sie können sich selber einen Reim darauf machen, wenn es die supersauberen ÖsterreicherInnen und die Nicht-ÖsterreichInnen, die nicht supersauber sind, dann haben Sie zwar eine klare Trennung der Welt. Aber die Frage, wie das funktionieren kann z.B. im Zusammenhang mit globalen Abhängigkeitsverhältnissen bleibt offen.


Wie kommt der Bildungsprozess, dieses Abstreifen der Körperlichkeit, in Gang? Wer ist dazu qualifiziert?

Das betrifft Fragen, die uns in dieser Vorlesung nicht so sehr beschäftigt haben.

Die strahlenden Ideen: Wie sind wir ihnen gewachsen?

Ich haben die Dualismusproblematik, die bei Platon entsteht, in zwei markanten Fragen aufgeschrieben.

Die eine Frage ist: Supersauber kann man nicht ganz unberechtigt auch auf die Ideen anwenden. Wenn wir so supersaubere Vorbilder, Typologien haben, die vielleicht auch noch Wirksamkeit entfalten, wie sind wir ihnen gewachsen angesichts der Tatsache, dass wir selber nicht supersauber sind. Das ist eine Variante der Aufstiegsfrage, der Körperlichkeitsfrage. Wenn wir davon ausgehen, dass wir gemischte Wesen sind, und Platon geht davon aus, dass wir gemischte Wesen aus Körper und Kognition, Körper und Seele und Geist sind, wie können wir auf die Hälfte von dem, was wir sind, verzichten und dann noch wir sind angesichts dessen, dass es etwas gibt, was in der Weise überhaupt nicht ist wie wir, weil es keinen Körper hat, dass es an dieser Stelle ein gänzlich anderes Seinsgebiet ist. Für Platon kommt diese Problematik durchaus immer wieder einmal vor. Er sagt, "viele nämlich verderben sich die Augen, wenn sie nicht im Wasser oder sonst worin nur das Bild der Sonne anschauen" (Phaidon, 99ff), sondern nur die Sonne selbst ansieht. Die Sonne selbst ansehen, ist tödlich. Wenn man die scharfe Entkörperlichung, die wirkliche Entkörperlichung, die an dieser Stelle eingeleitet ist, ernst nimmt, bewegt man sich in einem Bereich, in dem nicht mehr wirklich zu erklären ist, wer wir noch sind, wenn wir entkörperlicht dorthin geraten, durch Einsicht oder sonst etwas, wo wir uns die Ideen dorthin vorgestellt haben.

Eine der Antworten auf diese Frage, die ich nur nenne und nicht weiter diskutiere, die aber die christlich-abendländische Tradition massiv [?], ist zu sagen, wir haben alle eine unsterbliche Seele, und diese unsterbliche Seele, die keine Körperlichkeit ist, gibt es weiter und die ist günstigerweise bei Gott in der entsprechenden körperlichen Welt. Die Passagen, die ich aus dem Phaidon zitiert habe, sind die Vorbereitungspassagen dafür, dass dann im Phaidon argumentiert wird, der Mensch hat eine unsterbliche Seele und diese unsterbliche Seele ist die Trägerin der Qualitäten des Menschen auch wenn der Körper nicht mehr da ist. Und diese unsterbliche Seele lohnt es sich sauber zu bewahren und in den Zustand nach dem Tode überzuführen. Das ist eine Antwort darauf, wie wir den strahlenden Ideen gewachsen sind, nämlich letztlich schaffen wir es mit unserem Körper nicht, aber wir haben etwas, was ihnen gewachsen ist, und das wird sich erst herausstellen nach unserem Tod, was natürlich ein ziemliches Problem ist, ein ziemliches Dualismusproblem darstellt.


Eben diese Ideen: Warum geben sie sich mit uns ab?

Dritte Frage: Es ist gibt aber auch noch ein Dualismusproblem in der umgekehrten Richtung, nämlich nicht nur wie sind wir in der Lage, diese Ideen auszuhalten, sondern auch umgekehrt. Gesetzt den Fall, es gibt diesen Bereich, auf den wir hier zuorientiert sind, auf den wir hintendieren, wieso interessiert sich der eigentlich für uns. Wenn er derart perfekt ist, sollte man doch meinen, dass er etwas besseres zu tun hat, als sich in Kontakt zu begeben mit diesen halbgeistigen Wesen, die sich abmühen und abplagen damit sie die Hälfte von sich loswerden, um dann endlich so weit zu kommen, dass sie ganz durchgeistigt sind. Sie werden es nicht glauben, ich habe es nicht geglaubt bis ich es gesehen haben: Platon kennt das Problem, Platon sagt das selber, Platon sagt selber, dass es dieses Problem gibt in einer Konzeption der Ideen als strikt abgesondert von den Dingen, von den körperlichen Wirklichkeiten. Die entsprechenden Zitate habe ich weiter unten für Sie parat.


Ludwig Wittgenstein: Tractatus 5.5521

Ich höre jetzt meine allgemeine Erinnerung und Einführung auf mit einem Wittgenstein-Zitat, das in einem gewissen Sinn eine Kontinuität der abendländischen Philosophie von diesen platonischen Fragen bis in den Tractatus von Wittgenstein zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zieht. Das ist eine Stelle, die selten zitiert wird, obwohl sie das verdienen würde. "Man könnte sagen: Wenn es eine Logik gäbe, auch wenn es keine Welt gäbe, wie könnte es dann eine Logik geben, da es eine Welt gibt?" (Ludwig Wittgenstein, Tractatus 5.5521) Das ist ein bisschen um die Ecke gedacht, aber es ist ganz präzise das Thema, von dem ich hier gesprochen habe. Man muss dazu sagen, die Struktur des Tractatus ist eine massiv platonische. Es gibt Sprachausdrücke. Die Sprachausdrücke bilden die Welt ab. Was in den Sprachausdrücken an Struktur vorhanden ist, ist Ausdruck von Formen, von Bildern, Urbildern, Prototypen der Welt. Die Welt hat eine bestimmte logische Form. Diese logische Form bildet sich ab in unserer Sprache. Wir können in unserer Sprache uns aufhalten innerhalb der Grenzen der logischen Formen, die uns gegeben sind, wir können aber in unserer Sprache nicht auf die logische Form hinaufdrehen. Die logische Form sind diese Ideen. Wittgenstein ist da auch sehr rigoros und sagt, es gibt die Ideen zwar (hat also auch das dualistische Problem an dieser Stelle), aber ich habe ein akutes Problem zu diesen Ideen zu kommen. Das ist genau die Frage, wie sind wir den strahlenden Ideen gewachsen? Wittgenstein würde an dieser Stelle sagen, wir sind ihnen nicht gewachsen, wir müssen schweigen, wir müssen sie annehmen, wir können mit den Mitteln unserer Sprache auf diese logischen Formen nicht gehen. Und nachdem man das schön separiert hat, schlägt er sich in die Gegenrichtung noch eins hinein und sagt, nehmen wir an, es gibt diese wunderschönen Formen, diese wunderschöne Logik, die uns das alles möglich macht und dann denken wir uns auch noch, da es sie gibt, gibt es doch eigentlich keinen Grund, warum sie die Welt brauchen. Wir kommen dort nicht richtig hin, und die Frage ist, können wir uns vorstellen, dass es diese wunderschöne Logik gibt und dass sie uns nicht braucht (Wenn es eine Logik gäbe, auch wenn es keine Welt gäbe). Nehmen wir an, wohin wir nicht kommen können, ist ein Reich, das in sich selber ruht und uns nicht braucht. Und dann sagt er, das geht nicht, weil das widerspricht der Annahme, mit der wir die ganze Zeit operieren, dass es nämlich eine Logik der Welt ist. Selbst wenn es nicht eine Logik ist, die wir in unserer Kontrolle haben können, selbst wenn das etwas ist, was jenseits unseres Fassungsvermögens ist, ist es etwas, was sich eingelassen hat, was eingelassen ist in dieser Dualität in ein Verhältnis zu uns. Ohne das Verhältnis zu uns, gibt es auch diese Logik nicht und sei es deshalb, weil wir die Logik nicht anders denken können als so, dass sie zu uns einen Bezug hat. Und wenn das eine Logik von dem Typus ist, die zu uns einen Bezug hat, dann kann es nicht ein Bestandteil der Logik sein, dass sie zu uns keinen Bezug hat, weil damit würde sich die ganze Fragestellung auflösen.

Cur Deus homo?

Das sind zwei nicht-christliche Positionen. Die christliche Vermittlungsposition ist ein absolut zentrales theologisches Themengebiet: Cur deus homo (Warum ist Gott Mensch geworden)? Warum gibt es diese Form der Kontaktaufnahme zwischen dem Jenseits und dem Diesseits? Cur deus homo ist eigentlich schon die zweite Frage. In der klassisch theologischen Debatte gibt es zwei unterschiedliche Stufen, zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen. Erstens, warum ist überhaupt die Welt geschaffen, warum hat Gott die Welt geschaffen? Das würde eigentlich eher dem entsprechen, was ich jetzt gesagt haben. Warum hat der in sich ruhende, vollständige, allwissende Gott es für nötig befunden, sich eine Welt zu leisten? Nachdem er sich die Welt geleistet hat, hat er im christlichen Zusammenhang noch einen zweiten Schritt gemacht und hat seinen Sohn in die Welt geschickt. Das sind im christlich-theologischen Zusammenhang wesentliche Schienen, wesentliche Fragen in diesem Kontext.

Ursache, Muster, Paradigma

Das war jetzt eine gebündelte Zusammenfassung. Ich habe hier eine Textpassage, die ich ansatzweise schon erläutert habe. Sie sehen in dieser Textpassage meine Vorstellung davon, wie sehen die Gründe für die Dinge aus; welchen Typus von Gründen haben wir hier vor uns, wenn wir uns mit der Sache beschäftigen. Ich habe drei Begriffe unterschieden: die Ursache, das Muster, und das Paradigma, drei unterschiedliche begriffliche Ansätze, um das Verhältnis zwischen den Gründen, die wir verwenden, um uns die Regularität der Welt zu erklären, und den Regularitäten der Welt zu erfassen. Und diese drei Begriffe stehen auch in der Reihe der naturwissenschaftlichen Begründungen, der mechanischen Begründungen und – sagen wir einmal – der moralischen Begründungen. Das ist genommen aus einem Artikel über Heilige, Übermenschen, Avatare (Hrachovec, Herbert 2010), wo es letztlich darauf hinauskommt, die Wirksamkeit von typologischen Ideenannahmen ein bisschen nachzuvollziehen. Das ist das letzte, was ich dazu sagen will. Deshalb habe ich das Bild noch einmal aufgerufen aus unserer Cyberikonendiskussion. Ich hatte an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in der orthodoxen christlichen Tradition das Problem so aufgefasst worden ist, dass es Bilder von Heiligen gibt und die Bilder oder Heiligenikonen nehmen in einem Sinn teil an der Heiligkeit der Heiligen. Wenn ich teilnehmen sage, leite ich direkt über zu den platonischen Terminologien. Die Teilnahme der schönen Dinge am Schönen, der großen Dinge am Großen ist ein platonisches Problem. Sie nehmen nicht nur teil, sondern sie haben darüber hinaus auch eine zusätzliche Form von Präsenz, sie sind nämlich anwesend. Das Schöne ist anwesend in einem schönen Ding, das Heilige, Christus oder das Heilige an einem Heiligen ist in dem Bild greifbar anwesend, es ist ein Exemplar des Heiligen. Die Präsenz oder Realisierung des Heiligen geht so weit, dass in diesem stofflichen, körperlichen Ding das Heilige anwesend ist, präsent ist, ich kann es halten, ich kann das Heilige halten. Ich halte nicht die Ikone, sondern das Heilige ist darin anwesend. Und das ist eine forcierte Deutung dessen, wie das Ideenhafte in Beziehung zum Dinghaften steht, im religiösen Kontext als Apophanie, als Präsenz des Heiligen in einem solchen Bild. Unter diesen Voraussetzungen wäre die Einheit des dualistisch Auseinandergerissenem, nämlich zwischen dem Materiellen und dem Ideellen, hergestellt, indem das Heilige Besitz ergreift von dem Ding. Das Heilige ergreift Besitz von dem Ding und die Menschen ergreifen ebenso Besitz von dem Ding, indem sie es dorthin stellen und Kerzen anzünden und sich des Heiligen versichern, das andererseits in dem Ding präsent ist. Ich beschreibe das mehr oder weniger anthropologisch. Aber ich beschreibe es deswegen, um deutlich zu machen, in welchem Themenfeld wir uns an dieser Stelle befinden. Es ist eine Form begrifflich-institutionell umzugehen mit der Art von Problem, die dadurch entsteht, dass Sie die Herkunft der Weltordnung instantiiert sehen wollen in einem Bild, das daher entstanden ist und das daher kommt, dass diese Weltordnung sich uns ergibt, sich uns anbietet. Diese Anbietung, das mέqexein, das Teilhabenkönnen an der Weltordnung ist der Schlüsselbegriff in der platonischen Überlegung.

Frage aus dem Auditorium: Wenn im Bild, in der Ikone, im Material das Perfekte, das Heilige anwesend ist und in mir auch anwesend ist, die Ikone aber stabil ist, beschmutzt sie das Geistige nicht mehr. Ich kann aber meine Seele, meine Geistigkeit noch beschmutzen. Das Bild hat die Prüfung bestanden. Es wäre besser, wenn man mich als Ikone irgendwohin stellt.

Hrachovec: Die Ikone ist (das ist die Pointe meines Heiligenartikels) das Gütesiegel eines Lebens. Wenn es die Ikone eines Heiligen ist, dann ist das das Gütesiegel des Lebens dieser Person. Dieses Gütesiegel garantiert mir…

…dass er seinen Geist, seinen nouV, seine Seele sauber gehalten hat und gereinigt übergeben hat.

Hrachovec: Genau so ist es.

Das heißt, es ist mein Vorbild.

Hrachovec: Ich hatte vorhin Naomi Campell auch noch als Bild. Wenn du es geschafft hast a la Naomi Campell ein Modell zu werden und so auszuschauen, dann: you made it. Die haben es geschafft eine Einheit herzustellen zwischen dem Ziel und deren Körper.

Sie könnte es aber noch zerstören, weil sie noch am Leben sind.

Hrachovec: Da ist der Tod natürlich ein wichtiger Punkt. An der Stelle ist schon auch zu beachten: Diese Sache mit dem Heiligen, und nicht umsonst geht es dann auch um Märtyrertum und solche Sachen, hat zu tun mit Tod, Bewältigung von Endlichkeit, Unsterblichkeit, Jenseits und den damit verbundenen Institutionen der Religion. Von daher kommt in etwa dieser ultrasuggestive Zugang zu dem Verhältnis zwischen wie soll es sein und wie ist die Aufgabe erfüllt worden und wie orientiere ich mich danach. Die ganze Geschichte mit den Heiligen besteht darin, dass wir verbürgte Beispiele haben wollen. Wenn ich es runterstufe auf den gegenwärtigen Sprachgebrauch sind das best-practice-Beispiele, best practice des Lebens. Ich will wissen, wie ich leben soll, und hier hat man jemanden. Diese supersuggestive Wirkung der Bilder gibt es aber auch schon und immer wieder auch im Bereich vor dem Tod, da ist es dann Model, Sport oder sonst etwas.

Da braucht man aber dann ein Reinigungsverfahren dafür. Martyrium ist, nehme ich an, ein gutes Reinigungsverfahren.

Hrachovec: Hin und wieder erwähne ich das Morgenjournal. Diesmal kann ich es wieder erwähnen, weil es gut passt. Interview mit Armin Assinger darüber, wieso man unter Risiko seines Lebens die Streif hinunterfährt und dann stürzt und die ganze Nation zittert um das Leben dieser Personen. Das passt genau an der Stelle hinein. Es gibt Sportarten, die nicht so attraktiv sind, Badminton z.B. Aber das wird auch nicht in die ganze Welt übertragen mit dem entsprechenden Trommelwirbel. Warum mir das einfällt, ist die absolut rührende Hilflosigkeit von einem Schifahrer, wenn er gefragt wird, wieso sie ihre Leben riskieren, ist ein wirklich sympathisches Moment, er weiß nicht, was er sagen soll, man kann auch sehr wenig sagen. Die Schwierigkeit, wenn ich darüber schreiben wollte, ist, welche Position würde ich dann vertreten. Trete ich auf mit dem erhobenen Zeigefinger und sage, ich weiß genau, was ihr macht: ihr habt Angst vor dem Tod, ihr wollt jemanden bewundern, ihr bewundert die Leute, die den Tod überstehen, die das Risiko auf sich nehmen auch wenn sie sterben großartig zu sein, das wollt ihr haben und ich blattle euch das sozusagen auf, ich sage euch die Strukturen. Zu einem gewissen Teil ist die Aufgabe der Philosophie oder meine Aufgabe, die ich da sehe, Ihnen das deutlich zu machen. Aber das mit dem erhobenen Zeigefinger gelingt mir wiederum nicht, weil das reicht so wenig an das heran, was die Problemstellung ist, die an dieser Stelle zur Verhandlung steht.

Der Anteil des Heiligen in der Ikone ist interessant für die Funktion des Zeichens. Warum? Weil es sind viele Vorkehrungen getroffen, dass nicht das Objekt als heilig verehrt werden kann, sondern es muss den Anschluss an diesen Heiligen sein mit diesem Erfahrungshintergrund. Das Objekt muss vierzig Tage am Altar liegen und es muss der Name des Heiligen draufstehen, also viele Vorkehrungen, damit nicht das Zeichen, sondern immer das Bezeichnete… Aber trotzdem ist die Ikone heilig. Das ist der Witz. Trotzdem ist das Zeichen selber, also bloß dieses Ding immer noch heilig und nicht ein weltliches Gut, das man einfach wegschmeißen könnte.


Hrachovec: Völlig richtig. Da kann ich jetzt die Überleitung finden zur Teilhabe. Kann man sagen, die Ikone hat teil an der Heiligkeit? Das ist noch ungefährlich. Man kann sagen, sicher. Wir nennen die Ikone heilig so wie wir früher zur Frau des Doktors Frau Doktor gesagt hat. Die Frau Doktor, die Anteil am Doktorat des Herren gehabt hat. Die Ikone ist heilig, weil sie Anteil daran hat. Das ist eine Deutung. Das ist aber nicht die, die uns an dieser Stelle interessiert, sondern es gibt einen Anteil an der Heiligkeit, wo die Heiligkeit sich nicht entmaterialisiert, sondern sich materialisiert, eine materialisierte Heiligkeit. Die Ikone hat Anteil an der Heiligkeit im wörtlichen Sinn.

Jetzt gehe ich direkt an eines der Beispiele von Platon, die ich weiter unten zitiere und auf die Frage, welchen Typus von Gründen haben wir. Platon stellt sich Fragen von der folgenden Art. Da geht es nicht um das Heilige, sondern es geht z.B. um die Größe. Es gibt eine Idee der Größe, und diese Idee der Größe ist verantwortlich für alle großen Dinge. Das ist kein besonders glückliches Beispiel, weil Größe ein Relationsbegriff ist. Aber gehen wir aus von einer etwas vereinfachten Art und Weise, dass wir sagen, so ähnlich wie die schönen Dinge Anteil am Schönen haben, haben die großen Dinge Anteil an der Größe. Und dann fragt er sich, die großen Dinge sind mehrfach, viele verschiedene Dinge sind groß, was ist mit der Größe? Die Größe sind nicht mehrere Dinge, sondern die Größe ist einfach, es gibt eine Größe, der Typus ist ein Typus, der eine Typus ist die Größe. Die großen Dinge haben Anteil an der Größe. Frage: Wie ist die Größe in den großen Dingen drinnen? Wie haben denn die Anteil? Ist das so, dass ein bisschen etwas von der Größe in jeder Größe drinnen ist? Es gibt den großen Suppentopf und die kleinen Schüsseln und ein etwas von der großen Suppe im großen Suppentopf ist in allen kleinen Schüsseln. Sie sehen schon, in welche Probleme das führt. So groß der Suppentopf auch sein mag, wenn Sie ihn austeilen in die verschiedenen Schüsseln, geht etwas am Großen verloren. Ist es so, dass ein bisschen Größe dabei verloren geht, dadurch dass die Größe in den einzelnen Dingen ist? Ist es so, dass wenn man sagt, das Große breitet sich über alle großen Dinge, sodass alle Dinge, über die das Große gebreitet ist, einen Teil von diesem Großen haben? Er sagt das ganz konkretistisch mit dem Beispiel eines Segeltuchs. Stellen Sie sich eine große Plane vor, und diese große Plane wird über eine Reihe von Dingen gebreitet und jedes von diesen Dingen ist an einer bestimmten Stelle unter dieser Plane. Diese Plane ist über allen Dingen drüber, aber ein Teil von dieser Plane ist über jedem Ding. Das heißt, es lässt sich dividieren und es lässt sich genau definieren, was von dieser Plane über diesem Ding ist und was über anderen Dingen nicht ist. Platon sagt, so kann man es sich nicht vorstellen. Die Anwesenheit des Großen in den großen Dingen kann man nicht auf diese körperliche Art und Weise konstruieren. Schauen wir es uns im speziellen Fall an:

Scheint es dir also wirklich so, wie du sagst, daß es gewisse begriffliche Wesenheiten (εἴδη ἄττα) gebe – ἄττα heißt diverse, gewisse; εἴδoς sind Ideen, begriffliche Wesenheiten übersetzt Schleiermacher – von denen alles andere, was wir hier wahrnehmen, infolge seiner Teilnahme an ihnen seinen Namen trägt – μεταλαβόντα ist teilnehmen, das ist ein anderen Ausdruck für mέqexein - wie z.B. dasjenige, was an der Ähnlichkeit teil hat, eben dadurch auch ähnlich, und was an der Größe teil hat, groß, und was an der Gerechtigkeit und Schönheit teil hat, gerecht und schön wird?

Allerdings.

Nun muß aber doch wohl alles, was auf diese Weise teilnimmt, entweder am ganzen Begriff teilnehmen oder an einem Teile derselben? Oder ist außerdem noch eine dritte Art der Teilnahme möglich?

Nein.

Scheint dir also der ganze Begriff, da er doch nur Einer ist, in jedem Einzelnen von dem Vielen zu sein?

[M]achst du das Eine zu Demselben an vielen Orten zugleich, denn auf diese Weise könntest du ja auch viele Menschen mit einem Segeltuche bedecken und dann sagen, daß dies Eine ganz über Vielen sei, oder meinst du, daß du es nicht geradeso machst?

Ich zeige Ihnen das als ein Beispiel von der Problembewusstheit, die Platon mitbringt. Man muss dazu sagen, der Parmenides-Dialog, aus dem das herausgenommen ist, ist ausgesprochen verwinkelt und schwer zu lesen. Es ist eigentlich nicht ganz vertretbar, nur einige Passagen herauszunehmen. Man muss sie im Verlauf der diskursiven Auseinandersetzung platzieren. Es ist alles andere als einfach zu bestimmen,


Transkription ist noch nicht fertig!