Benutzer:Mario R: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
(Konstruktionen und Wirklichkeit)
Zeile 2: Zeile 2:
  
  
bearbeitet von Nancy Mertins und Mario Reiter <br /> ausgewählte Texte aus der deutschen Zeitschrift für Philosophie mit Schwerpunkt: Hirn als Subjekt? I + II
+
bearbeitet von Nancy Mertins und Mario Reiter <br /> ausgewählte Texte aus der deutschen Zeitschrift für Philosophie mit Schwerpunkt: Hirn als Subjekt? I + II + III
  
  

Version vom 29. März 2007, 14:46 Uhr

Deutsche Zeitschrift für Philosophie


bearbeitet von Nancy Mertins und Mario Reiter
ausgewählte Texte aus der deutschen Zeitschrift für Philosophie mit Schwerpunkt: Hirn als Subjekt? I + II + III


Gerhard Roth: Worüber dürfen Hirnforscher reden - und in welcher Weise?

Summary

Gerhard Roth, seines Zeichens Biologe und Hirnforscher, hat sich in den letzten Jahren der Publikation zahlreicher neurophilosophischer Bücher und Artikel angenommen. So steht auch der, in der 2. Ausgabe des Jahres 2004 erschienen "deutschen Zeitschrift für Philosophie", gedruckte Artikel unter der Ägide, die Tabus der naturwissenschaftlichen Hirnforschung und ihre Positionierung in der Philosophie darstzustellen.

"Es kann den Philosophen nicht gleichgültig sein, dass Teile der Neurowissenschaften bzw. der Hirnforschung, die man inzwischen unter dem Begriff 'kognitive und emotionale Neurowissenschaften' zusammenfasst, in Bereiche vordringen, die zu den Kernbestandteilen der Philosophie gehören, wie Erkentnnistheorie und Geistes- und Bewusstseinsphilosophie, oder sich gar mit Fragen der Moral, Ethik und Willensfreiheit befassen.

mE ist die Interdisziplinarität der Philosophy of Mind, der CogSci oder auch der Kybernetik, deren Anfänge wohl als Referenz für das Ineinandergreifen, transdisziplinieren von monokulturellen Wissenschaften, eine der wichtigsten Weiterentwicklungen auf dem Weg zu einem besseren, wenn auch überbewerteten, naturwissenschaftlich angehauchten, Verständnis des Menschen. Einer Disziplin zu verbieten sich in die Gefilde einer anderen einzumischen, mutet mir äußerst einfältig an, vor allem dann, wenn sie (die Disziplin) in ihrer eigenen Theoriegetränktheit regelrecht unterzugehen scheint. Die mE beste Möglichkeit dieser Theoriegeladenheit zu entfliehen ist über die Strangification wissenschaftstheoretischer Konzeptionen.


Roths philosophische Positionen

nicht-reduktionistischer Physikalismus
Epiphänomenalismus
interaktionistischer Dualismus
mentale Verursachung


Positionen im Text

"Die Hirnforschung hat, anders als Physik und Chemie, für sich bisher keine grundlegende Methoden- und Begriffskritik durchgeführt. Hierfür war sie bisher zu jung und zu vielfältig in ihren Methoden und Gegenständen. Nichts-destoweniger ist es für eine wissenschaftliche Disziplin unabdingbar, dass sie sich eine logisch-begriffliche Basis schafft, in der festgelegt ist, worüber sie in welcher Weise reden soll."

mE bezieht sich Roth hier explizit auf eine rein sprachphilosophische Dekonstruktion von Begriffen. Jede Disziplin also braucht ihren eigenen Wortschatz, ihre eigene scientific-community-language damit sie von den anderen bloß nicht verstanden werden kann. Klarerweise bedarf es bei einem inter-/transdisziplinären Forschungsvorhaben, bei unterschiedlicher Verwendung ähnlicher Positionen und Begrifflichkeiten ein einheitliches Feld. DAss die Hirnforschung sich an der Philosophie orientiert ist viel eher als Kompliment an die Philosophie zu verstehen, alsdass sich hier darüber aufgeregt werden sollte. Programme wie CogSci laufen heute studientechnisch fast ausschließlich über das philosophische Departement. Diese Art der Neuentwicklung von Institutionen scheint in den letzten Jahren/Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Man denke nur an den großen Bereich der Medientheorie, in denen Philosophen wie Joseph Vogl herausragendes geleistet haben, um neue interdisziplinäre Zweige zu entwerfen und Neu entstehen zu lassen.


Sprache als Entwicklung und Gegenstand

Paul Broca, der französische Neurologe machte in der Mitte des 19. Jhds. als Erster die Beobachtung, dass die Zerstörung in einem Bereich des linken Stirnlappens zu einer typischen Beeinträchtigung des Sprachvermögens führt, die man später "Broca-Aphasie" nannte. Dieser "Lokalisationismus" war neben der Neuronenlehre die erfolgreichste Theorie der Neurowissenschaften. Weitere Zusammenhänge wie etwa, dass eine Verletzung im Bereich des Stirnhirns zu Sprachstörungen, oder später ein dysfunktionaler Hippocampus zu tiefgreifenden Störungen des so genannten deklarativen Gedächtnisses und Verletzungen im Bereich des Mandelkerns zu Gefühlsarmut führen kann, haben den Neurowissenschaften eine gute Basis für ihr Weiterkommen geliefert. Diese Fülle von neurolgischen Einsichten wurde gelegentlich als "Neo-Phrenologie" bezeichnet, was eher für Spot und Häme sorgte. Kein ernsthafter und kompetenter Neurobiologe würde zB die syntaktisch-grammatikalische Sprache in das Broca-Areal "setzen" usw.


Wilhelm Wundt

"Viele Philosophen, aber auch manche philosophierende Neurobiologen, nehmen hinsichtlich der Beziehung zwischen Gehirn und Geist/Psyche den Standpunkt des Vaters der experimentellen Psychologie, Wilhelm Wundt, eindass im Bereich einfacher Wahrnehmungsleistungen und motorischer Akte diese Beziehung eng ist, dass aber bei komplexen kognitiven und psychischen Zuständen keine eindeutigen Bezüge zu erkennen sind." Diese ist eine Position die in der Diskussion um die Willensfreiheit oft vertreten wird, indem man annimmt, dass das "wollende Bewusstsein" einen gewissen Freiheitsraum besitzt, im speziellen wenn es um "wichtige" Entscheidungen geht. --> sh Libet-Experimente. Dieser Standpunkt war natürlich nur solange gültig, wie man methodisch nur dei einfachsten SInnesleistungen und Reaktionen und ihren Bezug zu Bewusstseinsinhalten erforschen konnte. "Er gerät aber dadurch in Schwierigkeiten, dass die Hirnforschung inzwischen zeigen kann, dass auch sehr komplexe kognitive Leistungen, zB Wahrnehmungstäuschungen, aufs Engste mit neuronalen Prozessen in bestimmten Teilen der Großhirnrinde zusammenhängen." Dies wurde ua durch die Kombination von unterschiedlichen ua. Bildgebenden Verfahren möglich wie etwa: Elektroenzephalographie (EEG), Magnetoenzephalographie (MEG) oder Kernspintomographie (fMRI)


Willensfreiheit als Konsequenz!?

Das lateralisierte Bereitschaftspotenzial geht dem bewussten Erleben, der bewusst-wahrgenommenen, entschiedenen, Entscheidung voraus, wenn es nach den Erkenntnissen mancher Neurobiologen geht. Der Schluss aus solchen Untersuchungen lautet oft, dass die klassisch-philosophische wie auch alltagspsychologische Aussage "mein Arm und meine Hand haben nach der Kaffeetasse gegriffen, weil ich dies so gewollt habe" nicht richtig ist. Dem subjektiv empfundenen Willensakt geht also ein neuronaler, kausal verursachter Prozess voraus, der eine Art Festlegung zu haben scheint.

mE findet hier eine Überbewertung bzw. sprachlich falsche Bewertung der Erkenntnisse statt. Nicht das was wir als freien Willen, indem Moment wenn wir ihn empfinden, sondern das was eben diesem vorausgeht, dürfte der "wirkliche freie Wille" sein. Das würde heißen, dass nicht erst die bewusste Wahrnehmung des freien Willens, diesen auch bedeutet, sondern bereits zuvor MIT unserem zutun, der Akt des Empfindens einer freien Entscheidung vorbereitet wird. Irgendwie muss sich das oftzitierte Bereitschaftspotenzial auch aufbauen, und wodurch sollte es zu einer neuronalen Aktivität kommen, wenn nicht durch den "freien Willen" der das BP sich entstehen lässt?

Trotzdem ist das Entsetzen vieler Philosophen verständlich, denn was würde passieren, und es geschah bereits, wenn ein Schwerverbrecher vor Gericht sagt: "Nicht ich bin es, mein Gehirn ist es gewesen!" und er oder seiner Anwalt sich auf die Erkenntnisse der Hirnforschung berufen?

Und wieder mischen sich hier die Disziplinen, wenn Philosophen und andere Geisteswissenschaftler davor zu Bewahren versuchen, dass Hirnforscher überhaupt Aussagen über moralisch-ethische, philosophische oder juristische Postionen treffen. Als Konsequenz daraus fanden sich Psychiatern, Philosophen und Strafrechtler zusammen um über einen "starken" Begriff von Willensfreiheit (Libertarianismus) zu verhandeln. Diese besteht aus den Annahmen, "dass die Willenshandlung einer Person durch den bewussten WIllen und unabhängig von kausal wirkenden Einflüssen bestimmt ist (das Prinzip der mentalen Verursachung), und dass die Person für ihre Handlung deshalb verantwortlich ist, weil sie unter identischen inneeren und äußeren Umständen (vor allem in ihrem Gehirn) auch eine andere als die von ihr vollzogene Handlung hätte ausführen können (Alternativismus).

Die sich hier auftuende Frage ist doch aber, ob in einem deterministischen Weltbild hier tatsächlich eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. Der Diskurs in der Philosophy of Mind ist in dieser Frage noch nicht abgeschlossen. Würde man das Beloffsche Gedankenexperiment der Zombie-Welten von 1977, in denen es grob darum ging, dass zwei Welten existieren, die eine mit Bewusstsein, die andere ohne, und die jeweils darin "lebenden" Menschen unmerklich ausgetauscht würden, mit der Diskussion um die Willensfreiheit verfremden entstünden hier vermutlich interessante neue Erkenntnisse. Welche Auswirkung hätte es, wenn sich herausstellen würde, dass das Bewusstsein / Qualia für das Bereitschaftspotenzial von maßgebender Bedeutung ist? Bzw. dass das Reagieren oder Handeln aufgrund der Wahrnehmung der Außenwelt geschieht, und das BP eine Energiespitze der Wahrnehmungsrezeptoren ist!? Demnach würden wir nur Hadeln, oder empfinden, wenn da auch etwas wäre, dass uns dazu veranlasst dies zu tun.

Für Gerhard Roth scheint der Satz "nicht das Ich, sondern das Gehirn hat entschieden!" korrekt zu sein, denn "eine Entscheidung treffen" ist der Vorgang, dessen Autreten objektiv überprüfbar ist. Wenn wir es hingegen mit phänomenalen intentionalen oder volitionalen Zuständen wie "fühlen", "glauben", "wollen" zu tun haben, deren Ergründung bisher nicht allein aus der Beobachterpersepektive heraus möglich war, genauso wenig wie zu verstehenn wie es ist, etwas zu glauben, zu wollen oder verliebt sein, dann können wir uns heute noch auf keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse berufen. Vielmehr sind wir auf Berichte der Versuchspersonen oder auf unsere eigene Erfahrung (Introspektion, Erste-Person-Perspektive, Inkorrigibilität usw) angewiesen. Obwohl sich natürlich eine Anderartigkeit der Gehirnströme, oder der Hormonausschüttung messen lässt, zB im Falle des Verliebt-seins, so gibt es dennoch keine Forschung die verlässlich diese Zusammenhänge aufzuzeigen imstande ist.


radikal-reduktionistischer Materialismus

"Ein reduktionistischer Ansatz ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn ich allein aus der Kenntnis der anatomisch-physiologischen Bedingungen ein bestimmtes Phänomen voraussagen oder zumindest in seinen wesentlichen Zügen erklären kann (Einstein hat bekanntlich im Rahmen seiner allgemeinen Relativitätstheorie bestimmte Phänomene wie schwarze Löcher oder den Laser vorausgesagt, die erst Jahrzehnte später entdeckt wurden). Aus der Kenntnis bestimmter Eigenschaften der Nervenzellenmembran und ihrer Ionenkanäle kann ich die Eigenschaften des Aktionspotenzials mehr oder weniger vollständig erklären und sogar voraussagen, selbst wenn ich vorher noch nie ein Aktionspotenzial beobachtet habe. Ich könnte eventuell sogar auf Grund einer hinreichenden Kenntnis des zu einem Zeitpunkt vorliegenden strukturellen und funktionalen Zustandes des menschlichen Gehirns und der einwirkenden Sinnesreize das Verhalten eines Menschen vollständig erklären, sofern mir die entsprechenden mathematischen Hilfsmittel zur Verfügung stünden. --> sh Laplacescher Dämon


Ursachen und Gründe

"Hirnprozesse laufen auf Grund bestimmter Ursachen kausal ab, Menschen aber handeln aus Gründen. Anders ausgedrückt: Gehirne reagieren aus Ursachen, Menschen handeln aus Gründen. Der Mensch ist deshalb willensfrei, weil er aus Gründen nicht aus Ursachen handelt." Für einen Dualisten ist diese Auffassung sehr praktikabel, da es hierfür sowohl die stofflich-kausale als auch die mentale Verursachung gleichzeitig geben kann. Handeln aus Gründen ist demnach identisch mit dem Handeln auf Grund mentaler Verursachung, nicht auf Grund neuronaler Prozesse, bei denen es sich um Ursachen handelt. Der emergente Dualismus spricht davon, dass Gründe als etwas explizit Nicht-Neuronales, wobei sich die strikte vollständige neuronale Bedingtheit des Mentalen aufbrechen müsste. Laut Roth sind Gründe "bewusste Erlebnisformen" von Gehirnprozessen die Ereignisse darstellen. Danach wären "Gründe", innere erlebte und "Ursachen" die äußeren neurphysiologischen Aspekte eines umfassenden Dritten, das ganz offenbar deterministisch abläuft, uns jedoch grundlegend verschlossen ist. "Wir Menschen stehen in einem Erklärungs- und Legitimationszwang unseres Handelns, der uns bereits in der frühen Kindheit vermittelt wird, und der je nach soziokulturellem Kontext verschieden ausfällt. Daraus folgt:, dass wir zwar aus Ursachen handeln, aber dieses Handeln mit Gründen zu erklären versuchen.

Wolf Singer: Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbestimmung. Zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen

Hans-Peter Krüger: Das Hirn im Kontext exzentrischer Positionierungen. Zur philosophischen Herausforderung der neurobiologischen Hirnforschung

Jürgen Habermas: Freiheit und Determinismus

Wolfgang Detel: Forschungen über Hirn und Geist

Uwe Kasper: Kann die Quantentheorie den Hirnforschern helfen, Probleme zu verstehen?

Summary

Textpositionen

Ausgangszitate

"Ich würde mich auf die Position zurückziehen, dass es zwei von einaner getrennte Erfahrungsbereiche gibt, in denen Wirklichkeiten dieser Welt zur Abbildung kommen. Wir kennen den naturwissenschaftlichen Bereich, der aus der Dritte-Person-Perspektive erschlossen wird, und den soziokulturellen, in dem sinnhafte Zuschreibungen diskutiert werden: Wertesysteme, soziale Realitäten, die nur in der Erste-Person-Perspektive erfahrbar und darstellbar sind. DAss die Inhalte des einien Bereichs aus den Prozessen des anderen Berichs hervorgehen, muss ein Neurobiologe als gegeben annehmen. Insofern muss, aus der Dritte-Person-Perspektive betrachtet, das, was die Erste-Person-Perspektive als freien Willen beschreibt, als Illusion betrachtet werden."

"Beim freien Willen ist es doch so, dass wohl fast alle MEnschen unseres Kulturkreises die ERfahrung teilen, wir hätten ihn. Solcher Konsens gilt im allgemeinen als hinreichend, einen SAchverhalt als zutreffend zu beurteilen. Genauso zutreffend ist aber dei konsensfähige Feststellung der Neurobiologen, dass alle Prozesse im Gehirn deterministisch sind un Ursache für eine jegliche Handlung der unmittelbar vorangehende Gesamtzustand des Gehirns ist."


Heisenbergsche Unschärferelation

Eine in der Quantenphysik 1927 formulierte Position geht davon aus, dass jeweils zwei Messgrößen eines Teilchens (etwa sein Ort und Impuls) nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt sind. Sie ist nicht die Folge von Unzulänglichkeiten eines entsprechenden Messvorgangs, sondern prinzipieller Natur. Als "Unschärfe" versteht sich die mathematische Standardabweichung. "Der naturwissenschaftliche und der soziokulturelle Bereich stehen dabei für zwei Größen, die man nach der klassischen Physik glaubt, gleichzeitig und ohne Störung der anderen genau messen zu können. Die Quantenphysik führte zu der Erkenntnis, dass die genaue Messung der einen Größe zur vollkommenen Unkenntnis der anderen führt."

mE ist die Unschärferelation in zu vielen Belangen einer Überbewertung ausgeliefert. Nicht nur, dass anderen physikalische Ansätze, wie etwa die Quanten-Elektro-Dynamik von Feynman völlig andere Erkenntnisse liefern, aus denen heraus sich ableiten lässt, dass es keiner Berücksichtigung der Unschärferelation braucht, um die Unmöglichkeit von Aussagen zu bestätigen. Seine quatenfeldtheoretische Beschreibung des Elektromagnetismus mittels Pfeilen die sich in einer vierdimensionalen RaumZeitlichen Lagrange-Dichte (also das Integral der Lagrange-Funktion) bewegen, lässt es zu, dass die Bewegungsgesetze anstatt über die Newtonschen Formulierungen über das explizite Ausrechnen von Zwangskräften und Zwangsbedingungen oder die Wahl geeigneter Koordinaten, einfach berechnet werden kann. Nicht nur also von dieser Seite aus wird Quantenmechanik nach Heisenberg überbewertet.
Welche Konsequenz hätte es, wenn man die Messinstrumente auf eine Größe bringen würden bei der eine Beeinflussung keine Rolle mehr spielen würde? Ich denke dabei konkret an das Beispiel mit dem Auto und der Radarmessung. Ein Polizist der seine Radarkanone auf mein Auto richtet, während ich unterwegs bin, verlangsamt durch seine ausgesendete Messung mein Automobil, in einer quasi nicht messbaren Größe. Würde man nun also, die Position und des Spin eines Teilchens gleichzeitig beschreiben wollen, so müsste man "lediglich" ein Instrumentarium haben, deren Wirkung so niedrig ist, dass es den Quanteneffekt nicht beeinflusst, und erst durch Messverstärker und exponentielle jedoch hyperreale Vergrößerung der Messwerte zu etwas lesbarem wird.

Dieser Umstand der Unschärfe jedoch lässt sich mE nicht auf ein soziokulturelles Gefüge, geschweige denn auf das Gehirn anwendbar ist. Uwe Kasper selbst schreibt, dass diese Unschärferelationen sich lediglich auf Quantenebene bemerkbar machen, wie also könnten sie auf einen makroskopischen Kulturdiskurs anwendbar sein? Aus der Position des eigenen Gehirns heraus entsteht, davon abgesehen ohnedies keine Unschärfe. Dies wäre in etwa damit zu vergleichen, wenn ein Photon sich selbst oder seinen Zustand messsen wollen würde, genauso wird hier lapidar versucht sich selbst zu messen. Damit wird ihm zugesprochen, dass wir schon mal etwas über unseren eigenen Zustand wissen, jedoch nicht wissenschaftlich basierend, sondern nur über das Erleben des Mensch-seins, der sich 1. jedoch leider irren kann, und 2. als ontologischer Organismus nicht als Vertrauenswürdige Quelle für wissenschaftliche Erkenntnis herangezogen werden kann.


Konstruktionen und Wirklichkeit

Weizsäcker sagt: Die Natur war vor dem Menschen da, aber der Mensch vor der Naturwissenschaft. Damit wird klar, dass Naturwissenschaft des Menschens Handwerk und Teufelswerk zu gleich ist. Er verändert nicht die Natur der Dinge, er beobachtet nicht, wie sie in ihrer ontologischen Realität augenscheinlich zu sein scheint, auch wenn er es sich einredet, um seine "Wissenschaft" zu rechtfertigen. Was Wissenschaft od Naturwissenschaft im allgemeinen tut, wenn sie "Wissen" schafft, ist es zu Konstruieren. Nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sie die Welt willkürlich herbeiführt, sondern, indem sie Entscheidungen trifft, Überlegungen anstellt, Berechnungen durchführt und Erkenntnisse gewinnt, nur um dann zu behaupten "es wäre so...". Ein wissenschaftlich interessantes Extrembeispiel hierfür ist die ToE (Theory of Everything). Ein Versuch also das Universum in all seiner Pracht und Schönheit zu begreifen und seine gesamte Struktur in nur eine einzige wunderschöne Formel zu verpacken, aus der sich alles ableiten lässt. Stephen Hawkind, Weinberg, Greene usw sind prominente Verfechter dieser Hoffnung. Mit der M-Theorie wurde vor einigen Jahren ein erster konkreter Versuch gestartet der in diese Richtung gehen sollte, bei der die jedoch bis heute nich vereinbare Relativitätstheorie mit den Quantenmechanik "verschränkt" werden sollte usw. Das wissenschaftstheoretische Problem das daraus folgt, würde Popper vermutlich "asymptotische Approximation" nennen, also eine Schrittweise Annäherung an die objektive Wahrheit. Eine Tendenz selbstreflektierter Naturwissenschaftler die um die Theoriegetränktheit ihrer Disziplin wissen, und versuche diese auf elegantem Wege zu umgehen. Das konstruktivistische Problem dabei ist, dass es sich an etwas per se unbekanntes nicht annähern lässt, diese beobachterunabhängige Wirklichkeit nicht existieren kann, weil wenn niemand hinsieht auch nichts da ist. Das alleinige Suchen solch einer Wahrheit entbehrt jeglicher Wissenschaftlichkeit, da selbst in dem Moment wenn man vor der Lösung stünde, sie nicht greifbar wäre, eben weil sie unbekannt ist. Thomas S. Kuhn hat in seien wissenschaftshistorischen Studien darauf aufmerksam gemacht, dass Wissenschaftler und Forscher immer nur kontextgebunden innerhalb wissenschaftskultureller Rahmenbedingungen konkreter Wissenschaftlersozietäten arbeiteten. Faktische waren also Forschungsaktivitäten stets eingebettet in einen komplexen Zusammenhang von speziellen theoretischen Grundannahmen, Vorüberzeugungen und Gegenstandsperspektiven, von speziellen Interessen, Zwecken und Zielvorgaben und von speziellen Strategien, Methodologien und Verfahrensweisen - und daran habe sich bis heute nicht das Geringste geändert. Dieser Sachverhalt lässt sich allgemein als "Paradigma" bezeichnen. Erkenntnisrelativität war noch nie das Spezialgebiet der Naturwissenschaft, weil es doch den traditionelle Ideologien heftigst widersprach und der Faktor "Mensch" unbedingt aus der Forschungsaktivität ausgeschlosen werden muss. "Die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten ohne Beobachter gemacht werden", stammt gleichfalls aus den Reihen der Physik. Damit wird auch gleichzeitig die Weltformel-Manie zum Hauptmotiv interdisziplinärer Forschung - in jedem Bereich. "Erst wenn man einen allumfassenden Zugang zur Welt gewinnt, indem man die einzelwissenschaftlichen Disziplinen überschreitet, kann man korrekterweise auch von echter Erkenntnis sprechen." (Fritz Wallner) Dieses Credo des "einheitswissenschaftlichen" Programms hat jedoch stets die Bürde auf sich geladen zu antizipieren "was Wissen ist" bzw. Wissenschaft überhaupt ist, noch bevor überhaupt etwas gewusst werden kann. Der Konstruktivist hat natürlich kein zwingendes Argument, dass seine Wahrheit belegt, auch aus dem einfachen Grund, dass er in genau diesem Moment selbst seine konstruierte Welt als die richtige hinstellen müsste. Nichtsdestotrotz liegt das eigentliche Problem nur in der unreflektierten Annahme der Wissenschaften, diese Welt hätte eine vorgegebene rationale Struktur, die wir irgendwann entdecken können. Viel eher scheint es offensichtlich zu sein, dass kein einziger Naturwissenschaftler den "ontologischen Quantensprung" aus seiner wissenschaftlich konstruierten Erfahrungswelt heraus in die metaphysische Seins-Welt hinein schaffen würde. Was ein Wissenschaftler demnach tut, wenn er dabei ist, Wissen zu schaffen ist lediglich eine subjektive Beobachtung zu erfahren und sich im geeigneten Moment der richtigen Sprache (Mathematik) bedient, um diese Beobachtung für andere zugänglich werden zu lassen. Diese Sprach scheint so eindeutig, dass bei der Überprüfung der Werte tatsächlich die gleichen Ergebnisse zum Vorschein kommen. Doch ist dies nicht die ontologische Welt an sich, ist dies nicht die letzte Wirklichkeit hinter der keine Türe mehr offen steht. Es ist eine Sichtweise, die in und durch unsere/r Gesellschaft hindurch völlig überbewertet wird, anhand von Macht- und Ideologiezwängen.

Wirklichkeitserfahrung - Erfahrungshandlung = objektive Wirklichkeit (so in etwa stellen sich ToE-Forscher die Wirklichkeit vor.

Ich schaue auf einn Gegenstand, und in dem Moment des daraufsehens habe ich bereits ein Bild davon im Kopf wie es sein sollte. Der Gegenstand hat gar nicht die Möglichkeit noch anders zu werden, als so wie ich ihn bereits sehe, wie er in meiner Vorstellung ist. (Objekt-Methode-Zirkel)


<root><br /> <h level="2" i="1">== Kontext ==</h>

Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)

<div class="nowiki2scorm">Valid XHTML</div></root>