Benutzer:Jakub Jirovec/MuD09

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Hinführung

Am Anfang hat der Vortragende seine wichtigsten Thesen der ersten Vorlesung zusammengefasst. Es ist die radikale Differenz, die den Menschen charakterisiert; sie impliziert erstens die unmittelbaren Sinneserfahrungen und zweitens das Wissen des Wesens, das Denken. „Das Wissende steht über dem Bewussten“. Aus dieser radikalen Differenz folgt etwas wie eine „Reflexionskette“: am Anfang steht die unmittelbare Wahrnehmung, am Ende dann eine Metaebene, die mit einer Gemeinschaft verbunden ist. Die Erfahrungswissenschaften entstanden aus der kritischen Reflexion der früheren Glaubenswahrheiten, sie entwickelten eigene Methoden, aber kritisch reflektiert sind sie keine objektive Erkenntnis der Wirklichkeit: ihre Wahrheit ist selbst nur eine Meinung, kein Beweis für Wirklichkeit selbst, und vor allem bieten sie keine Anhaltspunkte für Handlung. Fazit: das empirische Wissen über die Welt ist nur eine (inter-)subjektive Meinung und sicher ist nur die Unsicherheit selbst. Damit müssen wir praktisch umgehen!


Doppelte Gefährdung der Menschen: wie gehen wir mit ihr um?

Als endliches Lebewesen ist der Mensch immer irgendwelchen Gefahren ausgesetzt. Wir brauchen nämlich zur Erhaltung unseres Lebens und zur Befriedigung unseres Leibes auch Gegenstände außer uns (klassisches Beispiel: Nahrungsmittel); darüber hinaus sind wir von der Umwelt immer bedroht, die uns einfach als eine Beute betrachten kann. Wir sind also doppelt gefährdet: von uns selbst und durch die Umwelt. In dieser Situation können wir nicht einfach nur instinktiv auf unsere leiblichen Antriebe reagieren und wir tun es auch nicht: mit unserer Reflexion und mit unserem Wissen sind wir fähig, unsere Bedürfnisse in größere Zusammenhänge einzuordnen. Diese Zusammenhänge sind die Natur, die zwischenmenschlichen Beziehungen und auch die gesellschaftlichen Normen – wir bauen uns auch ideologische Weltbilder! Unsere Antriebe müssen einfach Herrschaft teilen auch mit anderen Aufforderungen. Eben weil wir nicht nur Tier sind, vollziehen wir Handlungen nicht unmittelbar, sondern versetzen uns selbst erst aus einer vorangegangenen Überlegung (Wissen!) oder Reflexion heraus in Tätigkeit. Wenn wir uns für ein praktisches Handeln entscheiden, stehen wir immer vor einer Unzahl der Möglichkeiten. Deshalb müssen wir uns einen Zweck setzen, der uns zum Maßstab, zum Kriterium für die Mittel unserer Handlungen wird. Der Zweck steht den Handlungsmöglichkeiten gegenüber als ein Handlungsgrund und er steht natürlich im gewissen Sinn über der Reflexion: sie stellt nur die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten nebeneinander. Der Zweck ist nicht notwendig, nur möglich! (Im Unterschied zu einem unmittelbaren Antrieb – diesem gehorchen wir einfach). Auch auf der Ebene der Zwecke stehen wir wieder vor dem Problem der Auswahl und es taucht wiederum eine „Hierarchie" auf: wir brauchen einen übergeordneten höheren Zweck, für den die untergeordneten Zwecke nur das Mittel darstellen. Das Spiel aus der Ebene der Handlungsmöglichkeiten wiederholt sich erneuert. Auch hier genügt die Reflexion allein nicht. Erst wenn wir einen eindeutig wirklichen Handlungsgrund finden, sind wir imstande, von den Möglichkeiten in wirkliches Handeln überzugehen. Auch hier spielt die radikale Differenz eine wichtige Rolle: mein „Ich“ hat in sich sowohl die unmittelbare wie auch die reflexive Wirklichkeit. Sie lassen sich nicht vermischen, die eine muss zum Mittel, die andere dann zum Zweck werden.


Zwei Möglichkeiten der Handlung?

Die Konsequenz der radikalen Differenz ist, dass ich für mich grundsätzlich von zwei obersten Zwecken wählen kann. Die erste nennt Prof. Gotz Egoismus. Er besteht darin, dass ich die erlebbare Unmittelbarkeit als oberstes Ziel setze: Lust zu vermehren, Unlust zu vermeiden! Mein Ego ist der oberste Wert, das Maximum eigener Lust leitet meine Handlungen und die Reflexion tritt damit in den Dienst meines Egoismus. Genauso stehen im Dienst meines Egoismus auch die Mitmenschen, die Natur, die Gesellschaft, die Kultur… Nach Prof. Gotz ist der Egoismus aber eine völlig irreale Position, und zwar aus einem einfachen Grund: ich bin als Leib auch Mittel für die Anderen! Als leibliches Wesen bin ich auch den Gesetzen der Natur unterworfen. Dessen sind sich auch die Egoisten bewusst und sie müssen damit immer rechnen und ein kluges System der Kalkulationen entwickeln. Lustprinzip muss dem Realitätsprinzip begegnen. Auch wenn (und gerade dann) ich egoistisch bin, muss ich die eigene Leiblichkeit als Mittel zu ihren Zwecken heranziehen. Letztlich hat der Egoismus auch einen logischen Widerspruch in sich: kann ein höchstes Gut (im Fall der Egoisten eigene Lust) ein vergänglicher, endlicher Gegenstand – der Leib – sein? Die zweite Möglichkeit ist das Gegenteil des Egoismus: eine Ideologie. Hier funktioniert alles umgekehrt: die Reflexivität spielt die Hauptrolle und ich suche gemeinsame Werte zusammen mit anderen Mitmenschen. Unter die Ideologien zählt Prof. Gotz sowohl die Religionen als auch säkulare wertsetzende Weltinterpretationen wie Sozialismus oder Nationalismus. Sie leiten sozusagen unsere Reflexion, damit sie uns durch mehr oder weniger gute Argumente überzeugt, dass mein Lebenswandel der einzig sinnvolle sei. (An dieser Stelle wurde die Vorlesung von den protestierenden Studenten unterbrochen – Diskussionen dazu an anderen Seiten). Zwei Schwächen der Ideologien hat Prof. Gotz hervorgehoben: erstens beruhen ihre Argumente auf Grundlagen, die im Rahmen der Ideologie nicht überprüfbar oder argumentierbar sind. Das kann natürlich zum großen Problem werden und früher oder später einen Widerstand hervorrufen. Zweitens gibt es viele Ideologien und sie relativieren sich gegenseitig, entsteht eine Konkurrenz – die Ideologien sind also auch nicht absolut, sie sind nur eine Möglichkeit.


Der Wille und die Aufgabe der Philosophie

Der scheinbar ausweglosen Situation entkommen wir, indem wir uns auf die Realität konzentrieren: doch müssen wir das Faktum einer anderen übergeordneten Instanz konstatieren, das die wirklichen Zwecke und das wirkliche Handeln, das vorhanden ist, beweist. Das eigentliche Handlungsprinzip ist der Wille – er entscheidet über alle unsere Tätigkeiten und lenkt (und zugleich respektiert) auch unsere Reflexion. Er muss die Reflexion in sich haben, muss sich aber an Einsichten des Denkens nicht halten; so steht er nicht im Gegensatz zur Reflexion. Der Wille ordnet unsere Eindrücke und setzt sie um in die Werte. Er ist sozusagen die Brücke, der Übergang zwischen Unmittelbarkeit und Reflexion, und bringt damit einerseits eine praktisch geprägte Theorie, andrerseits eine theoretisch geprägte Praxis hervor. Durch den Willen können wir eigene Endlichkeit praktisch bewältigen. Damit wird aber nicht eine andere grundsätzliche Frage beantwortet: wie sollen wir die eigene Endlichkeit bewältigen? „Welche Werte soll ich setzen?“ – diese Frage hat auch Kant gestellt. Diese Frage bringt auch die Freiheit ins Spiel und es ist unvermeidlich zu fragen auch nach der Einschränkung des Willens – Freiheit des Willens bedeutet nämlich nicht eine absolute Freiheit, alles zu tun. Wir müssen eine letzte sinngebende Ebene suchen, an der sich der Wille ganz bewusst orientieren könnte. Diese Ebene muss auch übereinstimmen mit dem Sinn des Zusammenlebens von Menschen, Staaten, Gesellschaften und Kulturen. Wir sind auf der Suche nach einer umfassenden sinnvollen Orientierung, die den absoluten Grund gibt! Das ist die Aufgabe der Philosophie: die Erhellung dieser absoluten Dimension! So wäre die Philosophie eine universale Grundlagenwissenschaft in praxisorientierender Absicht, die nicht nur unter dem Gebot universaler Allgemeingültigkeit, sondern auch noch unter dem Gebot der absoluten Begründung! Bei dieser Begründung muss sie methodisch vorgehen, indem sie die absoluten Ansprüche von Begriffen wie Wirklichkeit, Wahrheit, Gutes (im moralischen Sinn), Sinn usw. ernst nimmt und sich davon leiten lässt.