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Transkript zur Vorlesung vom 27.04.2012

180087 VO Ludwig Wittgenstein: Das große Typoskript (Herbert Hrachovec)

Johanna Thomschitz (M-Nr. 8801366)

Beginn: Rückblick – Vorschau

Ich begrüße Sie! Wir sind mitten auf der 1. Seite des „Big Typescript“ angelangt und haben das letzte mal über Satzverstehen und -erlebnis gesprochen und werden in dieser Richtung weiter verfahren, wobei ich heute einerseits anknüpfen möchte an die Übung vom letzten mal dann habe ich aber auch noch einen Exkurs vorbereitet, der mir unter den Nägeln brennt und der sich beschäftigt mit den Ereignissen im Senat gestern am Nachmittag. Sie werden es nicht glauben, aber es gibt eine Verbindung zwischen dem, worüber wir hier bei Wittgenstein sprechen und es hat einen bestimmten Diskussionsstand in Zusammenhang mit den Entwicklungen und Entscheidungen und ich werde das versuchen, Ihnen deutlich zu machen und wie gesagt und wie gesagt eine Linie zu ziehen zwischen dem, was sich auf ersten Seiten des „Big Typescript“ abspielt und dem, was sich in diesen Debatten abspielt und es ist mir quasi eine besondere Freude, dass man, wenn ich Ihnen das sagen werde besonders gut sehen kann, dass die Philologie, die wir da betreiben und die Ihnen vielleicht überzogen und sonderbar erscheint nämlich die Philologie, sich genau anzusehen, was passiert zwischen den verschiedenen Entwicklungsstufen dieses Manuskripts. Dass diese Philologie genau das enthält und einen Hinweis darauf zeigt, was hier die Politik in dem Zusammenhang bedeutetet. Also soviel nur, dass Sie vielleicht, wenn sie planen früher weg zu gehen vielleicht noch so viel Zeit aufbringen, die Sachen zu hören, die ich dann über die Senatsentscheidung sage – also eine kleine Werbeeinsage.

Teil 1

Ovid: Ein Beispiel

Vorher aber habe ich mir ein anderes Beispiel gewählt um bestimmte Dinge deutlich zu machen vom vergangenen Mal. Die hängen zunächst auch nicht direkt mit Wittgenstein zusammen sondern sind als Beispiel konzipiert und appellieren an ihre Lateinkenntnisse, denn die Frage der Sätze, die wir besprochen haben – erinnern Sie sich: Kann ich etwas anderes als einen Satz verstehen? Wo ist das Verstehen beheimatet? Wann fängt das an? Kann man ein Wort verstehen? Nein man kann ein Wort nicht verstehen. Alle diese Dinge – lassen sich glaube ich ganz sinnvoll diskutieren wenn man es einmal ein bisschen mit einer Fremdsprache macht, wo man ein wenig mehr ausgesetzt ist der Schwierigkeit, dass man nicht sofort weiß, wovon da die Rede ist. Wenn Sie auf der Straße gehen und Sie hören ein paar Leute - die Straße ist schon einmal nicht ganz sicher - aber im NIG in der Regel hören sie deutsch. Und Sie machen sich da keine weiteren Gedanken, auch wenn Sie es nicht richtig verstehen, was da gesagt wird, weil es zu leise ist oder so, haben Sie den deutlichen Eindruck, es handelt sich hier um Deutsch. Wenn das in einem fremden Land passiert, ist es schon anders und es eignet sich ein solches Szenario gut zum diskutieren dessen, worum wir bei Wittgenstein uns kümmern und anstatt dass wir jetzt in ein fremdes Land gehen nehmen wir eine fremde Sprache und als einen kleinen Einstieg habe ich Ihnen hier diese Kombination von klein und groß geschriebenen Buchstaben, die Sie irgendwo durchgewürfelt vielleicht finden könnten. Ich normalisier hier etwas, so könnten Inschriften ausschauen, so könnte Gekritzel ausschauen - was immer.
fUgiUnt carPITe mANu QUaE pomA CELerI
Vielleicht erkennen Sie das eine oder andere als etwas, das mit Latein zu tun haben kann und könnte aber auch mit Aufbietung verschiedener Erinnerungen an die Schule würden Sie nicht wissen, sind das jetzt aus dem Wörterbuch gepickte Fragmente oder soll das ein Satz sein - irgendwie weiß man es nicht. Es ist einfach eine Kette von Buchstaben in unterschiedlicher Ausprägung und vom Verstehen ist hier keine Rede. Wie gesagt, so wenig wie wenn Sie die Augen schließen und ins Wörterbuch greifen oder digital können Sie es ja auch machen und da eine Reihe von Worten herausproduzieren. Wenn ich den zweiten Punkt nehme - die zweite Zeile hier - dann werde ich Ihnen, um Sie nicht zu lange im Ungewissen zu lassen, gleich von vornherein sagen, es handelt sich um einen Satz von Ovid aus der ars amatoria und dieser Satz heißt:
QUAE FUGIUNT CELERI CARPITE POMA MANU
Das werden sie vielleicht auch noch nicht verstehen aber Sie werden den Eindruck haben, na das klingt eigentlich wie ein lateinischer Satz - das könnte ein lateinischer Satz sein. Ein Hinweis darauf ist allein schon das, dass es so einen schönen Rhythmus hat. Leute denken sich oft etwas, wenn sie, gerade wenn man an der Stelle gerade in einem Epos ist natürlich, die Kombination anstreben zwischen korrekten Sätzen und gut klingenden Sätzen. Und in der Schule (ich zumindest) hat man in humanistischen Zusammenhängen immer auch großen Wert darauf gelegt, dass das ein schöner Satz ist, den man sozusagen immer übersetzen kann. Aber so wie das hier stehet und darum eignet es sich gut, hat sozusagen den Anschein eines Satzes. Aber wie das alles zusammenhängt was da steht, abgesehen davon, dass es ein schöner Rhythmus ist, das weiß man zunächst einmal nicht. Und für dieses „zunächst einmal nicht wissen“ gilt quasi die selbst Situation wie in der ersten Zeile.
fUgiUnt carPITe mANu QUaE pomA CELerI
QUAE FUGIUNT CELERI CARPITE POMA MANU
Also man könnte einfach sagen, und das wäre sozusagen noch immer die Vorstufe, man hat einfach die Worte und betrachtet die Worte wie Karten und mischt die Karten durch. Man permutiert einfach die verschiedenen Worte und durch das Permutieren von Worten, die nichts miteinander zu tun haben, entstehen keine Sätze. Das ist klar! Das heißt, die Frage ist die: wie entsteht so sein Satz hier? Wie entsteht aus dem - also eigentlich hätte ich ja, wenn ich es noch weiter ausgebaut hätte, hätte ich hier um es gleich vorweg zu sagen, die Vokabeln hinschreiben sollen und nicht die Vokabeln schon mit bestimmten Endungen - um es banal zu sagen. Die Vokabeln, die hier in der ersten Zeile aufgelistet sind, haben hier schon bestimmte Genus und Casusendungen und auch Verbalendungen natürlich, Konjugationsendungen und diese Endungen sind das, was das Gastarbeiterdeutsch vom normalen Deutsch unterscheidet. Die Eignung, die Eigenschaft, Worte einfach nur aneinander zu reihen und zu hoffen, dass sie einen Satz ergeben, der verständlich ist, auch wenn man die Sprache nicht genau kennt, das zeigt sich darin, dass man einfach Infinitivformen aneinander reiht und hofft, dass der andere den Satz versteht. Was in Wirklichkeit aber suboptimal in Zusammenhang mit einem gewöhnlichen Satz ist, weil wenn ein gewöhnlicher Satz besteht, die Sachen ineinander organisiert sind, die Sachen aneinander angepasst sind, was eine große Wichtigkeit hat in Zusammenhang im Satz. Warum? Weil wenn man keine Casus- und Konjungationsendungen hat, dann kann man in einigermaßen komplizierten Fällen nicht sagen, worauf sich irgendetwas bezieht. Also man kann z.B. nicht sagen, ob mit einem etwas passiert oder ob die Person etwas macht. „Franz baden schlecht gehen“ Ist es schlecht, dass er geht? Ist Franz schlecht? Das sind die Dinge, die an der Stelle offen bleiben. Und ein Satz ist dadurch gekennzeichnet, dass man das so fein abstimmt, dass man eine Struktur hat, die zusammen passt. Und die Struktur, die hier vorgegeben ist, das ist quasi die kleine Rätselaufgabe im Lateinunterricht, der wir alle unterzogen worden sind, ist nicht so richtig auffällig. Ich kann jetzt zwar wissen, quis heißt irgendwie „wer“, fugere (fugitiv - das weiß man auch, das ist ein Flüchtling) also fliehen, celerius ist schnell, carpite - carpe diem, da kennen Sie vielleicht - schnappen, poma sind die Früchte und manus ist die Hand - Manuskript ist so etwas ähnliches. Also wer fliehen schnell nehmen Früchte Hand. Da haben wir dieselbe Geschichte wie Franz baden schlecht gehen. Und die Aufgabe besteht jetzt also darin: o.k. - was passt zusammen? Da ist die Konstruktionsregel, wenn ich Sie jetzt sozusagen ein bisschen daran erinnern kann: Zuerst - man sucht nach dem Verbum. carpite - nehmt. Wen oder was? - man sucht nach dem Objekt. Das steht im Akkusativ. Poma ist der Akkusativ: Nehmt die Früchte. Womit nehmt ihr die Früchte? Mit der Hand - manu. Das ist der Dativ. Wo haben sie noch einen bestimmten Dativ? Celeri ist auch ein Dativ, das passt zu manu. Mit schneller Hand nehmt die Früchte und das ist jetzt das quae. Quae ist der Anfang eines Relativsatzes. Und worauf bezieht sich der Relativsatz? Auf das Objekt, nämlich die Früchte. Also: „die Früchte, die fliehen, nehmt euch mit schneller Hand“ heißt das. Damit haben Sie jetzt die Struktur herausgeholt.

.... in mein Gedicht kommst du nicht hinein!

Um die Sache ein bisschen zu normalisieren, habe ich mit den Spaß gemacht, diese Struktur deutlicher dem Deutschen anzupassen und also eine Version dieses Satzes zu erstellen, die für unsere beschränkten Lateinkenntnisse ein bisschen besser wäre. Ovid hat es so nicht geschrieben!
Poma, quae fugiunt, carpite celeri manu.
Da passt es schön das eine nach dem anderen, da brauchen Sie nicht auf die Suche zu gehen nach den verstreuten Satzteilen. Und die Pointe dabei ist natürlich die: sie können sich vorstellen, dass ein alter Lateiner, wenn er den letzten Satz liest, sagt: na ja - ein Satz ist es - also gut, ich versteh schon was es ist, aber ein lateinischer Satz ist das keiner. „Und in mein Gedicht kommst du nicht hinein“ würde Ovid gesagt haben.

Und die ganze Richtung, in die das gewiesen hat was ich ihnen gezeigt habe ist, dass wir an der Stelle eine Konstellation - ein Verhältnis haben inzwischen, dass wir was erleben und dass wir etwas analysieren. Also mein Anfangsstatement, dass wir das irgendwie als einen lateinischen Satz empfinden ist eine Sache, die wir unserem Inneren zuordnen. So ähnlich, wie wenn wir etwas als eine Gefahr empfinden oder als eine Aufforderung - als ein freundliches Lächeln empfinden. Ich komme auf der Straße jemandem entgegen, der lächelt mit zu und ich empfinde das als ein freundliches Lächeln. Ich sehe eine Inschrift und empfinde das als eine lateinische Inschrift. Ob das wirklich ein freundliches Lächeln ist, ist noch einmal offen, das könnte unterschiedliche Bedingungen haben und unterschiedliche interpretiert werden. Und ob wirklich mein Gefühl mich trügt oder nicht trügt, das liegt nicht in dem Gefühl. Also dass ich den Eindruck habe, das ist so etwas, ist ein nicht ausreichendes Kriterium dafür - ich rede jetzt für Wittgenstein, aber eigentlich aus meiner eigenen Überzeugung - es ist ein nicht ausreichendes Kriterium dafür, dass es sich hier um einen Satz handelt. Wie komme ich darauf, dass es sich um einen Satz handelt? Ich habe die Sache ja schon angedeutet, indem ich das rekonstruiere und damit eine Struktur aufbaue, die eine Definitheit hat. Wo also klar ist: die Hand ist schnell und nicht die Früchte sind schnell, z.B. Die Früchte sind nicht schnell, weil das gehört nicht zu den Früchten, dass sie schnell sind. Das ist mehr für die Eidechsen. Und die Hand ist aber etwas, das schnell ist. Und diese Art von Struktur ist das.

Gestaltswitch

Erinnern Sie sich an das letzte Mal, was in der Tractatwelt die Basis der Beschreibung des Universums überhaupt ist. Der Tractat besteht - postuliert - dass die Welt besteht aus Tatsachen, die durch strukturierte Sätze wiedergegeben werden (und das die Logik, die in diesen Strukturen drinnen steht, das diese Logik festlegt ein für allemal), beschrieben, erfasst werden kann. Und wenn man in weiterer Folge über die Welt sinnvoll sagt, dann befindet man sich innerhalb dieser Logik und hat darum ein Recht, das zu sagen. Und wenn man formuliert mithilfe von Sprachausdrücken, die nicht dieser Logik gehorchen, dann sagt man sinnloses Zeug! Und dieses sinnlose Zeug soll man in der Philosophie vermeiden. Und die Philosophie ist damit beschäftigt, darauf zu achten, dass man über die Welt sinnvolles sagt, weil sie sich mit der Logik der Welt beschäftigt. Also das Sinnvolle, das in der Welt gesagt wird, und das sich auf die Tatsachen der Welt bezieht, dieses Sinnvolle ist nicht Inhalt der Philosophie. Sondern der Inhalt der Philosophie ist, festzulegen, was ist das Kriterium, dass so etwas sinnvoll ist - das habe ich Ihnen ja schon deutlich gemacht. Der Tractat hat eine ausgesprochen hart naturwissenschaftliche Außenseite. Was sinnvoll gesagt werden kann sind empirische Tatsachen und nicht solche Aussagen wie Einstellungen, Aufforderungen, Ratschläge - so was Ähnliches. Aber dass es eine schnelle Hand gibt z.B. dass die Hand schnell zugreift oder so - das wäre im Tractat in Ordnung. … In einer erweiterten Deutung ist es auch zulässig zu sagen, die Welt besteht jetzt nicht nur aus den einzelnen greifbaren Dingen sondern um einen erweiterten Weltbegriff zu formulieren, können wir solche Strukturzusammenhänge wie z.B. von schnellen Händen und Früchten und Aufforderungen sozusagen aufbauen. Und wenn wir das gemacht haben - und da komme ich jetzt zurück zum Thema des Verstehens und des Satzes - dann kommen wir drauf, um von Zeile 1 auf Zeile 2, 3 und 4 zu kommen, brauche ich einen Gestaltswitch (würde man vielleicht sagen). Der späte Wittgenstein würde es auch sagen. Ich kann es nicht zusammensetzen. Ich kann mit letztlich den Sinn dieses Satzes nicht zusammensetzen dadurch, dass ich einfach alle einzelnen Worte analysiere sondern, das wäre jetzt die Aussage, die Pointe von Wittgenstein: dass das dieser Satz ist, verstehe ich erst an der Stelle, an der ich sehe, wie das alles zusammenhängt.

Das aha-Erlebnis ist nicht das Kriterium

Also in dem Moment, in dem ich sehe, wie das zusammenhängt, habe ich den Satz verstanden und vorher nicht. Wenn ich einen falschen Zusammensetzungsprozess mache, wenn ich einen Fehler mache und mir die einzelnen Bestandteile nicht richtig zurecht lege, dann habe ich diesen Satz nicht verstanden. Das heißt, dass es dieser Satz, dass es dieser spezielle Satz ist, kommt damit, dass ich ihn richtig zusammensetze und kommt damit, dass ich ihn verstehe. Das ist der Punkt, wo man nun diese Besonderheit hat, dass man geneigt ist, die Sache so zu beschreiben, dass man sagt, es ist ein aha-Erlebnis. Jetzt weiß ich, wie es zusammen passt. So ähnlich, wie ein Steckrätsel oder so etwas ähnliches. Hoppla, jetzt gehen die Sachen so zusammen. Aber dieses aha-Erlebnis, das sich damit verbindet, das ist nicht das Kriterium. Das ist meistens Kriterium dafür, dass wir sagen können, es ist ein Satz, weil das aha-Erlebnis muss begleitet sein, muss verbunden sein damit, dass ich zeigen kann, dass das nach bestimmten Regeln funktioniert. Also wenn mir jemand sagt, das sind Tatsachen zu einem bestimmten Zweck. Ach das heißt: mit schnellen Händen Früchte sammeln, das ist mir jetzt intuitiv klar, dass das das heißt. Oder wenn ich sage, das sind Tatsachen mit einem bestimmten Zweck: „ach so, das heißt, ich soll etwas zum Mittagessen besorgen, das ist mir ganz klar, dass das das heißt!“ dann haben Sie einen Erklärungsbedarf. Es reicht nicht, dass Ihnen klar ist, dass das so ist. Sie müssen angeben, in welchen Zusammenhängen, in welcher Konstruktion es für jemanden anderen funktionieren kann. Also die simple Auseinandersetzungssituation in der Lateinschularbeit, wo Sie sagen: „also ich habe diesen Satz gelesen und mir war klar, das heißt das“ und dann kommt der Lateinlehrer oder die Lateinlehrerin und sagt, „das kann aber das nicht heißen, weil das passt nicht zusammen“. Das ist die Situation, in der wir uns auch an dieser Stelle befinden und das sind alles Variationen davon, dass ich Ihnen nahe bringen möchte, wie Wittgenstein zu Beginn des „Big Typescript“ - und das ist meine Überschrift in dem Zusammenhang - die Thesen diskutiert: und die Sätze werden nicht verstanden. Das ist jetzt meine Formulierung. Sätze werden verstanden, das kann man sagen, Sätze und Verstehen sind in einer Weise koextensiv. Aber es ist nicht so, dass man sagen kann, da stehe ich zunächst einmal draußen und habe ein bisschen was verstanden und dann komme ich langsam dazu, das besser zu verstehen sondern es ist vielleicht so, dass man sagen kann, Verstehen vermehrt sich. Aber die Definitheit eines bestimmten Satzes die haben Sie erst - diesen Satzinhalt von ganz genauer Art und Weise haben Sie erst, wenn Sie ihn verstanden haben und vorher haben sie ihn nicht gehabt, haben ihn nicht verstanden.

Die Hälfte der Rechnung stimmt

Ich habe Ihnen Argumente für die Gegenseite in meiner Darstellung ja schon gebracht. Also man kann doch immerhin - man kann sagen, wenn ich bei der Lateinschularbeit bleibe oder wenn die Lateinschularbeit so betrachtet wird wie ein mathematisches Beispiel: Bei mathematischen Beispielen ist es so, dass wenn man sagt: also richtig ausgerechnet haben Sie es nicht, aber der Gang ist verstanden worden. Die Hälfte der Rechnung stimmt, das heißt, er kriegt nicht vier Punkte sondern zwei Punkte oder so etwas kriegt er. Ähnlich könnte man sagen: na ja, den Satz hast du nicht wirklich verstanden, du hast irgendwie verstanden, worum es da geht. Das ist aber sehr menschlich natürlich - hoffen wir doch, dass wir so eine bestimmte Bereitschaft haben - aber es ist genau nicht das, was Wittgenstein sagt. Wittgenstein sagt in dieser Phase und auch in weiteren Phasen seines Lebens, es kann schon sein, dass du irgendwas verstanden hast aber darum kann ich mir nichts kaufen - sagt er nicht, das sage ich jetzt. Dafür, dass du ein bisschen etwas verstanden hast, weil das so klingt wie du meinst, dafür kann ich mir nichts kaufen. Kaufen kann ich mir erst etwas an der Stelle, an der wir uns einigen darüber, wie das alles zusammen passt. Und wenn wir uns darüber geeinigt haben, sind wie man so sagt „on the same page“, und haben diese Vorstufen quasi aufgelassen oder aufgehoben. Es gibt keine Vorstufen, es gibt nur diese eine Verständigungsstufe. Verstehen fängt erst mit dem Satz an. Also dazu habe ich jetzt genug ausgeführt! Wollen Sie dazu etwas bemerken?

Und darum interessiert es uns nicht

Wenn nicht dann führe ich sie einmal noch auf eine nächste kleine, schöne und attraktive Detailwendung in dem „Big Typescript“ wiederum in Hinblick auf die Typografie und auf die Manuskriptgenese. So wie das hier steht, ist es aus dem Manuskript 211 hinein getippt. Und dann schreibt Wittgenstein noch etwas dazu. Zu diesem Satz schreibt er genau etwas dazu. Sie sehen also, das ist: „Das Verstehen fängt aber erst mit dem Satz an - und das ist die Seite 242 aus 211, das haben wir schon uns angeschaut und da sieht man etwas - allerdings nicht sehr gut - nämlich: da hat er mit der Hand etwas dazugeschrieben. schon in dem 211er Manuskript allerdings nachdem es getippt worden ist. Wann er das dazu geschrieben hat weiß ich nicht, weiß man auch nicht. Und das heißt, - wenn Sie es unter besten Bedingungen anschauen, werden Sie es vielleicht auch lesen können. Das heißt, das Verstehen fängt aber erst mit dem Satz an - und darum interessiert es uns nicht. Und das ist ja doch wieder eine interessante Geschichte. Das zeigt Ihnen, das ist einmal das erste, was ich Ihnen so vor Augen führen möchte, Wittgenstein ist in der Lage, an jedem Zettel dann etwas dazu zu schreiben, was einen wieder in eine völlig eigene Situation bringt. Erst sagt er: Verstehen und Satz sind wichtig, gehören zusammen und so. Das Verstehen fängt mit dem Satz an, ist wichtig usw. usw. und darum interessiert uns das nicht. Sie haben hier - das ist die Reitbauertabelle - das Verstehen fängt aber erst mit dem Satz an - und darum interessiert es uns nicht. Das ist jetzt der Anfang dessen, was dann am Ende dazu führen wird, dass ich Ihnen etwas über die Senatsentwicklungen sage, weil ich Ihnen das quasi ein bisschen erläutern möchte. Und zwar - wie fange ich das an - es hat etwas damit zu tun, dass man, wenn man zurückschaut auf den Tractatus, die Konstellation hat, die ich das letzte mal auch schon vorgestellt habe, dass die Gesetze, nach denen die Welt sinnvoll beschrieben wird, niedergelegt sind in einer Logik der Sprache für die Weltbeschreibung und dass wir diese Logik so ansehen müssen, dass sie nicht mehr überstiegen werden kann. Wir können mit Hilfe dieser Logik reden aber wir können nicht mit Hilfe dieser Logik über die Logik reden. Das geht sich nicht aus, weil wenn wir sinnvoll reden, dann müssen wir innerhalb dieser Logik uns befinden und wir können uns nicht darüber schwingen. Wir können uns nicht eine Ebene des Redens zuordnen - so zu sagen anmaßen. Wir können uns nicht eine Redeebene anmaßen, in der wir über das reden, wie alle Leute sinnvoll reden. Wir befinden uns ganz genau wie die anderen in denselben Bedingungen. Das sage ich immer wieder, weil das eine der entscheidendsten Geschichten ist. Wenn das so ist, dann gilt es also auch für das Verstehen. Auch Verstehen hat nicht die Beschaffenheit, dass es Leute gibt, die verstehen etwas besser und die anderen verstehen es ein bisschen weniger gut. Und die, die es besser verstehen, sagen es denen, die weniger gut verstehen: na ja, probier ’s doch mal ein wenig, sodass du aufholst! Sondern Verstehen - wenn verstanden wird, tut man dasselbe. Das ist die Pointe, die ich vorher gerade gesagt habe, es ist nicht so, dass man ein bisschen herablassend von der LehrerInnenposition her dem anderen sagen kann: „na du hast schon irgendwie verstanden worum es geht, aber ganz verstanden hast du es noch nicht. Wenn du mir noch ein bisschen weiter zuhörst, dann wirst du es ganz verstanden haben.

Das ist genau die Pointe, von der Wittgenstein hier oben sagt „und darum gibt es in einem gewissen Sinn keine halben Sätze. In einem wichtigen Sinn gibt es keine halben Sätze. Ich glaube, warum das so ist, habe ich erwähnt und habe ich erläutert. Und wenn es keine halben Sätze gibt, dann gibt es auch kein halbes Verständnis von dem, was ein Satz ist. Das heißt, es gibt nur ein ganzes Verständnis. Was es sehr wohl gibt, um das noch einmal zu wiederholen - was es gibt ist ein anderes Verständnis. Man kann andere Sätze haben, man kann etwas anderes verstehen, aber wenn man einen bestimmten Satz versteht, dann muss man sich übereinstimmend verhalten mit den Leuten, die diese Konstruktion des Satzes als die richtige Konstruktion betrachtet haben. Wenn also Verstehen diese Art von Holismus - Totalitarismus hat, dann werden Sie leicht sehen, dass man für das Verstehen dasselbe wieder sagen kann, wie man für die Logik der Sprache sagen kann, nämlich, dass wir uns nicht verstehensvoll über das Verstehen drüber schwingen können, das irgend jemand hat.

LehrerInnen, die es besser wissen

Das ist - und da greife ich das erste Mal vor auf das was ich in der zweiten Hälfte der Vorlesung sagen werde - das ist ein massiver Kritikansatz gegen das klassische Bildungsideal. Das ist massiv gegen das, was in der humanistischen Tradition uns allen gelehrt ist. Das ist sogar massiv gegen jede Pädagogik, denn nicht ganz umsonst habe ich hier mit Latein und Schule operiert. Schulen operieren so, dass die LehrerInnen es besser wissen und es den SchülerInnen entsprechend aufs Auge drücken, um das jetzt einmal so zu sagen sage ich polemisch von einer Stelle. Dass die eine Vollheit des Sinns haben, dass die besser verstehen worum es da geht und den anderen die Möglichkeit geben, dieses Verstehen aufzubauen. Mit hilfe davon, dass sie wie man es ja auch wirklich gerne sagen möchte, z. B. sagen, hier hast du einen Satz und der Satz kommt dir vielleicht ganz unwichtig vor, aber ich sage dir, was in dem Satz drinnen ist. Ich sag dir, wie du den Satz verstehen sollst. Ich selber bin einer der ersten, jeder der hier in dem Institut arbeitet ist schuldig. Ich erzähle Ihnen die ganze Zeit, wie sie die Wittgenstein-Sätze verstehen sollen. Ich versuche nichts anderes, als Ihr Verstehen dessen, was diese Wittgenstein-Sätze sind, aufzubauen, auszubauen, zu bereichern, damit Sie mehr damit anfangen können. Das heißt, wie soll ich denn anders beschreiben, was ich tue, als dass ich Ihr Verstehen anreichern möchte - zumindest. Und da sind wir nun genau im Gegenbereich.

Satzverstehenszusammenhänge

Der Gegenbereich ist der, dass Wittgenstein sagt, wenn du einen Satz verstanden hast, dann hast du genau dasselbe verstanden, was jeder andere mit diesem Satz versteht. Und wenn du beanspruchst, dass da mehr dahinter ist, dann musst du mir eine andere Geschichte erzählen. Dann musst du mit dem Ding anders umgehen. Du kannst es nicht sozusagen - ich entschuldige mich für den Ausdruck - du kannst dem Satz den Sinn nicht aus der Nase ziehen. Der Satz ist nicht so, dass in sich etwas eingewickelt ist, das man heraus wickelt, sodass man den ganzen Sinn des Satzes versteht. Sondern, was du tun kannst ist - da bin ich jetzt ein bisschen weg von Wittgenstein, das sage ich nur der systematischen Komplettheit halber - was du tun kannst ist, diesen Satz zu nehmen und in immer neuen Zusammenhängen zu erläutern, sodass der neue Beleuchtungen hat, neue Anwendungen hat und als solches aber auch dann immer ein anderer Satz ist. Aber da mache ich jetzt die Klammer zu. Wenn das so ist, wie ich jetzt gesagt habe, dann ist eine Brücke geschlagen. Nämlich die Brücke dazwischen, dass im Tractat diese Metaposition vermieden wird, verboten wird und dass der Sinn dessen - also ich bin wie gesagt in der Interpretation von diesem „und darum interessiert es uns nicht“ - der Sinn dieses „es interessiert uns nicht“ darin besteht, dass wir gar keinen Zugriff haben für das Verstehen, das sowieso da drinnen ist. Wir können nichts dazu sagen, es kann uns nicht interessieren. Es kann uns nicht interessieren weil wir es immer schon voraussetzen müssen. So wie die sinnhafte Gestaltung von weltbeschreibenden Dingen. Und wenn man diese Interpretation von mir nimmt, dann ist mit dieser handschriftlichen Zusatzbemerkung ein direkter Übergang von Wittgenstein geleistet, von diesen Satzverstehenszusammenhängen zu Problemen der Metasprache und der Metareflexion. Und genau das bestätigt sich, denn, wenn sie sich anschauen wie es im „Big Typescript“ ausschaut - hier sind wir jetzt beim „Big Typescript“: „das Verstehen fängt aber erst mit dem Satz an und darum interessiert es uns nicht“ nächster Satz: „wie es keine Metaphysik gibt so gibt es keine Metalogik“ - Das Wort Verstehen, der Ausdruck „einen Satz verstehen“ ist auch nicht metalogisch sondern ein Ausdruck wie jeder andere auch. Also ich hoffe, Sie akzeptieren meine Deduktion davon, wie es von dem ersten Bereich in den zweiten geht über dieses „interessiert uns nicht“ in eine wiederum Feststellung und Bestätigung dessen, dass es keine Metalogik gibt.

Ein harter Bruch

Nun ist das ein Punkt, der jetzt von mir interpretiert worden ist unter Rückgriff auf den Tractat und auf die dort vorliegende Argumentation. Sie werden, denke ich, der Auffassung sein auch, dass dieses Fragment hier als der fünfte Absatz hier auftritt, das ist doch relativ überraschend. Ich habe das jetzt deduziert Länge mal Breite, aber wenn Sie sich vorstellen, jemand soll das als Buch lesen - als Einführung in das Buch - das ist schon ein bisschen sonderbar. Da hat er schon einen harten Bruch gemacht und dieser harte Bruch ist einmal festzuhalten und vor allem ist er deswegen festzuhalten - und da bin ich jetzt bei meiner Textgenese - er ist vor allem deswegen festzuhalten, weil es ganz interessant ist, sich anzuschauen, was in den vorherigen Versionen dazwischen steht. Es ist nämlich nicht so, dass das aufeinander folgt in seinem Manuskript. Sondern in seinem Manuskript hat er eine Seite dazwischen. Zwischen dem einen und dem anderen und das werde ich Ihnen jetzt gleich zeigen. Die hat er raus geschnitten. Das hat er uns an der Stelle vorenthalten und damit gibt es diesen harten Bruch. Das ist das Eine.

Und das Zweite, das hier einen besonderen Charme hat, das Zweite ist, dass er in dem was er da raus geschnitten hat, Sachen schreibt, die von höchster Wichtigkeit in seiner Philosophie sind, die Sie möglicherweise schon dreimal gehört haben, die immer wieder zitiert werden. Die etwas mit der Aufgabe der Philosophie überhaupt zu tun haben - das ist mein zweiter Hinweis darauf, was jetzt dann kommt. In diesem Zwischenraum steht im Manuskript eine Aussage darüber, was die Aufgabe der Philosophie ist. Das ist das, was er uns hier vorenthält und was zu interpretieren ist als Erklärung - also Erklärung ist die Frage - in der Genese ist es das, was Wittgenstein hintereinander geschrieben hat um zu dem Schluss zu kommen, dass es keine Metalogik gibt. In meinen Worten habe ich gesagt: man kann sich nicht sein Verstehen über das Verstehen von jemandem anderen stellen. Das war meine - Wittgenstein paraphrasierende - grundlegende Attacke auf die Pädagogik. Und die Plausibilität dieser grundlegenden grundlegenden Attacke auf die Pädagogik steckt in den ausgelassenen Passagen drinnen. Welche Passagen hat er ausgelassen? Schauen wir uns das hier an. Das sind diese beiden: Wenn Sie es sich anschauen, ist es leichter sichtbar, hier ist es gerade noch sichtbar: „Das Verstehen fängt aber erst mit den Sätzen an“ das kennen wir schon. „Man kann nicht sagen, dieser Struktur fehlt noch etwas um ein Satz zu sein. Sondern es fehlt ihr etwas um dieser Satz zu sein.“ Das ist jetzt genau ein Beleg für meine Paraphrase darüber, dass wir Sätze in einer Weise verstehen können, die etwas von den Sätzen erfasst aber nicht alles. Also es gibt nicht dieses halbe Verstehen. Wenn wir verstehen, dann verstehen wir etwas ganz. Man kann nicht sagen, das fehlt noch etwas um ein Satz zu sein, sondern wir können sagen um einen Satz zu formulieren, brauchen wir die Definitheit aller der Bestandteile. Und wenn wir etwas haben, das dieses Ziel nicht erfüllt, dann trifft es schlicht und einfach nicht, was dieser Satz sagen will; unbeschadet dessen, dass es vielleicht so konstruiert werden kann, dass es etwas anderes trifft. Aber es trifft das nicht, was dieser Satz zu sagen hat.

Beispiel: Mister NN out-in

Nun der nächste Punkt - gehen wir weiter. Ich expliziere Ihnen jetzt, was da drinnen steht, bis dort, wo dann steht: „es gibt keine Metalogik“. Das ist die eine Überlegung. Die nächste Überlegung, die er rein schreibt in 31 auf der Seite 188 von Manuskript 110: „Beispiel: Mister NN out-in“. Dabei handelt es sich offensichtlich um etwas, das man in einem College haben kann. Stellen Sie sich vor ein Sprechstundenzimmer oder so etwas. Dort gibt es den Herrn Charlie Smith und der ist entweder out oder in und Sie können die Klappe dort oder dort hinlegen - so irgend etwas ähnliches. Also eine Vorrichtung um die Anwesenheit einer Person zu indizieren. Und was er an der Stelle sagt ist, warum er darauf hinweist, das hat Struktur. So wie der lateinische Satz. Auch in diesem Fall ist es nicht einfach ein englischer Satz aber es ist eine Zusammenstellung von Bestandteile der englischen Sprache, die man als eine bestimmte Struktur betrachten kann. Und diese bestimmte Struktur wird mitgeteilt, wenn man versteht, worum es da geht. Ich habe etwas noch nicht gesagt, das ich an der Stelle vielleicht einfügen sollte. Das was er hier auch selber nicht sagt, aber was man dazu hören kann, dass es nicht einfach um Strukturen geht sondern um Strukturen, die wahr oder falsch sein können - die behauptet werden können. Also man kann sagen, es gibt natürlich Sprachstrukturen, die strukturell sind aber nicht Sätze in dem Sinn. Das Satzartige liegt darin, dass man diese Struktur einer Beurteilung unterziehen kann. Sätze sind - das ist ein Dogma; man kann viel darüber sagen - in unserem Zusammenhang ist es jetzt ein Dogma: Sätze sind etwas, die war oder falsch sein. Das kommt von Frege, das kommt von der analytischen Philosophie, das gilt für Wittgenstein hier auch: das ist ein Satz in dem Moment, wo er so gelesen werde kann, dass die Aussage symbolisiert, dass Herr Charlie Smith weg ist oder da ist.
Diese Art von Struktur macht Sätze und an der Stelle lässt er sich ein bisschen auf dieses Beispiel ein und sagt dann so etwas wie: wir müssen, damit wir so etwas wie behauptbare Strukturen haben, müssen wir uns nicht sklavisch daran halten, dass das nach Regeln der ausgesprochenen niedergeschrieben Grammatik geht. Er sagt, wenn wir so ein Zeichen hier haben: das ist ein Kreis und das ist ein kleiner-als Zeichen - so ein kleines Häkchen - wenn wir so etwas sehen an geeigneter Stelle, dann können wir das verstehen als einen Richtungshinweis. Also: gehe in diese Richtung. Auf der einen Seite ist also nichts und auf der anderen Seite ist dieser Zeigerbestandteil. Wir können es als einen Pfeil sehen und wir müssen nicht dazu sagen, wir denken uns den Strich da dazwischen dazu.

es ist gut / es gut

Er sagt dasselbe noch einmal im Zusammenhang mit den Russen. Der Russe, wenn gesagt wird „es ist gut“, sagt „es gut“. Und da verschluckt er nicht das ist. Das „ist“ ist nicht sozusagen stillschweigend vom Russen auch noch verstanden sondern die Struktur, die für den russischen Sprachgebrauch die Rolle erfüllt, die Aussage zu sein, die bei uns heißt „es ist gut“, diese Struktur ist damit verstanden, dass ich diesen Ausdruck „es gut“ formuliere und richtig verstehe. Die Idee, dass da nichts fehlt drinnen in dem russischen Ausdruck, die hängt zusammen mit dem, was ich vorhin gesagt habe, nämlich hängt zusammen damit, dass dieser Satz als ganzer funktioniert und als ganzer gut ist. Da kann niemand - das wäre auch so eine pädagogische Über Determisation - dass jemand sich die Frage stellt: wo ist denn das „ist“ geblieben in dem Zusammenhang. Sollten die Russen nicht besser da „ist“ dazu sagen. Das ist eine dumme Idee. Das ist genau nicht möglich. Wenn ich weiß, wie es russisch heißt „es ist gut“, dann weiß ich, dass das der Inhalt dieses Satzes ist und da kann ich nicht dran herumfummeln. Das ist die Idee, die da dahinter ist. Und jetzt noch einmal ein weiterer Punkt. Den kompletten Satz zu charakterisieren ist so unmöglich wie die komplette Tatsache. Da haben wir jetzt einen direkten Verbindungsweg zum Tractat. Die Komplettheit einer Tatsache ist in ihrer Gegebenheit mitberücksichtigt und die Tatsache kann nicht von außen beschrieben werden. Die Tatsache kann beschrieben werden durch einen Satz. Aber mit einem Satz können wir nicht von außen noch einmal die Tatsache so beschreiben, dass wir sagen: sie ist komplett. Die ist schon komplett in sich. Das hat keinen Sinn an der Stelle noch dazu zu sagen.

natürlich ist es so

An einer anderen Stelle in einem bisschen weiteren Zusammenhang sagt Wittgenstein etwas sehr Schönes. Wenn uns jemand einen Satz vorschlägt, irgendetwas sagt, und wir sagen drauf: „of course - selbstverständlich“, dann ist es schon ein Zeichen dafür, dass da etwas nicht stimmt. Und warum: weil es reicht. Für einen Satz reicht es, dass er gesagt wird. Wenn wir noch dazu sagen müssen „natürlich ist es so“, dann haben wir eine Grenzüberschreitung begangen. Dann haben wir uns in einen Bereich begeben, der nutzlos ist. Offensichtlich stimmt etwas nicht, dass wir das extra noch affimieren müssen. Wenn es das nicht selbst enthält, wenn ein Satz die Determination, die notwendig ist um akzeptiert zu werden, nicht in sich selber hat, sondern dann noch jemanden braucht, der sagt: „Hermann Meier empfielt euch, kauft das“. Ich sage euch jetzt: „ja ihr könnt diesem Satz vertrauen - es ist sicher so“. Dieses Außenmoment ist für eine Philosophie nicht erwünscht. Und jetzt kommt es, nachdem ich Ihnen das alles so vorgestellt habe, jetzt kommt der Satz - drei Sätze eigentlich - die Wittgensteins Philosophie ganz markant und wesentlich bestimmen. „Die Philosophie darf den wirklichen Gehalt - den tatsächlichen Gehalt der Sprache in keiner Weise antasten. Sie kann ihn am Ende also nur beschreiben“. Das bessert er dann aus: „Die Philosophie darf was wirklich gesagt wird in keiner Weise antasten sie kann ihn aber am Ende nur beschreiben. Denn sie kann ihn auch nicht begründen (den wirklichen Zusammenhang)“. Also hier haben wir einen Schluss, der aus all dem, was ich ihnen gesagt habe, über Ganzheit von Sätzen und Verstehen jetzt eine direkte Konsequenz auf das, was die Philosophie macht. Und Sie werden jetzt im Nachhinein merken, warum ich Ihnen diese Beispiele mit dem: bitte keine pädagogischen Übergriffe. Sozusagen der pädagogische Missbrauch, der darin besteht, dass das, was wirklich gesagt wird nicht akzeptiert wird sondern angetastet wird. Also Pädagogik ist im Prinzip das Antasten dessen, was wirklich gesagt wird, mit dem Ziel, die Zustände zu verbessern. Und das ist das, wogegen hier Wittgenstein auftritt und das geht noch weiter: „Sie lässt alles wie es ist.“ Und dann kommen noch zwei Bemerkungen aus der Mathematik und dann kommt: „wie es keine Metaphysik gibt so gibt es auch keine Metalogik“. Damit habe ich Ihnen jetzt dargestellt, was da dazwischen steckt zwischen diesen beiden Textblöcken. Also es steckt dazwischen eine ganz massive Charakterisierung dessen, was Philosophie zu tun hat. Philosophie ist deskriptiv. Sie tastet das nicht an, was sie vorfindet sondern beschreibt es und bemüht sich um eine Darstellung dessen, was wir hier vorfinden.

Teil 2: Ein Exkurs

Überleitung: Die Philosophie lässt alles wie es ist

Und jetzt komme ich zum zweiten Teil. Und hier habe ich ihnen noch gesagt: „die Philosophie lässt alles wie es ist“. Diese Bemerkung ist nicht ganz verloren aus dem Manuskript 110, die findet sich im „Big Typescript“ auf Seite 218 (wir sind auf Seite 1). Da gibt es ein Kapitel „Methode der Philosophie“ und dort ist sie aufgenommen. Sie sehen an der Stelle ziemlich schön, wie diese Sachen komplett ineinander gehen. Um darzustellen, wie ihm das vorschwebt: ich habe Ihnen den Entstehungszusammenhang gesagt. In dem Entstehungs¬zusammenhang gibt es den Satz, das Verstehen, die Philosophie, was sie machen soll, und dann die Metalogik und wie es dann weitergeht. Und dann bei der nächsten Verarbeitung, wenn er es dann zerschnipselt kommt er drauf: na ja, das ist eigentlich eine Bemerkung über das, was die Philosophie tun soll - tun wir es 200 Seiten weiter nach hinten. Wie soll man die Sache angehen. Ich habe Ihnen das, was 200 Seiten weiter hinten vorkommt in dem „Big Typescript“, habe ich Ihnen jetzt wieder rein gestellt in den Zusammenhang, in dem es entstanden ist. Ich weiß nicht, was da besser ist, was da verständlicher ist. Es dreht sich alles im Kreis. Worauf ich aber hinweisen will ist, dass diese selbe Bemerkung dann eingeht in das typoscript 220 und das ist eine Frühfassung der philosophischen Untersuchungen - das verbreitete Werk. Und von daher hat es die Prominenz schon seit Jahrzehnten, die es hat. Das „Big Typescript“ - mit dem beschäftigt man nicht so stark aber in den philosophischen Untersuchungen tritt das wieder auf und charakterisiert dort ein wesentliches Moment von dem worum es geht.

Wiedereinführung der abgeschafften Studiengebühren

Was ich jetzt noch vorhabe ist, Ihnen Überlegungen vorzulegen über das Problem, das damit sich verbindet, dass Philosophie an dieser Stelle als Nichtintervention charakterisiert wird. Also Philosophie des „Hände weg“ von den wirklichen Gegebenheiten könnte man polemisch hier sagen. Und es ist Wittgenstein ja auch immer wieder vorgeworfen worden, dass er keine ethischen, keine politischen Initiativen setzt. Dass er die Leute dazu erzieht, unpolitisch zu sein und keine Handlungen, keine sozialen Materien, kein Engagement aus der Wittgenstein¬philosophie ableitbar ist. Und dazu will ich Ihnen jetzt in dem Exkurs ein bisschen was sagen. Es sei denn, Sie wollen zu dem bisherigen noch etwas bemerken.
Dann nehme ich die Freiheit eines Vorlesenden, einmal raus zu springen aus dem Wittgen¬stein-Zusammenhang. Schon um ihn zu erläutern aber auch um ihn anzureichern und komme also auf die gestrigen Entscheidungsabläufe. Und zwar warum: weil das genau politische Zusammenhänge sind, für die es eigentlich gilt, nach dem was Wittgenstein hier gesagt hat, dass man als Philosoph sich da raushalten soll. Dass von der Philosophie nichts beigetragen werden kann dazu. Also insbesondere nicht zur Frage, ob die Universität Wien auf Antrag des Rektorats im Senat die Wiedereinführung der abgeschafften Studiengebühren beschließen soll. Das ist ein Typus von Fragestellung, der nicht direkt in die Philosophie fällt und Wittgenstein hilft nichts dabei, nach dem, was wir bisher gehört haben. Es ist Ihnen aber sicherlich bekannt, dass es Auffassungen von Philosophie und von Bildungswissenschaft gibt, die überhaupt nicht meinen, dass Philosophie da schweigen sollte. Sonder die die Auffassung vertreten, dass, sagen wir einmal, dass Philosophie sich damit beschäftigt, nach wissenschaftlichen Kriterien vernünftig nach Wahrheit zu suchen und dabei zu vermeiden, dass man in den Bereich des Bezahlens, der Macht, der Bildung als Ware, gerät. Das ist ein Thema, das mich immer wieder in diesen Vorlesungen entweder beschäftigt oder erreicht. Hier erreicht es mich sozusagen. Also Philosophie muss auftreten gegen Bildung als Ware. Das gehört zu ihrem innersten Bestimmungsbereich, weil Wahrheit ist nicht käuflich, Wahrheit ist ein anderer Bereich, Wahrheit befindet sich in einer Dimension des vernunftgeleiteten Argumentierens. Und diese Dimension ist nicht abgängig von dem, was gerade die Budgetsituation ist und die Aufgabe einer humanistischen Bildung, einer akademischen Bildung besteht darin, nicht nur das durchzuführen sondern auch zu kämpfen darum, einzutreten darum, dass Bildung keine Ware wird.

Der Aufruf des Aktionsbündnisses

Und darum der Aufruf des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren, der an die Mitglieder des Senates am Mittwoch gerichtet worden ist (darum habe ich diesen Aufruf auch bekommen), sich aktiv gegen die Wiedereinführung dieser beschränkten Studiengebühren einzusetzen. Sie können das im Einzelnen dann lesen. Ich habe Ihnen nur ein paar Formulierungen hier extra hervorgehoben. Beim in der Senatssitzung diskutierten zukünftigen Studienmodell mögen diese Warnungen übertrieben scheinen. Diese Warnung ist daher eine Anzeige einer Tendenz, der entgegengetreten werden muss. Nur eine politisch und ideologisch zurückhaltende vom Staat ausfinanzierte Universität kann eine Wissenschaft ermöglichen, die Reflexion über und Fortschritt der Gesellschaft bedeutet. Bildung darf nicht zur Ware verkommen sondern muss ein gesellschaftliches Gut bleiben. Das heißt, nach dieser Konzeption ist es eine wesentliche Aufgabe von Wissenschaft und insbesondere der Philosophie, Reflexion anzukurbeln, soz. anzustellen gegen die Tendenz einer Kapitalisierung und Neoliberalisierung. Sie kennen in etwa die Argumentation, keinem schlechten Pragmatismus zu verfallen und für Studiengebühren zu stimmen sondern als SchützerInnen und BewahrerInnen einer autonomen Wissenschaft aufzutreten. Ich habe geantwortet in einem email-Austausch auf einer Liste, die ich führe für genau diese Zwecke in der universitären Gesamtsituation. Herr Doblmaier, der auch mitverantwortlich ist für diesen Aufruf des Aktionsbündnisses hat an der Stelle mit mir weiter diskutiert und hat darauf hingewiesen, hat sich bezogen auf das Interview mit dem Senatsvorsitzenden im Standard am Mittwoch, wo er gesagt hat, man müsste für ECTS-Punkte entsprechend zahlen können - sozusagen für Serviceleistungen zahlen können - und hat gesagt: ein Bildungs- und ein Menschenverständnis steckt da dahinter, nämlich dass da die Bildung und Reflexion zu einer monetären Frage wird. Die Universität, so wie ist, die reflektiert nicht über den Sinn und Unsinn von Studiengebühren als Steuerungsmoment. Nein, sie fragt in erster Linie: wie müssen sie gestaltet sein. Das ist also noch einmal das Argument, man soll sich reflektierend einsetzen dafür, nachzudenken worum es da geht. Und wenn man darüber reflektiert, dann wird man zu Einsichten kommen, zu denen die PragmatistInnen nicht kommen. Und er sagt an der Stelle, dieses bloße Nachbeten dieses „Nicht darüber reflektieren“ ist der Vernunft unwürdig - pragmatisch instrumentell.
Die Sache ist mit Sicherheit insofern richtig als Universitäten der Ort sind, wo man über solche Dinge spricht in unterschiedlicher Abstimmung, in unterschiedlicher Abfärbung. Wo man nicht einfach nur Sachen behauptet und ausführt sondern wo man einen Bereich der Argumentation hat und diesen Bereich der Argumentation ausnützen muss statt dass man einfach sagt: „Wie viel kostet es, dann gib es mir!“ Das gehört selbstverständlich zur Wissenschaft dazu. Also das soll nicht bestritten sein.

Die Diskussionssituation

Was ich aber jetzt fokusiert doch diskutieren möchte, hat etwas mit Sätzen zu tun und hat etwas mit dem Verstehen von Sätzen, so wie ich es beschrieben habe, zu tun. Und zwar mit Sätzen, die in ganz bestimmten Kontexten auftreten, in Kontexten verstanden werden müssen und zu Konsequenzen führen. Und diese ganz bestimmten Umstände, die jetzt dazu kommen zu der allgemeinen Diskussionssituation. Es gibt die allgemeine Diskussionssituation, die wir eine Woche lang jetzt schon geführt haben. Aber diese allgemeine Diskussionssituation sollte natürlich der Vorbereitung dessen dienen, dass am Ende - das war dann gestern - in einer Sitzung des Senates mit guten Gründen, reflektiert und prinzipienorientiert entschieden wird, welche Rolle die Studiengebühren an der Universität spielen sollen. Natürlich nach dem Willen des Aktionsbündnisses soll in dieser Sitzung, in der argumentiert wird, heraus kommen, dass wir die Einführung der Studiengebühren ablehnen. Das ist der Punkt, auf den es hingesteuert hat und der notwendig ist, wenn ich sehe, dass Wissenschaft nicht nur damit beschäftigt ist, sich Möglichkeiten zu überlegen - das ist ein wesentlicher Punkt, dass man immer im Bereich der Möglichkeiten ist - sonder aber auch mit Hilfe von Wissenschaft und in der Philosophie übergegangen werden soll, von Möglichkeiten, von Hypothesen, von Überlegungen zu Behauptungen. Zu etwas, was behauptet werden kann, was man festhalten kann, was man jemandem zumuten kann. Und in dem speziellen Fall, wenn wir jetzt von der Politik sprechen, zu einer Entscheidungsgrundlage für ein Stimmverhalten. Also eine Entscheidungsgrundlage für ein Stimmverhalten sind Sätze, die gesagt werden um Begründungen zu formulieren, die dazu dienen, die Marke am Zettel so oder so zu machen. Das ist ja eine Beschreibung des demokratischen Vorgangs und die Idee der intervenistischen – interventionistischen Pädagogik, wenn Sie so wollen, die Idee der kritischen Philosophie ist jetzt, dass in diesem Prozess des Sätzeformulierens, die eine Entscheidungsgrundlage dafür bilden, dass man dann eine Aktion setzt, die eine politische Konsequenz hat. Wenn man da jetzt interventionistisch argumentiert, dann sagt man, diese Entscheidungsgrundlage kann angetastet werden. Wenn es solche Entscheidungsgrundlagen gibt, dann können die richtig oder falsch sein und wir haben in der Philosophie die Ressourcen zu sagen, diese Entscheidungsgrundlage, dieser Satz ist nicht richtig. Du verstehst nicht worum es da geht. Deine Entscheidungsgrundlage ist nicht die richtige Entscheidungsgrundlage für dieses Stimmverhalten. Das ist die interventionistische Lesart.

Die Entscheidungsgrundlage

Ich sage ihnen das deswegen, weil ich in der Diskussion mit Herrn Doblmaier, um angestoßen, doch mich auch zu äußern, wie ich als Senatsmitglied in diesem Zusammenhang stimmen werde, mir die folgende Regel oder Überlegung als Entscheidungsgrundlage gegeben haben: Das sind jetzt Sätze, die ich hinstelle und die mein Verständnis der Situation bedeuten. Wo ich versucht habe, klarzumachen, so verstehe ich die Situation und aufgrund dieses Verständnisses handle ich. Und diese Sätze waren die folgenden: Der Wert einer Abstimmung für die Aufnahme von Studiengebühren in die Satzung liegt darin, dass Rechtssicherheit geschaffen wird. Der Schaden besteht darin, dass möglicherweise weniger als 15 % der Studierenden wieder zahlen müssen. Nach meinem derzeitigen Verständnis werde ich in dieser Frage für den Vorschlag des Rektorates stimmen. Das ist jetzt die Kondensierung von mehreren Tagen Diskussion. Wir können dann darüber reden, inwiefern das verständlich, akzeptabel oder nicht akzeptabel ist. Mein Punkt ist jetzt nur, zu sagen, so habe ich an dieser Stelle meine Situation verstanden und Konsequenzen daraus gezogen. Und die Frage ist jetzt, wer spricht mir das Recht ab? Unter welchen Aspekten kann mein Verständnis der Situation, das in diesen Sätzen formuliert ist, aufgeknackt werden? Quasi ausgestülpt, verändert und umorganisiert werden, so dass das bei mir jetzt anders rauskommt. Sodass mich jemand überzeugt davon, dass das nicht stimmt. Unter welchen Umständen geht das? Das will ich jetzt einfach im Raum einmal stehen lassen. Nach Wittgenstein kann die Philosophie solche Formulierungen nicht antasten. Solche Sätze gestalten eine Welt. Wir können andere Welten gestalten aber eine gegebene, verständliche Welt nicht von außen umkrempeln. Für Wittgenstein steht das Instrumentarium einer kritische Reflexion so nicht zur Verfügung und das ist ein Problem zunächst einmal. Ich will es Ihnen darstellen als die Situation, in die man hineintriftet mit einer Philosophieauffassung wie zu Beginn des „Big Typescript“ und einer politischen Aufgabe wie z.B. die vom gestrigen Nachmittag.

Ihr dürft da nicht rein!

Und dazu will ich aber jetzt noch etwas weiteres sagen und ich sage es nicht mit polemischer Absicht, muss ich dazu sagen, sondern ich sage es, weil ich glaube, dass es gut geeignet ist, die Komplexität des Problems deutlich zu machen. Es gibt ein Aktionsbündnis, das interveniert - versucht zu intervenieren - in das Verständnis der politischen Situation, der Leute, die da abstimmen sollen. Und dann gibt es eine Gruppe von Leuten, die ebenfalls interveniert, aber die nicht in das Verständnis interveniert, sondern die in dem realen Leben intervenieren und das heißt, die sich vor den Senatssitzungssaal stellen und den Mitgliedern des Senates sagen: „Ihr dürft da nicht rein, weil ihr nicht abstimmen sollt, weil ihr in dem Senat wahrscheinlich Böses vorhabt!“ Das ist der erste Schritt gestern gewesen. Beide Eintrittsmöglichkeiten des Senates von jeweils vielleicht 50-60 Leuten blockiert, sodass die Mitglieder des Senates dort nicht reingehen konnten. Das ist eine Form aktiv zu intervenieren in den Prozess, in dem Leute versuchen, sich ein Bild der Welt zu machen aus dem heraus sich ergibt, wie sie in einer solchen Situation abstimmen. Die Senatsangehörigen haben sich dann an einem anderen Ort getroffen. An diesem anderen Ort begonnen zu überlegen und nach einiger Zeit sind sie dort von den Studierenden sozusagen auch entdeckt worden und haben eine halbe Stunden lang unter ziemlich bedrohlichen Umständen (agiert). Die Studierenden müssen mit einer Leiter oder mit einem riesigen Balken oder so etwas regelmäßig an die Türe gedonnert haben, also es war richtig ein mittelalterlicher Belagerungszustand, wo Leute mit einem Rammbock versuchen, da reinzubrechen in die Türe - und unter diesen Bedingungen sind die Beratungen im Senat dann durchgeführt worden. Ich sage das deswegen, weil diese kleine Bemerkung, die sicherlich polemisch gedeutet werden kann, obwohl sie nicht sehr polemisch gemeint ist, erspare ich mir nicht, dass die Intervention in bestimmte Verständnissysteme von bestimmten Personen bedingt dabei, dass man nicht akzeptiert, wie die die Welt sehen und endet dann manchmal damit, dass man sie verhaftet oder misshandelt oder sonst etwas. Und zwar von der Polizei und von den Rowdies - in beide Richtungen.

Ich akzeptiere deine Meinung nicht

Also hier haben Sie - und das ist etwas, was ich in der kritischen Philosophie also jetzt zu bedenken gebe und insofern stelle ich mich kurz einmal auf die Seite von Wittgenstein - dass nämlich die Situation, in der man einigermaßen gedeckt von akademischen gepflegten Umgang und von vernünftigen Argumenten sagen kann, ich akzeptiere deine Meinung nicht. Ich glaube, du hast eine falsche Meinung. Ich glaube, der Satz den du da sagst gehört anders. Dieser Satz ist falsch. Wittgenstein würde sagen, wenn man den Satz versteht, dann kann man sich auf diesen Satz nur einigen. Wenn ich stattdessen sage, dieser Satz ist falsch und dieser Satz muss anders sein, diesen Satz akzeptiere ich dir nicht, wenn man das in der akademischen Kontextsituation so nimmt, dass man sagt, das ist die gewaltlose Gewalt der Vernunft, das overrulen, das wir uns gestatten, ist erlaubt, weil es gewaltlos ist im Sinn von physischer Gewalt, dann sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass man die Frage stellen muss: und woher hast du deine Einsicht in die Vernunft, die dir gestattet, das zu overrulen. Woher hast du - jetzt einmal vom Aktionsbündnis her (die waren nicht gewaltsam) - / Jemand, der sich mit diesen Argumenten der Vermarktung usw. ausstattet und sagt, mit diesem Argument verwerfe ich deine anderen Argumente, woher kommt die Instanz, mit der du sagst, dass das die bessere Reaktion auf das was hier geschieht. Also, Vernunft ist leicht gesagt. Ich würde sagen, meine Entscheidungsgrundlage ist entstanden aufgrund von vernünftigen Überlegungen. Ich sage nicht, dass das die Schlussfolgerungen sind, die jede Person ziehen kann. Ich sage nicht, dass man dem nicht entgegen sprechen kann. Ich sage nur, das ist eine Position für die ich verlange, dass sie respektiert wird. Und wenn mir jetzt jemand sagt, du bist zu blöd um mein Argument zu verstehen (hat niemand gesagt!) oder du bist zu verbohrt und zu ???lastig um zu wissen worum es in Wirklichkeit geht, dann ist es dieser pädagogische Übergriff, der zumindest eine gewisse Analogie hat oder eine gewisse Nähe zu anderen Übergriffen. Ich verkenne nicht, überhaupt nicht, dass das ergänzt werden muss durch eine ganze Reihe von weiteren Überlegungen. Also eine Überlegung, die auf jeden Fall natürlich klar ist, es ist für medieninteressierte Leute ja in dieser Woche sehr deutlich gewesen, dass es konsistente Sinnansprüche gibt, die gemeinschaftsgefährdend sind. Also z.B., dass im Falle dass man hunderte Leute oder hundert Leute umbringen kann als Notwehr gegen die Verfremdung, gegen die Entfremdung, gegen die Überfremdung einer Nation. Ich will das hinzufügen zu dem Problem. Es kann nicht heißen, das was Wittgenstein hier sagt, nichts antasten, was normalerweise gesagt wird, kann unter keinen Umständen heißen, und ich glaube, das lässt sich argumentieren, dass sich bei Wittgenstein auch so ist, das kann nicht heißen, dass man jeden Unsinn nur deswegen, weil er in sich zusammen hängt und behauptet wird, auch akzeptiert. Vor allem, wenn er zu entsprechenden Konsequenzen und Handlungen auch führt. Hier gibt es ein Problem, würde ich sagen. Es gibt ein sehr sehr deutliches Problem. Die Opposition zwischen prinzipientreuen BeschützerInnen und Pragmatisten ist ja etwas, was in der Philosophie sehr bekannt ist und in der Philosophie selber diskutiert wird. Mehr als Sie auf diese Fragestellung hinzuweisen kann ich hier glaube ich nicht machen. Aber soviel wollte ich doch noch am Tag danach Ihnen mitteilen. Aber jetzt denke ich mir doch, dass Sie dieses oder jenes sagen wollen.

Diskussion im Plenum

Frage: Das hat doch Auswirkungen auf (Studierende?) aus Drittstaaten.

Antwort: Drittstaaten, nicht Entwicklungsländer! Entwicklungsländer sind extra nicht eingeschlossen. Eine Moldavierin ist ein wirkliches Problem.
Frage: Da geht es um Schicksale!
Das leugne ich nicht, darum sage ich auch schade. Man muss aber auch dazu sagen, es ist ja nicht die Entscheidung dafür, dass die eingeführt werden. Sondern es ist in Wirklichkeit die Entscheidung dafür, das man einen Rechtszustand schafft, in dem geklärt werden kann, ob es überhaut juridisch (?) ist. Die Tatsache, dass die Moldavierin zahlen muss, ist an dieser Stelle, die zweifellos kiritsch zu betrachtende Folge davon, dass etwas anderes gemachtworden ist, nämlich, dass ein Schritt gemachtworden ist, der den Verfassungsgerichtshof dazu zwingt zu klären, ob das überhaupt möglich ist.

Das muss ich dazu sagen – das habe ich vielleicht nicht gesagt – der Inhalt dessen, was der Senat gestern beschlossen hat, enthält, dass die Studiengebühren, wenn sie gezahlt werden würden oder müssten z.B. von der Moldavierin, beeinsprucht werden können. Der jetzige Zustand ist der: wenn die Moldavierin Studiengebühren vorgeschrieben kriegt, dann kann sie sagen, sie macht einen Einspruch und durch den Einspruch muss sie sie nicht zahlen. Das steht drinnen. In dem Moment, in sie den Einspruch dagegen erhebt, braucht sie keine Studiengebühr zu zahlen. Und was die Konsequenz sein könnte ist, das der Verfassungsgerichtshof für ganz Österreich herausfindet, dass das möglich ist. Das ist aber ein anderes Thema als das, was gestern diskutiert worden ist.

Frage: …. ?

Antwort: Es ist so, der Hintergrund ist der, dass die ÖH schon ganz offiziell gesagt hat, und auch ganz mit Recht gesagt hat, wo immer eine Universität versucht, diese Studiengebühren einzuheben, wird sie an den Verfassungsgerichtshof gehen. Man braucht nur mehr den Anlassfall. Das ist garantiert. Das ist nicht nur bei der Modlavierin, das ist garantiert, dass es zum Verfassungsgerichtshof kommt.

Zweitens: in dem was wir gestern beschlossen haben, steht drinnen: für die Leute, die Studiengebühren entrichten müssen besteht die Möglichkeit des formlosen Antrags auf einen Bescheid. Das heißt: es muss schreiben, ich will einen Bescheid dafür, und in dem Moment, wo dieser Bescheid beeinsprucht wird, muss die Studiengebühr nicht bezahlt werden. In dem Moment, wo der Bescheid da ist, muss die Studiengebühr nicht gezahlt werden bis zur Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof. Das haben wir gestern beschlossen. Und das ist z.B. etwas – kleine Bemerkung - in der öffentlichen Diskussion kommen solche netten Details nicht gut rüber. Vor allem wenn man mit relativ pauschalen Worten operiert. Die machen aber genau die interne Struktur aus.
Frage: Der Verfassungsgerichtshof hat aus Gleichheitsgründen …. ich habe es nicht recherchiert …
Antwort: Ich habe das recherchiert, ich kenne mich in der letzten Woche aus. Der Verfassungsgerichtshof hat etwas ein bisschen eigenartiges gemacht. Der Hauptgrund (ein leichter Grund) warum er es aufgehoben hat (eine lockere Vorgabe) war, dass der Gesetzestext komplett veraltet war und geredet hat von Studienabschnitten. Im Gesetzestext waren Studienabschnitte drinnen. Jetzt gibt es aber für den großen Teil der österreichischen Studierenden keine Studienabschnitte mehr, weil das nur für das Diplomstudium gilt. Im Bachelor gibt es keine Studienabschnitte und der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, da das sich auf etwas bezieht, das man überhaupt nicht spezifizieren kann mehr und die größte Zahl nicht geregelt wird, bezieht sich dieses Gesetz ….. also das ist zu wenig spezifiziert. Er hat sozusagen diesen blöden formalen Fehler aufgegriffen und dann hat er noch etwas zweites gemacht und das ist eine recht sonderbare Geschichte. Dieses Gesetz ist ja nicht nur ein Paragraph sondern das Gesetz ist umgeben von einer ganzen Reihe von anderen Regeln, z.B. unter welchen Bedingungen Studiengebühren …. an fünf verschiedenen Stellen in dem Gesetz kommen die Studiengebühren vor. An der entscheidenen Stelle der Einhebung der Studiengebühren und ihrer Höhe hat er es aufgehoben und den Rest hat er nicht aufgehoben. Das heißt wir haben ein Rumpfgesetz.

Frage: der Verfassungsgerichtshof kann nur die Gesetzesstelle, die angefochten wird aufheben, er kann nicht das ganze Gesetz ….. Das geht nicht.

Antwort: o.k. jedenfalls das Ergebnis war – schön, dass Sie mir das sagen, das war mir so nicht klar - was entstanden ist, und da sind sich die JuristInnen einig, ist ein Rumpfgesetz, das nicht exekutierbar ist. Es ist ein Rumpfgesetz entstanden, das nicht exekutierbar ist. Und der Verfassungsgerichtshof hat dem Ministerium eine Frist gesetzt und der Regierung eine Frist gesetzt, das zu revidieren. Die Regierung sagt darauf: das machen wir nicht, wir können uns nicht einigen. Die Universitäten sollen es für uns machen. Das ist die Situation gewesen und die Entscheidung der Universität Wien ist zu sagen, o.k. jetzt tun wir das, was der Minister sagt, weil der Minister sagt nicht nur, die Universitäten sollen es für uns machen sondern der Minister sagt, wenn die Universitäten das nicht tun, und nach einem Gutachten, das ich habe, aber sich Geld verschaffen könntnen, dann kriegen sie kein weiteres Geld von mir, wenn sie das nicht tun.
Das ist aber das, was der Minister sagt. Die Regierung streitet sich darüber, wie man das Gesetz renoviert. Der Minister sagt: ich habe EIN Gutachten, das sagt, die Unis können sich das Geld besorgen – wenn sie es nicht machen, kriegen sie sonst kein Geld. Das ist die Situation. Und in der Situation hat die Universität Wien gesagt, wir wollen es wissen – wir wollen es genau wissen. Wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, es ist ungesetzlich – dann „vergiss es“. Aber wir lassen uns das nicht vom Minister – in den Verhandlungen vom Minister soz. vorwerfen, dass wir das nicht versucht haben. Das ist die Situation.