Benutzer:Fabbaz/SS09-BD-E04-24-04-2009

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Noch nicht annähernd fertig. Ich bitte um Geduld! --Fabbaz 11:08, 26. Apr. 2009 (UTC)

"Schön" ist nicht schön.

Das letzte Mal hat es im Anschluss an meine Vorlesung eine kurze, aber dafür auch engagierte und ein bisschen polemisch gedrehte Diskussion gegeben, wegen einer Bemerkung, die ich gemacht habe. Dank der technischen Möglichkeiten, derer wir uns hier bedienen, kann man ganz genau nachschauen, was ich da wirklich gesagt habe. Es gibt schon das Transkript der 3. Vorlesung von einem Kommilitonen der "Bananenfisch" heißt. Stein des Anstoßes war meine Darstellung, wenn es in der platonischen Gedankenführung darum geht, die Erkenntnis als etwas zu beschreiben, was bei den Praktiken von schaulustigen Menschen beginnt, die ganz einfach neugierig und unkontrolliert in einer Weise in der Welt herumschauen. Wenn es dann darum geht, dem eine Richtung zu geben, auf Wahrheit, auf begriffliche Definition, dass dann eine ganz besondere platonische Strategie greift, nämlich dass er sagt "Wir sind auf dem Weg der Erkenntnis dazu, das Schöne, das Wahre, das Gute ins Auge zu fassen" - das habe ich ein bisschen genauer ausgeführt, und inwiefern das problematisch erscheint. Die platonische Strategie, die hier zu nennen ist, ist die, dass Platon nicht nur einfach sagt, erstens: "Es gibt schöne Dinge, die man sehen kann", Dinge die man als schön qualifizieren kann. Zweitens kann man "als schön" qualifizieren. Man hat eine gewisse Kompetenz, um zu sagen "gefällt mir, gefällt mir nicht, ist schön, ist nicht schön". Das dritte aber, und das ist der Punkt, wo es kritisch wird, ist wo ich fragen kann "Welche Kenntnis habe ich, wie komme ich dazu etwas als schön zu qualifizieren, eine Kompetenz zu haben im Umgang mit dem Begriff 'schön'?"

In unserem Verständnis ist der Begriff "schön" nicht das, was ein schönes Ding darstellt, sondern etwas, was man verwendet um zu qualifizieren wenn Dinge schön sind. Also "Begriff" steckt hinter diesem "ist schön". Es ist schön, als Prädikat, als Aussage, muss irgendwo gesteuert, gehalten werden von einem Verständnis des Umgangs mit diesem Sprachausdruck - das Naheliegendste ist, das als Begriffsverständnis zu bezeichnen. Man versteht, was es ist, was es heißt, schön zu sein. Und da nun ist die besondere platonische Vorkehrung, dass er, an mehreren Stellen, sagt, "Naja, das 'Schöne' ist diejenige Konstruktion, diejenige Entität, die selbst am allerschönsten ist. Das Schönste vom Schönen ist das Schöne. Der Begriff des Schönen hat eine Eigenschaft, die ihn dazu qualifiziert, alles andere Schöne zu bestimmen, und diese Eigenschaft ist, dass er der Inbegriff des Schönen ist. "Inbegriff des Schönen" ist noch eine neutrale Formulierung, was, sprachanalytisch betrachtet, dahinter steht, ist, dass man das Prädikat "ist schön", das man normal mit Hilfe eines Verständnisses des Wortes "schön" legitimiert, auf das, was hinter dem Prädikat steht, nämlich die Kompetenz zum Begriffsgebrauch, dass man den Begriff schön selber noch einmal anwenden kann. Dass man also sagt, das "Schöne" ist selbst schon das Schönste.

Sie können sich jetzt an den Zusammenhang erinnern, an dieser Stelle habe ich gesagt - zugegebenermaßen mit einem gewissen emotionalen Point - dass das aus der Sicht des Sprachanalytikers lächerlich ist und darauf hingewiesen, dass wir, wenn ich das ganze noch einmal durchführen würde mit der Praxis des Wortes "ist braun", Sie vermutlich übereinstimmen würden, das der Begriff braun, wenn ich diese Abkürzung verwenden darf, nicht selber braun ist, sondern das ist irgendetwas anderes, das uns in die Lage versetzt, zu sagen wenn etwas braun ist. Da geht etwas sehr Sonderbares vor, und nicht nur das, ich stehe zu der kleinen emotionalen Spitze, die in dem "lächerlich" drinnen steht. Ein Kollege oder eine Kollegin haben das zum Anlass genommen, in der Diskussion, die durchaus einschlägige und wichtige Frage zu stellen, was es denn mit dieser Platoninterpretation auf sich hat. Es ist tatsächlich, wenn ich das so sage, und es war auch so gemeint, ein Affront gegen Platon, gegen ein nichtdenkendes Nachsprechen dieser platonischen Formeln, nur weil Platon es gesagt hat, müssen wir es noch nicht glauben. Ich hab mich mit diesen Einwänden ein bisschen genauer auseinandergesetzt, in Zusammenhang mit dem Begriff "ist schön" und möchte ein, zwei Hinweise geben dafür, Sie können es ja selber dann auch noch genauer nachlesen und vielleicht auch kommentieren. Das Ding ist deswegen Anlass für einen, mir scheint berechtigten, emotionalen Druck, weil es mit einer Sache zu tun hat, die ganz genau in das Thema unserer Vorlesung passt und daher von mir auch so platziert worden ist, und das würde ich so beschreiben: Wenn man schwarzweiß malt (was ja nicht problemlos ist) und davon ausgeht, dass es eine Trennung des Menschengeschlechtes gibt, zwischen den Schaulustigen, die in der Welt der Dinge verhaftet sind und den anderen, Philosophie studierenden, die höhere Ansprüche haben, die Suche nach Wahrheit im Blick haben, dann hat man eine argumentative Schwierigkeit vor sich, das ist klar, nämlich: wie verhält sich das beides zueinander? Wie, wenn ich das Schöne, das Wahre, das Gute als Zielbestimmung für die Erkenntnissuche in der Philosophie definiere, wie verhält sich das, was die Philosophinnen gerne wissen wollen zu dem, wenn der Rest der Welt sagt "gefällt mir, gefällt mir nicht"? Das ist, auch das habe ich schon gesagt, das Problem der Teilhabe, der μέθεξις, wie kommt es von diesen hochgestellten Positionen auf den Rest der Welt? Und die Pointe dieser sogenannten Selbstaussage (engl. selfpredication): Die Selbstaussage des Prädikats schön, auf sich selbst angewendet, der Begriff "schön" ist schön, was ist damit gemeint, welches Signal wird damit gegeben? Damit ist eine sprachliche Klammer formuliert, die zwischen denen, die eine Kenntnis des Schönen haben, und denen, die "nur" wissen, was schöne Dinge sind, eine praktische Verbindung herstellt, nämlich sind sie beide Gebrauchspersonen, beide brauchen das selbe Wort, beide haben eine Kompetenz im Umgang mit Schönem, nur dass die einen das besonders Schöne wissen. Die Kompetenz des Schönen, das die Philosophinnen ansprechen, ist die Kompetenz des Schönsten, vorbildlichen Schönen - die anderen haben eine etwas geringere Kompetenz des Schönen, sofern es auf die schönen Dinge angewendet wird. Die Zusammenstellung von dieser Idee mit dem Thema der Vorlesung ist jetzt die, dass wir, menschenfreundlich wie wir sind, vor Augen haben, dass der Weg von den schönen Dingen zu DEM Schönen nicht nur für eine erlesene Minderheit, sondern für alle Leute offensteht, und wenn das der Fall ist, ist das genau die Definition des Bildungsprozesses. Das ist genau die παιδεία, in die Lage versetzt zu werden das Schöne zu erkennen, in einem Sinn, der noch immer nicht ganz klar ist, im Gegensatz zu schönen Dingen. Und wenn man damit Schwierigkeiten hat, mit dem was ich gerade wiedergegeben habe, dann ist eine Möglichkeit in diese Schwierigkeit einzusteigen, darauf hinzuweisen, dass das sprachlich nicht ganz unproblematisch ist, wie ich anfangs versuchte deutlich auseinanderzunehmen, dass man die Kompetenz, die bestimmte Personen haben, bestimmte Begriffe zu verwenden, und zu qualifizieren, in die selbe Betrachtungsweise mit hineinnimmt wie die Resultate dieses Kompetenzgebrauchs.

von E-Mails, Schafen und dem Urmeter

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bb/Platinum-Iridium_meter_bar.jpg http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b4/Sheep_NZ.JPG

Als kleinen Hinweis auf eine fachinterne Debatte des wissenschaftlichen Platonismusdiskurs: diese von mir dargestellte Sonderbarkeit ist natürlich reichhaltig diskutiert worden, sowohl im angloamerikanischen als auch im deutschen Sprachbereich, man hat sich gefragt wie jemand dazu kommt, eine solche Konstruktion zu machen. Ich will dazu zwei Punkte sagen. Erstens, dass es tatsächlich Umstände gibt, unter denen die genannte Sprachstrategie vollkommen selbstverständlich ist. Zwei schöne Beispiele: Stellen Sie sich E-Mails vor, Sie haben eine, zwei, drei E-Mails, die sind unterschieden, unterschiedliche E-Mailsendungen. Dann ist es aber so, dass Sie durch mehrfache Weiterleitungen und Antworten ein Gebilde zusammenklicken, dass man eigentlich nur so beschreiben kann, dass es mehrere E-Mails sind - die, die sie bekommen haben, und die letzte davor, und die letzte vor dieser. Diese mehreren E-Mails schicken Sie ihrerseits weg - simpel und klar: nicht nur eine E-Mail, sondern auch mehrere E-Mails können eine E-Mail sein.

Das zweite Beispiel: Sie gehen am Land spazieren, und sehen mehrere kleine Herden von, sagen wir, Schafen, und Sie treiben diese mehreren kleinen Herden von Schafen zusammen, und dann haben Sie selbst eine Herde. Das heißt, Sie können die Mengen, von denen Sie hier ausgehen, und Sie erhalten eine Menge, die selbst und zu recht das Prädikat der Mengen hat, von der Sie ausgegangen sind.

In anderen Fällen funktioniert das nicht, wenn Sie beispielsweise mehrere Häuser haben, und Sie stellen, oder rücken, diese Häuser zusammen, dann haben Sie die Summe der mehreren Häuser, und die ist nicht selbst ein Haus. Hier ist also im ganz normalen Zusammenhang schon ein Hinweis darauf, dass das auch anders funktionieren kann. Eine Möglichkeit, die man bei Platon ansetzen kann und wie das auch erklärt wird, damit ich die "Lächerlichkeit" ein bisschen zurücknehme: es ist doch nicht ganz so lächerlich, denn was ist da passiert? Platon hat diese Gebräuchlichkeit von - E-Mails hat er noch nicht gehabt, aber die Möglichkeit, dass man einer solchen Konglomeration, Agglomeration: alle schönen Dinge zusammen sind selbst wie zu beschreiben? Na, beschreiben wir sie als, noch einmal, schön. Und weil es alles zusammen ist, dann nicht einfach nochmal schön, sondern, wie gesagt, den Inbegriff des Schönen.

Der zweite Hinweis, der auch aus der Fachdiskussion kommt, und auch auf das hinweist, was uns in weiterer Folge noch deutlich interessieren wird: Bei Platon liegt eine gewisse Verwechslung vor, die man, das habe ich in meiner Diskussionsbemerkung angedeutet, am besten mit einem berühmten Beispiel aus den philosophischen Untersuchungen von Ludwig Wittgenstein illustrieren kann, nämlich die Diskussion des Urmeters in Paris. Mittlerweile wird nicht mehr mit kleinen Stäben, sondern technisch vieles raffinierter gehandhabt, aber nehmen wir einmal an, wir sind noch hundert Jahre früher, in Paris, in einem klimasicheren Raum ist ein bestimmter Stock zu finden, das Urmeter. Das hat diejenige Länge, die für sämtliche Metermessungen vorbildlich ist. Wenn man nun überlegt - und das ist Wittgensteins Pointe - ergibt sich eine sehr interessante Perspektive, wenn man sich überlegt ob das Urmeter ein Meter lang ist. Wie lang ist das Urmeter - ein Meter, oder nicht? Damit zeigt sich, das intellektuelle Potential und die ganz große, philosophische Pointe, in der wir da sind. Es gibt nämlich zwei Antworten darauf.

Einerseits kann man das rein faktisch ansehen, so wie wir es sehen, wenn wir Leute beobachten, die eine Praxis mit dem Urmeter haben - man muss dann sagen, dieser Stock ist ein physischer Stock, dieser hat eine bestimmte Ausdehnung, diese hat einen bestimmten Zahlenwert, und jetzt vergleiche ich das mit der physischen Ausdehnung von vielen anderen Stöcken, stelle fest, sie ist die selbe, dann benennen wir es eben, "ein Meter", dann ist die Antwort klar, der Urmeter in Paris hat die Länge von all den anderen Stöcken, und diese Länge nenne ich "Stöcke, die einen Meter lang sind".

Andererseits ist man geneigt zu bemerken, dass das Wichtigste übersehen wurde, nämlich dass in dieser fiktiven Konstruktion jemand kommt, und anhand dieses Stocks einen anderen vergleicht, und daraus die Folge zieht, dass der Stock untauglich ist und geändert, gestutzt, verlängert werden muss. Das ist der Moment der Vorschrift. Denn der Stock in Paris funktioniert nicht nur so, dass er eine Länge hat, sondern dass diese spezielle Länge des Stockes auch verwendet wird als eine Vorgabe dafür, wie man definiert, sozusagen einzuklagen, zu mahnen, was die Länge von anderen Stöcken ist. Das ist nicht etwas, was sie im ersten Durchgang sehen würden, dieses normative Moment, das damit auch gemeint ist, das per definitionem nicht ein Meter lang ist. Das geht überhaupt nicht.


Das normative Moment

Und jetzt kommt das gleiche wie bei dem anfänglichen Beispiel mit dem Schönen:

Die Aktion, die wir setzen, um zu definieren, was ein Meter lang ist, das "wir normieren, was ein Meter ist", diese Aktion ist nicht ein Meter, was nicht ausschließt, daher kommt ja die Pointe des Ganzen, das ein Gegenstand, dessen wir uns bedienen beim Durchführen unserer normativen Tätigkeit, dass der eine bestimmte Ausdehnung hat. Und das ist die von mir angesprochene Verwechslung, die bei Platon eine Rolle spielen könnte, dass er - in moderner Terminologie - den paradigmatischen Charakter, der in dem Normativen drin liegt, verwechselt hat mit einer stofflichen Instanz desselben. Das ist eine verständliche Verwechslung, in der wir noch immer komplett drinnen stecken: Wenn ich ein Plakat oder eine Illustriertenseite habe, zu denken: "Das ist ein schönes Auto", "Das ist ein schönes Pferd" oder was immer. Vieles vom Illustriertenwesen funktioniert genau so, dass Sie konfrontiert werden mit etwas, was einerseits ein bestimmter Anblick ist, das ist ein schönes Pferd - was ist ein schönes Pferd? Es ist nicht nur eines von vielen, die als schön qualifiziert werden, sondern in die Illustrierten kommen genau die vorbildlichen Pferde, die, von denen man leicht glaubt und akzeptiert, dass sie schöne Pferde sind. Es gibt also immer den Moment, das ist nicht nur ein schönes Ding, sondern auch maßstäblich für "schön" - diese Illustriertenbilder, sofern sie gut verkauft werden sollen, müssen maßstäblich für "schön" sein.

Die Frage, in die wir da hineingeraten, warum ich hier auch noch ein bisschen insistiere und schürfe, ist, dass für diese Illustriertenbilder nun das selbe zu sagen ist, wie ich im Zusammenhang mit Platon gesagt habe. Und ich sage es hier mit der selben emotionalen Angespitztheit: es ist eben lächerlich, zu glauben, dass ein spezielles Bild in der Illustrierten schön ist, nur deswegen, weil es uns vorgesetzt wird als ein Beispiel von etwas schönem. Wir müssen diesen Unterschied machen zwischen der Normativitätsfunktion und der Exemplifizierungsfunktion, auch und gerade dann, wenn wir wissen, dass das Normative und das Exemplifizierte - am Beispiel von Models, am Beispiel von Urmeter - zusammen in einem Ding vorkommen. Damit will ich es jetzt hier bewenden lassen.

Bisher habe ich noch nicht viel über Datenbanken gesagt, es wird heute auch noch nicht so weit sein, es ist in Aussicht. Um das einzuleiten werde ich, und diese Debatte war für mich ein Grund, ein kleines Zwischenkapitel einzuschieben, wo ich nocheinmal auf eine andere Platonstelle eingehe, damit nicht der Eindruck entsteht, dass ich Platon allzusehr entfremde, und damit sie aus der Politeia zwei längere Passagen kennenlernen, in denen die Interpretation, die ich vorhabe, fundiert ist. Die erste ist eine Stelle aus dem siebte Buch, die inhaltlich sehr an das, was ich bisher dargestellt habe, anschließt und die insbesondere das Verhältnis von sinnlicher Wahrnehmung und der Verstandestätigkeit unter dem Zeichen des Dualismus nocheinmal sehr plastisch macht. Ich werde dann an diese Interpretationen von Platon eine Interpretation des Bildbegriffs und des Umgehens mit logischen Formen im "Tractatus" anschließen, sofern ich heute noch dazu komme, und hoffe Ihnen dann zu zeigen, wie eng zusammen, und an bestimmten, entscheidenden Stellen aber auch disjunkt diese beiden Konstruktionen sind.

Höhlengleichnis und Truman

Truman-rain.jpg

Das siebte Buch der Politeia ist das mit dem Höhlengleichnis, das ich mir jetzt spare. Ich weise Sie darauf hin, dass ich im Zusammenhang mit meinem Projektseminar ein paar Clips gesammelt habe, auf diese Adresse. Das Höhlengleichnis eignet sich hervorragend für Homevideoproduzentinnen, wie man sich vorstellen kann. Es gibt, nach meiner Wahrnehmung, sehr viele Trashhöhlengleichnisvideos in Youtube, ich habe Ihnen einige nichttrashige, ganz interessante zusammengestellt. Ich werde das aber nicht weiter hier verfolgen, sondern werde Ihnen eines zeigen, das garnicht explizit etwas mit dem Höhlengleichnis zu tun hat, aber eine zeitgenössische, sehr interessante Paraphrase für wichtige Aspekte des Höhlengleichnisses ist, nämlich die Truman Show von Peter Weir. Eine Person, die mehr oder weniger festgekettet ist in der Unterhaltungsindustrie, in einer Realityshow, die mit seinem Leben zusammenfällt. Truman, der in dieser Narration vor der Aufgabe steht, auch das ist schon interessant, wieso sagt man, er steht vor der Aufgabe, er ist damit konfrontiert, dass da irgendetwas in seinem konstruierten Realityshowleben nicht stimmt. Ich zeige Ihnen eine kleine Episode, die markiert, worum es da geht. Sie haben hier eine Person sitzen am Strand, Truman, und plötzlich findet er sich in einem Regenkegel, läuft raus: trocken. Er wundert sich, der Kegel folgt ihm - Truman läuft nocheinmal raus, jubiliert "Oh, was ist jetzt passiert, ein Wahnsinn", da ist nochmal der Kegel, und dann die gesamte Regenlandschaft. Das ist in der Filmerzählung so angelegt, dass noch bevor man weiß, was da eigentlich los ist - man sieht die Sache als eine Story zusammen mit Truman - dass in der Wahrnehmung des Zuschauers auf einer zweiten Ebene, aber auf der ersten Ebene von Truman gezeigt wird, etwas auftritt, was sonderbar ist. Truman hat zu diesem Zeitpunkt keine Begriffe darüber, in welcher Situation er sich befindet. Entscheidend ist in all diesen Fällen die Trennung der Welt in Unten und Oben, die wir Zuschauer zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ganz kennen, aber als Interpretationshorizont ist es notwendig: Wir finden uns in einer sinnlichen Wahrnehmungssituation, in der etwas sonderbare Dinge auffallen. Warum ich diesen Einschub mache, ist weil ich, ganz notgedrungen, um erklären zu können, worum es da geht, das Wort "sonderbar" verwendet habe. Das ist etwas sehr entscheidendes an dieser Stelle.

Es lässt sich ein Zustand denken, ja in den meisten Fällen sind wir selbst in einem solchen Zustand, wo das nicht sonderbar ist. Wenn jemand nicht weiß, was mit ihm da passiert, ich sag das gleich mal ganz ungeniert, dass ein großer Zampanò jenseits der großen Kuppelkonstruktion sitzt, und auf einem computergesteuerten, hochraffinierten Schaltpult das Wetter für den Herrn Truman steuert, wenn wir das nicht wissen, sondern wenn wir hineinsozialisiert sind, so wie er, in einen Ablauf von sinnlichen Erfahrungen, dann ist das zunächst einmal nicht sonderbar. Wenn Truman als Kind die Erfahrung macht, dass hin und wieder ist es halt so, dass dieser große Computerapparat ein bisschen eine Outtime bzw. ein Breakdown hat, und Regengüsse mal ein bisschen so unangesagt und sozusagen strahlförmig auftreten, es aber rundherum nicht regnet, wie soll er, wenn er das erste Mal in seinem Leben mit Regen Erfahrungen macht, und dies Teil seiner Regenerfahrung ist, wie soll er sagen, dass das für ihn etwas besonderes ist? Er kann das nicht sagen, er bräuchte dazu einen anderen Referenzrahmen, der uns natürlich hier sehr leicht eingängig ist, weil wir einen Standard von Regen vorraussetzen, der nicht so ausschaut, dass am Strand, in der schönen Breite des Abendmondes, eine Person sitzt und man dann einen schmalen Kegel von Regen auf diese Person gerichtet sieht, da sagten wir "da ist doch irgendetwas nicht ganz sauber". Wir sagen das aufgrund von Distinktionen, die wir machen, die uns leicht fallen wenn wir wissen, dass es da den großen Regisseur im Hintergrund gibt, aber wie sollten wir das wenn wir in der Sache selber drinnen sind? Das ist, auf eine moderne Art und Weise, die Problematik des Höhlengleichnisses. Das gefesselte, entfesselte, Licht und Schatten, Bildmaterial kann man sich da eigentlich sparen und sagen, worum es geht: eine kognitive Dissonanz, die innerhalb einer Wahrnehmungs- und Sinneswirklichkeit auftritt. Wir nehmen Regularitäten wahr, sind diese in unserer sinnlichen Welt gewohnt, und irgendwann drinnen passt etwas nicht mehr. Wir sind konfrontiert damit, dass das Wasser anders funktioniert, als wir es bisher gehabt haben und stehen vor der Frage, was wir jetzt damit sollen. An vielen Stellen, wenn beispielsweise das Auto plötzlich zu klopfen anfängt, gibt es einfache Antworten: Achtung Gefahr, an den Straßenrand fahren, weil etwas passiert ist. Das ist eine solche Dissonanz. Es gibt aber auch, und das ist die Pointe hinter diesem Jubelgestus, den Truman macht, die Logik, die Entwicklung aus einer solchen Dissonanz, dass man sagt: "Hier habe ich einen Widerspruch entdeckt, da ist etwas dahinter, was mir Probleme bereitet, was ich hier jetzt gesehen habe führt mich zu etwas. Der Widerspruch lässt mich etwas erkennen." Man muss dazu wissen, dass Truman schon im Verlauf des Filmes einen Verdacht geschöpft hat. Es gibt da auch so eine Szene, wo er sich fragt, wie es das eigentlich geben kann, dass er immer vorhersagen kann, welche Leute da in regelmäßigen Abständen die Straße entlang gehen. Der Grund ist, dass das die für die Realityshow notwendige Staffage ist, die normiert ist und solche regulären Zyklen braucht. Auch hier ist es so: so wie er sozialisiert worden ist, muss es einen Grund geben, dass ihm das komisch vorkommt. Er muss eine Auffassung davon haben, dass die ewige Wiederkehr des gleichen nicht ganz das ist, was menschliches Leben bedeutet. Die Regenszene zeigt eine Bestätigung seines Verdachts, das kognitive Moment, dass er an der Stelle hat, er jubelt, weil draufgekommen ist, dass in seiner Erfahrungswirklichkeit ein Widerspruch ist. Und meine Filmdeutung, meine filmische Illustration von dem, was Platon in der ausgewählten Passage tut, er spricht genau von dem Verhältnis zwischen sinnlichem Wahrnehmen und Widerspruch. Und die Pointe ist, dass man durch die Augen keinen Widerspruch wahrnimmt. Weder Augen noch Ohren, kein Sinnesorgan ist von der Art, dass sie dadurch Widersprüche wahrnehmen. Sie sagen zwar "da sehe ich aber einen Widerspruch" - dazu kommen wir gleich - das ist wieder die gleiche Problemstellung. Sie sehen keinen Widerspruch, zumindest nicht in dem Sinn, in dem sie einen Wasserkegel sehen. Sie sehen, dass es einen Widerspruch zwischen dem einem und dem anderen Satz gibt. Sie sehen eben nicht den Widerspruch, sondern sind konfrontiert mit einem Satz "Hier kommt der Regen als Kegel" und "Hier kommt der Regen als flächendeckend" und dann haben Sie eine Theorie darüber, wie Regen sich zeigt, sich auswirkt, und Sie "sehen", dass es zwischen diesen beiden Sätzen einen Widerspruch gibt. Das ist, was hier eigentlich stattfindet. Diese Formulierung "sie sehen" ist vergleichsweise harmlos, was Sie nämlich in Wirklichkeit tun ist folgendes: Sie sehen den einen Satz, sehen den anderen Satz, verstehen den Inhalt des einen und verstehen den Inhalt des anderen Satzes, und dann vergleichen Sie die Inhalte dieser beiden Sätze und stehen dann vor der Frage, würden Sie den beiden Sätzen zustimmen? Und Sie sagen "Nein. Diese beiden Sätze gehen sich zusammen nicht aus. Regen, so wie ich ihn verstehe, ist nicht gleichzeitig das, was in dem Kegel kommt, und das, was in der Breitwand kommt. Das ist Ihr Umgang mit dem Widerspruch, der da drin ist. Es ist klar, worauf ich hinaus möchte, und worauf auch Platon an dieser Stelle hinaus möchte, dass der Zusatzfaktor der in Ihre sinnliche Wahrnehmung hineinspielt, damit Sie zu so etwas kommen wie Widersprüchlichkeit. Und ich erinnere Sie: diese Widersprüchlichkeit ist natürlich der Anfang vom Ziel. Der Anfang vom Ende im Sinn des pädagogischen Prozesses - nur wenn Sie an dieser Stelle Widersprüche sehen, werden Sie unruhig werden und auf den Weg der Erkenntnis kommen. Dieses Hineinspielen des Widerspruchs nicht in der Sinnlichkeit ist, sondern dass das aus der νόησις (gr. Einsicht) kommt, aus dem Verstand, wenn Sie so wollen. Er hat hier eine Unterscheidung zwischen sinnlichen Wahrnehmungen, die das Denkvermögen garnicht zur Betrachtung auffordern: man lebt, und denkt sich nichts dabei. Muss sich nichts dabei denken. Und dann gibt es sinnliche Wahrnehmungen, die das Denkvermögen zum Einschreiten auffordern, das eine sind die τὰ μὲν ἐν ταῖς αἰσθήσεσιν οὐ παρακαλοῦντα τὴν νόησιν - nicht hervorrufend das Erkenntnisvermögen, und dann diejenigen, "halten das Denkvermögen ganz besonders an,... dem Prüfstein des Denkens zu unterwerfen", ἐπισκέψασθαι, da steckt Skepsis drinnen, Sehen, Denkvermögen.

Tape 2