Benutzer:Andyk/MuD09/Nemeth ueber Proteste

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Der Vortrag von Elisabeth Nemeth war sehr instruktiv. Sie zeigt anhand von Kants "Streit der Fakultäten" und Pierre Bourdieu, dass die Universität ein Raum ist, indem es immer ein Spannungsfeld zwischen Reproduktion und Produktion von Wissen gibt. Ihre Textgrundlage ist ein Artikel, den sie 1996 geschrieben hat:

  • „Institutionalisierte Illusionen: Forschung, Ausbildung und Bildung an der Universität”, in: Univeristät, Bildung und Politik. Eine Bestandsaufnahme aus feministischer Sicht. Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 1996, Nr4, S.26-35
  • Ebenfalls in diesem Zusammenhang habe ich in der Publikationsliste gefunden: „Universität, Demokratie und Hochschulreform im Nachkriegsösterreich: Über Möglichkeiten und Grenzen demokratischer Entscheidungsstrukturen”, in: “Wissen für Alle”. Beiträge zum Stellenwert von Bildung in der Demokratie, Wien: Verband Wiener Volksbildung, 1996, S.45-74

Das spannende daran ist, dass sich Reproduktion und Produktion nicht in Balance halten, sondern dass die Reproduktion von Wissen und von gesellschaftlichen Zuständen immer dominiert. Aus diesem Grund plädiert sie dafür, die Termini Bildung und Ausbildung tunlichst zu vermeiden, da sie dieses Spannungsverhältnis verdecken und dazu verführen, zu sagen: Naja, in einer Universität brauchen wir die reine Bildung und überhaupt nichts von Ausbildung. Ein paar Trankriptionen dazu:

  • "Es ist eine falsche Darstellung zu sagen, die Abschlüsse in den nicht-verwertbaren Zonen sind eigentlich nur für die Bildung der Persönlichkeit, etc. von Wert. Das ist überhaupt nicht wahr. [...] Wir wissen zum Beispiel, dass Leute, die Philosophie studiert haben, im Arbeitsmarkt überhaupt nicht schlechter abschneiden. Bildung im Sinne "brotlose Kunst" ist daher unzutreffend."
  • "Was man im Rahmen der Universität erwerben kann, versetzt einen in einem sehr vielfältigen Sinn in eine Lage, sich an Positionen zu etablieren, die sehr wohl anerkannte Positionen in diesem Bereich sind, auch wenn nicht genau definiert ist, welche Positionen das im Einzelnen sind."
  • "Leute, die wirklich aus der Wirtschaft kommen, vertreten nicht das, was andere sagen, dass von der Wirtschaft verlangt würde, nämlich spezifische Ausbildung."
  • "Die Universität ist ein gesellschaftlicher Raum, in dem beide Aspekte ihre Rolle haben müssen, sonst gibt er sich selber auf. Es wird durch die Schlagwörter eine Art von Nebel erzeugt, der verdeckt, was eigentlich passiert. Das Produzieren von pragmatischen, ganz genau beschreibbaren und nutzbaren Kenntnissen ist ein unerlässlicher Faktor für die Universität. Ich sage nicht, dass freies Denken darin aufgeht, aber die Universität muss beide Seiten haben, sonst wird es diesen Raum nicht geben."
  • "Der Raum Universität ist so strukturiert, dass er sich an Vorgaben abarbeiten muss. Diese Vorgaben sind notwendig, damit das In-Zweifel-Ziehen, das Einsprucherheben, das Neudenken überhaupt gesellschaftlich wirksam ist. Und es ist keine Balance. Unter gesellschaftlichen und Nützlichkeitsvorstellungen werden diese Vorgaben immer dominieren. Die Vernunft dominniert unter dem Gesichtspunkt, dass sie immer das Recht hat, alles nach den Prinzipien des freien Denkens zu kritisieren, also Einspruch zu erheben."
  • "Bei der Kantschen Konzeption wird die Freiheit mit Blick auf Vorgaben artikuliert. Er sagt, dass die Vorgaben dominant sind. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Vernunft, unter den Bedingungen (egal ob sie neoliberal sind oder nicht) dominieren kann. Sie muss sich verankern in einem Raum, in dem sie sich abarbeitetet an den durch und durch fragwürdigen Vorgaben. Sonst hat sie nicht einmal einen Stoff, an dem sie sich abarbeitet und feiert sich selber mit ihren Bildungsgütern."

Sie gibt aber zu, dass ihr damals, als sie in den 90er Jahren hochschulpolitisch aktiv war, diese Schlagworte sehr recht kamen und sie den Artikel, der die Nebelhaftigkeit der Schlagwörter Bildung und Ausbildung aufdeckt, erst im Nachhinein geschrieben hat.

  • "Die allerkonservativsten Professoren haben gesagt: Was wir wollen ist freie Bildung und ja keinen Verwertungszusammenhang. Die allerlinkesten Studentinnen haben geglaubt, das ist die Revolution. Die konservativen Professoren haben gesagt, wir verteidigen das Abendland, das geht nämlich wieder einmal unter, weil die Bildung auf dem Spiel steht. *Gelächter* Nein, im Ernst. Das ist überhaupt kein Spaß. Damals hätte ich... das kann man mir jetzt auch als Kritik sagen, ich habe diesen Artikel nicht während der Protestbewegung geschrieben. Während wir alle gegen diese Sparpakete gekämpft haben, war ich eh ganz froh, dass wir alle irgendwie einig waren."

"Der Raum der Geisteswissenschaften ist dadurch gekennzeichnet, dass er durchaus politisch-gesellschaftlich-ökonomisch wichtige Fragen untersucht, aber nicht mit Ergebnissen, die so eindeutig sind, sondern wo beides zusammentrifft: Das, was wissenschaftlich ist, steht ständig zur Debatte. Man soll nicht sagen: Naja, nützlich braucht es nicht sein. Verdammmt, es soll nützlich sein. Alle Gender-Forschung ist auf Nutzen aus. Das ist ein politisches Projekt, das darauf aus ist, die Betrachtungweisen in einem ökonomisch-politisch-gesellschaftlichen Zusammenhang zu ändern. Das ist eine Zone, in der man viel leichter sagen kann, was der wirkliche Wert von kritischer Forschung ist. Ich glaube es ist wichtig, den Begriff sehr kritisch zu sehen, weil man sonst gar nicht dazu kommt, auszuartikulieren, worin dieser Wert denn besteht. Man kann sagen, unter diesem Slogan meinen die Kritiker so etwas. Doch ich finde, dass normalerweise unter solchen Umständen nicht die Zeit da ist, sich das zu überlegen. Wenn man zu schnell sagt: Die Nützlichkeit hat überhand genommen, kann man schwer darüber nachdenken, was die Nützlichkeit in den verschiedenen Fällen ist.

Das Verhältnis zwischen Analyse und Handeln

Ich möchte folgende Überlegungen zur Diskussion stellen, gerade weil ich mir selbst nicht sicher bin, inwieweit sie berechtigt sind. Ich habe teilweise bewusst provokant formuliert. Würde mich interessieren, was ihr davon haltet.

Das angesprochene Spannungsfeld kann ich unterstützen. Auch, dass dieses Spannungsfeld nicht mehr (nur) zwischen den Disziplinen sondern in den Individuen selbst auftritt, gebe ich zu. All das bewegt sich jedoch auf der Ebene der Analyse, welche Zukünftiges schwer vorweg nehmen kann. Was tut man also mit einer solchen Überlegung, wenn man im Protest ist? Was hilft eine wie immer berechtigte Begriffsanalyse, wenn man auf Missstände hinweisen und diese verändern möchte? Das ist nicht ausschließlich eine rhetorische Frage, ich frage mich nur, was man damit anfängt, wenn man aus vielfältigen Gründen protestiert.

Was wäre, wenn man den Slogan ändert auf: "Ein bisschen Raum für Bildung, aber nicht umsonst und zwar so, dass man es nicht leicht haben soll, seine Kritik an herrschendem Wissen durchzusetzen, denn ohne ein dominierendes Material hat das Nachdenken keinen Sinn"?

  • Die Reaktion darauf von den Entscheidungsträgern könnte sein: Nagut, wir liefern euch das dominierende Material und ihr kritisiert ruhig weiter. (Das ist etwas, was ohnehin passiert. Es ist gut, das mal auszusprechen, doch so etwas wie ein Protest liegt meiner Ansicht nach auf einer anderen Ebene, sodass die Analyse nicht wirklich hilfreich ist)
  • Außerdem passt der Slogan nicht in die Schlagzeilen oder auf Transparente. Es wäre schön, wenn wir gerade weil wir Studierende sind, nicht auf medienwirksame Slogans angewiesen wären. So gesehen beweisen wir gerade weil wir solche Slogans verwenden, dass wir nicht im luftleeren Raum denken, sondern dass unsere Logik den neoliberalen Bedinungen gleicht, die wir ändern wollen. Wir verwenden Kommunikationsmittel, die für die aktuelle Gesellschaft typisch sind (Twitter, Facebook, Blogs, Wikis, Streams) - mit allen ihren Vor- und Nachteilen.

Vielleicht sollte man Proteste nicht nur danach bewerten, welche Begrifflichkeiten sie verwenden, sondern auch in Rechnung stellen, was sich durch ihre Handlungen ausdrückt. Nur weil man sich sprachlich nicht adäquat ausdrückt, heißt das nicht, dass die Handlungen unberechtigt sind. Denn: Wer möchte sagen, dass in der Hochschulpolitik alles in Ordnung ist? Eine Massenbewegung (sofern die aktuellen Besetzungen Massenbewegungen sind, das wird ja mitunter bezweifelt) drückt doch ein Anliegen aus, das man mit Hilfe der oberflächlichen Slogans und im Zusammenhang mit dem Kontext durchaus versteht.

Ob eine solche Toleranz mit der Verwendung von Begriffen sowie ein Schließen auf die Anliegen Aufgabe der Philosophie ist, lasse ich mal offen - aber es geht in manchen philosophischen Richtungen durchaus darum, das Phänomen und existentielle Anliegen anstatt einzelner Sätze zu beschreiben.

Und noch eine abschließende Überlegung: Proteste liefern selbst, wie man aufgrund dieses und anderer Vorträge, die in der letzten Zeit gehalten wurden, sieht, ein Material, an dem man sich abarbeiten kann. --Andyk 11:16, 9. Nov. 2009 (UTC)


Danke für das Eröffnen dieser sehr interessanten Seite! Ich glaube, in einigen Punkten in eine ähnliche Richtung gedacht zu haben. Zu dem Argument, die Kritik müsse sich an den dominierenden Umständen abarbeiten können und bedarf daher dieser (was ich grundsätzlich nicht in Frage stelle), ist mir immer wieder diese Provokation eingefallen: "Bildungsförderung auf Österreichisch: Wir machen alles schlechter, dann habt ihr etwas zu diskutieren."

Mit Folgendem entferne ich mich vielleicht ein wenig von der bisherigen Darstellung: Ich stimme Nemeth bzgl. des Spannungsverhältnisses zu, glaube aber nicht, dass man den von den Studierenden kritisierten Ausbildungsbegriff hier völlig erfasst hat. Ich habe mir letzte Woche schon zusammengesucht, wie der Ausbildungsbegriff von den verschiedenen Positionen gedeutet wird:

  • Schnädelbach verbindet Ausbildung mit der Einübung in die wissenschaftlichen Aspekte der jeweiligen Disziplinen: "Die Wissenschaften haben unsere Lebenswelt so durchgängig und nachhaltig geprägt, dass selbst in entlegeneren Bereichen wie der religiösen, musischen oder literarischen Bildung wissenschaftliche An-teile nur schwer wegdenkbar sind. Die sind aber heute vor allem als Elemente von Ausbildung in den Bildungsprozessen präsent, und da-rum gilt: Keine Bildung ohne Ausbildung"
  • Hrachovec thematisiert (zumindest in der Audimax-Rede) Ausbildung nur im Kontext von Infrastruktur, die von Studierenden eingefordert wird. (bessere Anmeldungssysteme, Hörsäle nicht überfüllt, bessere Betreuungsverhältnisse)
  • Nemeth hat bei der Beantwortung einer Frage am Ende der Vorlesungsstunde den Begriff Ausbildung (auch wenn sie die Opposition von Bildung und Ausbildung vermeiden will) eher auf der reproduktiven Seite der Aufgaben der Universität angesiedelt. So wird Ausbildung wieder gedeutet als Prozess des Einsozialisiertwerdens in die Wissenschaft, als Einarbeiten in und Übernehmen bestehenden Wissens, was dazu führt, dass man in der Lage ist, (gehobene) Positionen in der Gesellschaft zu besetzen.

Ich habe das Gefühl, dass bei einer derartigen Diskussion zwei Sachen passieren:

  • Einerseits wird den Studierenden mehr oder weniger pauschal unterstellt, dass sie nicht sehen, dass es notwendig ist, sich das Handwerkszeug der Wissenschaften anzueignen. Dem von den Protestierenden verwendeten Bildungsbegriff wird nicht zugetraut, solche Elemente zu enthalten (stattdessen sei Bildung: mit dem Buch in den Wald gehen). Es wird suggeriert, die geforderte Ausrichtung auf Bildung sei eine Ausrichtung auf frei flotierendes Reflektieren (und wie manche Journalisten vermuten: unter Drogeneinfluss). Ich glaube nicht, dass das der Auffassung des Großteils der Studierenden gerecht wird.
  • Egal wie berechtigt der Gebrauch des Wortes Ausbildung in diesem Fall auch immer ist, wenn man den Begriff konsequent anders deutet als die Masse der Studierenden, dann übersieht man viel leichter, welche Forderungen und welche Kritikpunkte sich dahinter tatsächlich verbergen. Nämlich Kritik an der Sicht der Universität als Unternehmen mit einem Haufen fraglicher quantifizierender Steuerungsmechanismen, Kritik an der Ausrichtung auf Employability, Kritik an immer linearer werdenden und vereinheitlichten Studienplänen mit weniger individueller Schwerpunktsetzung (ja, Wahlfächer können missbraucht werden, indem von manchen Studierenden "billigste Scheine" gesucht werden; aber diese Leute sind im alternativen System auch nicht diejenigen, die 'in sich selbst die Spannung zwischen dem Wert der Reproduktion des Wissens und dem Drang nach Neuem vereinbaren', sondern das sind schlicht die Leute, die sich irgendwie zu einem Abschluss durchlavieren wollen. Diese wird es in beiden Systemen (ECs oder Wahlfächer) geben.) Kritik an der Einflussnahme durch einzelne Unternehmen (vgl. die CSR-Vorlesung 'der' Erste-Bank).

Es gibt natürlich Situationen, in denen eine Begriffsklärung aufdeckt, dass die inhomogenen Gruppen, die den Begriff gemeinsam verwendet haben, tatsächlich verschiedenes darunter verstanden haben. Das scheint der primäre Nutzen für den Protest sein zu können. In diesem Fall scheint mir aber die größte Diskrepanz der Auffassung nicht innerhalb der Gruppe der Protestierenden, sondern zwischen dieser Gruppe und den "Begriffsklärern" zu bestehen. Falls ich einer der Positionen nicht gerecht geworden bin, bitte ich um Korrektur. Freue mich auf eine interessante Diskussion --Paul Wedrich 19:10, 9. Nov. 2009 (UTC)


Gut, also ein paar Überlegungen von Seiten der "Begriffsklärer". Es ist richtig, ich habe den Begriff "Ausbildung" anders verwendet, als die Studierenden. Das war meinerseits ein Protest (adressiert an den Protest). Ich habe darauf hingewiesen, dass sich unter dem Motte "freie Bildung" im Forderungskatalog doch einige handfeste Forderungen nach besseren Ausbildungsbedingungen finden. Das kann man nicht übersehen und es scheint mir, dass es korrekter wäre, diese materiellen Ansprüche nicht in den ideellen Slogans zu verstecken. Das gefällt mir überhaupt nicht: mit der "Zukunft unserer Jugend" (das sind die Politiker) oder der "freien Selbstbestimmung" (Studierende) den erhabenen Ton anschlagen und nicht vom cash reden, der notwendig damit verbunden ist.

Ich habe wahrgenommen (und danke für die Präzisierung), dass die Auflehnung gegen die "Ausbildung" sich auf ein anderes Begriffsverständnis stützt. Die Ökonomisierung (z.B.) habe ich in dieser Lehrveranstaltung thematisiert, bevor das Audimax besetzt wurde und ich erinnere mich an die gemischte Reaktion in den Diskussionen. In einer Hinsicht kann ich mich bestätigt fühlen und die Entwicklung begrüßen. Dennoch finde ich das alles nicht unbedenklich. Es ist in einer Diskussion schon darauf hingewiesen worden, dass die Kunsthochschulen das Restriktivste und Verschulteste sind, was man sich überhaupt denken kann. Freie Selbstbestimmung heißt dort, sich in eine Meisterklasse einzupassen. Und sosehr ich gegen die Steuerungstrends der Uni auftrete, kann ich mich nicht dazu bringen, das als einen Trend zur Behinderung der Bildung aufzufassen.

Im Universitäts-Studiengesetz - UniStG 1997 steht folgendes:

Wahlfächer sind die Fächer, aus denen die Studierenden einerseits nach den im Studienplan festgelegten Bedingungen und andererseits frei aus den Lehrveranstaltungen aller anerkannten inländischen und ausländischen Universitäten und Hochschulen auszuwählen haben, und über die Prüfungen abzulegen sind.
Die Studienkommission ist berechtigt, im Studienplan als Voraussetzung für die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen, deren Verständnis besondere Vorkenntnisse erfordert, den Nachweis dieser Vorkenntnisse durch die positive Beurteilung bei einer oder mehreren Prüfungen oder in anderer zweckmäßiger Form festzulegen. Diese Festlegungen gelten auch für Studierende, die sich zu der betreffenden Lehrveranstaltung im Rahmen der freien Wahlfächer oder eines individuellen Diplomstudiums anmelden
Ergänzung und Vertiefung: In den geistes- und kulturwissenschaftlichen Studien mit Ausnahme der Studienrichtung Übersetzen und Dolmetschen hat die Studienkommission abweichend von § 13 Abs. 4 Z 6 das Stundenausmaß für die freien Wahlfächer innerhalb eines Rahmens von 40 bis 50 vH der im Studienplan vorgesehenen Gesamtstundenzahl festzulegen. Die Studierenden sind berechtigt, aus den freien Wahlfächern Lehrveranstaltungen aus dem Lehrangebot aller anerkannten inländischen und ausländischen Universitäten und Hochschulen oder auf Grund der Empfehlungen der Studienkommission aus einer zweiten Studienrichtung der geistes- und kulturwissenschaftlichen Studienrichtungen zu entnehmen. Die Verbindung des Studiums mit Lehrveranstaltungen einer zweiten Studienrichtung gemäß den Empfehlungen der Studienkommission ist in den Diplomprüfungszeugnissen und im Bescheid über die Verleihung des akademischen Grades zum Ausdruck zu bringen.
Aus den Erläuterungen: Umgestaltet wurden die Abs. 7 und 8. Das Erfordernis des Nachweises besonderer Vorkenntnisse als Voraussetzung für den Besuch einer Lehrveranstaltung soll bereits im Studienplan festgelegt werden. Diese Festlegungen bedürfen daher eines Beschlusses der Studienkommission und stehen nicht in der Disposition der Leiterin oder des Leiters der Lehrveranstaltung. Ausdrücklich wird nunmehr auch verankert, daß dieser Nachweis nicht nur durch Zeugnisse über Prüfungen an Universitäten und Hochschulen, sondern nach Maßgabe entsprechender Bestimmungen im Studienplan auch durch andere geeignete Bescheinigungen erbracht werden kann. Eine wichtige Veränderung besteht darin, daß nicht wie bisher nur eine Prüfung als Voraussetzung für die Anmeldung zu einer Lehrveranstaltung, sondern auch mehrere Prüfungen festgelegt werden können. Eine wichtige Ergänzung ist schließlich die Anordnung, daß die in den Studienplänen festgelegten Anmeldungsvoraussetzungen auch für Studierende gelten, die die Lehrveranstaltung im Rahmen der freien Wahlfächer oder im Rahmen eines individuellen Diplomstudiums besuchen wollen. Denn die sachlichen Kriterien für die Festlegung derartiger Voraussetzungen gelten wohl auch in jenen Fällen.

Das ist die Regelung von vor 12 Jahren. An ihr ist die Entstehung des heutigen Problems gut ablesbar. Mit der Abschaffung des Haupt- und Nebenfaches in den Geisteswissenschaften wurde festgelegt, dass praktisch die Hälfte des Studiums mit freien Wahlfächern abzudecken ist. Das ist an einer Universität mit zehntausenden Studierenden der betreffenden Fächer gelinde gesagt eine organisationstechnische Katastrophe. Und es wurden schon damals festgelegt, dass eine oder mehrere Prüfungen als Voraussetzung zum Besuch einer LV verlangt werden können. An der Uni Wien hat man sich damit durchgewurstelt, aber das sind keine akzeptablen Zustände. Die Härte wird erst jetzt sichtbar, wenn man sich den Problemen stellt. Ich bin an dieser Stelle gegen die Schlamperei, obwohl sie angenehme Nebeneffekte hat.

Letzter Punkt Bologna. Das sieht in jeder Studienrichtung anders aus und ein Kritikpunkt ist sicher, dass man alles über einen Leisten schert. (Die Wirtschaftswissenschaften oder die Naturwissenschaften sind von der Debatte kaum betroffen.) Nach meiner Kenntnis der geistes- und sozialwissenschaftlichen Studien herrschte dort das Prinzip der taxativ angeführten Fächer, die von Profs vertreten wurden, deren LVs man abhaken musste. Plus natürlich die Hälfte des Studiums frei gewähltes Abhaken. Das war bequem. Ich erinnere mich überhaupt noch daran, wie ich mein Doktorat gemacht habe. Man musste im Prinzip vier Jahre lang inskribiert sein und konnte dann die Dissertation einreichen und drei Rigorosen ablegen. Das wars! Für talentierte, strebsame Studierende ein Paradies. Es war genau der Zustand, den Robert Pfaller Samstag vor einer Woche im Audimax für alle Studien verlangt hat.

Das war die Zeit, als es in Österreich erst 2 Autobahnen und gerade mal Farbfernsehen gab. Als die Kinos am Land 5 Jahre alte Filme zeigten und Kopierer unbekannt waren, zu schweigen von Mobiltelefonen oder Vorlesungsstreaming. Als an den Universitäten nur halb soviel "Kommilitonen" studierten, die sich den Besuch jeder Lehrveranstaltung "testieren" lassen mussten. Ich erinnere mich an die Stempel, welche die Assistenten des Großprofessors für Philosophie am Eingang des Audimax verteilten. Um es mal polemisch zu sagen: Welcome to the Past.

--anna 09:06, 11. Nov. 2009 (UTC)