Benutzer:Andyk/Medientheoretiker als Piraten: Unterschied zwischen den Versionen

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Bei diesem Projekt haben sehr viele Studierende mitgemacht. Es gibt eine Website dafür: [http://philo.at/re-public Re-Public]. Das habe ich ganz übersehen: Diese Spiel, das wir im letzten Jahr produziert haben, ist das Ergebnis eines philosophischen Seminars über Platos Staat. Wir haben uns hingesetzt und Platos Staat gelesen und uns gefragt: Wie bringen wir das in ein Spiel hinein? Es war eine sehr schwierige und letztlich auch nicht 100% erfolgreiche Geschichte. Man würde glauben es ist einfach, weil Platon in Dialogen schreibt. Wirklich das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sich das Spiel an, es ist etwas rausgekommen, was Sie nicht erwarten würden.
 
Bei diesem Projekt haben sehr viele Studierende mitgemacht. Es gibt eine Website dafür: [http://philo.at/re-public Re-Public]. Das habe ich ganz übersehen: Diese Spiel, das wir im letzten Jahr produziert haben, ist das Ergebnis eines philosophischen Seminars über Platos Staat. Wir haben uns hingesetzt und Platos Staat gelesen und uns gefragt: Wie bringen wir das in ein Spiel hinein? Es war eine sehr schwierige und letztlich auch nicht 100% erfolgreiche Geschichte. Man würde glauben es ist einfach, weil Platon in Dialogen schreibt. Wirklich das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sich das Spiel an, es ist etwas rausgekommen, was Sie nicht erwarten würden.
  
=== Zurückwerfen. Die Ironie des Mephistopheles ===
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=== Zurückwerfen. Das mephistophelische System ===
 
Eine Endbemekerung noch: Was mich überrascht hat als Ergebnis dieses Prozesses, ist die Spannung zwischen der Initiative und dem Verstehenshorizont der Personen, die an solche interatktive Textewlet herangehen und dem, was die interaktive Textwelt bietet ist die eines Rätsellösens. Der Drive sich einzustellen und einzutauchen in so ein Spiel ist in den meisten Fällen konventionell genre-artig das Lösen von Rätseln, das Überwinden von Hindernissen dieser Textwelt. Nun ist es aber so: '''<font color="maroon">Durch den notwendigen Mismatch, von all dem, was ich mir vostellen kann, was diese Welt könnte und dem beschränkten programmierbaren Bereich, zu dem, worauf diese Textwelt vor breitet sein kann, die Spannung zwischen dem, was ich zufriedenstellend implementieren kann und dem was ich nicht implementieren kann, diese spannung zeigt sich in den Textadventures (nicht nur in dem, was uns passiert ist, sondenr es ist sehr sehr verbreitet): Und das ist das Phänomen der Ironie, die vom System produziert wird. Das System ist gehalten, an den Stellen Ironie zu produzieren, wo es nicht in der Lage ist, die entsprechenden Ansinnen, die an das System gestellt werden, zu verarbeiten und sich mit Reaktionen aus der Affäre zu ziehen (wenn Sie so wollen) die das ganze zurückwerfen, an den, der von dem System so und soviel haben will.</font>'''  
 
Eine Endbemekerung noch: Was mich überrascht hat als Ergebnis dieses Prozesses, ist die Spannung zwischen der Initiative und dem Verstehenshorizont der Personen, die an solche interatktive Textewlet herangehen und dem, was die interaktive Textwelt bietet ist die eines Rätsellösens. Der Drive sich einzustellen und einzutauchen in so ein Spiel ist in den meisten Fällen konventionell genre-artig das Lösen von Rätseln, das Überwinden von Hindernissen dieser Textwelt. Nun ist es aber so: '''<font color="maroon">Durch den notwendigen Mismatch, von all dem, was ich mir vostellen kann, was diese Welt könnte und dem beschränkten programmierbaren Bereich, zu dem, worauf diese Textwelt vor breitet sein kann, die Spannung zwischen dem, was ich zufriedenstellend implementieren kann und dem was ich nicht implementieren kann, diese spannung zeigt sich in den Textadventures (nicht nur in dem, was uns passiert ist, sondenr es ist sehr sehr verbreitet): Und das ist das Phänomen der Ironie, die vom System produziert wird. Das System ist gehalten, an den Stellen Ironie zu produzieren, wo es nicht in der Lage ist, die entsprechenden Ansinnen, die an das System gestellt werden, zu verarbeiten und sich mit Reaktionen aus der Affäre zu ziehen (wenn Sie so wollen) die das ganze zurückwerfen, an den, der von dem System so und soviel haben will.</font>'''  
  
 
Das ist eine erste interessantte Geschichte und das zweite: Ich habe gedacht, wo habe ich die Situation des Rätsellösens, des Aufageben erfüllens, des Drives, in den man einsteigt und eine Ironie des Systems, das antwortet, schon einmal gehört? Und plötzlich ist es mir gekommen: Faust und Mephistopheles. <font color="maroon">Die Rolle von Mephistophes, der auf der einen seite alles kann und könnte und sich gleichzeitig ständig darüber amüsiert darüber, dass ein Mensch, der bestimmte Wünsche hat, niemals genug hat und immer mehr haben möchte und aus der Allmachtsposition eine Defensive produziert, die in ständiger Ironie ausgenützt wird. Das war doch etwas, was mich denken hat lassen, dass das Arbeiten mit solchem informatischen Handwerkszeug auch philosophisch interessant sein kann.</font>
 
Das ist eine erste interessantte Geschichte und das zweite: Ich habe gedacht, wo habe ich die Situation des Rätsellösens, des Aufageben erfüllens, des Drives, in den man einsteigt und eine Ironie des Systems, das antwortet, schon einmal gehört? Und plötzlich ist es mir gekommen: Faust und Mephistopheles. <font color="maroon">Die Rolle von Mephistophes, der auf der einen seite alles kann und könnte und sich gleichzeitig ständig darüber amüsiert darüber, dass ein Mensch, der bestimmte Wünsche hat, niemals genug hat und immer mehr haben möchte und aus der Allmachtsposition eine Defensive produziert, die in ständiger Ironie ausgenützt wird. Das war doch etwas, was mich denken hat lassen, dass das Arbeiten mit solchem informatischen Handwerkszeug auch philosophisch interessant sein kann.</font>

Version vom 27. Februar 2010, 12:40 Uhr

Medientheoretiker als Piraten

Mitte Jänner 2010 fand in Berlin ein Workshop statt zu Technik und Theorie digitaler Medien. Auf diesem Workshop sprachen auch 2 Vertreter der Philosophie der Universität Wien, Herbert Hrachovec und Claus Pias, die sich beide als Piraten in dem Feld Informatik, Medienwissenschaften und Philosophie bezeichneten. Wir bringen die beiden Vorträge der genannten Philosophen.

Claus Pias: "Was waren Medien?"

Ich mache kein Powerpoint, obwohl der Vortrag heute ungewöhnlich durchnummeriert ist und sich super anbieten würde für Bulletlisten. Gestellt war die Frage des in oder zwischen Informatik, Philosophie und/oder Medienwissenschaft, die Frage nach der Aufgehobenheit eines Objekts das da heißt: "Technik und Theorie".

Schon das ist in gewisser Weise problematisch, weil das Fächer-Verständnis von Theorie unterschiedlich ist, oder wie Horst Zuse mir einmal sagte: "Was verstehen Sie denn unter Theorie? Bei uns ist das was ganz anderes." Schon das ist schwierig, trotzdem nehme ich es einmal als ein Objekt digitaler Medien.

Weiters setzt der Untertitel voraus, dass es diese Disziplinen gibt, bei denen man prüfen kann, inwieweit es zu ihnen gehört oder inwieweit sie es behandeln können. Dass es Philosophie oder Informatik gibt ist unbestritten, ob es Medienwissenschaft gibt und in welcher Form, ist eben mein Thema. Ich würde für ein nicht-medienwissenschaftliches Publikum gerne erklären, was das für ein in meiner Wahrnehmung komisches Fach ist.

Denn meines Erachtens rankt sich diese Frage nach Medienwissenschaften selber um die Frage in zwischen oder neben anderen Disziplinen und was ist das für eine Disziplin, was ist deren Gegenstand? (Diese Selbstrefelexivität hatte in letzer Zeit Konjunktur in den Medienwissenschaften. Darauf will ich nicht unbedingt eingehen.)

Wo ist die Frage der Medien überhaupt in der Wissenschaftslandschaft situiert? Ich mache dazu drei Schritte, die ich jederzeit abkürzen kann. Einen historischen, einen systematischen und einen faktischen mit einem Vorschlag am Ende.

Der historische Teil

Wer betreibt eigentlich Medienwissenschaften im Moment? Wo kommen die Leute her? Das Modell, das ich habe, um das plastisch zu machen (im Detail stimmt es dann natürlich nicht) ist ein Generationenmodell. Und das Generationenmodell nehme ich selbst aus den Medien, nämlich aus dem Film. Ein Film wo dieses Konzept der Generationen vom biologischen Alter entkoppelt ist: R.W. Fassbinder, "Die dritte Generation". Ein Film über die RAF. Fassbinder macht eine systematische Unterscheidung der Generationen innerhalb der RAF. Zitat:

  • Die erste Generation wäre die, die aus Idealismus gepaart mit übergroßer Sensibilität und Verzweiflung über die eigene Ohnmacht gegenüber dem System und seinen Vertretern sowas wie wahnsinnig wurde.
  • Die zweite Generation wäre die, die aus Verständnis für die Motive der ersten Generation heraus deren Vertreter meist verteidigt haben, häufig genug im Sinne des Wortes, denn viele von ihnen waren echte Rechtsanwälte. Dieses Verteidigen wurde jedoch solange und derart intensiv als im Grunde kriminelles handeln diffamiert, dass der Schritt der zweiten Generation ins praktisch-Kriminelle und somit in den Untergrund eher nachvollzogen als vollzogen wurde. Wie auch immer jeder einzelne Bürger den Handlungen und Motiven der ersten und zweiten Generation der RAF irgendwo in der Lage ist, so etwas wie Verständnis entgegen zu bringen (oder auch nicht), fällt ein Verstehen der Motive der dritten Generation mehr als schwer und ist vieleicht von den beiden vorangegangenen Generationen aus betrachtet fast unmöglich.
  • Denn die dritte Generation der Terroristen hat, so scheint mir, mit ihren Vorgängern wenig gemein als viel mehr mit dieser Gesellschaft und der Gewalt, die diese zu wessen Nutzen auch immer ausübt. Ich bin überzeugt, sie wissen nicht, was sie tun. Und was sie tun hat Sinn in nichts weiter als im Tun selbst, in der erregenden Gefahr und dem Abenteuer in diesem zugegeben immer beängstigend perfekter verwalteten System. Handeln in Gefahr, aber ohne Perspektive, ein Rausch erlebter Abenteuer zum Selbstzweck, das sind die Motive der dritten Generation.

Soweit Fassbinder. Wer den Film kennt weiß, was das bedeutet: Schnelle Autos fahren, Waffe im Hosenbund, schöne Frauen und so. Wohin bringt uns das? Die Analoglie zwischen RAF-Generation und deutscher Medientheorie ließe sich vielleicht durchbuchstabieren:

  • Die erste Generation wäre eine, sensibel, intelligent, institutionell machtlos, ziemlich verzweifelt über den Zustand der eigenen akademischen Disziplin (wie etwa deutsche Germanistik), mit einer grundlegenden Verständnislosigkeit für die Motive der dritten Generation (also jetzige Studienanfänger). Friedrich Kittler, als ich ihn in Wien zum Gastvortrag hatte, sagte als Erstes ins Mikrofon: "Medienwissenschaft, das ist doch heute eine Ausbildung für den Club Méditerranée". Also das ist dieses Erste-Dritte-Generation-Verhältnis.
  • Zweite Generation: Siehe Fassbinder: "mit tiefen Verständnis für die historische und institutionelle Lage und Situation der ersten Generation, für die Entscheidung die sie getroffen hat und die Wege, die sie gegangen ist." Und eine Generation, die ihr irgendwo auf diesem Grad auf Vollzug und Nachvollzug, den Fassbinder beschreibt, nachfolgt. Die zweite ist eher die Beobachterposition, die das Verhältnis erste und dritte Generation relationiert, da würde ich mich auch einordnen.
  • Die dritte Generation betritt die Bühne, in dem Moment, in dem so etwas wie Medienwissenachft zu einer akademischen Disziplin geworden ist. Ich habe auch einmal versucht zu googeln, wie viele Medienabschlüsse es gibt: Es gibt jede jede Menge, teilweise auch sehr spezialisierte (Bindestrich-Medien-Abschlüsse). Damit ist sie strukturell den Disziplinen ähnlich, gegen die die erste Generation opponiert hat. Es gibt da ein hübsches Büchlein zweier junger Medienwissenschaftlerinnen mit dem Titel "was mit Medien", weil das die häufigste Antwort von Abiturientinnen ist auf die Frage "Was wollt ihr denn mal machen?": Was mit Medien. Sie ahnen die ganze Analogie zu Fassbinders dritte Generation, wo der Sinn in nichts anderem liegt als diese Sachen zu tun: Waffe im Hosenbund, Autos klauen, Banken überfallen, "Was mit Medien".

Auf der anderen Seite ist das Ganze das Falsche und das Bild gerät schief, wenn man dieser Versuchung zu weit folgt und diese Analogie zu sehr ausbuchstabiert. Denn anders als die RAF ist die Medienwissenschaft in ihrer Institutionalisierung sehr erfolgreich gewesen. Trotzdem gibt es glaube ich das, was Fassbinder so schön beschrieben hat: Das Unverständnis der ersten Generation, die Melancholie der zweiten und das "Was mit Medien" der dritten Generation. Das war der erste Punkt, um ein bisschen die Personallage zu beschreiben. Wie gesagt hat das nichts mit biologischem Alter zu tun, sondern ist eine systematische Klassifizierung.


Der systematische Teil

Zweiter Punkt, den ich als systematisch angekündigt habe. Das sind drei von den fünf Punkten, die ich einmal bei Herbert Hrachovec auf dem Wittgenstein-Symposium vortragen durfte.

Ist Medienwissenschaft eigentlich eine akademische Disziplin?

Der erste Punkt rankt sich um die Frage: Ist Medienwissenschaft eigentlich eine akademische Disziplin? Ich habe es unter dem Titel "institutionalisierte Dauer-Reflexion" gestellt, das ist ein Audruck von Helmut Schelsky, der genau darin einen Widerspruch sieht: Man kann Reflexion auf Dauer nicht durch Institutionen stellen, zumindest ist das problematisch.

Neben vielen anderen Dingen (damit meine ich Lehre, Forschung, Flächendeckende Organisation an Universitäten) beruhen Disziplinen vor allem auf zwei Dingen: Entweder einer eingeschränkten Zahl von Gegenständen (das sind die, die innerhalb einer Disziplin als solche konstruiert oder definiert werden und dann als Objekte von ihr behandelt werden können) oder einer Methodologie, mit der man heterogene Objekte in einer eingeschränkten Weise behandeln kann. Also irgendwo muss es eine Einschränkung geben, entweder von der Gegenstandsseite oder von der methodologischen Seite. Veränderungen entstehen meistens, wenn man eine Sache verschiebt, also gleiche Dinge anders anschaut oder andere Dinge auf bekannte Weise anschaut.

Der interessante Punkt scheint mir zu sein, dass die Medienwissenschaft, so wie ich sie verstehe, zwei Fronten eröffnet hat und sowohl die Gegenstände als auch die Methodologien in Frage gestellt hat. Deswegen haben Leute wie Martin Seel Medienwissenschaft als Renovierungsunternehmen der Geisteswissenschaften bezeichnet.

Insofern ist Medienwissenschaft kein Problemlösungsversprechen sondern eher ein Verfahren der Problematisierung und damit eher eine Diskursstrategie oder eine Fragestellung oder eine Epistemologie als eine gesicherte Disziplin mit gesichertem Objektbereich oder gesicherter Methodologie. Die Sache so zu sehen rückt Medienwissenschaft eher in die Nähe von feministischer Theorie oder Dekonstruktion, d.h. es geht um eine Fragestellung, die an bestimmten Wissenskörpern ansetzt, eine fast parasitäre Konstruktion. Das heißt es wird ein Korpus vorausgesezt, an den diese Frage gerichtet werden kann.

Die Frage nach Medien kommt aus verschiedenen Disziplinen. Es gibt sie in der Kunstgeschichte, in der Literaturwissenschaft, in der Informatik, aber auch in der Medizin, in der Physik und sie wird aus diesen Disziplinen heraus gestellt. Das ist nicht unproblematisch, wenn man daraus eine eigene Disziplin machen will. Aus etwas, das eigentlich an einen Wissenskorpus gebunden ist, an den man Kritik ansetzen will.

Eine historische Vergleichssituation, damit habe ich mich einige Zeit beschäftigt, ist so etwas wie Kybernetik. Eine bestimmte Art der Epistemologie, eine bestimmte Art, Dinge zu sehen, zu formalisieren, zu beschreiben, die nicht Disziplin wurde aber durch bestimmte Begriffe und Konzepte andere Disziplinen mit etwas infiziert hat, um ihr Wissen neu zu ordnen. Die Kommunikation zwischen Disziplinen lief über die durch die Kybernetik gespeisten Begriffe.

Also wenn man sich überlegt, dass das ein Modell für die Lage der Medienwissenschaft sein könnte, muss man die Möglichkeit des Verschwindens der Medienwissenschaft mit einkalkulieren.

Dilemma des Kanons

Auch hier lässt sich vielleicht historisch argumentieren: Das, was Medienwissenschaft vorangebracht hat, die Leute die eine medienwissenschaftliche Frage formuliert haben, aus ihrer Disziplin heraus (Germanistik, Informatik) logischerweise keine Medienwissenschaftler waren. Ich möchte es nicht zuspitzen und sagen: Die interessanten Fragen kommen nicht einmal aus der Medienwissenschaft selbst, aber es hätte einen gewissen Anreiz, das zu tun. Ein Beispiel: Denken sie etwa daran, dass und wie Protagonisten etwa der Personal Computing Bewegung Nelson oder Alan Kai um 1970 Schriften von M. McLuhan's gelesen haben, der wiederum den Kybernetiker Norbert Wiener gut gelesen hatte und plötzlich in der Informatik (wenn man es schon Informatik nennen kann, gerade in den 60er ist es ja erst als Studiengänge institutionalisiert worden) diese Leute, die sich praktisch mit den Dingen beschäftigen, erkennen, dass sie es mit Medien zu tun haben. Und dann stellen sie Fragen nach Repräsentationsweisen, nach praktischem Umgang mit den Geräten, die eigentlich eminent medienwissenschaftliche Fragestellungen sind.

Das heißt, wir haben die Medienreflexion in ganz anderen Gebieten selbst als Teil der Mediengeschichte, ohne eine akademische Medienwissenschaft. Das ist überhaupt kein Problem. Wenn man das ernst nimmt, dass die interessanten Fragen immer aus den jeweiligen Disziplinen kommen, hat man das, was ich das "Dilemma des Kanons" versucht habe zu nennen. Man hat einen Spagat zwischen Kritik und Konservatismus. Man müsste eigentlich im Sinne der interessanten Fragen die klassische Disziplinarität schützen und zugleich problematisieren. Voraussetzen und zugleich dekonstruieren.

Die Heterogenität der Medienwissenschaften

Der dritte Punkt: Das, was als Medienwissenschaft firmiert, ist ein extrem heterogenes Feld:

  • Medienwissenschaften 1: Publizistik und Kommunikationswissenschaft, eher soziologisch politikwissenschaftlich orientiert, quantitativen Methoden.
  • Medienwissenschaften 2: Film und Fernsehwissenschaft, Auslagerung der Theaterwissenschaft, auch ein Spät-60er-Produkt in Deutschland.
  • Medienwissenschaft 3 der 80er Jahre, die anfängt, sich für digitale Medien zu interessieren.

Das sind sehr verschiedene Dinge, sodass DIE Medienwissenschaft zumindest problematisch ist, da sie sich historisch aus sehr vielen Quellen und Richtungen speist.

Der pragmatische Teil

Terminologische Präliminarien

  • Medienwissenschaft wäre der problematische und wenn nicht sogar paradoxe Status und Titel einer akademischen Disziplin. Problematisch aufgrund der genannten Punkte. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Es hat Vorteile, eine Disziplin zu sein, aus fördertechnischen Gründen (die DFG wurde ja mehrfach erwähnt). Es hat aber Nachteile, wenn die Sache, wie ich es verstehe, eher eine Fragestellung ist, die an verschiedenen Orten interveniert und nicht den Status einer klassischen Disziplin mit gesichertem Objektbereich hat.
  • Medientheorie wäre eher ein Geschehen, das sich häufig in der Geschichte ereignet hat, an ganz unterschiedlichen Orten. Medientheorie muss nicht in unserem moderenen Verständis Wissenschaftsförmig sein. Medientheorie muss nicht an Universitäten stattfinden. Muss sich nicht unbedingt in Büchern niederschlagen und ist vor allem überhaupt nicht an eine universitär organisierte Wissenschaft gebunden.
  • Medienphilosophie, das wofür ich selber da stehe, und viele andere Komposita dieser Art, bezeichnen glaube ich den Ort der Frage nach Medien im Kontext einer bestehenden disziplinären Struktur, wie hier etwa die Philosophie. Das wäre vielleicht Bildwissenschaft im Bereich der Kunstgeschichte, Medieninformatik oder Computer als Medium aus der Informatik heraus, usw.

4 Organisationsformen des Nachdenkens über Medien

Daran anschließend noch 4 Punkte, um zu sehen, welche Organisationsformen es für dieses Nachdenken über Medien es gibt. Ich nenne 3 deutsche und eine österreichische Universität und versuche die persönliche Erfahrung auf Modellebene zu bringen.

  • Ein Modell, das ich das Modell "großer Plan" nennen würde, ist Weimar. Die Weimarer Uni ist eine kleine, ostdeutsche Uni. Sie hat die Medienwissenschaften als eigene Fakultät neben den traditionellen Fakultäten eingerichtet. Diese macht eine Binnengliederung in Medieninformatik, Medienökonomie, Medienrecht, Mediengeschichte, Mediengestaltung. Innerhalb ist sie wieder Disziplinförmig organisiert, weil man Einzelabschlüsse bekommt: Einen BWL-Abschluss, Ingenieursabschluss, Dr.Phil oder ähnliches.
  • Zweite Möglichkeit: Ruhr Uni Bochum. Man glaubt, dass man Medienwissenschaft als eine eigene Disziplin braucht. In Bochum als Zusammenlegung dessen, was ich vorhin als Medienwissenschaft 1,2,3 bezeichnet habe. Da hat man vereinheitliche halbwegs vollständige BMA-Abschlüsse, da wird man Medienwissenschaftler. Die Disziplin ist intern sehr heterogen und hat wenig kollaborative Forschung. Ein Studienplan, ich sage es vorsichtig, würde es aber auch vor den Bochumern sagen, der die Gefahr des Gemischtwarenladen enthält. Dafür aber als autonome Disziplin organisiert.
  • Drittes Modell, das ich kennen lernen durfte, das oft an Kunsthochschulen oder Akademien zu finden ist: das Service-Provider-Modell. Sprich: Medienwissenschaft existiert als Zulieferer für Studiengänge, ist aber kein eigener. Man hat Medientheorie und Mediengeschichte für Fotografen, Künstler, Industriedesigner oder Ähnliches. Das hat gewisse Vorteile, weil das oft kleine schnittige Organisationen sind. Man hat aber dann wiederum keine eigenen Studenten, meist nur externe Doktoranden, Forschung findet in der Regel außerhalb der Dienstzeit statt und man ist in der Zuliefererposition.
  • Das vierte Modell, als letztes: Die Universität Wien. Große Traditions-Voll-Uni von 1365, das ich mal vorsichtig - das ist nicht die offizielle Strategie - das "Partisanen-Modell" nennen würde. Man hat keine Fakultät, keine Disziplin, sondern verteilt die Leute, die sich für Medien interessieren, über die Disziplinen. Das heißt, man hat 1-2 Leute in der Philosophie, 1-2 Leute bei den Historikern, 1-2 Leute in der Informatik sitzen, die sich für die Frage nach Medien interessieren. Diese Leute treffen sich halb außerhalb der Dienstzeit, eher in Kollegs, eher über die Fakultäten und Institute hinweg organisiert. Ich finde, dass dieses Modell große Vorteile hat. Da kann man in der Abschlussdiskussion noch darüber reden.

Also das sind die vier Modelle, wo sich Beschäftigung abzeichnet: "Großer Plan", "Traditionelle Disziplin", "Service-Provider" oder "Partisanen"-Modell.

Eine utopische Miniatur von Universität

Ein letzter Punkt, um es perspektivisch zu machen: Wie sollte die Sache für Studierende aussehen? Ich würde einen Vorschlag machen, der nicht verallgemeinerbar ist, an dem ich im Moment herumlaboriere, der OK für kleine schnittige Unis ist, nicht unbedingt tauglich für große Universitäten. Ein Vorschlag, der in gewisser Weise einige Optionen der gescheiterten/angeeckten Bologna-Reform kapern kann und daraus etwas machen, das vielleicht das komplette Gegenteil von Verschulung ist. Dabei scheinen die Medien ein guter Aufhänger, um das zu machen. Ich könnte mir also vorstellen, dass an einer kleinen Uni prinzipiell alle Lehrveranstaltungen dieser Universität - in allen Fakultäten - einfach aufgemacht werden. Nennen wir es: Studieren ohne Studienplan oder Nachfrage-orientiertes Studium. Wie der Anfang aussieht, weiß ich nicht ganz. Aber der Mittelteil des Studium könnte so aussehen, dass Leute sich Themensemester machen. Das heißt, man könnte sich ein Themensemester "Bild" oder so etwas setzen. Man kann in die Kunstgeschichte, in die Philosophie, in die Computergrafik bei den Informatikern, zu den Medizinern in die Visualisierung gehen, usw. Oder ein Semester über bestimmte Methoden, etwa quantitative Methoden, das auch durch die verschiedenen Disziplinen hinweg. Dazu bräuchte es vielleicht eine Art Mentoring-Programm, das nicht beim Kaffee-trinken stecken bleibt, sondern wo jeder Studierende seinen Plan jemanden zeigt, der checkt, ob das zusammenpasst. Das setzt voraus, dass man halbwegs einschätzen kann, was die Kollegen tun. Deswegen kleine Unis. Das Absignieren des Plans müssen Leute machen, die ihre Uni kennen und die dadurch gezwungen werden, zu wissen, was die Kollegen so treiben. Das bräuchte ganz neue Debutats-Verrechnungsformen und überhaupt neue Verrechnungsformen, da man ja nicht nur die eigenen Studierenden versorgt. Am Ende wäre das Studium ein BA, der hauptsächlich auf der Abschlussarbeit beruht und nicht Punkte aus dem Gesamtstudium reinschleppt, weil das dazu führt, dass Leute nur noch dort reingehen, wo es einfach ist. Dieser BA wird wieder für eine traditionelle Disziplin gemacht. Sprich: In der letzten Phase sind die letzten Semester wieder orientiert auf Informatik, Kunstgeschichte, Philosophie etc mit einem BA, der die Standards dieser Disziplin hält und nicht eine luftige Medienwissenschaft, der aber anderwertig informiert ist dadurch, dass die Leute sich im Mittelteil ihres Studiums gewissermaßen herumgetrieben haben, und sich bei "Bild" nicht nur kunsthistorische Vorlesungen angesehen haben sondern in der Informatik saßen oder in der medizinischen Visualisierung. Auf diesen disziplingebundenen BA könnte man Medienwissenschaft aufsetzen, weil man dann einen disziplinären Korpus an Wissen hat, auf den eine Medienwissenschaftliche Frage erst Sinn macht. Man hat dann Leute mit dem sicheren Gespür, was eine interessante medienwissenschaftliche Fragestellung eigentlich ist. Medienwissenschaft müsste dann eine Strategie der offenen Rekrutierung ernsthaft betreiben. Es können Leute aus der Informatik, aus der Physik, aus anderen Geisteswissenschaften rüber kommen, wenn und sobald sie eine medienwissenschaftliche Themenstellung haben. Das setzt - obwohl es nach mehr Aufwand aussieht - sehr viel Entbürokratisierung voraus. Es setzt sehr viel Vertrauen in die Leute voraus und macht Kooperation zwischen den Betreuern und Disziplinen möglich. Das wäre eine utopische Miniatur von Universität gewesen.


Herbert Hrachoec: "Rückmeldung und feedback"

Der erste Dank gilt W.Coy für die Einladung und die Organisation. Dann habe ich gleich einen zweiten Dank an Claus Pias, der mir zwei wirklich ideale, in der Fußballsprache gesprochen, Querpässe zugespielt hat.

Das eine ist das Piratenmodell, das ich in dieser Präsentation ganz resolut vertreten werde. Das hängt in meinem speziellen Fall damit zusammen, dass in der Philosophie genügend System vorhanden ist, seit einer erkläglichen Anzahl von Jahren, sodass der Leidensdruck, die Disziplin zu systematisieren, nicht so vorhanden ist und daher eher das irreguläre Moment auftaucht.

Der zweite Punkt ist ein viel überraschenderer. Ich habe vorgestern, als ich nach Berlin gekommen bin, eine Erfahrung gehabt und überlegt, ob ich diese an den Anfang der heutigen Präsentation stellen soll. Ich war mir nicht sicher, ob das nicht ein bisschen weit hergeholt ist. Aber wenn C.Pias mit Fassbinder und der dritten Generation arbeitet, kann ich das updaten und auf die konkrete Kultursitution in Berlin beziehen. Es war nämlich am Mittwoch-Abend an dem ich gekommen bin, eine experimentelle Theatervorstellung, für die ich mir noch Gelegenheit genommen habe, sie zu sehen. Und zwar im Hebbel am Ufer: "Hass (La Haine) nach einem Film, den Mathieu Kassovitz schon 1995 gedreht hat. Der Film selber ist in dieser Inszenierung sehr sehr hart moduliert, sehr sehr explizit aber moduliert in einem Wissen um die soziale Gesamtsituation, die verschiedenen Optionen. Diese Inszenierung am Tempelhofer Ufer in Berlin, von sieben türkisch-stämmigen Berliinern auf die Beine gestellt, ist eine einzige Orgie von Expressivität und Direktheit. Da fehlt - und das ist der Grund, warum ich es ansprechen wollte - jede Rückmeldung. Und was es gibt ist feedback. Und zwar das feedback der negativen Art, das darin besteht, dass die Polizisten beleidigt werden von den Jugendlichen und die damit produzierte Affektion zurückgeben, indem sie zurückschlagen und eine Form von körperlichen feedback produzieren, und das ist ein zweiter Punkt, warum ich das an den Anfang stellen möchte, die gerade kultiviert, präsentiert und inszeniert wird im Gegensatz und in Anwesenheit von den raffiniertesten digitalen Rückkoppelungsmechanismen, die uns den Körper, körperliche Interveniertheit ersparen. In dieser Situation, und darüber ist jetzt noch zu reden, sind wir gleichzeitig konfrontiert mit einer erhöhten, massiven auch ins Brutale gehenden Physikalität auf der Basis durchaus von Rückkopplungen. Ich werde auf diese Dinge ein bisschen eingehen, habe das jedoch mehr im Verständnis als ein Workshop hier und habe darum Spotlights vorbereitet. Drei Spotlights von diesem Titel (Rückmeldung und feedback).

Das erste Spotlight wird tatsächlich nicht im strengen Sinne digitale Medialität betreffen, nämlich das Fernsehen. Ich möchte dann im Kontrast zur Rückmeldung und feedback-Situation des Fernsehens ein zweites Spotlight setzen auf digitale Rückkoppelungen und Rückmeldungen im engeren Sinn, da werde ich Mäuse und Joysticks verwenden. Und das dritte: Ich werde etwas aus einem Philosophie- und Informaitkprojekt, das mir so angelegt schien, dass Probleme, die ich in den ersten beiden Spotlights ansprechen werde, im Rahmen einer Projektarbeit an einer Universität aufgegriffen werden können.

Fernsehen und Rückkopplung

Kameras und Konsolen. Die Biopsie der öffentlichen Meinung

Die Kosolen sind in diesem Fall die Fernsteuerungsgeräte. Die ersten 3 Beispielee, die ich unter Fernsehen bringen werde, sind aus dem US-Wahlkampf 2008. Sehr schöne Case-Studies dafür, wie in den Mainstream-Massenmedien mit Rückkopplung gearbeitet wird.

Sie haben die dünne Linie auf dem Screen gesehen? Was geschieht an der Stelle eigentlich? Nach welchen Gesetzen ist das zu überlegen? Der unmittelbare Appeal, und da gehe ich zu Kassovitz zurück und zu dem, dass Kassovitz und das was er tut niemals Mainstream-Media werden können. Der unmittelbare Appeal ist, dass wir im Fernsehen nicht mehr nur dort sind, wo Stellungnahmen abgegeben werden können, die an eine national verteilte Öffentlichkeit gehen und dann gibt es on the spot Meinungsumfragen, wo einzelne Leute per Telefon nach ihrer Meinung befragt werden. Sondern die Balance der öffentlichen Meinungs-Manipulation (muss man schon sagen) sieht so aus, dass die Leute kurzgeschaltet sind mit der Sendung in Realtime. Durch diese Kurzschaltung, durch diese Schleife, produzieren die Leute Effekte, die als Trendline automatisch hineinprojeziert werden. Diese Projektion signalisiert das feelgood der Leute, ohne dass in irgend einer Art und Weise die Frage gestellt wird, wie diese Einheit von Stellungnahme und unmittelbare Reaktion auf die Stellungnahme durchsichtig gemacht werden soll, wie das organisiert und arrangiert ist. Ich gebe zu, es ist nur ein gradueller Unterschied dazwischen, ob ich am nächsten Tag in den Zeitschriften lese oder auch nur 10 Minuten später eine Blitzumfrage im Fernsehen höre, die mir sagt: x Leute haben das gut gefunden. Es ist in gewissem Sinn nur eine graduelle Abstufung. Ich denke aber, dass es auch argumentierbar ist, dass an dieser Stelle eine Gleichschaltung, ein Ineinanderschalten von Stellungnahme und Stellungnahme zur Stellungnahme auftritt, die einerseits etwas Überzeugendes und Faszinierendes hat im Sinne von: Schauen Sie auf die grüne Linie. Das sind die Leute, die Obama-Anhänger sind. Und dann kann man das Ganze wie einen Blutdruck abmessen. Es wird ein Blutdruck-Messer der öffentlichen Meinung suggeriert.

Diese Linien waren vergleichsweise dezent, es kommt stärker. [...] Wenn es eine Medienwissenschaft und eine Berechtigung der Medienwissenschaft gibt, dann besteht sie mit Sicherheit darin, so eine Episode aufzumachen und den Regeln der Kunst nach alle Implikationen zu reflektieren. Beispielsweise:

Sie steht vor dem Publikum, mit dem sie reden kann, und zeigt ihm die Linien, die es selbst produziert als wissenschaftlichem Nachweis davon, dass es wirklich dieser Meinung ist anstatt dass das Publikum es selbst sagt. Weil aber dieser wissenschaftliche Nachweis, dass sie dieser Auffassung sind - wissenschaftlicher Nachweis ist ja, wenn man eine Linie sieht, die sich bewegt - aber wieder zu trocken ist, muss der Nachweis noch unterfangen werden mit einem 1-zu-1-Interview, wo die Person das sagt, was sie vorher im Aggregatszustand getan hat. Was ich damit, zu meinem Thema zurückkommend, ansprechen will ist: Diese Verzahnung zwischen den Meldungen, den Interviewfragen-Meldungen und dem, was mehr oder weniger in einer Biopsie inszeniert wird, ist für das Fernsehen etwas Neues, ist bemerkenswert.

Blogging zum Guten der Sache

Das folgende Beispiel habe ich gewählt, weil man in diesen Zusammenhängen normalerweise NSA-abschreckende Beispiele zeigt, wie wir alle überwacht werden, wie wir diesem Regime unterliegen. An dieser Stelle, das geht uach in die Richtung: alle Medien sind schon digital, gibt es einen bemerkenswerten, integrativen Effekt, für alle Medien, die hier involviert sind, durch die Internettechnologie, durch Blogging, etc. An der Stelle sind es die Überzeugungstäter, diejenigen die Stellungnahmenn auch glauben und breit sind, für ihre Überzeugungen (in diesem Fall: Pro-Obama-Überzeugungen) einzustehen, wenn sie in die Gelegeneheit versetzt werden, mit ihren Überzeugungen eine produktive feedback-Schleife zu inszenieren, in der ihre Überzeugungen umgesetzt werden auf digital-kommunikative Art und Weise zum Guten der Sache. Das ist ein Gegenbeispiel zu den Dingen, die ich vorhin angedeutet habe.

Die Ontologie des Cursors

Ich habe gesagt: Medienwissenschaften sollten sich mit den Impact dieser Art von Verschaltung unterschiedlicher Rückmeldungen beschäftigen. Ein Weg, sich an dieser Stelle zu fixieren und genau zu analysieren, wie das im Alltag von uns allen bereits eine Realität ist und wie wir damit umgehen können und wollen, ist das simple Phänomen der Maus.

Es erstaunt mich immer wieder von Neuem, wie wenig die Gelegenheit von Medientheoretikerinnen wahrgenommen worden ist, darauf hinzuweisen, dass dieses absolut simple und elementare Phänomen der Computewelt schon alle Probleme enthält (in Nuce deutlich macht), die mit der Virtualität zusammenhängen und für meinen besonderen zweck: alle die Probleme die damit zusammenhängen, dass wir einen Unterschied machen möchten zwischen Rückmeldung (womit gemeint ist: Ich habe eine Position, die mir vorgestellt wird und auf die ich mit einer position meinerseits, mit einer überlegten in der Regel, reagieren kann) und auf der anderen Seite einer Reaktion, eine Feedbackschleife im biologischen oder in einem anderen Sinn.

Ich bringe ihnen zwei Bilder, die das für meine Zwecke kurz und prägnant beschreiben. Stellen Sie sich vor, ich gebe jemanden den Auftrag, ziehe die Maus über den Bildschirm, so kann man das auf folgende zwei Arten verstehen:

Maus1.jpg
Maus2.jpg

Dazwischen liegt eine Welt. Und diese Welt, das ist der nächste Punkt, der ebenfalls von den Medienwissenschaften genau zu untersuchen wäre: Was unterscheidet diese beiden Interpretationen? Was macht es, dass "zieh die Maus über den Bildschirm" verstanden werden kann als: Du hast eine konstruierte virtuelle Welt, in der du tätig sein kannst, mit der du eingreifen kannst mit Hilfe deines Gerätes und mit Hilfe eines Avatars, der dich selber verkörpert und repräsentiert in dem virtuellen Bereich. Und wenn du in dem zweiten Bereich bist, was macht dann den Unterschied dazwischen, dass du den Joystick derartig betätigst, dass du in einem Feedback-Mechanismus drinnen bist, in dem du die Virtualität als einen Teil deines eigenen Wahrnehmungszusammenhangs adoptierst und implementierst und darin (a) Reiz-Reaktion ausprobierst - die eine Deutung und die andere Deutung, (b) dass du mit der Maus in der virtuellen Welt so umgehst, dass du einen Kaufvertrag unterschreibst, z.B. ein Flugticket kaufst. Das Kaufen von Flugtickets oder andere Transaktionen dieser Art, die ja ebenfalls mit dem ganzen Setting der Virtualität operieren, ist eine andere und doch wiederum nicht andere Transaktion mit Hilfe von zwei Welten, die hier eine Rolle spielen.

Ich habe zwei antupfende Bemerkungen über die Ontologie des Cursors gesetzt. In diese Richtung würde ich weitergehen. Das ist die Richtung, die man genauer ausdefinieren müsste, wenn man wissen möchte, in welchem allgemeinen technisch-anthropoligischem Zusammenhang die Frage sich heutzutage stellt: Was ist der Unterschied zwischen Rückmeldung und feedback? Dieser allgemeine Rahmen ist der, dass wir operieren mit einer Welt, die für uns konstruiert worden ist und die uns je nachdem die Möglichkeit gibt, in sie so einzusteigen, dass wir nicht darüber nachdenken und geradezu pointiert eingefangen werden in einen Regelkreis, in dem wir uns das Nachdenken ersparen wollen und können, und einen Regelkreis, der so gedacht ist, dass wir die Distanz zu solchen Produkten aufrechterhalten und sogar einplanen können.

Das Betriebssystem, das einen Code und eine Repräsentation produziert und einen Cursor zur Verfügung stellt, der mit einem Joystick gesteuert werden kann, und damit eine Komplexität erzeugt, die für meine zwecke hauptsächtlich an der Stelle der Repräsentation fokusiert ist. Es ist nicht der Code allein, sondern es ist das, was mit Hilfe des Codes an sinnlichen und kognitiven Vorgaben produziert wird. Und insofern es eine Repräsentation ist, ist es immer auch etwas, wogegen eine andere Repräsentation gesetzt werden kann. Andererseits ist es auch eine Repräsentation, die in eine Immersion hineingesteuuert werden kann. Also: die Repräsentation einer Gefahr löst ein Gefahr-vermeidendes Verhalten aus. Den Unterschied, den wir im wirklichen Lebenszusammenhang schwer machen können, können wir hier genauer analysieren in einer Analyse z.B. von Computerspielen.

Sie werden sich denken, dafür steht der Joystick, dass in einer großen Anzahl von Computerspielen die in den Arcaden gespielt werden (die Ego-Shooters u.Ä.) die Repräsentationen so angelegt sind, dass sie auf die einfachsten körperlichen Reaktionen abgestimmt sind sodass man direkt mit diesen Repräsentationen steuernd interagieren kann. Ein Nachteil dieser Szenarios für die Seite der Philosophie ist, dass die Game-Progrmamierung und alles, was damit zutun hat, eine bis zwei Stufen zu hoch ist für mich und für gewöhnliche Philosophie-Curricula. Ich schalte jetzt zum dritten Punkt:

Interactive Fiction. Worte reagieren auf Worte

Und dem Projekt, das ich angekündigt habe. Das Stichwort dazu ist IF. Ich sage es ihnen nicht systematisch vermittelt, wie vorhin, aber es kommt aus der Idee, eine Virtualität zum Üben im Rahmen von philosophischen Zusammehängen zu haben, für die das folgende gilt: Ich kann als Philosoph, wenn ich mich anstrenge, diese spezielle Virtualität, um die es in interaktiven Textadventures geht, tatsächlich selber erzeugen. Ich brauche keine Informatik-Assistenz. Es hilft natürlich sehr, wenn es etwas Ordentliches sein will, aber die Prinzipien sind nachzuvollziehen. Und die Gelegenheit, die ich an der Stelle gewählt habe, ist die Entwicklungsumgebung Inform7. Das ist eine integrierte Entwicklungsumgebung. Sie haben auf der linken Seite den Source Code. Dieser Source Code ist objekt-orientierte Sprache Inform und operiert mit natürlicher Sprache. Sie definieren "when play begins", Sie definieren Regeln, Sie definieren Interaktionen, Sie defninieren Räume, Sie definieren eine Architektur mit Hilfe von einfachen Aussagesätzen. Das heißt, was ich vorhin sowohl bei den Joysticks (was nicht biologisch kurzgeschlossen und nicht durchsichtig ist) und bei den TV-Schleifen (die ebenfalls nach nicht durchsichtigen Gesetzen laufen) angesprochen habe, die Nicht-Durchsichtigkeit können Sie hier in den Griff bekommen. Sie bekommen ein Spiel zusammen, in dem Sie sich bewegen können. Worte reagieren auf Worte. Sie haben eine sehr aufregende Situation, zumindest aus meiner philosophischen Sicht. Sie haben eine informatisch konstruierte virtuelle Wortwelt, die es Ihnen erlaubt, auf der einen Seite das Ding zu lesen wie in einem Buch. Gleichzeitig marschieren Sie in das Buch hinein, und zwar in den Erwartungshorizont, (und das ist das interessante) den Sie selber in diese Buchpräsentation hineingeschrieben haben und den Sie nun den anderen Leuten anbieten als ein Match der jeweils von den anderen Personen eingeführten Erwartungshorizonten. Es überschneidet sich also ein Investment in eine virtualisierte von ihnen kontrollierbare Erwartungssituation in einer Textwelt mit einem Spieler und etwas, das Sie selbst produzieren und das natürlich zu einer Reihe von interessanten Effekten und Interaktionen führt. Der Punkt, den ich hier machen will: Das, was Sie hier bekommen, ist nicht mehr eine feedback-Schleife, sondern eine Rückmeldung, die Sie inszenieren und mit der Sie in einer solchen Umgebung spielen können.

Bei diesem Projekt haben sehr viele Studierende mitgemacht. Es gibt eine Website dafür: Re-Public. Das habe ich ganz übersehen: Diese Spiel, das wir im letzten Jahr produziert haben, ist das Ergebnis eines philosophischen Seminars über Platos Staat. Wir haben uns hingesetzt und Platos Staat gelesen und uns gefragt: Wie bringen wir das in ein Spiel hinein? Es war eine sehr schwierige und letztlich auch nicht 100% erfolgreiche Geschichte. Man würde glauben es ist einfach, weil Platon in Dialogen schreibt. Wirklich das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sich das Spiel an, es ist etwas rausgekommen, was Sie nicht erwarten würden.

Zurückwerfen. Das mephistophelische System

Eine Endbemekerung noch: Was mich überrascht hat als Ergebnis dieses Prozesses, ist die Spannung zwischen der Initiative und dem Verstehenshorizont der Personen, die an solche interatktive Textewlet herangehen und dem, was die interaktive Textwelt bietet ist die eines Rätsellösens. Der Drive sich einzustellen und einzutauchen in so ein Spiel ist in den meisten Fällen konventionell genre-artig das Lösen von Rätseln, das Überwinden von Hindernissen dieser Textwelt. Nun ist es aber so: Durch den notwendigen Mismatch, von all dem, was ich mir vostellen kann, was diese Welt könnte und dem beschränkten programmierbaren Bereich, zu dem, worauf diese Textwelt vor breitet sein kann, die Spannung zwischen dem, was ich zufriedenstellend implementieren kann und dem was ich nicht implementieren kann, diese spannung zeigt sich in den Textadventures (nicht nur in dem, was uns passiert ist, sondenr es ist sehr sehr verbreitet): Und das ist das Phänomen der Ironie, die vom System produziert wird. Das System ist gehalten, an den Stellen Ironie zu produzieren, wo es nicht in der Lage ist, die entsprechenden Ansinnen, die an das System gestellt werden, zu verarbeiten und sich mit Reaktionen aus der Affäre zu ziehen (wenn Sie so wollen) die das ganze zurückwerfen, an den, der von dem System so und soviel haben will.

Das ist eine erste interessantte Geschichte und das zweite: Ich habe gedacht, wo habe ich die Situation des Rätsellösens, des Aufageben erfüllens, des Drives, in den man einsteigt und eine Ironie des Systems, das antwortet, schon einmal gehört? Und plötzlich ist es mir gekommen: Faust und Mephistopheles. Die Rolle von Mephistophes, der auf der einen seite alles kann und könnte und sich gleichzeitig ständig darüber amüsiert darüber, dass ein Mensch, der bestimmte Wünsche hat, niemals genug hat und immer mehr haben möchte und aus der Allmachtsposition eine Defensive produziert, die in ständiger Ironie ausgenützt wird. Das war doch etwas, was mich denken hat lassen, dass das Arbeiten mit solchem informatischen Handwerkszeug auch philosophisch interessant sein kann.