Benutzer:Andyk/Badiou

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Alain Badiou

Hineingeworfen

Nach einer längeren Pause habe ich das Buch "Sein und Ereignis" von Alain Badiou wieder in die Hand genommen. Beim Inhaltsverzeichnis hat mich "Der Staat oder die Verfassung der historisch-sozialen Situation" angesprochen, das ist die neunte Meditation. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Badious erstes Beispiel nach etwa 130 Seiten handelt; also eine Art Nagelprobe. Ohne lange Vorreden möchte ich die Leserin nun mit folgendem dort auffindbaren Abschnitt konfrontieren, um danach mein Projekt zu skizzieren:

"Und aus der Maschinerie der Zählung-als-Eins wird schließlich der Auswuchs, was allerdings daran liegt, dass man nicht bis zu Ende gesehen hat, dass der betreffende Überschuss unvermeidbar ist, denn er ist ein Lehrsatz des Seins.
Die Konsequenz [...] ist, dass die Politik hier als Angriff auf den Staat definiert werden kann, ganz gleich ob dieser Angriff auf friedliche oder gewalttätige Weise ausgeführt wird. Es "genügt", dafür die besonderen Vielheiten gegen die normalen mit dem Argument zu mobilisieren, dass der Auswuchs nicht tolerierbar sei. Doch obgleich die Regierungen und selbst die materielle Substanz eines Staatsapparates umgestürzt oder zerstört werden können und obgleich es unter bestimmten Umständen politisch nützlich ist, dies zu tun, darf man nicht außer Acht lassen, dass der Staat als solcher - das heißt die Rückversicherung des Eins über den Überschuss der Teile (oder Parteien) - sich nicht so leicht zerstören oder auch nur angreifen lässt. Kaum fünf Jahre nach der Oktoberrevolution verzweifelte Lenin, bereit zu sterben, über die obszöne Beständigkeit des Staats. Mao, zugleich waghalsiger und phlegmatischer, stellte fest, dass man nach 25 Jahren an der Macht und zehn Jahren grausamer Umwälzungen der Kulturrevolution zu guter Letzt kaum etwas verändert hatte. Der Weg des politischen Wandels, damit meine ich den Weg der radikalen Gerechtigkeit, kann auf den Staat, wenn er ihn schon nicht loswird, keinesfalls bauen, denn der Staat ist gerade nicht politisch, insofern man an ihm nichts ändern kann, außer den ihn führenden Händen, was bekanntlich wenig strategische Bedeutung hat. [...] Der Politiker ist kein Krieger vor den Mauern des Staates, sondern eher ein Späher, der geduldig einem Ereignis der Leere auflauert. Denn allein im Ringen mit dem Ereignis erblindet der Staat an seiner eigenen Herrschaft (vgl. Meditation 17). So konstruiert der Politiker etwas, womit er, und sei es nur für einen Moment, die Stätte des Unpräsentierbaren auslotet und von da an dem Eigennamen treu bleibt, welchen er im Nachhinein jenem Nicht-Ort des Ortes, der die Leere ist, gegeben oder - ohne dies entscheiden zu können - überlassen haben wird."

Prolog

Da ich das erste Kapitel des Werks (bestehend aus 6 Meditationen) gelesen hatte, erkannte ich in diesem Abschnitt die Anwendung der enntwickelten Terminologie wieder (siehe Markierungen). Der unvorbereiteten Leserin werden die Formulierungen vermutlich an einigen Stellen schräg erscheinen, dieser Eindruck hält sich bei mir bis heute. Zur unmittelbaren Verteidigung von Badious Vorhaben sei gesagt: Der Ausschnitt ist nicht nach pädagogischen Kriterien ausgewählt - das Buch versucht jedoch einen systematischen, nachvollziehbaren Aufbau. Das führt dazu, dass es recht verschlossen ist, mit nur wenigen Eingängen. Es besteht aus etwa 500 Seiten und 50 weiteren Seiten Anhang mit Begriffserläuterungen. Es ist nach Meditationen gegliedert und sehr dicht geschrieben. Man benötigt viel Aufmerksamkeit beim Lesen und kann dabei verschiedene Typen von Meditationen ausmachen: die Textanalysen, Auseinandersetzungen mit Axiomen der Mengenlehre sowie Entwicklungen des Begriffssystems.

Die bei der erstmaligen Lektüre entstandenen Gedanken, Diskussionen, Zweifel und Kommentare werden im Laufe des Sommers durch eine Relektüre des ersten Kapitels neu verarbeitet, aus drei Gründen:

  1. Einerseits, um die Leserin mit zentralen Gedanken Badious auf eine weniger systematische Weise vertraut zu machen, doch weiterhin nach Meditationen strukturiert.
  2. Andererseits, um das eigene Verständnis des ersten grundlegenden Kaptiels dieses geschlossen wirkenden Werks zu überarbeiten. Das erste Kapitel führt ein in die Grundterminologie, die in Auseinandersetzung mit Mengentheorie und der philosophischen Ontologie entwickelt wird: Situation, Zählung-als-Eins, Präsentation, Leere, Mannigfaltigkeit, Vielheit.
  3. Weiters aber, das wird den Abschluss dieses Projekts bilden, soll angedeutet werden, dass diese Terminologie nicht Selbstzweck ist, sondern bei aller Strenge den Versuch darstellt, Entwicklungen in Philosophie, Mathematik und Politik verständlich zu machen. Inwiefern das Begriffssystem dafür hilfreich ist und die Verbindungen plausibel sind, wird Nebenthema sein und versuchsweise durch eingestreute Kommentare auseinandergesetzt. Bereits vorhandene Blog-Einträge und ggf. Zusatzliteratur werden verlinkt.

Kapitel I - Das Sein: Vielheit und Leere. Platon/Cantor

==> Abkürzung: Zahlen und die erste Annahme

Badiou verstehen. Gemischte Bemerkungen