Benutzer:Jakub Jirovec/MuD009

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Ich möchte vier Klassiker zitieren, die sich zu den Motiven unseres Handelns geäußert haben und deren Ideen einen großen Einfluss in der Rechts- und Staatsphilosophie hatten. Vielleicht befinden sich alle auf der (von Prof. Gotz "verworfenen") Ebene Egoismus/Ideologie?


Platon: Das Gute ist verschieden vom Angenehmen und Nützlichen

"Höre denn zu, wie ich unser Gespräch von Anfang an wiederhole: Ist das Angenehme und das Gute dasselbe? – Es ist nicht dasselbe, wie ich und Kallikles übereingekommen sind. Muß man das Angenehme um des Guten oder das Gute um des Angenehmen willen tun? – Das Angenehme um des Guten willen. Angenehm aber ist das, über dessen Vorhandensein wir uns freuen, gut dagegen, durch dessen Gegenwart wir gut sind? – Gewiß. Aber gut sind wir und alles übrige, was gut ist, doch durch das Vorhandensein irgendeiner Tugend? Das scheint mir notwendig so zu sein, Kallikles. – Nun ist aber die Tauglichkeit eines jeden Dinges, sei es die eines Gerätes oder eines Körpers oder auch die einer Seele oder eines jeden Lebewesens, wie sie einem jeden von ihnen gegeben ist, nicht von selbst vorhanden, sondern durch Ordnung und kunstgemäße Richtigkeit. [...] Und die Seele, die ihre zugehörige Ordnung besitzt, ist besser als die ungeordnete? [...] Die Seele aber, die ihre Ordnung hat, ist wohlgesittet? [...] Die wohlgesittete aber ist besonnen? […] Die besonnene Seele ist also gut? [...]. Nun wird doch gewiß der Besonnene seine Pflichten gegenüber Göttern und Menschen erfüllen. Denn er wäre ja nicht besonnen, wenn er diesen Pflichten zuwiderhandelte. [...] Erfüllt er aber den Menschen gegenüber seine Pflichten, so wird er gewiß das tun, was gerecht ist; erfüllt er sie den Göttern gegenüber, so tut er das, was fromm ist. Wer aber das tut, was gerecht und fromm ist, der muß selbst gerecht und fromm sein. [...] Und er muß auch tapfer sein. Denn es gehört sich doch für einen besonnenen Mann nicht, daß er etwas erstrebt oder meidet, was er nicht soll; seien es Dinge oder Menschen, Freuden oder Leiden, und daß er wacker standhält, wo es nötig ist. Demzufolge, Kallikles, muß ohne Zweifel der Besonnene, weil er – wie wir gezeigt haben – auch gerecht, tapfer und fromm ist, ein vollendet guter Mann sein; der Gute aber muß in allen Fällen schön und gut handeln; wer aber gut handelt, der muß auch selig und glücklich, der Schlechte dagegen, der schlecht handelt, unglücklich sein; das aber wäre der, der sich gerade umgekehrt verhält wie der Besonnene, der Zügellose, den du gepriesen hast. [...] Auch dürfen wir unsere Begierden nicht zügellos gewähren lassen und sie zu befriedigen suchen – das wäre ein Übel ohne Ende und ein Leben, wie ein Räuber es führt. Denn ein solcher Mensch könnte weder einem anderen Menschen lieb sein noch einem Gott, weil er zur Gemeinschaft unfähig ist. Wer aber keinen Gemeingeist in sich hat, kann auch keine Freundschaft besitzen." (Gorgias 506c-507e)


Aristoteles: Das Wohl aller als oberstes Ziel des Handelns

"Die gute Praxis des Einzelnen findet ihre Erfüllung in der politischen Praxis "Wenn somit das Ziel für den einzelnen und für das Gemeinwesen identisch ist, so tritt es doch am Gemeinwesen bedeutender und vollständiger in Erscheinung: im Moment des Erreichens sowohl wie bei seiner Sicherung. Es ist gewiß nicht wenig, wenn der einzelne für sich es erreicht; schöner noch und erhabener ist es, wenn Völkerschaften oder Polis-Gemeinden soweit kommen." (NE I 1: 1094b)

"Da es aber viele Formen des Handelns, des praktischen Könnens und des Wissens gibt, ergibt sich auch eine Vielzahl von Zielen: Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, der Schiffsbaukunst das Schiff, das Ziel der Kriegskunst der Sieg, der Wirtschaftsführung der Wohlstand. Überall wo nun solche 'Künste' einem bestimmten Bereich untergeordnet sind - so ist z.B. der Reitkunst untergeordnet das Sattlerhandwerk und andere Handwerke, die Reitzeug herstellen, während die Reitkunst ihrerseits, wie das gesamte Kriegswesen, unter der Feldherrnkunst steht, und was dergleichen Unterordnungen mehr sind -, da ist durchwegs das Ziel der übergeordneten Kunst höheren Ranges als das der untergeordneten: um des ersteren willen wird ja das letztere verfolgt [...]. Wenn es nun wirklich für die verschiedenen Formen des Handelns ein Endziel gibt, das wir um seiner selbst willen erstreben, während das Übrige nur in Richtung auf dieses Endziel gewollt wird, und wir nicht jede Wahl im Hinblick auf ein weiteres Ziel treffen - das gibt nämlich ein Schreiten ins Endlose [...] - dann ist offenbar dieses Endziel 'das Gut' und zwar das oberste Gut. Das also ist der Gegenstand unserer wissenschaftlichen Untersuchung. Wir sind damit, wenn man so will, in dem Bereich der Wissenschaft vom Staat." (NE I 1: 1094a)


Adam Smith: Das Eigeninteresse als Motor des individuellen und wirtschaftlichen Fortschritts

„Das Streben nach persönlichem Wohlstand und sozialer Anerkennung, obwohl mitunter eine Selbsttäuschung, 'weckt den Erwerbsfleiß der Menschheit und hält ihn dauernd in Gang. Erst dadurch wurden sie veranlaßt, den Boden zu kultivieren, Häuser zu bauen, Städte und Gemeinwesen zu gründen und alle jene Wissenschaften und Künste zu erfinden und zu verbessern, die das Leben des Menschen verfeinern und verschönern, die die ganze Oberfläche der Erde völlig verändert haben, das Dickicht und die Wälder in der Natur in freundliche und fruchtbare Felder verwandelt haben und den weg- und wertlosen Ozean zu einer neuen Hilfsquelle und zum großen Verkehrsweg für die verschiedenen Länder der Welt machten.“ (Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, München 1974, XL)

„Dagegen ist der Mensch fast immer auf Hilfe angewiesen, wobei er jedoch kaum erwarten kann, daß er sie allein durch das Wohlwollen der Mitmenschen erhalten wird. Er wird sein Ziel wahrscheinlich viel eher erreichen, wenn er deren Eigenliebe zu seinen Gunsten zu nutzen versteht, indem er ihnen zeigt, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, das für ihn zu tun, was er von ihnen wünscht. Jeder, der einem anderen irgendeinen Tausch anbietet, schlägt vor: Gib mir, was ich wünsche, und du bekommst, was du benötigst. Das ist stets der Sinn eines solchen Angebotes, und auf diese Weise erhalten wir nahezu alle guten Dienste, auf die wir angewiesen sind. Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil. Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“ (Adam Smith, Wohlstand 17)


Kant: Die republikanische Verfassung

„Nun ist die republikanische Verfassung die einzige, welche dem Recht der Menschen vollkommen angemessen, aber auch die schwerste zu stiften, vielmehr noch zu erhalten ist, dermaßen, daß viele behaupten, es müsse ein Staat von Engeln sein, weil Menschen mit ihren selbstsüchtigen Neigungen einer Verfassung von so sublimer Form nicht fähig wären. Aber nun kommt die Natur dem verehrten, aber zur Praxis ohnmächtigen allgemeinen, in der Vernunft gegründeten Willen, und zwar gerade durch jene selbstsüchtige Neigungen, zu Hülfe, so, daß es nur auf eine gute Organisation des Staats ankommt (die allerdings im Vermögen der Menschen ist), jene ihrer Kräfte so gegen einander zu richten, daß eine die anderen in ihrer zerstörenden Wirkung aufhält, oder diese aufhebt: so daß der Erfolg für die Vernunft so ausfällt, als wenn beide gar nicht da wären, und so der Mensch, wenn gleich nicht ein moralisch-guter Mensch, dennoch ein guter Bürger zu sein gezwungen wird. Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben), auflösbar und lautet so: 'Eine Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber in Geheim sich davon auszunehmen geneigt ist, so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten, daß, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben, diese einander doch so aufhalten, daß in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben derselbe ist, als ob sie keine solche böse Gesinnungen hätten’.“ (Kant, Zum ewigen Frieden, BA 59 f)