BAUMGARTNER, Lisa (Arbeit1)

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DISKUSSION (1.Arbeit BAUMGARTNER, Lisa)

Reflexion II

  • verfasst von Lisa Baumgartner
  • zum Vortrag: Univ.-Doz. Dr. Arno Böhler (I) in Verbindung mit Medientheorie von Vehlken & McLuhan.


Zu Beginn der Vorlesung wird zuerst einmal klargestellt, dass Wissenschaftlichkeit und Logik nicht immer die primären Paradigmen in der Philosophie sind, wie es bei den vorhergehenden Vortragenden meist der Fall war. Nietzsche ist zum Beispiel eher an Kunst und Ästhetik orientiert. Prof. Böhler beschäftigt sich mit der Performanz und dem Denken als Tanz.

Um zu verstehen in welcher Form er die Performance als Handlung mit dem Denken als Tanz in Verbindung bringt, wollen wir zu Beginn den Rahmen seines Philosophieansatzes abstecken und damit zunächst zum Ursprung jeder zwischenmenschlichen Beziehung zurückkehren, der in weiterer Folge ein Handeln evozieren kann: das Sprechen. Austin bestimmt das Sprechen als etwas Konstatierendes, also Bestimmendes, und definiert damit eine aussagende Sprechweise. („How to do things with words.“) Das Sprechen wird zum Akt und dient nicht nur dazu, um Tatsachen festzuhalten/-stellen. Der aussagenden Sprechweisen stehen jene Sprechweisen, die eben nicht konstatierend sind, also keine Aussage treffen, gegenüber. Performative Sätze stellen keinen Sachverhalt fest, sondern bringen einen hervor, sie haben in sich ein Handeln. Als Beispiele dienen die Eheschließung mit dem Ja-Wort, ein Gebet, oder alltägliche Sprechweisen wie Warnungen oder Versprechen. Nach der Aussprache solcher Sätze verändert sich ein Umstand. („Way of performing an action.“) Es lässt sich somit die Behauptung aufstellen, dass ein Sprechakt der nur unter der Prämisse einer Deckungsgleichheit mit einer damit formulierten Aussage stattfindet, nicht ausreicht um das Sprechen als Ganzes zu definieren. Der Akt des Fragens etwa trifft keine Aussage über etwas und enthält kein beschreibendes Moment. Zusammengefasst können wir demnach festhalten, dass die Tradition den Begriff des Sprechens mit einer aussagenden, konstatierenden Sprechweise, oder auch ‚logos apophanticos’ in Verbindung bringt. Hieraus entwickelte sich eine Richtung die diese Definition nicht als ausreichend anerkennt und den Begriff der performativen Sätze einführt, wenn man an bitten, fragen oder beten denkt. Für Austin ist der Sprachgehalt im Sprechakt von Relevanz. Böhler konzentriert seine Aufmerksamkeit in dem Handlungsvollzug eines Sprechaktes. Böhlers Philosophieansatz geht von einem Akt, von der Performance des Sprechens, Denkens oder Fragens aus. Er versteht die Theorie als Aussage von etwas über etwas.

Es entwickeln sich 2 Richtungen von Interpretation der Performanz, erstens die Performanz als Art zu Sprechen und auch als künstlerische Weise der Produktion. Aus dem Verständnis von linguistischer Performanz in der ein Reden dem Handeln entspricht findet eine Verschiebung in Richtung Verkörperung der Sprache statt. Wie ist eine Verkörperung von Sprache zu verstehen? Es entwickelt sich eine Philosophie, die jene Teile des Theorieverständnisses berücksichtigt, welche die Tradition in ihre Theorien nicht integrieren konnte; wie etwa die leibliche Verfasstheit des Denkens. Der Akt des Denkens wird in der Tradition nie thematisiert, sondern bleibt unbeachtet. Ausgehend von Heidegger der von einem „Sich-Abwenden von Inhalten des Denkens, hin zum Vollzug des Denkens“ spricht, findet eine Transformation der leiblichen Vollzugsbedingungen statt. Eine Wegbewegung von der Reflexivität von Inhalten, hin zu jener des eigentlichen Aktes des Denkens findet statt. Die Tradition versteht Denken als körperlosen Akt, als Werkzeug, als etwas das auch außerhalb des Körpers stattfinden kann. Daraus resultierend rückt der Gebrauch, die Betätigung des Körpers beim Denken ins Zentrum der Anschauung neuer Philosophien. Denken wird nicht mehr als Automatismus verstanden, sondern als Handlung. Dieses Handeln versteht die Tradition als kontrollierbar, als intentional, als selbstbestimmt. Eine Handlung findet nie außerhalb dieser Selbstbestimmtheit oder Autonomie statt, sondern wird als ein autonomer Akt definiert. Böhler vertritt nun den Ansatz, dass in jedem alltäglichen Handeln, dass ohne einen äußeren Zwang stattfindet, ein unkontrollierbares, widerständisches, ein heteronomes Moment ist. Also in jede kontrollierte, selbstbestimmte - autonome Handlung fließt ein unkontrollierbares, fremdbestimmtes - heteronomes Moment ein. Man kann sich das etwa als Empfindung des Gegenübers nach getätigter Aussage verbildlichen, oder etwa die Reaktion einer Zuhörerschaft auf einen Vortrag. Diese Faktoren sind fremdbestimmt und stehen außerhalb des Einflussgebietes eines Vortragenden oder Sprechenden. Denkt man jetzt zurück an die traditionelle Vorstellung des Handelns als immer nur autonomen Akt, lässt der Blick auf den Körper wieder nur das Verständnis eines Erfüllungsgehilfen oder Instruments zu, das in eben diesem traditionellen Blickwinkel während dieser selbst bestimmten Handlung lediglich unthematisch präsent bleibt. Heidegger versteht diese Präsenz als „Zu-Handenheit“. Der Körper als Werkzeug, das mir zum Gebrauch zuhanden ist. Solange seine Funktion nicht eingeschränkt ist, schenkt man ihm keine Aufmerksamkeit, er stellt sich uns als Grundkonstante des autonomen Handelns und der Machbarkeit dar. Tritt jedoch eine Störung ein, spricht Heidegger von „Un-zu-Handenheit“. Diese Störung wird in erster Linie über eine Krankheit definiert. Diese „Un-zu-Handenheit“ lässt den Körper nicht mehr den gewollten Intentionen folgen, eine Materialität tritt in unser Bewusstsein, wird spürbar und der Gedanke an ein „In-der-Welt-sein“ erhebt sich. Der Körper kann nicht mehr als Werkzeug genutzt werden.

An dieser Stelle ist ein Querverweis auf den Vortrag von Herrn Professor Vehlken über Medientheorie möglich. Er sprach davon, dass Medien dazu tendieren, im Zuge ihrer eigenen Übertragung unwahrnehmbar/ unsichtbar zu werden (Pias), zu verschwinden. Doch wenn plötzlich der Film während eine Vorstellung reißt, oder das Handy zu Rauschen beginnt, werden die Medien wieder „sichtbar“, zeigen sich in ihrer Materialität, die sie zuvor noch gut zu verbergen wussten. Den Zusammenhang mit dem „Nicht-Funktionieren“ des Körpers will ich ziehen mit der Behauptung von Marshall McLuhan, “Technology is an Extension of the Human Body”. Solch eine Verlängerung des Körpers oder auch der Sinne, findet statt, wenn man den Bereich der verkörperten Seele über die natürlichen Grenzen hinaus ausweitet. Zum Beispiel würde der Spaten beim Ausgraben zu einer Verlängerung meiner Hand werden oder das Mikroskop vergrößert das Spektrum meines Sehbereichs. Wie bereits Herr Prof. Vehlken in seiner Vorlesung andeutet, ist sogar ein Spaten oder auch ein Auto bereits ein Medium, daher ist es nahe liegend, seine Theorie auch auf die allgemein bekannteren Medien wie das Fernsehen, das Radio oder den Computer umzumünzen. Darin sehe ich eine unmittelbare Verknüpfung des Effekts einer Störung bei einem Medium und einer Krankheit beim Menschen, in beiden Fällen kommt es erst in diesem plötzlichen Moment des „Nicht-Funktionierens“ zu einem „Bewusst-Werden“ des Menschen, über die eigene Materialität oder die seines Mediums, das immer mehr zu einem Teil des menschlichen Körpers selbst wird. Das wiederum lässt mich zurückkommen auf das bereits erläuterte Ende von Herrn Prof. Liessmanns Vortrag: „Der Mensch ist das nicht festgestellte Tier.“ (Nietzsche) Der Mensch kann sich laut seiner Theorie keinem natürlich gegebenen Umfeld anpassen, was dazu führt, dass er sich seine eigene Welt schaffen muss, und da er ein handelndes Wesen ist hat er auch die Fähigkeit dazu. Bei diesem schöpferischen Akt spielt die Erfindung von Medien (verstanden auch im weitesten Sinn) eine entscheidende Rolle, da sie eine Möglichkeit darstellen, diese „Krankheit“ des Menschen, wie Nietzsche es nennt, kurzfristig oder längerfristig zu heilen. Doch wie allgemein bekannt ist, kann es bei der Technik immer zu Störungen kommen, also bleibt der Mensch doch wieder gefangen in dieser Unzulänglichkeit, sich mit dem Rauschen des Hörgerätes oder dem Flimmern des Fernsehers zu plagen.

Nun kann eine solche Störung (beim Menschen) aber auch laut Böhlers Vortrag als ein Entgleiten verstanden werden. Dieses Entgleiten kann etwa durch eine sich zufällig, erhebende Situation in kreativen Prozessen etwas entstehen lassen: man spricht in diesem Zusammenhang wieder einmal von einem „Schöpferischen Akt.“ Dieser Zufall, dieses unbeabsichtigte Ereignis, das ein Entgleiten zur Folge hat, kann als genau dieses heteronome Moment verstanden werden, das zuvor schon erörtert wurde. Ein „Sich-aushändigen“, „Sich-ausliefern“ findet statt. Jedoch darf dieses Aushändigen nicht als etwas Körperliches verstanden werden, sondern als etwas, das mit jemandem geschieht. Dieses Geschehnis findet in einem Zustand der Passivität statt, worauf auch schon der Ausdruck: “etwas geschieht mit mir“ Rückschlüsse zulässt. Mit „Sich-aushändigen“ ist somit das „Über-sich-ergehen-lassen“ eines passiven Moments gemeint. Gelingt nun dieser schöpferische Akt, der aus diesen fremdbestimmten, nicht intentionalen Ereignissen entspringt, spricht man vom „Ereignis des Glückens.“ In der Passivität liegt somit die Quelle der Kreativität, die wiederum eine Nähe zur Kunst erlaubt. Diese Passivität die aus Fremdbestimmung resultiert, lässt sich nicht nur auf gewisse unbeherrschbare Situationen reduzieren, sondern zieht ihre Kreise auch im Bezug auf Mitmenschen, die salopp gesprochen nicht beherrscht werden können. Nun findet ein Handeln immer zwischen zwei Menschen statt, eine Handlung ist nicht auf ein handelndes Subjekt reduzierbar, nicht auf die Autonomie eines Handelnden beschränkt. Man spricht von Intersubjektivität. Dieser Moment der Intersubjektivität in dem ein „Sich-aushändigen“ stattfindet, meint nicht den Verlust von Selbstständigkeit oder ein Aufgeben der Person, sondern mehr ein Zulassen von Ereignissen, die der Passivität in einer Handlung Rechnung tragen. Diese Art zu Handeln grenzt Prof. Böhler klar von einem Handeln unter Laborbedingungen ab, also einem Handeln in dem dieses „Sich-aushändigen“ nicht stattfinden kann.


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