BARTMANN, Birgit (Arbeit3)

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Die drei Fragen Kants


1.: „Was kann ich wissen?“ 2.: „Was soll ich tun?“ 3.: „Was darf ich hoffen?“

Diese 3 Fragen sind wahrscheinlich die berühmtesten von Immanuel Kant und führen zu der vierten, zusammenfassenden Frage: „Was ist der Mensch?“. Mithilfe dieser Fragen versucht Kant im Wesentlichen die folgende Aspekte des Menschseins auszuloten: allgemein das Wesen des Menschen, sowie seine Fähigkeiten, Möglichkeiten und Grenzen.

„Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion, und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen. Der Philosoph muß also bestimmen können I) die Quellen des menschlichen Wissens, 2) den Umfang des möglichen und nützlichen Gebrauchs alles Wissens, und endlich 3) Die Grenzen der Vernunft.“ [Immanuel Kant, Schriften zur Metaphysik und Logik S.448]

Nun möchte ich versuchen, genaueres zu diesen Fragen zu formulieren!

1.: „Was kann ich wissen?“

Um diese Frage zu beantworten, muss zuerst geklärt werden, was Wissen ist. Genauer gesagt das menschliche Wissen, was uns von Tieren unterscheidet, in dem Sinn, dass wir wissen, das wir einen Körper haben, und diesen von der Umwelt abgrenzen können. Es ist ein reflexives, selbstbezogenes Wissen: „Ich weiß, dass ich weiß. - Wir wissen, dass wir wissende Lebewesen sind.“ Dieses Wissen bleibt nicht auf unseren Organismus eingeschränkt, sondern es reicht über den gegenwärtigen Zustand unseres Körpers hinaus. Dieses Wissen grenzt uns ab. Wir verwechseln uns selbst nicht, wir erleben uns selbst als einmaliges Individuum. Wir wissen uns Selbst. Dieses Wissen beschränkt sich aber nicht nur auf die Gegenwart, denn wir haben die Vergangenheit erlebt und haben Erwartungen in die Zukunft. Ebenso ist es zeitlich übergreifend = Kontinuitäts- und Identitätsbewusstsein. Wissen übersteigt uns auch geistig, geistiges Wissen ist die Allgemeinheit des Wissens in Form von anderen Menschen, die auch wissen. Es ist der sprachliche Kontakt mit anderen Menschen, welche wir verstehen können. Reflexives Wissen baut uns in einen großen Zusammenhang ein (= Natur und Umgebung). Wir sind individuell und im Zusammenhang – wir sind beides. Reflexives Wissen ist auch für unser zweckmäßiges Handeln verantwortlich und für Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge maßgeblich. Kant beschäftigt sich mit Gebieten, bei denen laut seiner Überlegungen apriorisches, das heißt, jeder Erfahrung vorangehendes Wissen besteht. Dabei handelt es sich um Wissen,

welches man nicht erst durch Erlebnisse erfährt. Das Gebiet der Erkenntnis gründet sich auf Erfahrung aus Gründen des wissenschaftlichen Wissens. Vor allem die Naturwissenschaft baut darauf auf.

Was also kann ich wissen?

Dem wissbegierigen Menschen bieten sich zwei große Gebiete an: zum einen die Natur, welche mithilfe der Sinne und etwaigen Hilfsmitteln (Mikroskope, Fernrohre,…) erforscht werden kann. In diesem Bereich stützen wir uns auf empirische Fakten, welche nachgeprüft werden können, aber auch Blicke in die Zukunft sind uns möglich. Auf die Sicherheit dieser Fakten ist die ganze Welt der Technik gestützt. Das zweite große Gebiet ist der Mensch selbst, seine Gesellschaft und somit auch die Geschichte. Hier ist anzumerken, dass es sich dabei um eine andere Art des Wissens handelt, denn das Wissen der Physik ist unbestritten, aber in diesem zweiten großen Gebiet spielt die Subjektivität eine große Rolle, sowie auch die Tatsache das die Geschichte nicht wiederholt werden kann und somit einmalig ist. Um die Sachgründe des Geschichtlichen zu wissen, muss man erkennen und verstehen, was eine menschliche Art des Wiederholens ist. Es ist also Verstehen eine Art der Wissensbildung, die anthropomorph, das heißt nach Menschenart begründet ist, auf das Menschliche im Geschehen bezogen ist. Dadurch hat die Wissenschaft auch immer eine menschliche Komponente, denn alles was in der Wissenschaft festgelegt ist, ist vom Menschen erkannt und danach ausgesagt worden. Die Menschen werden aber nie die gesamte Natur erforschen können, denn die Natur ist so breit gefächert und facettenreich, dass sie immer über unser Wissen hinausragen wird. Somit ist und wird das Wissen über die Natur immer unvollständig bleiben.

Kant selbst hat zu der Frage „Was kann ich wissen?“ gemeint, dass sie rein spekulativ sei und der Metaphysik zuzuordnen sei, aber dass er in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ alle möglichen Antworten durchgegangen sei, aber hat ebenso zugleich folgendes hinzugefügt:

„[Wir] sind aber von den zwei großen Zwecken, worauf diese ganze Bestrebung der reinen Vernunft eigentlich gerichtet war, ebenso weit entfernt geblieben, als ob wir uns aus Gemächlichkeit dieser Arbeit gleich anfangs verweigert hätten.“ (KrV, A 805/B 833)


2.: „Was soll ich tun?“

Diese Frage beschäftigt sich mit der Ethik, die der praktischen Philosophie angehört, es geht vor allem um moralische Grundsätze und Werte sowie um Verhaltensregeln. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Heinz-Dilemma“:

„In Europa drohte eine Frau an einer besonderen Form der Krebserkrankung zu sterben. Es gab nur ein Medikament, von dem die Ärzte noch Hilfe erwarteten. Es war eine Radium-Verbindung, für die der Apotheker zehnmal mehr verlangte, als ihn die Herstellung kostete. Heinz, der Ehemann der kranken Frau, versuchte, sich bei allen Bekannten Geld zu leihen, aber er bekam nur die Hälfte der Kosten zusammen. Er sagte dem Apotheker, dass seine Frau zu sterben drohe und bat darum, das Medikament billiger zu verkaufen oder Kredit zu gewähren. Der Apotheker sagte: "Nein. Ich habe das Medikament entwickelt, und ich will damit Geld verdienen." In


seiner Verzweiflung drang Heinz in die Apotheke ein und stahl das Medikament. - Sollte der Ehemann dies tun?" [Pädagogisches Zentrum Rheinland-Pfalz (Hrsg.), PZ-Information 24/96, Pädagogik, Wertevermittlung in der Schule, Bad Kreuznach, 1996, S.6]


Heinz hatte in diesem Fall zwei Möglichkeiten:

• Er kann das Medikament stehlen, und somit seine Frau retten, aber dafür muss er ins Gefängnis. • Oder er kann zusehen wie seine Frau stirbt und dem Gesetz treu bleiben.

Wenn man dieses Problem aus dem Blickwinkel Kants betrachtet, ist auf die formale Maxime des Kategorischen Imperativs hinzuweisen. Das heißt, dass Heinz eine für ihn moralisch vertretbare (mit seinem Gewissen), aber auch allgemein gültige Entscheidung treffen muss. Dabei ergibt sich aber das Problem, dass einerseits die Entscheidung allgemein gültig sein soll, und andererseits ist ein vernünftiges Wesen nur sich selbst verantwortlich. Somit stellt sich die Frage, was nun für einen selbst vernünftig und trotzdem allgemein gültig ist.

Kants Antwort auf diese zweite, seiner Fragen, gipfelt im kategorischen Imperativ, kategorisch meint in diesem Sinn das Gegenteil von hypothetisch. Kants kategorischer Imperativ ist bestimmt durch seine absolute Gültigkeit, seine Geltung als moralisches Gesetz ohne Kompromisse. "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte." Für Kant ist der sittliche, gute Wille maßgebend für den absoluten Lebenswert, welcher laut Kant an der Spitze aller Lebenswerte steht. Somit gilt dieser für alle Menschen ohne Einschränkung und ohne Rücksicht auf Vorteil oder Nachteil. Kant neigt dazu, das Sittliche zur Grundlage der Metaphysik zu machen, denn es ist eine zentrale Tatsache welche ständig an die menschliche Freiheit appelliert, an die Geistseele.

Kant bildet somit ein dualistisches Menschenbild, der Mensch ist einerseits ein Vernunft- andererseits ein Naturwesen. Als Vernunftwesen gilt der Mensch als autonom, das heißt er ist nicht beeinflussbar und nur seinem freien Willen unterworfen. Aber als Naturwesen ist er heteronom, das heißt er wird von seinen Trieben gesteuert und ist fremdbestimmt. Das Vernunftwesen bildet dabei den kategorischen Imperativ, durch die Autonomie des Willens, welche aber allgemeine Gültigkeit besitzt. Somit ist der gute Wille nicht durch seinen folgenden Zweck gut, sondern durch das Wollen an sich gut. Somit entwickelt sich die Würde eines vernünftigen Wesens, durch die Autonomie des guten Willens. Ein Mensch sollte im Sinne Kants niemals bloß als Mittel gebraucht werden, sondern mithilfe des praktischen Imperativs als Zweck, das heißt, die aus der Vernunft resultierende Würde, verlangt eine würdevolle, anerkennende Behandlung. Für Kant gelten Dinge und Gegenstände welche nur ein vernunftloses Wesen aufweisen, als Mittel (z.B.: Naturwesen) die sind der Subjektivität abhängig und daher nicht allgemein gültig. Dagegen ist ein vernünftiges Wesen, schon von sich aus, Zweck und daher allgemein gültig (Vernunftwesen).

Mithilfe der folgenden Grafik kann veranschaulicht werden, wie Kant die Themenbereiche Wissen, Glauben und den kategorischen Imperativ einteilt, welchen Gebieten er sie zuordnet und auch wie sie zueinander stehen.


Somit ergibt sich das der kategorische Imperativ der Ethik und der Philosophie zugeordnet ist und als Spitze der Grafik somit oberste Priorität hat und in Wechselwirkung mit den anderen beiden Bereichen steht. Das Wissen ist der Wissenschaft zugeteilt und ist somit auf Erfahrung aufgebaut und nicht nur auf glauben aufgebaut; in der Wissenschaft spielen Fakten eine große Rolle. Dazu steht der Glaube, welche der Religion angehörig ist, nicht im Widerspruch, denn ein Wissenschaftler muss zuerst glauben um später seine Theorie mit Fakten/Wissen untermauern zu können. Der Glaube geht dabei über das menschliche Wissen hinaus.


[1]

Mithilfe dieser Grafik ist das Verhältnis zwischen Wissen und Glauben veranschaulicht, welches auch bei der Beantwortung der dritten Frage „Was darf ich hoffen?“ eine wichtige Rolle spielt.


3.: „Was darf ich hoffen?“

Der dritten Frage wird im Prinzip die größte Aufmerksamkeit geschenkt, denn sie ist sowohl praktisch als auch theoretisch. Dabei ist die Beantwortung folgender Frage grundlegend: „Wenn ich nun tue was ich soll, was darf ich dann hoffen?“. Dabei ist Kant darauf bedacht, dass das praktische, das theoretische in gewissermaßen ablöst, und zwar in diesem Sinn: „Das Praktische nur als ein Leitfaden zur Beantwortung der theoretischen […] Frage führt.“ [KrV, A 805/B833] Daraus ist abzuleiten, dass Kant die Beantwortung der theoretischen Frage mithilfe der praktischen Leistung der Vernunft herleiten will. Womit der Keim der Lösung der kantischen Frage nach der Möglichkeit der Metaphysik gegeben ist. Auf die Frage wonach die Hoffnung nun zielt, antwortet Kant ganz schlicht: „Alles Hoffen geht auf Glückseligkeit.“ [KrV, A 805/B833] Wobei er aber pessimistischer bzw. realistischer Weise glaubt, dass die Glückseligkeit unter empirischen Bedingungen nicht erreichbar ist. In dem Sinn, dass sich das Streben danach, kaum befriedigen lässt. Denn die Glückseligkeit die wir zu erreichen versuchen, ist nicht von der Art als dass sie sich Zeit unseres irdischen Daseins erfüllen ließe. Der bereits veraltete Begriff „Glückseligkeit“ meint im Prinzip „Glück der Seligen“, womit es verständlich wird, warum wir aus eigener Kraft diese Glückseligkeit nie erreichen können, da es ein Streben nach Seelenglück ist welches nicht von dieser Raum-Zeit-Konstellation ist, in der wir uns als lebende Menschen befinden. Somit bleibt uns nur die Möglichkeit auf diese Glückseligkeit zu hoffen und zeit unseres Lebens ihr würdig zu erweisen. Im Sinne Kants heißt dies, derjenige der nach den Produkten der praktischen Vernunft, das heißt nach den moralischen Gesetzen handelt, erweist sich als würdig. Dabei wird zwar aus Achtung vor dem Gesetz gehandelt aber insgeheim wird man durch den Wunsch der Vernunft einer endlosen Glückseligkeit angetrieben. Um dies zu ermöglichen, muss das Streben nach Glückseligkeit oberste Priorität haben, somit muss das Hoffen höchstes Gut sein und auf dem Fundament der praktischen Vernunft aufbauen. Kant beschreibt dies in seiner Kritik der praktischen Vernunft von 1788 mit folgenden Worten:

„Um ein reines Erkenntnis praktisch zu erweitern, muß eine Absicht a priori gegeben sein, d.i. ein Zweck als Objekt (des Willens), welches unabhängig von allen theoretischen Grundsätzen, durch einen den Willen unmittelbar bestimmenden (kategorischen) Imperativ, als praktisch notwendig vorgestellt wird, und das hier ist das höchste Gut.“ 

Nun möchte ich am Schluss noch ein paar Worte zu der Frage „Was ist der Mensch?“ zum Besten geben. Für Kant ist der Mensch ein „Geschöpf der Mitte“. Damit meint er, dass der Mensch am Beginn der Zeit noch nicht bestanden hatte und auch nicht bis zum Schluss existieren wird. Ebenso sieht er unsere Umwelt als inmitten des Universums, die Erde ist umgeben von vielen anderen Planeten und Galaxien. Ebenso ist der einzelne Mensch ein Teil des Universums, denn wir wachsen in ihm auf, altern und schlussendlich sterben wir und fügen uns wieder in das kosmische Gebilde ein.



Literaturverzeichnis:

Grondin, Jean (2007): Immanuel Kant. Zur Einführung, Hamburg: Junius Verlag GmbH (4.Auflage)

Ludwig, Ralf (2008): Kant für Anfänger. Die Kritik der reinen Vernunft. Eine Lese-Einführung, München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.KG

Kant, Immanuel (1878): Schriften zur Metaphysik und Logik. Hrsg.: Weischedel Wilhelm, Suhrkamp Verlag (Werkausgabe VI )

http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/delta/62560/index.html

http://www.phil-o-sophie.de


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