BARTMANN, Birgit (Arbeit2)

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

DISKUSSION (2.Arbeit BARTMANN, Birgit)

Einblicke in die Hermeneutik

  • verfasst von Bartmann Birgit


Einleitung


Durch Arno Böhlers zweite Vorlesung stieß ich auf Prof. Dr. Dieter Mersch, dessen Thesen mein Interesse weckte. Nach einigen Recherchen stieß ich auf einen seiner Texte mit dem Titel „Gibt es Verstehen?“. Über den oft darin zitierten Hans-Georg Gadamer kam ich schlussendlich zur Hermeneutik, mit der ich mich auf den folgenden Seiten überblicksmäßig auseinandersetzen möchte. Zuerst werde ich mich mit der begrifflichen Herkunft der Hermeneutik beschäftigen, danach mit der Geschichte und schlussendlich mit den Hauptvertretern philosophischer Hermeneutik.


Der Begriff


Hermeneutik kommt aus dem griechischen und stammt vom Wort hermeneutike [techne] ab und bedeutet „Kunst der Auslegung“, Verdolmetschungskunst, Erklärungskunst. Ebenso ist der Name Hermes zur Begriffserklärung heranzuziehen, zwar ist die etymologische Ableitung umstritten, aber gemeinsame Wurzeln sind anzunehmen.

Hermes, in der griechischen Mythologie der Botschafter der Götter, Sohn von Zeus und Maia, der Tochter des Titanen Atlas. Als spezieller Diener und Kurier von Zeus besaß Hermes geflügelte Sandalen, einen geflügelten Hut und trug einen goldenen Kerykeion oder magischen Stab, der von Schlangen umwunden und von Flügeln gekrönt war. Er führte die Seelen der Toten in die Unterwelt, und man glaubte, dass er magische Kräfte über Schlaf und Träume besaß. Hermes war auch der Gott des Handels sowie der Beschützer der Händler und Herden. Als Gott der Athleten sorgte er für den Schutz der Sportstätten, und man glaubte, dass er für Glück und Wohlstand verantwortlich war. Trotz seiner tugendhaften Eigenschaften war Hermes auch ein Gauner und Dieb. Am Tage seiner Geburt stahl er das Vieh seines Bruders, des Sonnengottes Apollon, und verwischte die Spuren, indem er die Herde rückwärts laufen ließ. Als er von Apollon gestellt wurde, stritt Hermes den Diebstahl ab. Die Brüder wurden schließlich wieder versöhnt, als Hermes Apollon seine neu erfundene Leier gab. In der frühen griechischen Kunst wurde Hermes als erwachsener, bärtiger Mann dargestellt. In Darstellungen der klassischen Kunst erscheint er als athletischer junger Mann, nackt und ohne Bart. "Hermes", Microsoft(R) Encarta(R) 98 Enzyklopädie. (c) 1993-1997 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

Die Hermeneutik war die besondere Methode der klassischen Sprachwissenschaften um alte Literaturdenkmale sinngemäß auszulegen. Besonders durch die Arbeit der so genannten Historischen Schulen im 19.Jh., seit Schleiermacher, wurde sie die spezifisch geisteswissenschaftliche Methode. Sie ist die Lehre vom Verstehen, vom wissenschaftlichen Begreifen geisteswissenschaftlicher Gegenstände. Vor allem Dilthey und Heidegger haben die Wichtigkeit der Hermeneutik erkannt. Heidegger hat sich mit diesem Thema in seinem Werk „Sein und Zeit“ beschäftigt und nennt sie in diesem die Phänomenologie des Daseins. Die Hermeneutik hat aber nicht nur die Interpretation und Sinndeutung inne, sie versteht sich auch als eine philosophische Disziplin und Methode der Geisteswissenschaften. Als Gemeinsamkeit hat die Hermeneutik in diesen verschiedenen Wirkungsbereichen das „Verstehen“. Ihr Gegenstand sind Texte, sowie zum Beispiel Bücher und Briefe aber auch Gespräche, Bilder oder Handlungen. Dabei beschäftigt sich die Hermeneutik mit dem Text und seinem Autor, sowie dem Medium und auch mit dem Betrachter. Dadurch ist es durch richtiges Anwenden der hermeneutischen Methode möglich Texte planmäßig und strukturiert zu interpretieren. Da es bei der Hermeneutik um Interpretation, Bedeutung und Verstehen geht, ist sie nicht nur für die Geisteswissenschaften interessant sondern auch für viele andere Bereiche sowie die Kunst, Kunstkritik, Werbung, Pädagogik oder die Medien.

Geschichte

Erstmals wurde, bei den Texten der Dichter Homer und Hesiod, versucht die Schriftstücke zu interpretieren, dieses Verfahren wurde während des Hellenismus von den Stoa weiterentwickelt und schließlich von Philo von Alexandrien (1.Jh.n.Chr.) ausgiebig anhand des Alten Testaments getestet und methodisch vertieft. Philo gilt als Begründervater der Allegorese, dieses Wort setzt sich aus den beiden Wörtern „Allegorie“ und „Exegese“ zusammen, und benennt ein Deutungsverfahren, das vorab auf die Erschließung eines tieferen, im Wortsinn bildhaft verkleideten Sinns zielt. Die Deutungsmaxime Philos lässt sich zum Beispiel so zusammenfassen: „Der Geist zählt, nicht der Buchstabe.“( vgl.: Hermeneutik-Zur Einführung; S.34). Die dabei entstehende Problematik wird vielmals unter den Titel des hermeneutischen Zirkels diskutiert werden. Auf die moderne Hermeneutik haben Denker der allegorischen Bibelauslegung, wie Philo, kaum Einfluss. Anders der Philosoph Augustinus (3./4. Jh.n.Chr.), der von Heidegger und Gadamer oftmals rezipiert worden ist. Augustinus hermeneutisches Hauptwerk heißt „De doctrina christiania“, welches aus vier Büchern besteht und sich insbesondere mit der Bibelinterpretation auseinander setzt. Bis zur Reformation änderte sich nichts Grundlegendes an der Systematik der Hermeneutik. Erst Martin Luther (1483-1546) beeinflusste die hermeneutische Denkweise, indem er der Ansicht war, dass die Bibel ihr eigener Interpret wäre. Er verzichtet komplett auf allgemeine hermeneutische Reflexionen und konzentriert sich ganz auf die Auslegung der heiligen Schrift, auf die Exegese. Für Ihn waren nicht die theoretischen Einsichten, sondern die richtig gelebte religiöse Praxis im Vordergrund. Aber auch seine Theorie brachte einige Probleme mit sich, da seine Thesen nicht theoretisch unterlegt waren. Diese Problematik löste sich erst als 1567 Matthias Flacius (1520-1575) ein hermeneutisches Handbuch namens „Clavis scripturae sacrae“ schrieb, indem er Martin Luthers Lehre der Selbstverständlichkeit der Bibel weiterentwickelte und so Richtlinien festlegte die ein sachgemäßes Verständnis sichern sollen. Im 15. und 16. Jh. erfährt die Hermeneutik eine weitere Veränderung, welche nicht nur durch die Reformation und die Entdeckung Amerikas hervorgebracht wurde, sondern vor allem durch die Erfindung des Buchdrucks, wodurch der Zugang zu Texten für die breiten Masse leichter war. Johann Konrad Dannhauer (1603-1666) prägte bewusst den Begriff „hermeneutica“, da er ihn als Bezeichnung einer eigenständigen Wissenschaft verwendete die nicht auf das Bibelverständnis beschränkt war. Er stellte in seinen Buch „Idea boni“ (1630) eine Lehre von den Kompetenzen des vorbildlichen Interpretierens auf. Er ordnete die Hermeneutik auch erstmals der Logik zu. Wilhelm Dilthey unterscheidet zwischen den Begriffen „erklären“ und „verstehen“ dadurch wird für Ihn der Begriff der Hermeneutik zentral. Dilthey ist der Meinung, dass die Aufgabe der Geisteswissenschaften der Natur sei, die „Erscheinungen“ der Welt von innen zu verstehen. Schlussendlich kam dem Begriff der Hermeneutik bei Heidegger und bei Gadamer eine noch größere Bedeutung zu, indem sie behaupteten, dass nicht nur das Wissen über Texte und „geistige“ Produkte, sondern das gesamte Wissen auf Verständnis beruht.


Vertreter

Wilhelm Dilthey wurde am 19.11.1833 in Wiesbaden geboren und starb am 01.11.1911 in Seis bei Bozen, er war Philosoph, Psychologe und Pädagoge. Er zählt um 1900 zu den Hauptvertretern der so genannten Lebensphilosophie, er hat sich schon sehr früh mit Schleiermachers Theorien zur Hermeneutik auseinandergesetzt und in seinem umfangreichen Werk „Systematische Philosophie“ beschäftigt er sich intensiv mit Fragen der Wissenschaften der Philosophie und Erkenntnistheorie, Psychologie und Pädagogik sowie auch der Kunst und Literatur. Dabei versucht er die verschiedenen Bereiche miteinander zu verbinden, indem er eine Methode aufstellt, bei der die Naturwissenschaften die physische Welt erklären und die Geisteswissenschaften die menschliche Welt zu verstehen versuchen, und zwar "sofern menschliche Zustände erlebt werden, sofern sie in Lebensäußerungen zum Ausdruck gelangen und sofern diese Ausdrücke verstanden werden." (S. 98). Das Basismodell „seiner“ Hermeneutik setzt sich aus folgenden drei Bereichen zusammen, des Erlebens, des Ausdrucks und des Verstehens. Schon in alltäglichen Situationen soll es helfen die elementaren Interaktionen zu verstehen. Er ist dabei darauf bedacht, dass die Menschen versuchen sich zu verstehen auch ohne die Sprache zu verwenden, denn auch nichtsprachliche Ausdrücke geben Auskunft über Menschen: "Eine Miene bezeichnet uns Freude oder Schmerz." (S. 255). Dilthey konzentriert sich dann auf die "höheren Formen des Verstehens", auf die "dauernden geistigen Schöpfungen [...] oder die beständigen Objektivierungen des Geistes in gesellschaftlichen Gebilden." Aber das beste Beispiel Höheren Verstehens, im Sinn der Hermeneutik, ist für Ihn die Kunst. "Verstehen ein Wiederfinden des Ich im Du". (S. 235), damit meint Dilthey, dass das höhere Verstehen darauf basiert, dass man nachvollzieht, sich in andere hineinversetzt und deren Erlebnisse nachfühlt und nacherlebt. Möglich ist dies nur durch die allgemeine Menschennatur, auch wenn diese durch Kultur, Individualität und Geschichte unterschiedlich sein kann.

Martin Heidegger wurde 26.09.1889 in Meßkirch geboren und starb am 26.05.1976 in Freiburg im Breisgau. Er zählte zu den einflussreichsten Philosophen des 20. Jh., er begann 1909 Theologie und Philosophie zu studieren, nach zwei Jahren beschließt er aber sich ganz auf das Philosophiestudium zu konzentrieren. Sein bekanntestes Werk ist „Sein und Zeit“ (1927), in diesem Werk beschäftigt er sich mit dem „Sinn des Seins“ und wendet dabei die Husserls phänomenologische Methode an. Heidegger war der Meinung, dass es wichtig sei sich nicht blenden zu lassen von bereits vorhandenen Interpretationen und Meinungen anderer Philosophen, man soll sich von der Sache selbst inspirieren lassen, da es sonst nicht möglich ist eine individuelle Meinung zu fassen. Mit Heidegger kam es zu einer dreifachen Wende in der Hermeneutik, nämlich eine pragmatische, ontologische und existentiale Neubestimmung. Eine pragmatische ist es, weil das Verstehen nicht mehr vom theoretischen Hintergrund abhängt, sondern von der praktischen Welterfahrung: vom kompetenten Umgang mit Menschen und Dingen (vgl. Hermeneutik-zur Einführung; S.91f). Heidegger nennt die Ausbildung des Verstehens Auslegung; somit setzt Auslegung ein grundlegendes Verstehen voraus. "In ihr eignet sich das Verstehen sein Verständnis verstehend zu." Der Zirkel des Verstehens besteht darin, dass "alle Auslegung, die Verständnis beistellen soll, schon das Auszulegende verstanden haben [muss]" (4, 152). Heidegger ist der Meinung, dass der hermeneutische Zirkel aber kein Circulus vitiosus in den entsprechenden Regeln der Logik sei.

"Dieser Zirkel des Verstehens ist nicht ein Kreis, in dem sich eine beliebige Erkenntnisart bewegt, sondern es ist der Ausdruck der existentialen Vor Struktur des Daseins selbst. Der Zirkel darf nicht zu einem vitiosum und sei es auch zu einem geduldeten herabgezogen werden. In ihm verbirgt sich eine positive Möglichkeit ursprünglichsten Erkennens, die freilich in echter Weise nur dann ergriffen ist, wenn die Auslegung verstanden hat, dass ihre erste, ständige und letzte Aufgabe bleibt, sich jeweils Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff nicht durch Einfälle und Volksbegriffe vorgeben zu lassen, sondern in deren Ausarbeitung aus den Sachen selbst her das wissenschaftliche Thema zu sichern" (4, 153). (http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/lexikon%20der%20linguistik/h/HERMENEUTISCHER%20ZIRKEL%20%20%20C%C3%ADrculo%20hermen%C3%A9utico.htm)

Durch Heideggers Aufdeckung der Vorstruktur des Verstehens wurde Hans-Georg Gadamer inspiriert und stark beeinflusst.

Hans-Georg Gadamer wurde am 11.02.1900 in Marburg geboren und ist am 13.03.2002 in Heidelberg verstorben. Er war ein Schüler Heideggers und einer der einflussreichsten Philosophen im 20. Jh., insbesondere das hermeneutische Denken wurde durch seine Theorie geprägt. Er veröffentlichte 1960 sein Hauptwerk „Wahrheit und Methode“, in diesem Werk behandelt er die philosophische Hermeneutik, wobei es ihm um Wahrheit statt Methode geht; (verstanden als Verfahrensweise, die sachliche oder symbolische Zusammenhänge nach intersubjektiv kontrollierten Regeln, also nach dem Vorbild der mathematisch-naturwissenschaftlichen "Methode" zu analysieren sucht.)( www.uni-duisburg-essen.de). Dieses Buch führte später auch dazu, dass vermehrt die Hermeneutik in der deutschen Literatur angewendet wurde. Mithilfe der Hermeneutik, so meint Gadamer, werden kulturell gewachsene Überlieferungs-, Traditions- und Normzusammenhänge aufrechterhalten bzw. weiterentwickelt. Dabei ist das Sprachsystem vorgegeben, aber durch die Teilnahme verschiedener Individuen an einem Gespräch, kommt es immer wieder zu neuen Interpretationen und verschiedenen Auslegungen, dadurch wird die Gegenwart immer wieder aufs Neue an die soziokulturelle Tradition angeschlossen. Für Gadamer kommt dem Begriff des „Vorurteils“ eine wichtige Bedeutung zu, da er der Meinung ist, anders als viele seiner Vorgänger, dass ein Vorurteil, also eine bereits bestehende Meinung nicht negativ ist, sondern dazu beiträgt seine Sichtweise zu überdenken und somit ein produktiver Faktor ist für geschichtliches Verstehen. Somit setzt die Auslegung "weder sachliche ,Neutralität' noch gar Selbstauslöschung voraus, sondern schließt die abhebende Aneignung der eigenen Vormeinungen und Vorurteile ein" (3, 253). Gadamer war der Ansicht, dass der hermeneutische Zirkel kein methodischer Zirkel sondern ein ontologischer Strukturmoment des Verstehens sei.

"Der Zirkel ist also nicht formaler Natur, er ist weder subjektiv noch objektiv, sondern beschreibt das Verstehen als das Ineinanderspiel der Bewegung der Überlieferung und der Bewegung des Interpreten. Die Antizipation von Sinn, die unser Verständnis eines Textes leitet, ist nicht eine Handlung der Subjektivität, sondern bestimmt sich aus der Gemeinsamkeit, die uns mit der Überlieferung verbindet. Diese Gemeinsamkeit aber ist in unserem Verhältnis zur Überlieferung in beständiger Bildung begriffen. Sie ist nicht einfach eine Voraussetzung, unter der mir schon immer stehen, sondern wir erstellen sie selbst, sofern wir verstehen, am Überlieferungsgeschehen teilhaben und es dadurch selber weiterbestimmen" (3, 277).

Das Verstehen leitet sich aber nicht logisch vom Vorverständnis her, so ist die Struktur des hermeneutischen Zirkels kein Circulus vitiosus, denn der hermeneutischen Zirkel führt dazu, dass das Vorverständnis stets durch neue Ein¬sichten vertieft, modifiziert und revidiert wird.


Quellen:

Jung, Matthias (2001): Hermeneutik. Zur Einführung, Hamburg: Junius Verlag GmbH (3.Auflage)

Schmidt, Heinrich (1969): Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart: Alfred Kröner Verlag (18. Auflage)

Braun, E.: „Hermeneutischer Zirkel“. In: Braun, E. / Radermacher, H.: Wissenschaftstheoretisches Lexikon. Graz / Wien / Köln: Styria, 1978


http://www.uni-duisburg-essen.de/einladung/Vorlesungen/hermeneutik/dilthey.htm

http://ccat.sas.upenn.edu/jod/augustine/ddc.html

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ERZIEHUNGSWISSENSCHAFTGEIST/HermeneutikHistorie.shtml

http://evakreisky.at/onlinetexte/nachlese_hermeneutik.php

http://de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik

http://www.dieter-mersch.de/files/downloads01.html

http://books.google.at/books?id=dLZRAAAAMAAJ&dq=Wilhelm+Dilthey&source=an&hl=de&sa=X&oi=book_result&resnum=6&ct=result&pgis=1

http://www.philosophisches-lesen.de/heidegger/suz/enzyklopaedie.html

http://www.heidegger.org/

http://sammelpunkt.philo.at:8080/942/

http://www.philolex.de/heidegge.htm

http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/lexikon%20der%20linguistik/h/HERMENEUTISCHER%20ZIRKEL%20%20%20C%C3%ADrculo%20hermen%C3%A9utico.htm


Zurück