Aus: Die Unerforschlichkeit der Bezugnahme

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Hier ein unkompliziertes Anschauungsbeispiel: Nehmen wir an, jeder Gegenstand hat genau einen Schatten) Dann können wir cp so deuten, daß es durch die Worte »der Schatten von« ausgedrückt wird. Nach Theorie eins fassen wir den Namen »Wilt« so auf, daß er sich auf Wilt bezieht, und das Prädikat »ist groß« so, daß es sich auf große Dinge bezieht; nach Theorie zwei fassen wir »Wilt« so auf, daß sich der Name auf den Schatten von Wilt be­zieht, und »ist groß« so, daß es sich auf die Schatten großer Dinge bezieht. Die erste Theorie sagt uns, daß der Satz »Wilt ist groß« dann und nur dann wahr ist, wenn Wilt groß ist; die zweite Theorie sagt, daß »Wilt ist groß« dann und nur dann wahr ist, wenn Wilt der Schatten von etwas Großem ist. Die Wahrheitsbe­dingungen sind offenbar äquivalent. Wenn es einem nichts aus-macht, von Tatsachen zu reden, könnte man sagen, der Satz werde in beiden Fällen durch dieselben Tatsachen wahr gemacht.

Ich nehme an, es gibt Permutationen der erforderlichen Art, die keiner Einkleidung durch Geschichten bedürfen. Eine weitere Annahme, die wir offenbar benötigen, um auf die Unerforsch­lichkeit der Bezugnahme schließen zu können, ist folgende: Wenn eine Wahrheitstheorie (bzw. eine Theorie der Übersetzung oder der Interpretation) im Hinblick auf alle relevanten (wirkli­chen oder potentiellen) Belege einwandfrei ist, dann wird auch jede Theorie, die mittels Permutation aus der ersten erzeugt wird, im Hinblick auf alle relevanten Belege einwandfrei sein.

Annahme wird freilich von vielen Philosophen abgelehnt, doch da ich in dieser Beziehung mit Quine einig gehe, werde ich hier nicht dafür argumentieren. Der entscheidende Punkt, bezüglich dessen ich mit Quine übereinstimme, ließe sich so formulieren, daß alle Belege für oder gegen eine Wahrheitstheorie (bzw. eine Theorie der Interpretation oder der Übersetzung) die Form von Angaben annehmen über die Art der Ereignisse oder Situationen in der Welt, durch die Sprecher dazu veranlaßt werden oder würden, jeden Satz im Repertoire des Sprechers zu bejahen oder zu vernei­nen. Mit Bezug auf manche Einzelheiten sind wir wahrscheinlich verschiedener Meinung. Quine beschreibt die Ereignisse oder Situationen, indem er von Reizmustern redet, während ich eine Beschreibungsterminologie bevorzuge, die den untersuchten Sät­zen näherkommt; Quine würde einer Einstufung der Sätze im Sinne ihrer Beobachtungsmäßigkeit mehr Gewicht beilegen als ich; und während er für Bejahung und Verneinung eingenommen ist, weil sie einen behavioristischen Test nahelegen, entsage ich dem Behaviorismus und akzeptiere unverblümt intensionale Ein­stellungen zu Sätzen, wie z. B. das Fürwahrhalten. Soweit ich sehen kann, ist keine dieser Meinungsverschiedenheiten von Bedeutung für die Argumentation pro Unerforschlichkeit der Bezugnahme. Der springende Punkt ist, daß das, was die Reaktion oder Einstellung des Sprechers auslöst, eine objektive Situation oder ein objektives Ereignis ist, und daß die Reaktion oder Einstel­lung auf einen Satz bzw. auf die Äußerung eines Satzes gerichtet ist. Solange wir daran festhalten, kann es keine relevanten Belege geben, auf deren Grundlage eine Entscheidung zwischen Theorien und ihren Permutationen getroffen werden kann.

Spricht die These der Unerforschlichkeit der Bezugnahme, wenn man sie so wie eben auffaßt und rechtfertigt, für den Gedanken, die Bezugnahme sei zu relativieren? Nahegelegt wird dieser Gedanke gewiß, denn wir können uns nicht mit einer Schlußfolgerung abfinden, die es uns gestattet, sowohl die Aussage, daß sich »Wilt« auf Wilt bezieht, als auch die Aussage, daß sich »Wilt« auf den Schatten von Wilt bezieht, zu akzeptieren. Beide können wir, ohne in Widersprüche zu geraten, nur dann akzeptieren, wenn sie beide wahr sein können, und das ist offensichtlich nicht der Fall.

Es ist möglich, das Problem ohne Relativierung zu lösen. Wir 326 uchen nur klarzumachen, daß »bezieht sich« in zwei verschie-'dcnen Weisen verwendet wird. Durch Indizes ließe sich die Sache nbiegen. »Wilt« bezieht, sich auf Wilt, und »Wilt« bezieht, sich ;uf den Schatten von Wilt; dies ist eine Konjunktion, die wahr ein kann und unter den skizzierten Umständen tatsächlich wahr ist. Bisher liegt noch keine Relativierung vor, obwohl der. Gebrauch desselben Wortes mit verschiedenen Indizes auf ein gemeinsames Merkmal hindeutet, das durch Relativierung expli­zit gemacht werden.könnte. Ein weiterer Grund für den Wunsch, `'die Bezugnahme zu relativieren, ist der, daß wir gern etwa fol­gendes sagen möchten: Relativ zu unserer ersten Verfahrensweise lautet die richtige Antwort auf die Fragen, worauf sich »Wilt« beziehe, Wilt; relativ zur zweiten Verfahrensweise bezieht es sich auf den Schatten von Wilt. Da Verfahrensweisen als Gegenstände der Quantifikation nicht attraktiv sind, schlägt Quine vor, die Bezugnahme auf Übersetzungsmanuale zu relativieren. Hartry Field hat darauf hingewiesen, daß das nicht funktionieren wird.4 Denn die natürliche Formulierung der Bedingungen, unter denen »x bezieht sich auf y relativ zu ÜM« gilt, ist die folgende: ÜM übersetzt x mit »y«. Dieser Vorschlag muß jedoch zurückgewie­sen werden, weil man nicht in den Bereich der Anführungszei­chen hineinquantifizieren darf.

Nach meiner Auffassung gibt es einen allgemeinen Grund, wes-halb die Bezugnahme nicht in der von Quine gewünschtenWeise relativiert werden kann; darum ist es nutzlos, zu versuchen, die eben abgelehnte Formulierung zu verbessern. Wenn ich von der »von Quine gewünschten Weise« spreche, meine ich damit, daß ich nicht eigentlich jede Weise der Relativierung der Bezugnahme beanstande, denn zum Schluß werde ich selbst eine vorschlagen. Die Vorstellung, gegen die sich mein Einwand richtet, ist die, man könne die Bezugnahme in solcher Weise relativieren, daß dadurch die Ontologie festgelegt wird. Es ist die ontologische Relativität, auf die ich mir keinen Vers machen kann. Angenom­men, wir wären imstande, die Ontologie von »bezieht sich« durch Relativierung festzulegen. Dann hätten wir die Ontologie der Sprache bzw. des Sprechers festgelegt, zu deren bzw. dessen Charakterisierung wir das Wort »bezieht sich« verwendet haben. Hier heißt es vielleicht: Die Festlegung ist aber doch nur relativ zu einer willkürlichen Entscheidung. Diese- Entscheidung wird durch keine relevanten Belege bestimmt. Daher die Unerforsch­lichkeit. Diese Erwiderung geht jedoch an der eigentlichen Schwierigkeit unseres Problems vorbei. Die Festlegung des Bezugs und der Ontologie ist in bezug auf die Objektsprache, auf der Basis einer willkürlichen Entscheidung vorgenommen wor­den; aber dies gelingt der willkürlichen Entscheidung nur dann, wenn das relativierte »bezieht sich« der Metasprache irgendwie festgenagelt worden ist. Und eben das ist es, was, wie unsere Argumente zeigen, im Hinblick auf keine Sprache geleistet wer-den kann.