Aristoteles (tphff)

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Aristoteles

Aus der "Politik"

1252a ff

Ursprung des Staates

Die beste Methode dürfte hier wie bei anderen Problemen sein, daß man die Dinge in ihrem fortschreitenden Wachstum ins Auge faßt. Vor allem ist es eine Notwendigkeit, daß, was nicht ohne einander bestehen kann, sich paarweise miteinander vereint, einerseits das Weibliche und Männliche um der Fortpflanzung willen (und zwar nicht aus bewußter Absicht, sondern geradeso, wie auch den Tieren und Pflanzen von Natur der Trieb innewohnt, ein anderes, ihnen gleiches Wesen zu hinterlassen), (b) andererseits das von Natur Regierende (archon) und das von Natur Regierte (archomenon) um der Lebenserhaltung willen; denn was vermöge seines Verstandes (dianoia) vorauszuschauen vermag, ist von Natur das Regierende und Herrschende, was aber nur vermöge seiner körperlichen Kräfte das Vorgesehene auszurichten imstande ist, ist von Natur das Regierte und Dienende, daher denn auch Herr (despotes) und Sklave (doulos) das nämliche Interesse haben. (c) Von Natur nun ferner sind Weib und Sklave geschieden, denn die Natur verfährt nicht so karg, daß sie solche Gebilde schüfe wie die Messerschmiede das delphische Messer, sondern für jeden besonderen Zweck auch immer ein besonderes, weil so jedes Werkzeug die höchste Vollendung erhält, wenn es nicht zu vielen Zwecken, sondern nur zu einem einzigen dient. (d) Wenn aber bei den Barbaren Weib und Sklave dieselbe Stellung haben, so liegt der Grund hiervon darin, daß ihnen überhaupt dasjenige fehlt, was von Natur zum Regieren bestimmt ist, vielmehr die Gemeinschaft hier nur die Verbindung einer Sklavin mit einem Sklaven ist.

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Aus diesen beiden Gemeinschaften entsteht nun zunächst das Haus. ... Die für das gesamte tägliche Leben bestehende Gemeinschaft ist also naturgemäß das Haus (oikos), dessen Glieder Charondas Brotkorbgenossen, Epimenides der Kreter aber Krippengenossen nennt. (b) Diejenige Gemeinschaft aber, welche zunächst aus mehreren Häusern zu einem über das tägliche Bedürfnis hinausgehenden Zweck sich bildet, ist das Dorf, das am naturgemäßesten als Kolonie (apoikia) des Hauses (oikia) zu betrachten sein dürfte und dessen Glieder von manchen Milchgenossen, Kinder und Kindeskinder, genannt werden.

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Die aus mehreren Dörfern sich bildende vollendete Gemeinschaft nun aber ist bereits der Staat, welcher, wie man wohl sagen darf, das Endziel völliger Selbstgenügamkeit (autarkeia) erreicht hat, indem er zwar entsteht um des bloßen Lebens, aber besteht um des vollendeten Lebens willen. (b) Drum, wenn schon jene ersten Gemeinschaften naturgemäße Bildungen sind, so gilt dies erst recht von jedem Staat, denn dieser ist Endziel (telos) von jenen; die Natur (physis) ist eben Endziel, denn diejenige Beschaffenheit, welche ein jeder Gegenstand erreicht hat, wenn seine Entwicklung vollendet ist, eben diese nennen wir die Natur desselben, wie z. B. die des Menschen, des Rosses, des Hauses. Auch ist das Ziel und der Endzweck das Beste, die Selbstgenügsamkeit ist aber der Endzweck und das Beste.

ἡ δ᾽ ἐκ πλειόνων κωμῶν κοινωνία τέλειος πόλις, ἤδη πάσης ἔχουσα πέρας τῆς αὐταρκείας ὡς ἔπος εἰπεῖν, γινομένη μὲν τοῦ ζῆν ἕνεκεν, οὖσα δὲ τοῦ εὖ ζῆν. διὸ πᾶσα πόλις φύσει ἔστιν, εἴπερ καὶ αἱ πρῶται κοινωνίαι. τέλος γὰρ αὕτη ἐκείνων, ἡ δὲ φύσις τέλος ἐστίν: οἷον γὰρ ἕκαστόν ἐστι τῆς γενέσεως τελεσθείσης, ταύτην φαμὲν τὴν φύσιν εἶναι ἑκάστου, ὥσπερ ἀνθρώπου ἵππου οἰκίας. ἔτι τὸ οὗ ἕνεκα καὶ τὸ τέλος βέλτιστον:

Hiernach ist denn klar, daß der Staat zu den naturgemäßen Gebilden gehört und daß der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen (zoon politikon) ist; und derjenige, der von Natur und nicht durch zufällige Umstände außer aller staatlichen Gemeinschaft lebt, ist entweder mehr oder weniger als ein Mensch, wie etwa der von Homer Beschimpfte: «Ohne Geschlecht und Gesetz, ohn' eigenen Herd». ... (c) Der Mensch ist aber das einzige Lebewesen, das Sprache (logos) besitzt. Die bloße Stimme (phone) nämlich zeigt nur das Angenehme und Unangenehme an, darum kommt sie auch den anderen Lebewesen zu (denn so weit reicht ihre Natur, Angenehmes und Unangenehmes wahrzunehmen und von dieser Wahrnehmung einander Zeichen zu geben); die Sprache dagegen ist dazu bestimmt, das Nützliche und Schädliche deutlich kundzutun und also auch das Gerechte (dikaion) und Ungerechte (adikon). Denn das ist eben dem Menschen eigentümlich im Gegensatz zu den Tieren, daß er allein fähig ist, sich vom Guten (agathon) und Schlechten (kakon), von Recht und Unrecht Vorstellungen zu machen. Die Gemeinschaftlichkeit dieser Vorstellungen ruft aber eben das Haus und den Staat ins Leben.

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Diesem allen gemäß lebt nun zwar auch von Natur in allen Menschen der Trieb, in diese Art von Gemeinschaft einzutreten; aber derjenige, welcher den Staat zuerst wirklich ins Leben rief, war damit der Urheber der höchsten Güter. Denn wie der Mensch in seiner Vollendung das edelste aller Lebewesen ist, so wiederum losgerissen von Gesetz (nomos) und Recht (dike) das schlimmste von allen. Denn nie ist die Ungerechtigkeit (adikia) fürchterlicher, als wenn sie Waffen hat; der Mensch aber hat die natürlichen Waffen in Händen durch seine angeborene Klugheit und Tüchtigkeit, Waffen, die am allermeisten dazu geeignet sind, zu den entgegengesetzten Zwecken sich ihrer zu bedienen. Und daher ist er denn ohne Tugend (arete) das ruchloseste und wildeste Lebewesen und in bezug auf Geschlechts- und Gaumenlust das schlimmste von allen. (b) Die Gerechtigkeit (dikaiosyne) aber stammt erst vom Staate her, denn das Recht ist die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft; das Recht (dike) aber ist die Entscheidung darüber, was gerecht ist.

1256a ff

Über die Erwerbskunde

Nun gibt es aber viele Arten von Nahrung und infolgedessen auch vielerlei verschiedene Lebensweisen (bios) bei Menschen und Tieren; denn da es unmöglich ist, ohne Nahrung zu leben, so sind es eben die Unterschiede der Nahrung, welche auch die Unterschiede der Lebensweisen bei den Lebewesen hervorgebracht haben. (b) Von den Tieren nämlich leben die einen herdenweise und die anderen vereinzelt, je nachdem das eine oder das andere ihnen für den Gewinn ihrer Nahrung zuträglicher ist, insofern sie teils von Fleisch, teils von Pflanzen, teils von beidem sich nähren; und so hat denn die Natur dem Zweck der leichteren Gewinnung und besseren Auswahl dieser Nahrungsmittel gemäß auch ihre Lebensweisen gesondert. ... Und ähnlich steht es auch mit den Menschen, denn gar sehr verschieden sind auch deren Lebensweisen. Die trägsten von ihnen nämlich sind Nomaden, denn diesen wird ihre Nahrung von den zahmen Tieren ohne alle Mühe in untätiger Muße zuteil; und nur wenn es für ihre Herden nötig wird, wegen der Weide den Aufenthalt zu wechseln, sind sie selber genötigt, mit fortzuziehen, so daß sie gleichsam einen lebendigen Ackerbau treiben. Andere sodann leben von der Jagd, und wieder die einen von dieser und die anderen von jener Art derselben, die einen vom Raub, die anderen, welche an Seen, Sümpfen, Flüssen oder fischreichen Meeresküsten wohnen, von der Fischerei, noch andere endlich von der Jagd auf Vögel und wilde Tiere. Der größte Teil der Menschen aber lebt vom Ackerbau und der Zucht von Früchten. (c) Und das sind denn nun wohl die sämtlichen Lebensweisen, die eine unmittelbar-natürliche Tätigkeit betreiben und nicht durch Tausch- und Handelsverkehr Nahrung schaffen, das Nomaden-, das ackerbauende, das Räuber-, das Fischer-, das Jägerleben, nur daß auch noch manche, um sich das Leben angenehmer zu machen, mehrere dieser Lebensweisen miteinander verbinden, indem sie dem Mangel da, wo er hervortritt und das Sichselbstgenügen (autarkes einai) stört, abhelfen, wie z. B. das Nomaden- und Räuberleben oder die Landwirtschaft mit der Jagd; und ähnlich steht es mit der sonstigen Verbindung dieser oder jener der angegebenen Lebensweisen miteinander: worauf gerade das Bedürfnis hindrängt, darauf richten auch die Menschen ihre Art zu leben.

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Zu Ostern verkündet die Trembita freudig das Alleluja. Den Winter über, während der Fastenzeit und nach Ostern schweigt die Trembita. Erst wenn zum Heiligen Jurij die Almwiesen zu grünen beginnen, auf denen bis jetzt nur ein schläfriger Bär dahingetappt, oder besser, vom Winterschlaf halb verhungert dahingewankt ist, und wenn die Lawinen wie Böllerschüsse durch die Schluchten des Szpyci auf der Czarnahora krachen, als wollten sie den Frühling begrüßen, erst dann ertönt wieder der Klang der Trembita. Im Lied heißt es, der Heilige Jurij stößt dann ins Büffelhorn. Und wenn es so durch die Wälder dröhnt, beginnen auch die Vögel zu zwitschern. Bald werden Herden von Schafen, Ziegen und anderem Vieh heraufströmen: die Kühe sanft und phlegmatisch oder ausgelassen und launenhaft, von den Hirten umhätschelt, oft von Kalbsbeinen an in der Stube hinterm Ofen gehalten, die Stiere schwer, drohend ungefährlich. Und zahllose Pferde, ganze Herden; Huzulenpferde, mit wilden und zornigen Augen, struppigem Fell. Mausgraue Pferde, Rappen, Falben, Schecken, Kremfarbene. Sie alle strömen vom Dorf zu den Almwiesen hinauf und ein frühlingshaftes Treiben hebt an, das seit. Jahrhunderten mit den ersten Blumen einsetzt — der Almauftrieb. Später wird dann oben auf den Almwiesen alles Vieh durcheinandergemischt. Tausende Rinder, Schafe, Ziegen, Hirten, Hunde und Weiden, die alte Gemeinschaft ist wieder hergestellt.
Wenn dort oben, am Grund des felsigen, moosbewachsenen Kessels, der Watah seiner Trembita einen Ton entlockt und damit den ersten Auftrieb zur Weide ankündigt, sind alle Eigentumsrechte aufgehoben. Wer die Trembita berührt hat, der ist gereinigt, der hat der Welt entsagt und braucht keinen Besitz. Wem gehören die Almweiden? Gott und den Schafen, Gott und die Schafe nähren den Watah, die Hirten und die Herdenbesitzer. Wem gehört der Watah? Der Watah gehört den Schafen, sie gehöre einander, die Schafherde zum Watah, der Watah zur Herde. Alles verbindet die Trembita, sie spannt eine Windsaite vom Himmel zur Erde. Obwohl keiner den Watah überprüft, nimmt er von keinem etwas an sich, er kann gar nichts nehmen, denn der Rewasz vom Melken, der beim Vermischen der Tiere gekerbt wurde, gibt genau und präzise Auskunft, wieviel Bryndza jeder einzelne Besitzer von der während des Jahresgemolkenen Menge zu bekommen hat. Der Watah dient allen und allem, aber kein Herdenbesitzer hat ihm zu befehlen. Er ist zu weit entfernt, zu hoch oben. Wer sonst verbringt auch so viele Tage und Monate im Jahr hoch droben in den Wolken, in der Welt der Nebel und Schatten, die nicht mehr weit von jener anderen Welt entfernt ist.
(Stanislaw Vincenz, Auf der hohen Karpatenalm; Die Wahrheit der alten Zeit)
Zitiert nach Martin Pollack Galizien: Eine Reise durch die verschwundene Welt Ostgaliziens und der Bukowina. Frankfurt 2001

...

Nach diesem allen ist denn nun die eine Art von Erwerbskunst naturgemäß ein Teil der Hausverwaltungskunst, diejenige nämlich, deren Aufgabe es ist, einen Vorrat zu sammeln von Gegenständen, die notwendig zum Leben und nützlich für die staatliche und häusliche Gemeinschaft (koinonia) sind und die daher auch entweder schon vorhanden sein oder durch die Hausverwaltungskunst herbeigeschafft werden müssen. (b) In diesen Dingen scheint auch der wahre Reichtum zu bestehen. Denn das zu einem zweckentsprechenden Leben genügende Maß eines solchen Besitzes geht nicht ins Unendliche, und von ihm gilt nicht, was Solon dichtete: «Reichtum hat keine Grenze, die greifbar den Menschen gesetzt ist», vielmehr ist hier wohl eine gesetzt, gerade wie bei den Mitteln aller anderen Künste (techne). Denn in keiner einzigen Kunst gibt es Werkzeuge, denen die Unendlichkeit zukäme weder an Menge noch an Größe, der Reichtum aber ist eben nichts anderes als die Menge von Mitteln und Werkzeugen für die Haus- und Staatsverwaltung. Daß es also eine naturgemäße Erwerbskunst für die Hausverwalter (oikonömos) und die Staatsmänner (politikos) gibt und weshalb, ist hiernach klar.

Über die Kunst des Gelderwerbs

Es gibt aber noch eine Art von Erwerbskunst (ktetike), die man vorzugsweise und mit Recht die Kunst des Gelderwerbs (chrematistike) nennt, und sie ist es, welche die Schuld daran trägt, daß es für Reichtum (ploutos) und Besitz (ktesis) keinerlei Grenze zu geben scheint, und viele halten sie für eine und dieselbe mit jener ersteren wegen der nahen Verwandtschaft mit ihr. In Wahrheit aber ist sie doch, obwohl sie ihr nicht fernsteht, keineswegs einerlei mit ihr. Denn jene ist eine naturgemäße Erwerbsweise, diese dagegen ist keine naturgemäße, sondern sie kommt vielmehr zustande durch Erfahrung (empeiria) und Kunst (techne).

Nehmen wir nun für ihre Betrachtung folgenden Ausgangspunkt. Die Benutzung eines jeden Besitztums ist eine doppelte, und beide Male wird das Besitztum als solches, aber nicht als solches in der gleichen Weise benutzt, sondern die eine Art von Benutzung ist die dem Gegenstand eigentümliche, die andere nicht, z. B. den Schuh kann man benutzen zum Anziehen, aber auch als Tauschmittel. Denn beides sind wirklich Benutzungsweisesen des Schuhs, insofern auch der, welcher einem anderen, der eines Schuhs bedarf, einen solchen für Geld oder Lebensmittel zum Tausch gibt, damit den Schuh als Schuh benutzt, aber nicht in der demselben eigentümlichen Benutzungsweise, denn nicht zu dem Zweck ist der Schuh gemacht, als Tauschmittel zu dienen. Und ebenso verhält es sich mit allen anderen Besitzstücken: sie alle können als Tauschmittel verwandt werden.

Arno Geiger Der alte König in seinem Exil. München 2011
"Die Eltern meines Vaters besaßen drei Kühe, einen Obstgarten, einen Acker, eine Streuwiese, ein Stück Wald, ein Schnapsbrennrecht für dreihundert Liter und ein Bienenhaus." (31)
"Man war weitgehend Selbstversorger, bis auf das Brot, das Mehl, den Zucker und das Salz. Gekauft wurde nur, was unbedingt nötig war, das Klopapier schnitt man aus alten Zeitungen, handbreite Streifen, auch dis eine Arbeit für Kinder. Mit einer großen Schere saß eines der Kinder am Stubentisch und peilte gerade Schnitte durchs Papier. Zum Anheizen wurde ebenfalls Papier benötigt. Abfall entstand so gut wie keiner. Es gab einen Misthaufen, ein Schwein und einen Ofen." (37)

(b) Der anfängliche Tauschhandel (metabletike) hatte einen durchaus natürlichen Ursprung, indem die Menschen von einem Gegenstand mehr und von einem anderen weniger haben, als sie bedürfen. Andererseits aber ist gerade hieraus auch ersichtlich, daß das Handelsgeschäft (kapelike) nicht von Natur zur Erwerbskunst gehört. Nur so weit nämlich, als es für den Lebensunterhalt ausreichend war, mußte sich notwendig der Tausch erstrecken. (c) In der ursprünglichsten Gemeinschaft (koinönia) daher, das ist im Hause, fand derselbe offenbar noch gar keinen Platz, sondern erst in der bereits erweiterten Gemeinschaft. Denn bei der ersteren war alles, was ihr zur Verfügung stand, gemeinschaftlich, die letztere hatte einiges für sich gesondert, was sie, je nach den Bedürfnissen, tauschte, wie es noch jetzt viele der Barbaren machen. Die Barbaren nämlich tauschen die nutzbaren Gegenstände selbst gegeneinander, sie geben und nehmen Wein für Getreide, und ebenso mit allen anderen derartigen Artikeln, weiter aber gehen sie im Handel nicht.

Ein solcher Tauschhandel nun ist weder wider die Natur noch bildet er bereits eine Klasse der Kunst des Gelderwerbs, denn er entstand nur, um die Mängel auszufüllen, die der natürlichen Selbstgenügsamkeit (autarkeia) des Lebens im Wege stehen; aber aus diesem entsprang jene Kunst in sehr begreiflicher Weise. (b) Denn da die gegenseitige Unterstützung durch Einfuhr des Mangelnden und Ausfuhr des Überflüssigen sich immer weiter örtlich ausdehnte, verfiel man notwendigerweise auf die Einführung des Geldgebrauchs. Nicht jedes der von Natur notwendigen Bedürfnisse war ein leichtbewegliches Gut, und so kam man dahin überein, zur Vermittlung des gegenseitigen Umtausches einen Gegenstand zu geben und zu nehmen, welcher, selbst zu den nutzbaren, Dingen gehörig, zugleich noch den Vorteil eines handlichen Gebrauchs für den Transport hatte, wie Eisen, Silber und was weiter dahin gehört, und zwar so, daß man anfänglich seinen Wert einfach nach Größe und Gewicht bestimmte, schließlich aber es auch mit einem Prägezeichen versah, um sich die Mühe des Abwägens zu ersparen, indem nämlich jetzt dieser Stempel als Zeichen des Wertes aufgeprägt wurde.

(c) Und als nun so aus dem unentbehrlichen Bedürfnis des Tausches einmal das Geld hervorgegangen war, da bildete sich eine andere Art der Erwerbskunst, das Handelsgeschäft (kapelike), anfänglich wahrscheinlich in sehr einfacher Art, bereits bald aber durch die Erfahrung in künstlicherer Weise darauf gerichtet, wie und mit welchen Mitteln man beim Umsatz möglichst viel Gewinn machen könne. (d) Daraus entsteht der Schein, als wäre die Erwerbskunst vorzugsweise auf das Geld gerichtet und die Aufgabe derselben, daß sie zu erkennen vermöge, woraus sich möglichst viel Geld ziehen lasse, sofern sie es ja in der Tat mit der Herbeischaffung von Reichtum und Vermögen zu tun habe. Denn auch den Reichtum hält man insgeheim für die Masse von möglichst viel Geld, und so entsteht denn der Glaube, daß die Erwerbskunst es hiermit zu tun habe und im Handelsgeschäft bestehe.

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Und so suchen denn die Vertreter dieser Ansicht in etwas anderem das wahre Wesen des Reichtums und der Erwerbskunde, und sie tun recht daran. Denn in etwas anderem besteht der natürliche Reichtum und die naturgemäße Erwerbskunde, und nur diese letztere ist die zur Hausverwaltungskunde (oikonomike) gehörige, während die künstliche im Handelsgeschäft besteht, indem sie nicht auf den Vermögenserwerb überhaupt gerichtet ist, sondern auf Erwerb durch Vermögensumsatz. Und diese hat es augenscheinlich mit dem Geld zu tun, denn das Gesetz ist beim Handel das Element und die Grenze.

Auch unbegrenzt aber ist der Reichtum, der durch diese Art von Erwerbskunst erzeugt wird. (b) Denn wie die Heilkunst unbegrenzt (apeiros) ist im Hinblick auf das Heilen (und jede Kunst ist unbegrenzt im Hinblick auf ihr Ziel — das ist es ja, was die Künste vor allem erreichen wollen —, nicht unbegrenzt aber im Hinblick auf die zum Ziel führenden Mittel — das Ziel ist hier nämlich Grenze von allem — , so hat auch diese Art von Erwerbskunst in der Verfolgung ihres Ziels keine Grenze, ihr Ziel (telos) aber ist eben ein derartiger Reichtum und Vermögensbesitz; die andere Art von Erwerbskunst dagegen, welche zur Hausverwaltungskunde gehört, hat eine Grenze, denn ein Reichtum jener Art ist ja nicht ihre Aufgabe. Und so ist es denn offenbar, daß in gewisser Weise aller Reichtum seine notwendige Grenze hat, in der Wirklichkeit aber sehen wir das Gegenteil eintreten, denn alle, die auf den Erwerb bedacht sind, suchen ihr Geld bis ins Grenzenlose zu vermehren. Der Grund davon nun ist eben die nahe Berührung beider Arten von Erwerbskunst. Denn die Anwendung der einen spielt in die der anderen hinüber, weil beides Anwendungen derselben Sache sind. Es sind nämlich Anwendungen einer und derselben Gattung von Besitz, aber seitens der einen Erwerbskunst zu einem anderen Zweck und seitens der anderen bloß zu seiner Vermehrung.

Ob er sich als Opfer oder Täter sieht: Ich bin kein Opfer. Moralisch gesehen habe ich Fehler gemacht. Jedoch strafrechtlich habe ich mir nichts zuschulden kommen lassen. (...) Es geht um unser System, in dem sich Eliten, angetrieben von maßloser Gier, mit Kontakten und Wissensvorsprung Vorteile verschaffen. Peter Hochegger

Daher glauben manche, das sei die Aufgabe der Hausverwaltungskunst, und bleiben dabei, daß man das vorhandene Geld entweder mindestens zu erhalten oder richtiger noch bis ins Endlose zu vermehren suche. (b) Die Ursache solcher Denkweise aber liegt darin, daß die meisten Menschen nur um das Leben und nicht um das vollkommene Leben sorgen, und da nun die Lust zum Leben ins Endlose geht, so trachten sie auch, die Mittel zum Leben bis ins Endlose anzuhäufen. Aber auch jene, die auf das vollkommene Leben achten, suchen die Mittel für den körperlichen Genuß, und da mit dem Besitz auch die Möglichkeit, sich solchen zu verschaffen, augenscheinlich sich verbindet, so richtet sich ihr ganzes Dichten und Trachten auf den Vermögenserwerb, und von hier aus ist denn jene andere Art von Erwerbskunst aufgekommen.

Denn jeder Sinnengenuss hängt am Übermaß, und so trachten sie denn nach einer Kunst, die ihnen das Übermaß dieses Genusses verschafft; und können sie das durch die Erwerbskunst nicht erreichen, so jagen sie ihm auf einem anderen Wege nach und wenden alle Fertigkeiten ihrer natürlichen Bestimmung entgegen zu diesem Zweck an. Denn die Tapferkeit ist nicht dazu da, Geld zu erzeugen, sondern Mut, und die Kriegs- und Heilkunst hat gleichfalls nicht jene Bestimmung, sondern die erstere die, den Sieg, und die letztere, Gesundheit zu verschaffen; jene Art von Leuten aber macht dies alles zu Mitteln des Gelderwerbs, als wäre dies der Zweck und als gälte es hier, daß doch auf seinen Zweck alles bezogen werden müsse.

Aus der Nikomachischen Ethik

1132b ff

Einige sind der Ansicht, dass auch das Reziproke (antipeponthos) ohne weiteres gerecht ist. Diese Auffassung haben die Pythagoreer vertreten: Sie haben das Gerechte überhaupt bestimmt als reziprokes Erleiden dessen, was man einem anderen zugefügt hat. Das Reziproke passt aber weder auf das verteilende noch auf das ausgleichende Gerechte (obwohl man meint, der Satz des Rhadamanthys über das Gerechte wolle dies sagen: «Wenn man erleiden würde, was man getan hat, dann würde genaue Gerechtigkeit geschehen»). Denn in vielen Fällen stimmen Reziprozität und ausgleichende Gerechtigkeit nicht überein. Wenn zum Beispiel ein Amtsträger jemanden geschlagen hat, so darf er nicht zum Ausgleich seinerseits geschlagen werden, und wenn jemand einen Amtsträger geschlagen hat, soll man ihn nicht nur schlagen, sondern [außerdem] auch bestrafen. Ferner besteht ein großer Unterschied zwischen einer gewollten (hekousion) Handlung und einer Handlung, die gegen das eigene Wollen ist,

In Tauschgemeinschaften aber hält diese Art des Gerechten die Menschen zusammen, und zwar das Reziproke, das der Proportion und nicht der Gleichheit entspricht. Denn durch den proportionalen reziproken Austausch hält der Staat zusammen. Die Menschen versuchen entweder Schlechtes für Schlechtes zurückzugeben, und wenn sie es nicht tun, halten sie das für einen Zustand der Sklaverei. Oder sie versuchen, Gutes für Gutes zurückzugeben, und wenn sie es nicht tun, gibt es keinen Austausch, durch den Austausch aber bleiben sie zusammen. Daher errichten die Menschen auch einen Tempel der Chariten an einem gut sichtbaren Ort, damit reziprokes Geben stattfinde. Denn dies ist dem Dank (charis) eigentümlich: Demjenigen, der eine Gunst erwiesen hat, muss man im Gegenzug wieder einen Dienst erweisen, und ein andermal muss man als Erster ihm eine Gunst erweisen.

Das proportionale reziproke Geben kommt durch die Verbindung diametraler Gegensätze zustande. Sei A ein Baumeister, B ein Schuster, C ein Haus, D ein Schuh. Dann muss also der Baumeister vom Schuster dessen Produkt (ergon) nehmen, und er selbst muss jenem sein eigenes Produkt zum Ausgleich geben. Wenn nun zuerst eine proportionale Gleichheit der Güter besteht und dann eine reziproke Handlung stattfindet, so geschieht das, was wir meinen. Wenn aber nicht, besteht keine Gleichheit, und es hält nichts die Parteien zusammen. Denn es könnte leicht der Fall sein, dass das Produkt des einen dem des anderen überlegen ist; folglich muss man zwischen diesen Gleichheit herstellen. Das gilt auch für die anderen Arten des Herstellungswissens. Sie würden nämlich aufgehoben, wenn nicht das, was der Herstellende bewirkt, dem entspräche, was das Bearbeitete erleidet, und zwar auch in der Quantität und Qualität. Denn nicht aus zwei Ärzten entsteht eine Gemeinschaft, sondern aus einem Arzt und einem Bauern und allgemein aus Menschen, die verschieden und nicht gleich sind. Und zwischen diesen muss man Gleichheit herstellen.

Darum müssen alle Dinge, von denen es einen Austausch gibt, irgendwie vergleichbar sein. Dazu ist das Geld aufgekommen, und es wird in gewisser Weise zu einem Mittleren. Denn es misst alles, also auch das Übermaß und den Mangel, etwa wie viele Schuhe einem Haus oder einer bestimmten Menge an Nahrungsmitteln gleich sind. Folglich muss sich, wie der Hausbauer zum Schuster, eine so und so große Zahl von Schuhen zu einem Haus oder einer Nahrungsmenge verhalten. Ist das nicht der Fall, werden keine Transaktion und keine Tauschgemeinschaft zustande kommen. Das wird aber nicht der Fall sein, wenn die beiden Seiten nicht irgendwie gleich sind. Man muss also, wie schon gesagt, alles mit einer bestimmten Einheit messen. Dies ist aber in Wahrheit das Bedürfnis (chreia),das alles zusammenhält. Denn wenn die Menschen keiner Dinge bedürften oder wenn sie ihrer nicht auf ähnliche Weise bedürften, dann gäbe es keinen Austausch, oder jedenfalls nicht denselben Austausch. Als eine Art Ersatz für das Bedürfnis ist aber durch Übereinkunft das Geld entstanden. Und deswegen hat es den Namen nomisma (Geld) erhalten, weil es nicht durch die Natur, sondern durch Konvention (nomos) vorhanden ist und weil es bei uns liegt, es zu ändern und unbrauchbar zu machen.

...

Es sei A ein Bauer, C Nahrung, B ein Schuhmacher und D sein Produkt, das dem des Bauern gleich gemacht wurde. Wenn nicht auf diese Weise Reziprozität möglich wäre, gäbe es keine Gemeinschaft. Dass aber das Bedürfnis zusammenhält wie eine einzige Einheit, zeigt sich darin, dass die Parteien, wenn sie kein Bedürfnis nach einander haben – das heißt, wenn beide einander nicht brauchen oder einer von beiden den anderen nicht braucht –, keinen Austausch vornehmen [wie dann, wenn jemand einer Sache bedarf, die man selbst hat, z.B. Wein, und dafür der Export von Getreide erlaubt wird]. Hier muss also Gleichheit hergestellt werden.

Für den künftigen Austausch – dafür, dass der Austausch, wenn jetzt kein Bedarf besteht, möglich sein wird, wenn Bedarf aufkommt – ist uns das Geld gewissermaßen Bürge. Denn dem, der dieses bringt, muss es möglich sein, etwas zu bekommen. Allerdings geschieht dasselbe mit dem Geld. Es ist nämlich nicht immer gleich viel wert; dennoch hat es die Tendenz, stabiler zu sein. Darum muss für alle Güter ein Preis festgesetzt werden. So nämlich wird immer Tausch stattfinden, und wenn Tausch, dann Gemeinschaft. Das Geld stellt also, indem es die Dinge wie ein Maß kommensurabel (symmetron) macht, Gleichheit her.

τὸ δὴ νόμισμα ὥσπερ μέτρον σύμμετρα ποιῆσαν ἰσάζει
σύμμετρος 1 μέτρον
I. [select] commensurate with another thing, Eur.: exactly fitting, Aesch.; τῷδε τἀνδρὶ ξ. being of like age with, Soph.; ποίᾳ σύμμετρος τύχῃ; coincident with what chance? i. e. in the very nick of time, id=Soph.; v. infr. III. 2.
2. [select] commensurable, Arist.
II. [select] in measure with, proportionable, exactly suitable, Isocr., etc.
2. [select] absol. in right measure, in due proportion, symmetrical, opp. to ὑπερβάλλων and ἐλλείπων, Plat., etc.
3. [select] generally, fitting, meet, due, Aesch.;— σύμμετρος ὡς κλύειν within fit distance for hearing, Soph.
III. [select] adv. -τρως, Isocr., etc.
2. [select] in due time, Eur.

Denn weder gäbe es Gemeinschaft, wenn es keinen Austausch gäbe, noch Austausch, wenn es keine Gleichheit gäbe, noch Gleichheit, wenn es keine Kommensurabilität gäbe. In Wahrheit allerdings ist es unmöglich, dass Dinge, die so verschieden sind, kommensurabel werden können, doch im Hinblick auf das Bedürfnis ist das hinreichend möglich. Es muss also eine Einheit geben, und zwar durch Übereinkunft; daher wird sie Geld (nomisma) genannt. Das Geld macht alle Dinge kommensurabel, denn alle werden durch das Geld gemessen. Sei A ein Haus, B zehn Minen, C ein Bett. A ist die Hälfte von B, wenn das Haus fünf Minen wert oder ihnen gleich ist. Das Bett, C, ist ein Zehntel von B. Es ist demnach klar, wie viele Betten einem Haus gleich sind, nämlich fünf. Dass der Tausch so vonstatten ging, ehe es Geld gab, ist klar. Denn es ist gleichgültig, ob fünf Betten für ein Haus getauscht werden oder der Geldwert von fünf Betten.

Aus der Eudemischen Ethik

ἐπιστήμη γὰρ καὶ χρήματα οὐχ ἑνὶ μετρεῖται

... und wie sich Python und Pammenes stritten und wie Lehrer und Schüler (Wissen und Lehrgeld kann man ja nicht mit einem Maß messen) ...

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Eudemische Ethik 1243b (VII, 10)