Annäherungen (W)
"Besaß der Irak vor der Invasion 2003 Massenvernichtungswaffen?", "Was geschah bei den Weihnachtsfeiern in St. Pölten?", "War die Siegerin gedopt?". Das sind Fragen auf wahr oder falsch. Sie stellen Ansprüche und provozieren Widerspruch. Sie werfen das Problem der Wahrheit auf.
"Two currents if ideas are very prominent in modern thought and culture. On the one hand, there is an intense commitment to truthfulness -- or, at any rate, a pervasive suspiciousness, a rediness against being fooled, an eagerness to see through appearances to the real structures and motives that lie behind them.
...
Together with this demand for truthfulness, however, or (to put it less positively) this reflex against deceptiveness, there is an equally pervasive suspicion about truth itself: whether there is such a thing; if there is, whether it can be more than relative or subjective or something of that kind, whether we should bother about it, in carrying on our activities or in giving an account of them."
Bernard Williams: Truth and Truthfulness. An Essay in Genealogy. Princeton 2002. S.1
Inhaltsverzeichnis
Zuständigkeiten
Eine erste Frage in diesem Zusammenhang: Wer ist dafür zuständig? Und schon beginnt eine schwierigen Debatte:
Wahrheit in Nervenbündeln
Dazu ein Manifest aus der Zeitschrift "Gehirn und Geist".
Ein Probefall
TV-Bilder aus der Diskussion zwischen George W. Bush und John F. Kerry zeigen Textilien und mehr.
Vgl. auch diese Fotogalerie
Ein Kriminalfall
Sie sitzen vor einem Computer und klicken auf das Icon mit der Kamera. Ein kleines Fenster öffnet sich und zeigt folgende Sequenz aus einem Krimi.
Ein Polizist ist in einen Hinterhalt geraten und wird von den Gangstern zu Tod gequält. Kurz bevor er stirbt trifft das Rettungsteam ein, das Opfer kann noch Francis stammeln. Ein Zeichen der Wiedererkennung. Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass damit der Verräter genannt werden sollte.
Wahrheit beginnt mir Sätzen. Über einen Namen kann man nicht diskutieren.
pro
Nun gehört so etwas wie Objektivität zum Sinn von Aussagesätzen und damit auch zum Sinn von Wahrheit. Wenn wir sagen 'Es ist so', dann kann sich das aus einer anderen Perspektive als bloß scheinbar, als falsch erweisen, das hat aber zur Folge, daß die Behauptung zurückgezogen werden muß. Etwas kann nicht für den einen wahr, für einen anderen falsch sein, sonst wäre 'wahr' ein zweistelliges Prädikat.
Ernst Tugendhat: Logisch-semantische Propädeutik, Reclam Universal-Bibliothek 8206, S. 237 f.
Prägnant gesagt:
- (p ist wahr) ist falsch -- das ist in Ordnung
- (p) ist wahr ist falsch -- das macht keinen Sinn
kontra
Ein und dasselbe zu bejahen und zu verneinen misslingt uns: das ist ein subjektiver Erfahrungssatz, darin drückt sich keine »Notwendigkeit« aus, sondern nur ein Nicht-Vermögen. Wenn nach Aristoteles der Satz vom Widerspruch der gewisseste aller Grundsätze ist, wenn er der letzte und unterste ist, auf den alle Beweisführung[en] zurückgehen, wenn in ihm das Princip aller anderen Axiome liegt: um so strenger sollte man erwägen, was er im Grunde an Behauptungen voraussetzt. Entweder wird mit ihm etwas in Betreff des Wirklichen, Seienden behauptet, wie als ob er dasselbe anderswoher bereits kenne: nämlich dass ihm nicht entgegengesetzte Prädikate zugesprochen werden können. Oder der Satz will sagen: dass ihm entgegengesetzte Prädikate nicht zugesprochen werden sollen? Dann wäre Logik ein Imperativ, nicht zur Erkennntiss des Wahren, sondern zur Setzung und Zurechtmachung einer Welt, die uns wahr heissen soll.
Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Herbst 1887 bis März 1888 KGW VIII-2.53, KSA 12.389, WWW III (Schlechta) S. 537
pro und kontra (1)
... Das sieht Maier allerdings immer noch anders. 'Man muss bei der Wahrheit bleiben, auch wenn's einigen weh tut. Das war schon richtig so', sagt er. Er habe viel Zustimmung erhalten, vermutlich in der Hauptsache von Fans des FC Bayern München.
FAZ, 13.10.2004, S.29
pro und kontra (2)
In einem Hearing im US-amerikanischen Senat kam es zu einer Kontroverse über Wahrheit und Integrität:
Barbara Boxer v. Condoleezza Rice
Literatur
Davidson, Donald: "The Structure and Content of Truth", The Journal of Philosophy, 87 (1990), 279-328.
Dummett, Michael: Wahrheit. Fünf philosophische Aufsätze. Stuttgart 1982 (Reclam 7840)
Herbert Hrachovec:
- Bilder, zweiwertige Logik und negative Tatsachen in Wittgensteins 'Tractatus'
- Gegenstand, Nutzen und Grenzen semantischer Wahrheitstheorien.
- Risking Truth
- A Trio on Truth
Hilary Putnam: A Comparison of Something with Something Else. New Literary History 17.1 (Autumn 1985): 61-79. Repr. in Words and Life (1994), pp. 330-350.
Michael Pucher Formale Wahrheitstheorien nach Alfred Tarski
Richard Rorty: Truth and Progress. Philosophical Papers Vol. 3. Cambridge 1998
Stanford Encyclopedia of Philosophy
Truth (The Internet Encyclopedia)
Alfred Tarski: The Semantic Conception of Truth
Ernst Tugendhat, Ursula Wolf: Logisch-semantische Propädeutik. Stuttgart, RUB 8206
Ernst Tugendhat: Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie. Frankfurt/M stw 45
Albrecht Wellmer: Sprachphilosophie. Eine Vorlesung. Frankfurt/M stw 1692
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