ALTENBURGER, Christoph (Arbeit1)
DISKUSSION (1.Arbeit ALTENBURGER, Christoph)
Der Sinn der Philosophie
- verfasst von Christoph Altenburger
Welchen Sinn hat die Philosophie?
Diese Frage beschäftigt seit jeher Denker aus allen Epochen. Auch Gerhard Gotz versuchte in seiner Einführungsvorlesung ein richtungweisendes Heranführen an den Sinn der Philosophie zu ermöglichen. Aber auch Peter Kampits und Konrad-Liessmann bauten diese Fragestellung in ihren Vorlesungen ein, fragt sie ja grundsätzlich nach dem Sinn von philosophischen Überlegungen.
Vor allem in Verbindung an die Vorstellung von Gerhard Gotz, versuche ich hier meine Vorstellung von Philosophie zu erörtern. Ziel ist es, die Bedeutung der Philosophie in der heutigen Gesellschaft und welche Rolle ihr in Zusammenhang mit den Naturwissenschaften zu kommt zu beschreiben.
Gerhard Gotz ging bei seinen Überlegungen von jener Phrase aus, die so oft im Alltag mit dem Begriff der Philosophie in Verbindung gebracht wird. Dabei ging er auf die umgangssprachliche Verwendung der Aussage „dies ist eine philosophische Frage“ ein und argumentierte, dass der Philosophie oft ein Mangel an Praxis und Brauchbarkeit vorgeworfen wird. Sie wird mit Unwissenschaftlich und subjektiver Ergebnisse assoziiert.
Im Gegensatz zur Philosophie wird die Naturwissenschaft dagegen als realistische Forschung und Bedingung für die weitere Entwicklung des Menschen dargestellt. Weiters führt Gotz aus, dass Religion auf eine „überempirische Welt“ hinaus will, wie aber auch die Philosophie.
Von dieser Fragestellung ausgehend, versucht nun Gotz in seinen weiteren Ausführung auf jene Frage einzugehen, was die Ursache dafür ist, dass der Mensch über die empirische Welt hinaus will. Das Erreichen dieser überempirischen Welt kann nicht durch die Religion erfolgen, sehr wohl aber kann „absolutes“ Wissen durch die Philosophie erreicht werden.
Und genau bei diesem Ansatzpunkt möchte ich einen anderen Weg beschreiten. Seit jeher versucht die traditionelle Philosophie in die Welt einer überempirischen Wahrheit zu gelangen, sie zu beschrieben und zu fassen. In meinen Augen liegt aber die Bedeutung der Philosophie nicht darin, überempirische Tatsachen zu erkennen, sondern im produktiven Verarbeiten von wissenschaftlichen Ergebnissen.
Wie auch von Gotz festgestellt wurde, sollte sich das wissenschaftliche Denken seiner eigenen Beschränktheit bewusst sein. Religionen, wie auch Teile der philosophischen Tradition versuchen sich über diese Beschränktheit des Wissen hinwegzusetzen und Antworten auf jene Fragen zu geben, deren Antwort jenseits der Grenze der Beschränktheit liegen. Das solche Fragestellungen destruktiv sind, sollen meine Ausführung belegen.
Welchen Sinn hat dann aber noch die Philosophie?
Dass die Naturwissenschaft auf alles Antworten geben kann, ist ebenso naiv zu denken, wie zu glauben, dass die Philosophie übersinnliche Fragen beantworten kann.
Zuerst einmal möchte ich festhalten, dass dieses Bewusstsein nicht nur aus der Erkenntnis zu erklären ist, dass alles Wissen unsicher ist, sondern auch aus der Einsicht, dass aus der Wissenschaft zwar wertvolle deskriptive, jedoch keine präskriptiven Sätze hervorgehen.
Das bedeutet, dass die Wissenschaft die Wirklichkeit zwar beschreiben kann, aber auch hier niemals eine endgültige Aussage treffen kann, sie aber nicht vorschreiben kann, wie diese idealerweise aussehen sollte.
Wir können zwar mit der Wissenschaft recht gut erklären und begründen, ob bestimmte Tatsachenbehauptungen wahrscheinlich wahr oder falsch sind, wir können aber aus der Wissenschaft keine Sollens-Sätze bestimmen, wie die Menschenrechte, oder andere ethischen Überlegungen.
Derartige Erklärungen liegen jenseits der Grenzen wissenschaftlicher Überprüfbarkeit. Daher kann die Wissenschaft niemals jene zentrale Fragen beantworten, ja muss sie sogar ausblenden, die in unserem Leben eine derart wichtige Rolle spielen. Als Beispielen können hier ethische Überlegungen angeführt werden, ob eine Handlung getätigt oder nicht werden sollte. Solche Fragestellungen lassen sich naturwissenschaftlich schwer, wenn gar gar nicht beantworten, will man nicht dem bekannten naturalistischen Fehlschluss unterliegen.
Genau diesen Umstand machen sich Religionen zunutze, um auch ihre Existenz in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft zu rechtfertigen. Dass der moderne Mensch einerseits ein vollkommenes Vertrauen in die Wissenschaft aufgebaut hat, dieses aber zwangsläufig enttäuscht werden muss, da sie eben nicht die existenziellen Fragen des Daseins beantworten kann, andererseits somit erneut Ziel religiöser Tendenzen werden kann, muss ein anderer Weg gefunden werden, der jenseits von Wissenschaft und Religion liegt.
Und genau hier gibt es eine fruchtbare weltliche Alternative zur religiösen Sinn- und Moralstiftung: Die Philosophie.
Vor allem den hellenischen Denkern ist es zu verdanken, dass wir nicht nur den Begriff der Philosophie, sondern auch eine Bestimmung der spezifischen Denkhaltung, die dieser Begriff umschreibt.
Philosophie soll nach Wahrheit und Klarheit streben, indem sie scheinbare Gewissheit hinterfragt und etwaige Unstimmigkeiten aufdeckt. Weiters sollen auch alternative Möglichkeiten entwickelt werden, die die Welt in logischer und empirischer Welt begreifen.
Der Künstler versucht seinen Inhalt sinnlich zu gestalten, der Theologe setzt in seinen Überlegungen immer eine metaphysisch begründete Heilsgewissheit voraus.
Durch Aristoteles, der das logische vom mythischen Denken streng trennte, wird der Grundstock für die Entwicklung der modernen Wissenschaften gelegt. Er systematisierte die Philosophie und unterteilte sie in drei große Abteilungen, nämlich der theoretischen, der praktischen und der poietischen Philosophie.
Somit umschloss die Philosophie sämtliche Wissenschaften und ihr selbst fiel als philosophische Kerndisziplin die Aufgabe zu, die theorievermittelte Einheit der unterschiedlichen Disziplinen herzustellen.
Dieses Konzept vollzog jedoch speziell im 19. Jahrhundert einen dramatischen Wandel, denn es begannen sich zunehmend Fachwissenschaften zu verselbstständigen. Der Grund liegt unter anderem in der Tatsache, dass viele empirisch arbeitende Naturwissenschaftler Abneigung gegenüber dem spekulativen Charakter der damals tonangebenden idealistischen Philosophie hatten.
Aber bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben philosophische Strömungen zunehmend an Bedeutung gewonnen, die jene spekulativen Überlegungen sehr kritisch gegenüber standen.
Von besonderer Bedeutung ist hier wohl der Wiener Kreis, der unter der Führung von Moritz Schlick, Rudolf Carnap, Kurt Gödel, Friedrich Waismann, Otto Neurath etc. einen sogenannten logischen Empirismus vertrat. Diese Überlegungen richten sich vor allem gegen Forschungsprogramme, wie sie etwa in der Transzendentalphilosophie des Neukantianismus vertreten wurde.
Aber auch bei Friedrich Nietzsche, Theodor W. Adorno, Martin Heidegger und Philosophen der Postmoderne wie Michel Foucault, Emmanuel Levinas oder Jacques Derrida werden die methodischen Grundlagen traditioneller metaphysischer Erklärungen kritisiert.
In den letzten Jahrzehnten haben sich Wissenschaft und Philosophie daher wieder mit großen Schritten aufeinander zu bewegt. Philosophen versuchen sich zunehmend mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung auseinander zusetzten. Aber auch empirisch forschende Wissenschaftler wie die Hirnforscher Roth, oder Singer haben sich auf das Gebiet der Philosophie vor gewagt.
Aus dieser Tradition heraus, hat sich wohl die dominierende Debatte zur Philosophie des Geistes entwickelt. Dies ist wohl einer der spannendsten Themen in der Philosophie der Gegenwart, gibt es nicht ein breites Spektrum an Denker, die den traditionellen Dualismus von Geist und Körper aufzuheben versuchen. Ausschlaggebend sind hier wohl die Erkenntnisse der modernen Neurowissenschaft, die das klassisch-philosophische Bild des Menschen grundlegend revidieren.
Aber neben dieser dominierenden Debatte zur Philosophie des Geistes haben sich auch andere Bereiche aufgetan, in denen die Philosophie eine immer wesentlichere Rolle spielt. Erwähnt sei hier vor allem die Ethik, die sich wiederum in einzelne Bereiche gliedert wie der Umweltethik, Bioethik oder der Technikethik, für die es mittlerweile bereits eigene Lehrstühle (vor allem in Deutschland) gibt. Auch erwähnt sollten Bereiche wie die Kulturphilosophie, die Philosophische Anthropologie oder die Medienphilosophie sein.
Ein interessantes Spektrum ist wohl auch die Interkulturelle Philosophie, die einen Austausch mit Vertretern anderer Kulturkreise, wie dem islamischen, asiatischen und afrikanischen Kulturkreis sucht und einen interkulturellen Austausch ermöglichen will, abseits von politischen Ideologien.
Man kann erkennen, dass die Philosophie längst eine wichtigere Rolle spielen sollte, auch wenn sich dessen viele Leute nicht bewusst sind. Jene Felder, die hier aufgezeigt werden, lassen sich nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse beantworten und sollten auch nicht religiösen, oder politischen Ideologien überlassen werden, deren einziges Ziel, die Verbreitung und Bestätigung der eigenen Ideen ist. Kritisches Hinterfragen der eigenen Denkmuster spielt hier oft nur eine untergeordnete Bedeutung, wenn es überhaupt erst in Erwägung gezogen wird.
Hier sollte aber auch erwähnt sein, dass dem philosophischen Denken längst nicht jene Bedeutung zukommt, das ihm eigentlich gebührt. Der Grund lässt sich wohl nicht so einfach in einem Satz erklären, spielen dabei mehrere Variablen eine Bedeutung.
Ein wichtiger Aspekt ist wohl die zunehmende Verwirtschaftlichung des universitären Raums. Philosophie zählt oft nur zu jenen Orchideenfächern, deren Bedeutung unterschätzt und lächerlich gemacht wird. „Ausbildung statt Bildung“ scheint das tonangebende Sprichwort zu sein. Nicht der Inhalt und die Entwicklung eines kritischen Denkens scheint Ziel der universitären Ausbildung zu sein, sondern lediglich jene Fähigkeiten, die im wirtschaftlichen Sinn produktiv verarbeitet werden können.
Das Studium soll schnell und praxisorientiert absolviert werden und am Ende soll eine Student, oder eine Studentin zur Verfügung stehen, die so schnell wie möglich in den wirtschaftlichen Kreislauf eingebunden werden kann, um einen wirtschaftlichen Ertrag zu erbringen.
Das sich die Philosophie aber längst nicht einfach unter geisteswissenschaftliche Studiengänge einordnen lassen kann, sondern entgegen dem alltäglichen Spekulationen sehr wohl eine praxisorientierte Bedeutung vorzuweisen hat, habe ich bereits aufzuzeigen versucht.
Damit sie aber wieder an Bedeutung gewinnen kann und sich in jene Felder einbringen kann, in denen sie ein wichtigen Multiplikator spielen sollte, muss die traditionelle Philosophie kritisch überdacht werden und jene spekulativen Charakter von sich schütteln, der an ihr noch angeheftet ist. Philosophen sollten sich nicht scheuen, moderne Fragen aus den Naturwissenschaften aufzugreifen und sie gegebenenfalls zu beantworten, sich dabei jedoch nicht in spekulative Überlegungen zu verlaufen.
Zum einen ist es nämlich evident, dass die Philosophie der wissenschaftlicher Erkenntnisse bedarf, da sie sonst in eine haltlose und gehaltlose Spekulation abzudriften droht. Aber andererseits ist es mitunter genau so notwendig, wissenschaftliche Erkenntnisse philosophisch zu „verarbeiten“, da sie sonst lediglich zusammenhanglose Ergebnisse liefert.
Da wie bereits erwähnt Religion lediglich Überlegungen auf der Basis von metaphysischen Spekulation erbringen kann und die Wissenschaft nicht in der Lage ist, ihre Ergebnisse auch gesellschaftsrelevant zu gestalten, ist es gerade die Aufgabe der Philosophie, auf spekulative Überlegungen zu verzichten und wissenschaftliche Ergebnisse in Form von logischen Überlegungen zu verarbeiten.
Gerade in der modernen Gesellschaft ist es ein evidentes Problem, dass die ohnehin vorhandene Aufspaltung der Wissenschaft ein quantitativ imposantes, aber qualitativ impotentes Wissen erzeugt hat. Daher brauchen wir neben der fachwissenschaftlichen Spezialisierung eine philosophische Spezialisierung auf den Zusammenhang. Da das philosophische Denken von seiner Methodik her große Übereinstimmungen zum wissenschaftlichen Denken aufweist, bietet es sich als ideale Ergänzung der wissenschaftlichen Forschung an. Mithilfe einer rationalen, den aktuellen Forschungsstand berücksichtigenden Philosophie kann ein beachtlicher Teil jener kulturellen Lücke geschlossen werden, die die Wissenschaft aufgrund ihrer methodischen Selbstbeschränkung nicht abdecken kann.
Genau diese Fragestellung und die Vorstellung einer modernen Philosophie, haben mich dazu veranlasst, dass ich dieses Fach zu studieren beginne. In der Philosophie steckt eine enormes Potential, das viel zu oft unterschätzt wird. Dabei ist es in meinen Augen aber auch evident, spekulative Überlegungen beiseite zu schieben und daher wissenschaftliche Ergebnisse logisch zu verarbeiten und gesellschaftsrelevant zu gestalten.
Christoph Altenburger