410c-412a (PSI): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 23. März 2009, 23:37 Uhr

[410c] "Merkst du nicht, in welchem Geisteszustand sich ein Menshc befindet, der sein Leben lang sich nur mit Gymnastik beschäftigt, ohne an die musische Bildung zu streifen? Und wie es bei umgekehrtem Verhältnis ist?"

[d] "Was meinst du damit?"
"Ich meine die Wildheit und Härte und andererseits die Schlaffheit und Nachsicht."
"Das bemerke auch ich: Wer sich nur der Gymnastik verschreibt, wird über das Maß wild, wer sich nur geistig bildet, schlaffer, als für ihn gut ist."
"Diese Wildheit nun erwächst aus dem mutvollen Teil der Naturanlage; bei richtiger Erziehung wird dieser tapfer, bei einer übers Maß gehenden Anspannung hartz und ungestüm - wie es offenbar ist."
"Das glaube ich auch!"
[e] "Doch weiter! Weichlichkeit erwächst aus der philosophischen Anlage; läßt man dieser freien Lauf, wird sie übers Maß hinaus umso schlaffer, bei guter Erziehung aber entschlossen und maßvoll."
"So ist es!"
"Die Wächter müssen doch nach unserer Meinung beide Naturanlagen gemeinsam besitzen, nicht?"
"Allerdings!"
"Also müssen die Anlagen aufeinander abgestimmt sein?"
"Natürlich!"
"Dann ist die Seele eines solchen Menschen besonnen und tapfer?"
[411a]"Ja!"
"Die Seele eines unharmonischen Menschen aber feige und roh?"
"Gewiß!"
"Wenn also jemand der Musenkunst gestattet, seine Seele mit Flötenklang zu bezaubern und durch die Ohren wie durch einen Trichter die süßen und weichen und klagenden Harmonien einzugießen, und wenn er sein ganzes leben klagend oder berückt von dem Gesang verbringt, dann hat er zunächst seinen mutvollen Seelenteil, [b] soweit er ihn besessen, wie ein Eisen erweicht und aus einem spröden und unbrauchbaren zu einem brauchbaren umgeformt; hört er aber mit dem Eingießen nicht auf, sondern bezaubert ihn weiter, dann läßt er ihn schon zergehen und zerschmelzen, bis er allen Mut herausgeschmolzen und gleichsam die Sehnen aus der Seele herausgeschnitten und einen 'weichlichen Streiter' geschaffen hat."
"Sehr gut!"
"Hatte er nun", so setzte ich fort, "von allem Anfang an und von Natur aus eine mutlose Seele, so ist er bald am Ziel; hatte er eine mutvolle Seele, so macht er den Mut durch die Schwächung reizbar, [c] so daß er aus geringer Ursache aufbraust und rasch sich wieder beruhigt. Statt mutig, werden solche Leute jähzornig und heftig, voll Ungenießbarkeit."
"Genau so!"
"Wie nun, wenn er viel Gymnastik betreibt und es sich wohl ergehen läßt, an Musik und Philosophie aber nicht rührt? Zunächst fühlt er sich körperlich wohl, ist voll Selbstvertrauen und Mut und wird männlicher als zuvor, nicht?"
"Ganz richtig!"
"Und wenn er nun nichts anderes tut und sich niemals der Muse weiht? [d] Wenn auch in seiner Seele ein Bildungstrieb gewohnt hat, muß er doch schwach und taub und blind werden, da er nie an einer Wissenschaft oder Forschung gekostet hat, nie teilnimmt an ernstem Gespräch oder sonstiger geistiger Bildung, und somit niemals geweckt und geformt wird und seine Wahrnehmungen niemals geläutert werden!"
"Allerdings!"
"Ein Feind des Geistes wird er und ein Mann ohne Bildung; er gebraucht nicht mehr die Überzeugungskraft der Worte, [e] sondern geht mit wilder Gewalt an alles heran wie ein Stier: so lebt er ungebildet und unbeholfen, ohne Harmonie und Anmut."
"Ganz so ist es!"
"Für diese beiden Anlagen gab, so glaube ich, ein Gott dem Menschen die zwei Künste der Musik und der Gymnastik, für das Mutvolle und das Geistige in ihm, nicht für die Seele und den Leib getrennt, oder doch nur nebenbei, sondern für beide Anlagen gemeinsam, [412a] damit sie in maßvoller Spannung und Lockerung zur Harmonie zusammenklingen."