3. Pädagogische Führung - K.L.I.M.A. & Co

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Einleitung

Die vorliegende Arbeit/Seite beschäftigt sich mit einem moderneren Zugang zum Thema Führungsstile oder Führungsstrategien. K.L.I.M.A. ist ein Versuch, sich vom veralteten Model einer bürokratischen oder autoritären Führung zu verabschieden und den Weg zu einer partizipativen, pädagogischen Führung zu beschreiten. Verschiedene Autoren, die im Einzelnen in Kapitel 4 Erwähnung finden, beschäftigten sich in ihren Arbeiten und Werken mit diesen neuen Formen der Führung bereits seit den 80ern und lieferten Anstoß und Anregung für dieses neuere Modell, das hauptsächlich in Hinblick auf seine Bedeutung für die Qualität von Schulen beschrieben wird.

Nachdem die Notwendigkeit einer guten Führung, ihr Zusammenhang mit einer schulischen bzw. schülerbezogenen Leistungssteigerung erläutert wird, sollen die fünf Strategien im Einzelnen dargestellt werden. Um einen besseren Überblick zu schaffen, werden die sich aus diesem Konzept ergebenden Verhaltensmuster herausgefiltert und zusammengefasst. Anschließend wird die Messbarkeit von Führungsqualität besprochen.

Ein besonderes Interesse liegt des Weiteren im außerschulischen, nicht wirtschaftlichen Bereich. Welche Bedeutung hat dieses Konzept in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit? Es kann angenommen werden, dass es nicht nur in Schulen, im Verwaltungswesen, in der Wirtschaft oder etwa im Gesundheitswesen von Vorteil ist, sondern generell in allen Bereichen, wo es von Nöten ist, mit Menschen gemeinsam in einem Team zu arbeiten. Hier soll der Blick speziell auf die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit in Wien gerichtet werden. Am Beispiel des Verein Wiener Jugendzentren (VJZ) soll dies näher betrachtet werden. Da es momentan kein eigenes ‚Anforderungsprofil’ für Hausleiter im Verein gibt, wird ein Bogen von den Qualitätskriterien von Schulen zu den Qualitätsmerkmalen des VJZ gespannt.

Die Notwendigkeit einer Führung

Es scheint plausibel, dass eine gute Führung für einen gut laufenden Betrieb von Nöten ist. Dass darüber hinaus eine Führungskraft für die Qualität einer Schule und für die Leistungssteigerung des Unterrichts als Voraussetzung gesehen werden kann, wird leicht übersehen.

Welche Bedeutung hat nun eine pädagogische Führung für die Qualität einer Schule? „Schulqualität lasst sich durch eine partizipative und kooperative Führung in höherem Ausmaß erreichen, als durch einen Verzicht auf Führung, d.h. ein Laissez-Faire-Verhalten, und auch durch eine autoritäre, diktatorische Führung.“ (Bessoth 1990, 7) Anhand eines Synergie-Konzeptes erklärt Bessoth, wieso die Leistungen einer Schule gerade im Bereich einer partizipativen Führung höher sind. Als Synergie bezeichnet er „die Kraftstärke einer Organisation“ (ebd., 7). Sie wird stärker dadurch, dass alle TeilnehmerInnen die ausgesprochenen und vereinbarten Ideale und Ziele wirklich in ihren Handlungen verfolgen. Es ist mehr als die bloße Verpflichtung gegenüber diesen Werten vorhanden. Werden Ziele gemeinsam getragen und gemeinsam durch Initiativen verfolgt, führt dies zu einer höheren Synergie in der Schule. Auch wenn nicht alle Beteiligten eine vollständige Übereinstimmung ihrer Handlungen erreichen, fließen die eingesetzten Kräfte zumindest in dieselbe Richtung, dies zeugt ein System mit einer hohen Effektivität. (Abb. 1) Beim Laisez-Faire-Verhalten fließen die Energien der einzelnen Aktivitäten in unterschiedliche Richtungen. Eine Übereinstimmung, eine hohe Gesamtleistung lässt sich kaum erreichen. (Abb. 2) Durch eine autoritäre Führung lassen sich zwar unter Druck einige Mitläufer und wenige Aktive finden, doch wird die Anzahl der Widerstände mit der Zeit wachsen, und das Personal in die entgegen gesetzte Richtung arbeiten. (Abb. 3) (Vgl. Bessoth 1990)




Abb. 1




Abb. 2




Abb. 3


„In der Wirtschaft wie in den Schulsystemen stellt man fest, dass es einen Überfluss an Vorgesetzten, aber einen Mangel an echten Führungskräften gibt.“ (Bessoth 2003a, 122) In vielen Bereichen wurde und wird festgestellt, dass Organisationssysteme optimiert werden können. Um- und Neustrukturierungen in den unterschiedlichsten Sparten zeugen davon. Zum einen sind einige Posten unnötig, „in der Wirtschaft war er so groß, dass man […] ganze Führungsetagen streichen könnte“ (ebd., 122), zum anderen sind Positionen von Personen vertreten, „die man nicht as Führungskräfte bezeichnen würde“ (ebd., 122). Vor allem im Schulwesen werden Direktorenposten nachbesetzt, ohne ihnen eine zum Ziel führende Vorbereitung und Einschulung zu bieten, bzw. passiert die Auswahl nach politischen und unsachgemäßen Gesichtspunkten. Wie solche Personen ihre Führungsaufgaben dann wahrnehmen, bleibt dem persönlichen Geschick und den LehrerInnen überlassen.

Nach Bessoth ist eine Schule ohne eine kompetente Führung nicht fähig, eine gute Gesamtleistung zu erbringen. Eine partizipativ, kooperativ geführte Schule ist leistungsfähiger und kann sogar zu besseren Lernerfolgen bei SchülerInnen führen.

Zusammenhang einer guten Führung und Leistungssteigerung bei SchülerInnen

In der angeführten Literatur wird darauf hingewiesen, „die vor allem in der PISA Studie festgestellte Leistungsfähigkeit der deutschen Schülerinnen und Schüler lässt sich auch damit erklären, dass es den meisten Schulen an echter Führung fehlt“ (ebd., 122).

Das bereits beschriebene Synergie-Konzept erklärt, warum eine Schule unter einer pädagogisch, partizipativen Führung eher eine Steigerung der Effektivität zu verzeichnen hat. „Die Energiefreisetzung äußert sich in hohen Lernerfolgen der Schüler, die aber nicht mit kognitiven Lernerfolgen gleichgesetzt werden dürfen.“ (Bessoth 1990, 9) Die Übereinkünfte der MitarbeiterInnen richten sich nach den Erziehungs- und Bildungszielen oder Lernzielen, „nach dem gemeinsamen Verständnis des pädagogischen Verantwortungsbereichs„ (ebd., 9). Man zieht an einem Strang und vermittelt den SchülerInnen ein stimmiges Bild.

Unterrichts- und Erziehungsziele müssen hierbei in einem Kollegium ausdiskutiert und von der Mehrheit akzeptiert werden. Bei der Schaffung dieser Basis ist die Schulleitung insbesondere durch ihr Verhalten gefragt. In einer Validierungsstudie, bei der sowohl die pädagogische Führung, der Einfluss des Elternhauses und die Sprachkompetenz berücksichtigt wurden, kam man zu dem Ergebnis, dass hohe Lernleistungen der SchülerInnen unter bestimmten Verhaltensweisen der Leitungen zu erwarten sind. Zu diesen Verhaltenskomplexen gehört die Kraft zur Schulgestaltung. Hierzu zählen Anstrengungen zur Richtungs- und Sinnfindung. Als Hintergrundfaktor beeinflusst die Kraft zur Schulgestaltung das Schulklima und wird über die Unterrichtsorganisation als Ursachenfaktoren vermittelt. Schulleistung kann somit als Wirkungsfaktor bzw. als Indikator von Schulqualität verstanden werden. (Vgl. Bessoth 1990)

Auch im angelsächsischen Sprachraum beschäftigt man sich mit dem Zusammenhang von ‚distributet leadership’, ein Ansatz, der dem K.L.I.M.A.-Konzept sehr ähnlich zu sein scheint, und ‚school improvement’. „The potential of leadership is present in the flow of activities in which a set of organization members find themselves enmeshed“. (Gronn, zit. in Harris 2005, 257) Es geht also um eine Führungsstrategie, die sich durch eine Beteiligung von Mitgliedern/KollegInnen zeigt. ‚Distributed leadership’ als eine „practice distributed over leaders, followers and their situation and incorporates the activities of multiple groups of individuals“ (Spillane, zit. in Harris 2005, 257), meint ebenso Führungskompetenzen, die auf eine Anzahl von Individuen, also auf mehrere Verantwortliche aufgeteilt sind. Dieser Ansatz konzentriert sich auf die Verteilung der Führungsverantwortlichkeiten auf formale und informale Leiter und schließt den Gedanken eines Netzwerkes und einer gemeinsamen Aktivität mit ein. Die „Mobilisierung von Kenntnissen, Fertigkeiten, Anreizen, Ressourcen und Leistungsvermögen in Schulen oder Schulsystemen“ (Harris 2005, 255) soll zur Steigerung der Lernleistung der SchülerInnen führen.

Erfolgreichere Schulen sind gekennzeichnet durch eine größere Übereinstimmung von Werten, Normen und dem Verhalten von der Leitung und den LehrerInnen, von einem guten Klima. Lernerfolge von SchülerInnen verbessern sich unter solchen Bedingungen. Wie die Faktoren, Verhaltensweisen und Besonderheiten im Detail bei der pädagogischen Führung aussehen, wird im nächsten Kapitel untersucht.



K.L.I.M.A. – Fünf Strategien, die alle ins Boot bringenene

Richard Bessoth beschäftigt sich in seinem Artikel „K.L.I.M.A.: Fünf Führungsstrategien die alles ins Boot bringen“ mit ‚neueren’, moderneren Führungskonzepten, die vor allem zur Verbesserung von Schulsystemen dienen sollen. In seiner Analyse und Beschreibung einer „partizipativen Führung“ (Bessoth 2003a, 122) zieht er immer wieder Vergleiche zu Bereichen der Wirtschaft und stellt, wie bereits erwähnt, einen Zusammenhang zwischen der Art, wie eine Schule geführt wird, dem Schulklima und den Leistungsergebnissen der SchülerInnen her.

Es scheint wichtig, zu betonen, dass sich Führungskonzepte mit der Zeit einem großzügigen Wandel unterworfen haben. Hört man den Begriff Führungsstil, vorausgesetzt man hat sich mit dieser Thematik noch nicht sehr detailliert auseinandergesetzt, sind die ersten Assoziationen wahrscheinlich verbunden mit den Klassikern wie den Laissez-Fair-Stil oder etwa der Autoritären Führung. „In der heutigen Zeit sind ‚Führungsrezepte’ aus der Vergangenheit zum Scheitern verurteilt.“ (Ebd., 122) Von vielen Autoren wurde erkannt, dass alte Strategien und Konzepte in der heutigen Zeit überholt sind. Bessoth geht noch einen Schritt weiter und sieht sogar ihre Voraussetzung als nicht mehr gegeben, im Gegenzug dazu sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für modernere Ansätze bereits vorhanden.

Durch die Erkenntnis, dass sich in sämtlichen Bereichen, angefangen bei der Wirtschaft bis hin zu Schulen, die Erwartungen und Anforderungen an eine gute Führung veränderten, fordert Bessoth die Streichung des autoritären Führungsparadigmas und den Ersatz durch ein modernes Konzept, das „das Überleben in unseren chaotischen und höchst anspruchsvollen Zeiten sichern hilft“ (ebd., 122).

Verschiedene Autoren, auf die sich Bessoth zum Teil bezieht, haben schon vor einiger Zeit Anregungen für ein neues Denken im Bereich der Führung erbracht. Beispielsweise seien hier Tom Peters und Robert H. Waterman erwähnt, die mit ihrem Buch „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ (1983) vor allem im Bereich des Managements forschten. Auch Warren Bennis und Burt Nanus waren mit der Beschreibung des Verhaltens von erfolgreichen Manager und Managerinnen in diesem Bereich tätig. Ihr Buch „Führungskräfte: Vier Schlüsselstrategien erfolgreichen Führens“ erschien 1985. Ein weiterer wohl wichtiger Autor ist Fredmund Malik, der mit seinem Bestseller „Führen – Leisten – Leben: Wirksames Management für eine neue Zeit“ (2000) die vielen Führungskräfte der mittleren und unteren Ebenen im Blickfeld hatte. Ihm ging es weniger um Charisma, dafür mehr um Ergebnisorientiertheit und Ergebnissicherung.

Horst Bergmann, Kathleen Hurson und Darlene Russ-Eft lieferten mit „Everyone a Leader. A Grassroots Model for the New Workplace“ (1999) das vorliegende K.L.I.M.A.-Konzept. In einer Studie wurden die Verhaltensweisen von Führungskräften, ebenso wie bei Malik, der unteren Ebenen untersucht. Aus den Ergebnissen wurden Leitsätze oder Grundsätze entwickelt, die ebenso als Führungsstrategien bezeichnet werden können. (Vgl. Bessoth 2003a)

In diesem neuen K.L.I.M.A.-Konzept können auch fünf Gedanken gesehen werden, die die neuen, in unserer Zeit geforderten Werte und Normen zur Sprache bringen. Das bis dato bürokratisch geprägte oder autoritäre Führungsparadigma kann so nach Bessoth in eine Art Qualitätsparadigma verwandelt werden. Schulen, die auf diese Weise geführt und gemanagt, also nicht bloß verwaltet werden, können so aus ihren Leistungstiefs herauskommen und schließlich und endlich zu attraktiven und guten Schulen werden, die nicht nur Eltern oder Wirtschaft ansprechen, sondern auch Schüler als ihr wichtigstes Klientel mit einbeziehen. Ein weiterer erwähnenswerter und vor allem wichtiger Punkt ist die Ansicht, dass Führung sich nicht auf das Oberhaupt einer Firma oder Schule bezieht, sondern alle beteiligten Personen betrifft und fordert, dass „[…] in einer modernen Schule jede bzw. jeder ein Führer sein kann oder sein soll“ (Bessoth 2003a, 123). Es geht also darum, auch Personen mit einzubeziehen, die nicht unmittelbar formale Leitungsaufgaben innehaben. „Wenn Lehrende viele Aufgaben nicht übernehmen würden, würden sie nicht erledigt.“ (Ebd., 123)

Der Begriff K.L.I.M.A. ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Strategien. Diese Leitgedanken können ihrerseits wieder in Unterpunkt unterteilt werden und beinhalten Werte und Haltungen, die es ermöglichen, sich von herkömmlichen, veralteten Modellen zu verabschieden und neue Wege zu gehen, sowie konkrete Verhaltensmuster, die als Anleitungen zur Verwirklichung und Erreichung der neuen Sichtweisen gesehen werden können.

Kreiere eine fesselnde Zukunft

Bei anderen Autoren heißt diese Strategie „Mit einer Vision Aufmerksamkeit erzielen“ (Vgl. Bennis, Nanus 1985) oder „Beitrag zum Ganzen“ (Vgl. Malik 2000). Bei diesem Grundgedanken geht es darum, so viele Mitarbeiter wie möglich zu erreichen. „Sie wird hier sogar bis auf die Ebene der Lehrenden, die über keinerlei formale Autorität verfügen, aber faktisch Führungsaufgaben wahrnehmen, getrieben.“ (Bessoth 2003a, 123)

Mit dem Hinwenden zu spannenden Zielen, die es gilt zu erreichen, wird der Blick weg von Problemen und hin zu Neuem gewendet. Das Kräfte zehrende Festhalten an Problemen, die unlösbar scheinen, wird so umgangen und es werden neue Energien freigesetzt, um aus dieser negativen Spirale auszutreten. „Der Problemlösungs-Ansatz schafft […] mehr Probleme als er löst. (Ebd., 123) Hält man den Fokus auf Probleme und Unstimmigkeiten am System, kann es leicht zu einer negativen Dynamik kommen. Verteidigungshaltungen, Machtkämpfe, Misstrauen, feindselige Konkurrenz und unkonstruktive Beziehungen sind das Ergebnis. Ein vorteilhaftes und geglücktes Miteinander, das ziehen an einem Strang hat kaum eine Chance. „Der Aufbau einer Vision bietet dann gewissermaßen einen Ausweg aus der Sackgasse […].“ (Ebd., 123) Dies bedeutet nicht, dass keine Probleme, die gelöst werden müssen, mehr auftreten bzw. dass solche übersehen werden. Es geht schlicht weg darum, ihnen nicht mehr die Aufmerksamkeit und Energie zu schenken, die sie ins Zentrum des Geschehens rücken. Sie haben einen geringeren Stellenwert als die Vision, als die fesselnde Zukunft.

Ist einmal klar gestellt, wohin eine Schule, wohin ein Team will, und kann sich auch die Mehrzahl der Beteiligten diesem Ideal anschließen, dann kann diese Vorstellung zu Höchstleistungen antreiben. Eine Technik, um an einen gemeinsamen Gedanken zu gelangen, ist die Zukunftskonferenz, die von Wolfgang Nather (1995, 1999) bzw. Rita Haller (1999) beschrieben wurde. Zwei Beispiele für eine Formulierung einer solchen Vision wären: „Unsere Schule wird ein Ort sein, der sich durch Humanität, Selbstverpflichtung, Unterstützung und hohen Zusammenhalt auszeichnet, und die sowohl die Kunden (Schülerinnen und Schüler) wie auch das Lehrerkollegium als verantwortungsvolle Individuen behandelt.“ „Wir gehen aus der Schule heraus, um mit allen Gemeinschaften und Gruppen gut zu kommunizieren, gute Beziehungen aufzubauen und die vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Diese Gemeinschaften werden durch schulische Programme und Dienstleistungen unterstützt.“ (Bessoth 2003a, 124) Hier handelt es sich um ziemlich allgemein gehaltene Ziele, zweifelsfrei könnten sie auch konkreter und spezifischer formuliert werden. Dennoch zeigen sie, dass es etwas gibt, worauf sich jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin konzentrieren und seine Handlungen darauf abstimmen kann. Es wird allen möglich, einen individuellen Beitrag zum Ganzen zu liefern und die Vision voranzutreiben.

Vier Verhaltensweisen, die Führungskräfte anwenden sind: - Sie helfen anderen, für sich selbst eine Zukunft zu entwerfen. - Sie navigieren durch unvermeidliche Höhen und Tiefen bei diesem Prozess. - Sie fürchten sich nicht davor, bei der Umsetzung notwendige Anpassungen vorzunehmen. - Sie finden einen Weg, ihren Optimismus beizubehalten. (Bergmann 1999, zit. in: Bessoth 2003a, 123)


Lass die Lernenden (Kunden) die Schule antreiben

Den Kunden ins Zentrum seiner Gedanken zu stellen, ist in modernen Managementkonzepten selbstverständlich geworden. Auch die oben angeführte Vision muss auf den Kunden angepasst werden, „auf die Leistungen einer Schule für ihre hauptsächlichen Kunden fokussieren“ (Bessoth 2003a, 124). Zum Mittelpunkt der Tätigkeit einer Schule zählt eindeutig „das Fördern des Lernens und der Persönlichkeiten ihrer Kunden“ (ebd., 124). Der Erfolg der LehrerInnen hängt aber nicht allein von ihnen selbst ab. Sie sind auf das Mittun und Mitgestalten, auf die Aktivität der SchülerInnen angewiesen. Die Lernenden werden somit zu Koproduzenten. Dass „nicht die Aktivitäten der Lehrenden an der Schule wichtig sind, sondern nur das, was bei den Kunden ankommt, was die Lernenden also als Lernerfolge demonstrieren können“ (ebd., 124), wurde schon von der konstruktivistischen Lerntheorie erkannt.

Schülerorientierung wird somit zur Voraussetzung von Lernerfolgen. Das viel diskutierte Konzept des schülerorientierten Unterrichts verkörpert diesen Ansatz zwar, wird aber nach Bessoth viel zu wenig in die Praxis umgesetzt. Das Handeln im Interesse des Kunden bringt ein gutes Unterrichtsklima, sprich eine hohe Akzeptanz des Lehrenden durch die Lernenden, mit sich. Klassen mit einem guten Unterrichtsklima können bessere Lernerfolge verzeichnen. „Kunden-/Schülerorientierung zahlt sich durch bessere Lernleistungen aus.“ (Ebd., 124)

In der Wirtschaft heißt es: Die Kunden sind der Existenzgrund jeder Organisation. „Als wichtigste Mittel sieht Peters an: Spezialisieren, Nischen schaffen, differenzieren.“ (Ebd., 124) Bessoth bringt diese Ansprüche aus dem wirtschaftlichen Bereich mit Forderungen der Schulgesetze, die in Schulprogrammen und –profilen zum Ausdruck kommen sollen, in Verbindung.

Fünf Faktoren haben Wert erhöhende Qualität. Angeboten/Erzielt werden soll: - Die gewünschte Qualität - Hervorragender Service, mit Betonung von immaterielle Werten - Große Reaktionsfähigkeit - Internationalist sein - Einmaligkeit (Vgl. Bessoth 2003a) Spitzenqualität ist nicht nur für die betreffende Schule hilfreich, sie erleichtert auch den Eltern und SchülerInnen die Auswahl. Unterricht kann durchaus als Service verstanden werden. Erziehungsaufgaben richten sich nach wie vor auf immaterielle Werte wie Selbständigkeit, Toleranz, Hilfsbereitschaft etc. In unserer schnelllebigen Gesellschaft verändern sich auch die Bedingungen rasch, unter denen die SchülerInnen leben. Der Unterrichtssektor muss rasch reagieren können, um für sein Klientel am Ball der Zeit zu bleiben. Und im Angesicht des Internets und der gesteigerten Mobilität wird es auch für Schulen wichtig, den Blick über den eigenen Tellerrand zu heben. Einmaligkeiten können durch Projekte geschaffen werden, so kann das festgelegte Schulprofil erreicht werden.

Zwei Handlungsgrundsätze sind von Bedeutung: - Leidenschaftliche zuhören können. - Aus der Fertigung eine Marketingwaffe machen. Kundenwünsche erfährt man in der Regel nur durch Hinhören auf unterschiedliche Quellen, in diesem Fall auf die SchülerInnen, auf Eltern und gegebenenfalls auf Wirtschaftsbetriebe. Wird Unterricht als Fertigung gesehen, kann auch dieser, wahrscheinlich aus dem Management bzw. der Wirtschaft kommende Satz, positiv gedeutet werden. Eine hohe Unterrichtsqualität ist das beste Argument, um Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder auf diese und keine andere Schule zu schicken. (Vgl. Bessoth 2003a)

Ein Nebenprodukt der Schülerorientierung ist, dass „der Fokus auf das gerichtet wird, was in der Schule erreicht werden soll, nämlich die Heranbildung von lebenstüchtigen Menschen“ (Bessoth 2003a, 125). Schulleitungen haben die Aufgabe, zu wissen was an ihrer Schule geleistet wird, es kommt auf die Resultate an, auf das „Erreichen von Zielen und Erfüllen von Aufgaben“ (Mallik 2000, 73, zit. in: Bessoth 2003a, 125). Hier kommt auch wieder eine bereits genannte Strategie zu tragen. Mit dem Blick auf Resultate richten Führungskräfte ihre Energien nicht auf Probleme und Dinge, die nicht zu bewältigen sind, sondern auf jenes, das durchzuführen ist.

Um ein produktives Organisationsklima zu erreichen, müssen Leiter neben den externen Kunden auch auf die internen, innerbetrieblichen Strukturen achten. Die Lehrenden müssen gut arbeiten können, es muss geklärt werden, welche Erwartungen zu erfüllen sind. In diesem Rahmen ergeben sich für die Führungskräfte Serviceaufgaben, wie beispielsweise Erleichterung bei Verwaltungsaufgaben, leichter Zugang zu Unterrichtsmedien und gut ausgestattete Klassenraume, die sie für die internen Kunden, die Lehrenden, zu erfüllen haben. Durch folgende Verhaltensweisen lässt sich dies verwirklichen: - Einsatz für die Lernenden, - Kundenservice im eigenen Verhalten, - Unermüdlichkeit in der Unterstützung der Kunden. (Vgl. Bessoth 2003a)


Involviere jeden verfügbaren Kopf

Hier geht es um das Potential, das jede(r) Beteiligte mit sich bringt. Das K.L.I.M.A.-Konzept funktioniert nur unter der Voraussetzung einer offenen, fließenden Kommunikation. Führende haben die Aufgabe, die Kommunikation zu beobachten und zu gestalten. Folgende Kompetenzen sind dabei wesentlich: - Unterstützung der individuellen Arbeit, - Unterstützung von Teams, - Informationen weitergeben und teilen, - Problemlösende Entscheidungen treffen. (Vgl. Bessoth 2003a) An diesen Verhaltensmustern wird deutlich, dass die Beteiligten sehr wohl Unterstützung wünschen, es aber essentiell wichtig ist, Informationen ungefiltert weitergeleitet und gegebenenfalls Probleme, die die Arbeit behindern, von übergeordneten Stellen beseitigt zu bekommen.

Als Basiskompetenzen können somit nach Bessoth (2003a, 126) - Aktives Zuhören, - Ungefiltertes Weitergeben von Informationen, - Coachen von Verbündeten, - Anerkennen von Leistungen und Geben von Feedback, sowie - Geduld und Beständigkeit zusammengefasst werden. Hinzu kommt die Pflicht, die Stärken der Verbündeten herauszufinden. Analog zum Fokus der Vision ist es hier wichtig, sich nicht an den Schwächen der MitarbeiterInnen zu orientieren, sondern den Blick auf ihre Stärken zu richten. Die Talente, die ein Mensch beherrscht, sollten im Wesentlichen damit übereinstimmen, was er als seine Aufgaben bezeichnen kann.

Manage die Arbeit horizontal

Horizontales Arbeiten beinhaltet das Niederbrechen der Barrieren, die sich in einem bürokratischen System ergeben. Prozessdenken steht gegenüber Zuständigkeitsdenken im Vordergrund.

Bergman et al (1999, zit. in: Bessoth 2003a) geben hierzu folgende Aufgabengebiete an: - Abteilungsübergreifendes Managen, - Zeigen von technischen/operativen Fähigkeiten, - Managen von Projekten, - Managen von Zeit und Ressourcen. Da dies sehr allgemein gehalten ist, versucht Bessoth die Erkenntnis, auf die diese Bereiche aufbauen, zu klären. Er vertritt die Annahme, dass die Leistung und Wirksamkeit einer Organisation gesteigert werden kann, indem die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen verbessert wird, zugleich aber eingestanden wird, dass diese Aufgabe sehr frustrierend sein kann. (Vgl. Bessoth 2003a) Es fordert Mut und Engagement, die unsichtbaren Barrieren zwischen den Abteilungen, Klassen und Fachbereichen zu überwinden.

Selbst in hierarchisch organisierten Betrieben, laufen die „eigentlichen Wertschöpfungsprozesse horizontal“ (Bessoth 2003a, 126) ab. Fachübergreifende Projekte bieten mehr Lernfläche und tragen mehr zum Lernerfolg der SchülerInnen bei, da er erlebnisreicher und anspruchsvoller ist als der oft als langweilig empfundene Fachunterricht. (Vgl. Bessoth 2003a)

Verhaltensmuster, die eine gute Führung bei dieser Strategie an den Tag legen sollte sind: - Das Benützen einer Vogelperspektive, um die Arbeitsaufgaben zu verstehen, - Vermeiden von Zeitverschwendungen, - Das Erleichtern von abteilungsübergreifenden Aufgaben und - Die Bereitschaft, offen zu bleiben und das Urteil gegebenenfalls zurückzunehmen. (Vgl. Bergmann et al 1999, zit. in: Bessoth 2003a) Es wird klar, zuerst muss die Führung aus dem eigenen Schubladendenken heraustreten und eine weitere Perspektive entwickeln. Den Lehrpersonen muss ermöglicht werden, an kleineren Projekten fächerübergreifend zu arbeit und daran zu lernen. So können die Grenzen Stück für Stück erweitert werden. Der Zeitfaktor ist an Schulen kein unwesentlicher. Vor allem wenn an die oft lange dauernden Gesamtkonferenzen gedacht wird. So ist es die Aufgabe einer guten Führung, mit der Zeit seiner KollegInnen sorgfältig umzugehen und „Wege zu finden, anderen Zeit zu sparen“ (Bessoth 2003a, 126).


Aufbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen

Vertrauen kann als eine unumgängliche Voraussetzung für das Führen gesehen werden. Ohne Vertrauen entsteht kaum ein produktives Organisationsklima. Menschliche Tugenden wie Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit sind für das Überleben und Weiterkommen von Gruppen grundlegend. Sie sind für das Entstehen von Vertrauen ursprünglich, dafür dass „Vertrauen in dem Sinne entsteht, dass ihnen, den Führungskräften (Anmerkung durch die Autorin), Glaubwürdigkeit zugebilligt wird“ (Bessoth 2003a, 127). Derjenige der vertraut, geht in diesem Akt das Risiko, verletzt zu werden, ein. Es wird leichter fallen, einer Person zu vertrauen, von der man glauben kann, dass sie „wohlmeinend, zuverlässig, kompetent, ehrenhaft und offen ist“ (Tschannen-Moran et al 2000, 556, zit. in: Bessoth 2003a, 127). Ohne Vertrauen entstehen Strategien zum Selbstschutz, ‚teure’ Schutzmauern, deren Erhalt viel Energie und Aufwand kosten. So wird die Leistung des Betriebes herabgesetzt, was wiederum das Erfinden von neuen Regeln und Auflagen mit sich zieht. Es entsteht eine nicht Gewinn bringende Spirale. Und schließlich und endlich wird Lernen in einem solchen Klima zur „bloßen Erfüllung von formalen Ansprüchen und Pflichten (ohne Auswirkung auf die Lernqualität)“ (Bessoth 2003a, 128).

Als Basis für den Vertrauensaufbau nennt Bessoth (2003a): - Initiativ sein über die Zuständigkeiten hinaus, - Das Übernehmen von Verantwortung für die eigenen Aktivitäten und die der Gruppe, - Umgehen können mit dein eigenen und fremden Emotionen, - Zeigen von professioneller Ethik - Zeigen von Engagement und Leidenschaft - Glaubwürdiges Präsentieren. Diese Kompetenzen können nicht maskenhaft vorgetragen werden. Es geht darum, ein Vorbild zu sein, diese Strategien im ‚wirklichen’ Leben umzusetzen, sie zu demonstrieren und vorzuleben.


Zusammenfassung der wichtigsten Verhaltensmuster und Eigenschaften

Wie verhält sich nun eine gute Führungskraft? Durch welche Eigenschaften kann sie eine Organisation zu Höchstleistungen antreiben und sogar die Kunden für alle gewinnbringend mit einbeziehen?

Gute Führungskräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie hilfsbereit, optimistisch, entscheidungsfreudig, zuverlässig, wahrhaftig und gerecht sind. Sie helfen anderen, Zukunftsperspektiven zu entwickeln und umzusetzen. Sie stehen in guten und in schlechten Zeiten ihrem Personal zur Seite und engagieren sich für die notwendigen Anpassungen. Sie können aktiv zuhören und messen Resultaten und Stärken mehr Gewicht bei als Problemen. Sie setzen sich unermüdlich für ihre MitarbeiterInnen ein und zeugen im eigenen Verhalten von einem erstklassigen Kundenservice. Sie sind fähig Individuen und Teams zu unterstützen, sind also im Einzelgespräch und in der Arbeit mit Gruppen sattelfest. Eine offene Kommunikation, ungefiltertes Weitergeben von Informationen, der Blick für die richtigen Entscheidungen bzw. die Flexibilität auf unangemessene Urteile zu verzichten, ist ihnen eigen. Sie coachen ihre MitarbeiterInnen, erkennen Leistungen an und geben Feedback. Dabei zeigen sie Geduld und Beständigkeit. Gemanagt werden Projekte, Zeit und Ressourcen. Technische und operative Fähigkeiten sowie abteilungsübergreifendes vermitteln Können sind unentbehrliche Fertigkeiten. Sie sind über ihre Zuständigkeiten hinaus initiativ und aktiv, übernehmen die Verantwortung für die eigenen Aktivitäten und die der Gruppe und können mit den eigenen und fremden Emotionen umgehen. Sie haben und zeigen einen Begriff von professioneller Ethik, zeigen Engagement, Leidenschaft und präsentieren glaubwürdig.

Stellt man sich diese Beschreibung als Anforderungsprofil in einer Stellenausschreibung für eine Leitungsposition vor, wird klar, dass es nicht leicht ist, solche Qualitäten bei ein und derselben Person auf Anhieb zu finden. Dieses Profil zeugt sowohl von Menschlichkeit und einem verantwortungsbewussten, produktiven und nicht feindlichen Miteinander, als auch von einer knallharten Arbeitswelt, denn Begriffen wie Coachen und Management kommen eher aus der Wirtschaft. Es stellt sich die Frage, in wie weit dieses ‚Programm’ denn überhaupt antrainiert werden kann. In wie weit viele dieser Punkte als Charaktereigenschaften schon von LeiterInnen mitgebracht werden bzw. wodurch sie erreicht werden können? Es fordert mit Sicherheit viel Engagement und Training um eine gute Führungskraft zu werden.

Eine weitere, in diesem Konzept nicht explizit erwähnte Eigenschaft ist wohl die Fähigkeit und der Wunsch nach Feedback und Verbesserung. Angesichts dessen, das nun die Muster und Verhaltensweisen, die eine gute Führung mit sich bringen sollte, gekannt werden, kann die Qualität auch gemessen und eventuell, eben unter der Voraussetzung der Kritikfähigkeit, verbessert werden.



Messbarkeit

Die erste Voraussetzung für die Evaluation von Führungsqualität ist nach Bessoth eventuell herrschende Gefühle der Ohnmacht zu beseitigen. Solche Gefühle entstehen durch bürokratische, hierarchische Strukturen und ihre Eigenheit, dass Entscheidungen zu meist von schulfremden Personen getroffen bzw. durch unproduktive Weisungen gelenkt werden. Leitungskräfte brauchen Qualifizierung und Handlungsermächtigung „viel weniger dabei, unfähige Lehrpersonen loszuwerden, […]. Sie wäre erforderlich vor allem dazu, die Leistungsträger in ihren Kollegien zu entdecken und zu fördern“ (Bessoth 2003b, 143). Wer sich nun mit den Leistungen anderer beschäftigt, wird auch nicht umhin kommen, sich selbst, sein Tun einer Evaluation zu unterziehen. Die zweite Voraussetzung für die Messbarkeit von Führungsqualität ist das Vorhandensein von passenden Werkzeugen und Instrumenten. Die direkte Kommunikation wäre das traditionelle Mittel, um eine Rückmeldung zu erhalten, doch da direkte zwischenmenschliche Kommunikation äußerst störanfällig ist und „Kommunikationsschwierigkeiten und -missverständnisse die Regel sind und nicht die Ausnahme“ (Sprenger, zit. in: Bessoth 2003b, 143), ist sie für Evaluationsprozess nicht besonders geeignet. Es gilt Werkzeuge zu finden, „die eine hohe Konstrukt- und Expertenvalidität aufweisen“ (Bessoth 2003b, 144), die leicht und für jedermann verständlich ausgewertet werden können.

Bessoth entwickelte gemeinsam mit unterschiedlichen Partnern einen Fragebogen, der 2003 als Werkzeug zur Analyse von Klima und Kultur von Schulen in Deutschland (AKKuD) veröffentlicht wurde. Gemessen wird die soziale und pädagogische Energie, die weiter oben bereits beschriebenen Synergie. Es wird ein Profil mit LehrerInnenfaktoren (Interesse an der Schule, Individueller Arbeitseinsatz, Gemeinschaftsgeist und Kooperationsverhalten) und mit Schulleitungsfaktoren (Offenheit/Vertrauen, Schulgestaltung, Glaubwürdigkeit sowie Fürsorge/Rücksicht) entwickelt. Ein gewisses Maß an Spannung zwischen den Ist- und Sollwerten wird als förderlich angesehen. Schulleitung und MitarbeiterInnen werden dabei als gleichwertig, als von einander abhängig gesehen, wobei längerfristig betrachtet, die Leitung eine Vorrangstellung mit mehr Verantwortung hat. Der Leitung kommt im Sinne einer Selbstverpflichtung die Aufgabe zu, auf die Energieverteilung in der Schule zu achten. (Vgl. Bessoth 2003b)

Als Voraussetzung, als unumgängliche Basis für die Messbarkeit von Führungs- oder auch Schulqualitäten kann aber auch eine selbstkritische Einstellung der Schulleitung und der LehrerInnen gesehen werden. Ohne den Wunsch nach Feedback und nach Verbesserung, ohne Kritik- und Reflexionsfähigkeit wird es kaum zu einem verwertbaren Ergebnis bzw. einem produktiven Prozess der Verbesserung kommen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Erkenntnis, dass Klima und Kultur einer Organisation veränderlich sind und die Führung wesentlich durch ihr Verhalten dazu beitragen kann.

Exkurs – Qualität in Schulen

Mit dem Thema Schulqualität beschäftigen sich in Deutschland und Österreich eigene Arbeitsgruppen und Projekte, beispielsweise der „Arbeitskreis Qualität von Schule vom Hessischen Institut für Bildungsplanung und Schulentwicklung in Wiesbaden und der Forschungsgruppe Gesellschaft und Region eV in Konstanz“ (Bessoth 1990, 7) bzw. in Österreich das vom Bundesministerium für Bildung, Wirtschaft und Kultur (bm:bwk) herausgegebene Projekt Q.I.S. – Qualität in Schulen (vgl. www.qis.at, 2006).

Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich sämtliche Perspektiven von Schulqualität zu diskutieren. In diesem Sinne beschränkt sich dieses Kapitel auf eine Zusammenfassung des Diskussionsstandes durch Altrichter und Posch. (Vgl. bm:bwk, Mai 2006)

Die Vielfalt der Qualitätsanforderungen ergibt sich schon allein aus den unterschiedlichen Bezugsgruppen, mit denen eine Schule konfrontiert ist. Qualitätsfragen können aus der Sicht der Eltern, der SchülerInnen, der LehrerInnen und der Leitung gestellt werden. Interessanter, vor allem in Hinblick auf das K.L.I.M.A.-Konzept, sind Ergebnisse aus der Schulqualitätsforschung aus dem Jahre 1979. Folgende Merkmale hängen mit Schulqualität zusammen: - Es ist spürbar, dass Lernen und gute schulische Leistungen wert geschätzt werden. - Der Unterricht ist gut strukturiert, unterrichtsferne Handlungen nehmen wenig Zeit in Anspruch. - Schülerzentrierung und eine Atmosphäre, in der sich SchülerInnen als Personen toleriert fühlen, sind vorhanden. - Mitsprache und Übernahme der Verantwortung durch die SchülerInnen ist gefragt. - Die Fluktuation ist sowohl unter den Angestellten, als auch unter den Lernenden gering. - Die Mitarbeiter arbeiten eng zusammen und stimmen in ihren Werten weitgehend überein. (Vgl. bm:bwk, Mai 2006) Zu den Kennzeichen von hoher Schulqualität können nach Altrichter und Posch (Vgl. bm:bwk, Mai 2006) folgende Aussagen gezählt werden: Den SchülerInnen werden hohe Leistungen zugetraut bzw. werden sie dazu herausgefordert. Die Wichtigkeit von Wissen und Kompetenz wird vermittelt. Die Beziehungen zwischen allen Beteiligten sind durch Respekt geprägt. Regeln werden wenn möglich mit den SchülerInnen gemeinsam vereinbart bzw. ihnen verständlich gemacht und konsequent, gleichberechtigt für alle verfolgt. Das Schulleben ist von vielen Entfaltungsmöglichkeiten geprägt. Sowohl LehrerInnen als auch SchülerInnen können Initiativen ergreifen und daran wachsen, aber auch Eltern finden Raum für Engagement. Schulinterne Lehrerfortbildung und das Bewusstsein für die Bedürfnisse, Stärken und Schwächen der Schule sind vorhanden. Die Schulleitung ist deutlich wahrnehmbar. Sie ist kooperativ und zielbewusst. „Eine Leitung, die zuhören kann, sich in die Situation von LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern hineinversetzen kann, die um Konsens bemüht ist, die aber gleichzeitig die Schule ‚leitet’. Sie nimmt pointierte Führungsaufgaben wahr und stellt dabei pädagogische über organisatorische Interessen.“ (bm:bwk, Mai 2006, 4) Ein weiterer interessanter Punkt ist, „statt harter, politisch einigermaßen leicht beeinflussbarer Kriterien wurden fast durchwegs ‚weiche’ Qualitätskriterien gefunden, d.h. Kriterien, die eher ‚atmosphärischen’ Charakter haben und wesentlich vom Klima an der Schule geprägt werden“ (ebd., 2) Harte Fakten wären das Verhältnis von LehrerInnen und SchülerInnen pro Klasse, materielle Ressourcen, Klassengrößen etc. Weiche Faktoren bezeichnen eher die Qualität von Beziehungen, Werten und Verhaltensweisen.

Auffällig erscheint, dass viele Punkte mit dem K.L.I.M.A.-Konzept übereinstimmen und vereinbar sind. Ein Blick auf die Literaturliste beider Arbeiten lässt nicht erkennen, ob es einen Zusammenhang auf Grund der Quellen gibt. Die Autoren beziehen sich sowohl auf deutschsprachige, als auch auf englische Werke. Ebenfalls erwähnenswert erscheint, dass man in Zusammenhang mit Schulqualitätsforschung auf Begriffe wie ‚Klimaforschung’ und ‚soziales Klima’ stößt. Die Leitgedanken von K.L.I.M.A. (Akronym) beschäftigen sich ebenfalls mit weichen, die Beziehung, Werte und Verhaltensweisen betreffende Faktoren – K.L.I.M.A. erzeugt (ein gutes) Klima.

Ausgehend davon, dass solche immateriellen Werte auch in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit von großer Bedeutung sind, kann angenommen werden, dass die Qualität, die durch eine pädagogische Führung erreicht werden kann, auch für diesen Bereich interessant ist.

Bedeutung für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit

Das K.L.I.M.A.-Konzept ist teilweise auf Erkenntnisse aus dem wirtschaftlichen Bereich aufgebaut, es stimmt zu dem größtenteils mit den Anforderungen an eine hohe Schulqualität überein. Da es sich hauptsächlich auf immaterielle Werte und ‚weiche’ Faktoren bezieht, bietet es daher auch durchaus in außerschulischen Gebieten die Möglichkeit einer Qualitätssteigerung. Jede Organisation, in der Menschen miteinander arbeiten bzw. Menschen mit Menschen arbeiten, kann von diesem Konzept profitieren, denn neben den institutionellen Zielen, wird auch auf individuelle Stärken, persönliche Zukunftsperspektiven und auf ein produktives Miteinander anstelle eines feindlichen Konkurrenzkampfes Wert gelegt. Insbesondere Organisationen, in denen der Kundenfaktor eine besondere Bedeutung hat, können von einem gemeinsamen ‚Motor’ profitieren.

In welchen Zusammenhang kann eine pädagogische Führung mit der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit stehen? Wie sehen die Qualitätsmerkmale in diesem Bereich aus? Die Qualitätsmerkmale des Vereins Wiener Jugendzentren (VJZ) „sind Ergebnisse eines umfassenden Diskussionsprozesses in den Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit“ (VJZ 2006, 1). Sie basieren auf einem Entwurf des Pädagogischen Referats des Vereins und wurden nach einem breiten Dialog in der Praxis in eine schriftliche Form gebracht. Betont wird eine „kontinuierliche Fortschreibung der Schwerpunktsetzung“ (ebd., 1) und „im Rahmen des Prozesses der Konzept(weiter)entwicklung eine andauernde Angleichung“ (ebd., 1). Somit ist der vorläufige Charakter der Qualitätsmerkmale festgehalten, eine andauernde Anpassung an die sich ständig ändernden Bedingungen für Kinder- und Jugendliche wird als normal und notwendig erachtet. Dieser Charakter lässt sich auch im K.L.I.M.A.-Konzept finden. Sowohl in der Strategie ‚Lass die Lernenden die Schule antreiben“ ist die Notwendigkeit einer großen Reaktionsfähigkeit enthalten (vgl. Bessoth 2003a), als auch das Konzept selbst wird in gewissem Masse als veränderlich beschrieben. „Jede Zeit muss es neu für sich erarbeiten und neu eingetretene soziale Veränderungen berücksichtigen.“ (Bessoth 1990, 7) Für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit wurden Axiome gefunden, die sich durch sämtliche Merkmale, Strukturen bzw. Methoden ziehen. Im Detail geht es hier um geschlechtsspezifische, interkulturelle, sozialräumlich orientierte, lebensweltorientierte, präventive und partizipative Arbeitsprinzipien (vgl. VJZ 2006), die sich durch Arbeitsschwerpunkte, Ziele und Leistungen ziehen. Es gibt natürlich gravierende Unterschiede zum Schulsystem. Beispielsweise sind die Rahmenbedingungen – es geht immerhin um die Freizeit der Kinder und Jugendlichen – anders, das Angebot basiert auf Freiwilligkeit und die Palette an Konsequenzen ist mit Sicherheit verschieden. Dennoch gibt es Punkte, die durchaus vergleichbar sind. Jugendzentren dienen der sinnvollen Freizeitgestaltung und stellen einen sozialen Lernort dar. Auch wenn es keinen expliziten Bildungsbegriff gibt, findet Bildung in unterschiedlichen Facetten statt. Jugendliche sollen in ihrer Identitätsbildung gefördert und unterstützt werden. Projekte dienen der politischen bzw. Meinungsbildung. Vielfach sollen reflexive Prozesse in Gang gesetzt oder unterstützt werden. Der Umgang mit neuen Medien beinhaltet beispielsweise die Vermittlung einer kritischen Medienkompetenz. (Vgl. VJZ 2006) Bildungsangebote werden vielfach, aber niederschwelliger als in der Schule, und lustbetont vermittelt. Die Orientierung an Bedürfnissen, an ihrer Lebenswelt und sozialräumlichen Verankerung ist Kundenorientierung schlecht hin und ist im VJZ noch zentraler als in Schulen. Bedürfnisorientierung zeigt sich auch an den Öffnungszeiten wieder, wobei hier den Wünschen der Jugendlichen mit Sicherheit Grenzen gesetzt sind. Ebenso ist Partizipation ein sehr prägnantes Schlüsselwort, das unter unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachtet werden kann. Einerseits heißt es, den Jugendlichen, oder im Fall der Schule SchülerInnen, Raum zur Mitgestaltung, -sprache und zur Übernahme von Verantwortung zu geben. Andererseits bedeutet es auch, ‚jeden verfügbaren Kopf zu involvieren’. Die Methoden, die in der offenen Kinder- und Jugendarbeit angewandt werden, sind Projekt-, Gruppenarbeit, Einzelfallhilfe, Konfliktmoderation, Workshops, Beratung, Veranstaltungen und Aufführungen etc. Mit solchen Begriffen haben in guten Schulen auch LeiterInnen und LehrerInnen zu tun. Ein wesentliches Moment in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit ist, bei den Stärken der ‚Kunden’ anzusetzen. Es ist nicht nur ein Zeichen der geschlechtssensiblen Arbeit, sondern zieht sich durch den Arbeitsalltag. Sei es nun, um den Selbstwert der Kinder und Jugendlichen zu stärken, oder auf der anderen Seite, um den MitarbeiterInnen den BesucherInnen je nach Talent und Können etwas Neues, Kreatives oder Sportliches zu präsentieren. Im Falle der MitarbeiterInnen ist nach Bessoth die Leitung gefragt, denn die Strategie jeden verfügbaren Kopf zu involvieren setzt voraus, dass die Begabungen eines Mensch im Wesentlichen damit übereinstimmen, was er als seine Aufgaben bezeichnen kann.

An diesen Beispielen wird deutlich, dass eine pädagogische Führung wie sie Bessoth versteht auch in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit wertvoll ist. Neben ‚harten’ Faktoren wie Statistiken sind die wesentlichen Qualitätsmerkmale der offenen Kinder- und Jugendarbeit analog zur Schulqualitätsforschung von ‚weichen’ Größen bestimmt. Da auch das K.L.I.M.A.-Konzept sich mit solchen Prinzipien beschäftigt, kann angenommen werden, dass es für Personen der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit in Leitungsfunktionen von Interesse ist.


Resümee

Das K.L.I.M.A.-Konzept scheint für unsere Kultur und unsere Zeit durchaus angebracht und in verschiedensten Bereichen funktionstüchtig zu sein. Auch wenn die Wortwahl Bessoths manchmal ungewohnt und abgehoben, z.B. Wahrhaftigkeit als Eigenschaft von Führungspersonen oder Vision als Zukunftsperspektive einer Organisation, wirkt, scheint es anpassungsfähig und formbar zu sein. Vielleicht steckt gerade in dieser Modellierbarkeit seine Stärke. Es beinhaltet klare Strategien und Kompetenzen, die von einer Leitungsperson und ihren MitarbeiterInnen verlangt werden. Wie aber diese Grundgedanken im Detail ausformuliert bzw. in die tägliche Arbeit umgesetzt werden, bleibt den jeweiligen Personen und ihren Vorlieben, solange diese sich im Rahmen der Strategien bewegen, überlassen.

Dieses Model scheint humane und wirtschaftliche Begrifflichkeiten, die ansonsten eher als getrennt betrachtet werden, zu verbinden. Dies kann Ganzheit und Vielfalt der Kultur fördern und dem Individuum die Möglichkeit bieten, sich selbst im Rahmen einer Institution zu verwirklichen. ‚Leben, um zu Arbeiten’ wird dann zu ‚Arbeiten, um zu Leben’.

Für die kommende Generation von Führungskräften kann dann folgendes wohl NICHT mehr gelten: „Meine MitarbeiterInnen sind mir das Wichtigste – gleich nach den Büroklammern.“



Literaturverzeichnis

Quellenangaben

Bessoth, Richard: K.L.I.M.A.: Fünf Führungsstrategien, die alle ins Boot bringen. In: Pädagogische Führung, 14, 2003a, 3, S. 122-128

Bessoth, Richard: Ist Führungsqualität messbar. In: Pädagogische Führung, 14, 2003b, 3, S. 143-148

Bessoth, Richard: Pädagogische Führung: Voraussetzungen für Schulqualität. In: Pädagogische Führung, 1, 1990, 1, S. 6-11

Harris, Alma: Leading or misleading? Distributed leadership and school improvement. In: Journal of curriculum studies, 37, 2005, 3, S. 255-265

Temperley, Helen S.: Distributed leadership: Developing theory from practice. In: Journal of curriculum studies, 37, 2005, 4, S. 395-420


Internetquellen

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Projekt Qualität in Schulen, Altrichter, Herbert; Posch, Peter: Schulqualität. URL: www.qis.at/pdf/schulqualitaet.pdf, Mai 2006

Verein Wiener Jugendzentren, Qualitätsmerkmale in der offenen Kinder- und Jugendarbeit in den Jugendzentren & Jugendtreffs des Vereins Wiener Jugendzentren. Arbeitsschwerpunkte, Ziel, Angebotsformen & Leistungen, Stand 2001. URL: www.jugendzentren.at, (unter: offers for experts, publikationen, downloads), Mai 2006


Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Hohe Gesamteffektivität eines Systems mit partizipativer Führung, Abb. 2 Synergie-Effekt bei vorgabenloslässigem Führungsstil (Verzicht auf Führung) und Abb. 3 Synergie Effekt bei autoritärem Führungsstil, aus Bessoth, Richard: Pädagogische Führung: Voraussetzungen für Schulqualität. In: Pädagogische Führung, 1, 1990, 1, S. 6-11


Weiterführende Literatur

Barth, Roland: Improving Schools From Within. San Francisco, CA: Jossey-Bass 1990

Bennis, Warren. Nanus, Burt: Führungskräfte. Vier Schlüsselstrategien erfolgreichen Führens. Frankfurt am Main: Campus 1985

Bergmann, Horst. Hurson, Kathleen. Russ-Eft, Darlene: Everyone a Leader. A Grassroots Model for the New Workplace. New York: Wiley 1999

Haller, Rita: Zukunftskonferenz. Aufbruch ins nächste Jahrtausend. Praxisbericht aus einer Sekundarschule. In: Bessoth, Richard et al (Hg.): Schulleitung – Ein Lernsystem. Bd. 2: Haushalt/Planung. Neuwied: Luchterhand 1999, LE 22.23, S. 1-30

Malik, Fredmund: Führen – Leisen – Leben: Wirksames Management für eine neue Zeit. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 2000

Nather, Wolfgang: Zukunftskonferenzen an Schulen. In: Pädagogische Führung, 6, 1995, 3, S. 141 ff

Nather, Wolfgang: Zukunftskonferenzen in der Praxis: Das Beispiel einer Grundschule. In: In: Bessoth, Richard et al (Hg.): Schulleitung – Ein Lernsystem. Bd. 2: Haushalt/Planung. Neuwied: Luchterhand 1999, LE 22.22, S. 1-38

Peters, Thomas. Waterman, Robert H.: Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann. mvg: Landsberg 2003 (1. Auflage 1983)

Und im Internet

www.pisa-austria.at/pisa2000/schulqualitaet/index.htm, Mai 2006