23.10.2013 Ricoeur, Paul (1969): Erstes Buch. Kapitel I. Sprache, Symbol, Deutung

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Im Laufe des Seminars ging sich eine Frage meinerseits nicht mehr aus. Sie bezieht sich auf das Referat, genauer auf die Stelle Seite 19/20, in der Ricoeur schreibt "Ist das Zeigen/Verbergen des Doppelsinns immer Verschleierung dessen, was der Wunsch sagen will, oder kann es zuweilen Manifestation, Offenbarung des Heiligen sein?" Die Referentin legte ihren Focus hier auf zuweilen und immer - ich habe einerseits akkustisch und andererseits auch inhatlich nicht folgen können, also vlt kannst Du hier nochmals darauf eingehen? --CoS 14:38, 23. Okt. 2013 (CEST)

Offen ist aus unserer Seminardiskussion die Frage, was Ricoeur genau unter dem Doppelsinn, der "Region des Doppelsinns", als welche er das Symbol im ersten Kapitel bezeichnet, versteht. --Uk 16:20, 23. Okt. 2013 (CEST)

Der Wikipedia-Artikel zum semiotischen Dreieck schafft einen guten Überblick über die Vielseitigkeit des Sinns: http://de.wikipedia.org/wiki/Semiotisches_Dreieck - dort auch eine kurze Darstellung der terminologischen Vielfalt. (einen genaueren Aufriss findet man im "Handbuch der Semiotik" von Winfried Nöth - das ist ein ziemlicher Wälzer; was die Komplexität und Vielseitigkeit unterstreicht, innerhalb derer Ricoeur sich hier positioniert)

Zur Frage, was "Sinn" für Ricoeur ist (auch vorgreifend auf den Text der nächsten Woche): Vlt. helfen uns die Seiten 42ff des 2. Kapitels weiter. Ricoeur beschreibt hier religionsphänomenologische Erkenntnisse, die in drei Etappen verläuft: "Dieses Erwarten eines neuen Wortes, einer neuen Aktualität des Wortes, ist der implizite Gedanke jeder Phänomenologie der Symbole, die zuerst den Akzent auf das Objekt legt, dann die Fülle des Symbols unterstreicht, um schließlich die enthüllende Macht des ursprünglichen Wortes zu begrüßen." (45) Der Bezug auf das Objekt (eines Ritus, eines bestimmten Wortes, einer Form von Zeichen) ist der der Bezug auf etwas Heiliges. Durch diesen Bezug, diese Intention werden die Symbole in irgendeiner Form "erfüllt". Das Symbol ist hier aber das Geflecht von Signifikant und Signifikat. Ricoeur bezeichnet dann die "Verbindung von Sinn zu Sinn" als das Band "zwischen primärem oder wörtlichem Signifikant und sekundärem Signifikat" ("zwischen Fleck und Beschmutzung") - inwiefern der Signifikant als "primäre Bedeutung" hier sinnvoll sein kann, wird mir nicht ganz klar; aber weiter unten unterstreicht er dies noch einmal, wenn er diesen primären Signifikanten zu den "primären, wörtlichen, sinnlichen Bedeutungen" zählt. Das Symbolische, der Sinn findet sich in diesem Zusammenhang in der inneren Organisation des Zeichens ungeachtet desssen Referenz. Was die "enthüllende Macht des ursprünglichen Wortes" ist, bleibt mir unklar. Es müsste etwas sein, was unmittelbar ohne den Umweg des Signifikats zu uns spricht, denke ich. Wenn diese religionsphänomenologische Herangehensweise den Sinn auf der Ebene des Signifikats verortet, dann ist es genau jene Ebene des geistigen Bildes, des Bewusstseins, die dann durch Marx und Nietzsche, wie Ricoeur schreibt, kritisiert wird; diese suchen den Sinn jenseits des Bewusstseins. Auf S. 43 konstatiert Ricoeur, dass seine Untersuchung von einem "Vertrauen in die Sprache" durchdrungen ist, dem Glauben, "daß die Sprache, die die Symbole trägt, weniger von den Menschen als zu den Menschen gesprochen wird[.]" - die Vertreter des hermeneutischen Zweifels würden wohl auch dies bezweifeln.

- lukas schmutzer



zurück