20.11.2013 Fink, Bruce (2012): Wider den Verstehenszwang. Weshalb Verstehen nicht als wesentliches Ziel der Psychoanalyse aufgefasst werden sollte: Unterschied zwischen den Versionen

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Folgenden Satz fand ich relativ wichtig und ich wollte wissen ob ich ihn richtig verstanden habe:
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„Es ist die Aufgabe des Analytikers […] zu hören was der Analysand tatsächlich sagt, nicht nur das, was er zu sagen beabsichtigt hat, oder was wir glauben, dass er es herüberbringen wollte. (S. 304)
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Kann ich mir das folgendermaßen vorstellen?:
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- Hören was der Analysand tatsächlich sagt, (wörtwörtlich, inklusive Versprecher etc.)
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- nicht nur das was er zu sagen beabsichtigt hat (Bewusster Sachinhalt der Vermittelt werden soll)
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- oder was wir glauben, dass er es herüberbringen wollte (Bewusster Sachinhalt plus unserer Projektionen)
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--[[Benutzer:Marius Menholz|Marius Menholz]] ([[Benutzer Diskussion:Marius Menholz|Diskussion]]) 12:01, 18. Nov. 2013 (CET)
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Noch eine Frage die sich vielleicht mehr an Menschen richtet, die sich bezüglich unterschiedlichen Schulen der Psychoanalyse auskennen:
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Der Text richtet sich ja an andere PsychoanalytikerInnen und ruft dazu auf, dass diese weniger "verstehen wollen" sollen. Dabei bezieht er sich stark auf Lacan.
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Wie stehen denn AnyltikerInnen mit einem anderen Ansatz zu solchen Standpunkten? Geht es denn bei der Deutung, die oft in Zusammenhang mit Psychoanalyse genannt wird, nicht genau darum, Zusammenhänge herzustellen und Angebote zum Verstehen zu geben?
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--[[Benutzer:Marius Menholz|Marius Menholz]] ([[Benutzer Diskussion:Marius Menholz|Diskussion]]) 14:10, 19. Nov. 2013 (CET)
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Nach dem Lesen des Textes ist für mich nicht nachvollziehbar in welchem Verhältnis "verstehen " und "deuten" zueinander stehen. Wenn ich an die psychoanalytische Praxis denke, fällt mir auf, dass Deutung zum Aufdecken des Latenten zum Manifestem dient: Zuerst wird der Analysand anhand der Erzählung auf etwas aufmerksam gemacht, was dann im weiteren Schritt geklärt, vom Analytiker interpretiert und vom Analysanden durchgearbeitet wird. Wie seht ihr das? --[[Benutzer:Zumbakathi|Ekaterina Kremsner ]] ([[Benutzer Diskussion:Zumbakathi|Diskussion]]) 16:49, 19. Nov. 2013 (CET)
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Ein weitere Argument dafür, dass das Verstehen nicht der Sinn der Psychotherapie sein kann, liefert Derrida. Er verstand intersubjektive Kommunikation, als Bündel von Spuren, das heißt, Nichts hat eine fixe Bedeutung; um etwas zu verstehen, muss man auf etwas Anderen verweisen. Sogar die Lektüre des eigenen Werkes wird dem Autor neue Kenntnisse bringen. Damit erklärt Derrida den Menschen lediglich zu seinen eigenen Spur. Im Fall der Psychoanalyse findet eine Selbstreflexion statt, ein Verweis auf die eigene (ausgesprochene) Gedanken. Somit kann das Verstehen nicht das Ziel der Therapie sein, da es ist davon auszugehen, dass jede neue Reflexion neues Material (Spur) hervorbringt. Der Psychoanalytiker darf nicht zum Kleriker werden, der den Gläubigen bis zu seinem Todesbett begleitet.
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Der Psychoanalytiker muss zwischen Praxis und Ausbildung unterscheiden können. Die Analysantinnen wollen bestimmte Sache verarbeiten und nicht ausarbeiten, (außer sie besucht die Analyse wegen Vergnügen, Zeitvertreib, Wissbegierde usw.) Verstehen ist nur der Analytikerin notwendig, die eine allgemeine Theorie des Geistes haben muss, damit sie verschiedene Fälle gleich gut verstehen kann, umseitig wird die Analysantin eine Therapie und einen Fall haben, ihr reicht die positive Veränderung aus. --[[Benutzer:Hétszűnyűkapanyányimonyók|Hétszűnyűkapanyányimonyók]] ([[Benutzer Diskussion:Hétszűnyűkapanyányimonyók|Diskussion]]) 10:22, 20. Nov. 2013 (CET)
  
 
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Meine Frage:
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Wenn Bedeutung schädlich für den Prozess ist, heist das nicht einfach nur das die Deutung eine schlechte oder Flasche war?
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Fink schreint zu behaupten, dass das ich die Bedeutung nutz um das Unbewusste auf Distanz zu halten, dinge Rationalisiert um sich nicht mit ihnen im richtigen Modus zu beschäftigen, stimmt das so uneingeschränkt?--[[Benutzer:KugelHutBaum|KugelHutBaum]] ([[Benutzer Diskussion:KugelHutBaum|Diskussion]]) 10:32, 20. Nov. 2013 (CET)
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Ich habe mich noch nicht eingehender mit der Thematik befasst, mir hat der Text jedoch sehr gefallen, aufgrund seines Praxis-Bezugs und der Verbindung zur Erkenntnistheorie - schließlich sollte es doch der Aufgabe der Philosophie entsprechen kritisch und konstruktiv zu begleiten wo "verstanden" werden will (In Wissenschaft und Alltag, wie auch allen anderen "Disziplinen"). Nur einige Punkte seiner Kritik scheinen mir auf erster Sicht doch etwas unausgereift, vielleicht einfach überspitzt - aber was meint Ihr?
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"''Es gibt keine Notwendigkeit für den Analysanten ,
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etwas zu wissen, damit es ihm besser geht'' [...]" (298)
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- Ja, aber korreliert es nicht stark?
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"''Einige Kliniker mögen entgegnen, dass das, was sie mit Verstehen meinen,
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etwas sei, das man bis in die Knochen spürt.''" (314)
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- Man sollte doch meinen, dass mit Verstehen von Praktikern jenseits der Bewusstseinspsychologie auch nicht die hier herangezogene Wörterbuchdefinition des kognitiven "Begreifens" (als "intellektuelles Zu-Fassen-Kriegen") zutrifft! Wer behauptet denn tatsächlich, dass ein Verstehen auf bewusst-kognitiver Ebene hinreichend sei? Eher sollte es doch der sog. "Einsicht" im Prozess des Durcharbeitens entsprechen, welche immer AUCH "affektiv" ist (was i.G.z. "kognitiv", etwas dualistisch-reduktionistisch wirkt, doch wohl meist das Tiefere, Ganzheitliche (eben das Wesen bzw. die Seele bewegende) ausdrücken soll) . Es sollte doch gerade zur Frage stehen wie ein solch tiefer-gehendes Verständnis zustande kommt. Dass ein Verstehen nun praktisch nichtig ist, da nur die "Veränderung" zählt (selbstverständlich, wer sollte das bezweifeln?) ist doch ein pragmatischer Fehl- bzw. Kurzschluss ("Wer heilt hat recht"), was weder der Intention noch dem Niveau des Textes entspräche.
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Natürlich können wir nie etwas Verstehen, so wenig wir etwas verifizieren können. Doch geht es hier doch um den praktischen Umgang mit dieser Erkenntnis der Demut. Wie so oft bleibt daher die Frage, inwieweit das hier vertretene, vielleicht phänomenologische Ideal des Theorie- und Wert-freien Aufnehmens bzw. "Zuhörens" in der Praxis möglich ist?
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"''Um das einen Schritt weiter zu tragen, möchte ich dafür argumentieren,
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dass jegliches Verstehen als irreführend, wenn nicht als schlichtweg falsch
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anzusehen ist, da Verstehen immer partiell, vorläufig, vielschichtig, unvollständig
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und projektiv (imaginär) ist.''" (315)
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Im hermeneutischen Zirkel des Verstehens ist gerade das Vorläufiger der Antrieb, weshalb es nur wegführende oder voranbringende Interpretationen gibt (was sich im therapeutischen Prozess "in vivo" eher zeigt als in jeder erkenntnistheoretischen Auseinandersetzung). Dass Interpretation wie Deutung nur gemeinsam im Prozess Sinn macht sollte denke ich Konsens sein. (Fink drückt den aktiven Part des Analysanten (sic!) ja auch in der Schreibart des Wortes aus.). Wird der analytische Prozess nicht gerade durch sie geleitet? Auch wenn sich Fink dessen sicher bewusst ist geht er m.E. hier leider zu wenig darauf ein, vielleicht tut er das woanders, vielleicht unterschlägt er es auch um seinen Standpunkt klar zu machen, denn er ist berechtigt: die Betonung bzw, Konzentration auf das Verstehen kann das Zuhören kompromittieren - das Verstehen damit jedoch eben auch selbst!
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-- 22:37, 20.11.13, Update --[[Benutzer:Joel|Joel]] ([[Benutzer Diskussion:Joel|Diskussion]]) 18:10, 21. Nov. 2013 (CET)
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Ich persönlich denke, dass das das "hier vertretene, vielleicht phänomenologische Ideal des Theorie- und Wert-freien Aufnehmens bzw. "Zuhörens" in der Praxis" durchaus möglich ist. Aber nicht, solange die 'Ausbildung' dort hin, so Statt hat, wie es aktuell der Fall ist. Meine Erfahrungen im Propäd.Propädeutikum sind die, dass es rein um Wissen geht. So-tickt-der-Mensch und wir wissen das jetzt. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, das es hier um eine Art Macht geht. Man lernt "Schablonen", die man dann anwenden und runterbeten können soll. Das ist nicht zielführend sondern grob fahrlässig.
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Dieses wert-freie Zuhören, Aufnehmen von Eindrücken ist möglich - wenn vlt. auch hier und da nachträglich, aber so oder so, es berührt eine Grundhaltung. Diese zu erlangen - das ist ein Weg, den vor allem künftige PraktikerInnen zurücklegen sollten.
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"Wird der analytische Prozess nicht gerade durch Interpretation geleitet" (wenn ich deinen letzten Absatz richtig...deute): Ja und nein und manchmal vielleicht: Leider ja. Wie meinst du das, dass Interpretation und Deutung nur gemeinsam im Prozess Sinn machen? Deutung = Interpretation, um mal eine platte Gleichung einzuwerfen. Die Deutung, die ein Analytiker einbringt, sind klarerweise relevant, weg-bereitend, inspirierend, vielleicht irritierend oder schockierend. Aber eben diese Deutungen dürfen nicht von vermeintlichen Verstehensprozessen geleitet sein. Deutung solle nicht erfolgen auf Grund von sowas wie: "Ah, der sagt das, damit meint der/die sicher das, weil in der Theorie (oder 'meiner Erfahrung nach') ist das so, ich weiß, dass er eigentlich das will" - eine Interpretation soll erfolgen aus einem "Mitschwingen". Und für dieses "Mitschwingen" bedarf es quasi eine Art Mut von Seiten des Analytikers, ein offener Geist, der sich (aus)sagen traut -> Jenseits von einem Festklammern an "Wissen"?! --[[Benutzer:CoS|CoS]] ([[Benutzer Diskussion:CoS|Diskussion]]) 00:00, 21. Nov. 2013 (CET)
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Im Grunde geht es genau darum, für ''den'' Weg zu einer Art 'Enlightement' gibt es keine bestimmte Richtung, den Weg muss man selbst gehen - und ein/e AnalytikerIn führt, ohne zu führen, zeigt auf, ohne zu bestimmen, oder so?!! --[[Benutzer:CoS|CoS]] ([[Benutzer Diskussion:CoS|Diskussion]]) 00:30, 21. Nov. 2013 (CET)
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Schöner kann man es nicht formulieren! Bleibt nur zu hoffen, dass die Widrigkeiten der Praxis keinen Zynismus aufkommen lassen. Was ich bisher von Praktikern gehört habe hat dahingehend aber auch einen Optimismus aufkommen lassen, da in der Praxis wohl trotz aller "Schablonen" in Ausbildung und Berufspolitik eine gewisse Freiheit im therapeutischen Prozess möglich ist (die wohl nicht so groß ist um als Narrenfreiheit größeren Schaden anzurichten als die einschränkenden Strukturen und Berufspolitiken).
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Gerade viele der '''Grundbegriffe''' würde ich gerne einmal gemeinsam klären. Ich kann mir gut vorstellen, dass trotz diskursherrschender Definitionen viele recht unterschiedliche Konnotationen von "Interpretation" und "Deutung" etc. bestehen. Ich sehe aufgrund meines geistes- bzw. humanwissenschaftlichen Hintergrund z.B. den Begriff "verstehen", im Gegensatz zum kausal-reduktionistischen "erklären", als unabschließbaren, dialogischen und diskursiven Prozess. Er stellt sich dem, notwendig auf Kontrolle hinauslaufenden, positivistischen Paradigma entgehen! Bin mir jedoch bewusst, dass er selten so verwandt wird, und auch im Text von Fink diese Differenz nicht auftaucht; Was nicht zuletzt wohl auch an den '''Anforderungen der Praxis''' liegt in der es nie genug Ressourcen gibt. Selbst wenn in langjährigen Therapien einiges an Zeit vorhanden sein mag, bleibt mir eine Skepsis ob diese hier genug berücksichtigt wurden.
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--[[Benutzer:Joel|Joel]] ([[Benutzer Diskussion:Joel|Diskussion]]) 18:22, 21. Nov. 2013 (CET)
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Aktuelle Version vom 21. November 2013, 19:31 Uhr


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Mich erinnert Finks Beitrag an eine Diskussion, die mir im Bereich der Psychoanalyse bereits schon aufgefallen ist: nämlich die Frage danach, was eine entscheidendere Rolle für Veränderungen im psychoanalytischen Prozeß spielt -> die emotionale Erfahrung oder die Erinnerungen. Meint Fink, dass das Verstehen als Hindernis wirken kann, wenn das Verstehen im reinen "kognitiven Verstehen" ("oberflächliches Verstehen") bleibt, also nicht den Kern der Person trifft und somit zu einer emotionalen Erfahrung wird (eine Veränderung, "die man bis in die Knochen spürt). In welcher Beziehung steht das "oberflächliche Verstehen" einerseits und das "tiefer gehende Verstehen" andererseits in Finks Beitrag zu der emotionalen Erfahrung und der Erinnerung (an Ereignisse, an Traumata etc.)? Ich denke, dass das Verstehen immer ein Doppeltes ist, so wie Kognitionen nicht allein für sich stehen, sondern auch von emotionalen Zuständen begleitet sind. Was kann nun unter Verstehen genau verstanden werden? Welche Rolle spielt die emotionale Erfahrung in der Übertragung im Sinne eines Wiedererleben infantiler Konflikte? Vor allem, wo lässt sich dieses Phänomen in Finks Argumentation verorten? Fink meint, dass jegliches Verstehen als "schlichtweg falsch anzusehen ist", und verweist auf das Imaginäre Register; er erwähnt auch Freud, der meinte, dass nach erfolgreichen Analysen oft nicht genau gesagt werden konnte (von Seiten der Analysanden), was passiert sei oder warum. Auf welcher Grundlage erfolgt im Sinne von Lacan die Veränderung im psychoanalytischen Prozeß? --S (Diskussion) 18:56, 15. Nov. 2013 (CET)


In welchem Verhältnis steht der Trieb zum Realen? In welchem Verhältnis der Wunsch zum Genießen? --S (Diskussion) 18:56, 15. Nov. 2013 (CET)


Kommentar

Neben dem Psychoanalyse Seminar besuche ich eines zum Philosophen Castroriadis. Er scheint einen ähnlichen Zugang wie Lacan oder Fink zu haben wenn er den freudschen Satz: „Wo Es war, soll Ich werden“ (Freud) mit „Wo Ich bin, soll Es auftauchen“ ersetzt (Vgl.: Castoriadis: Sinn der Autonomie. Das Individuum. In: Gesellschaft als imaginäre Institution. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984, S. 172ff.). Auch er scheint mir damit die Erkenntnis- und Verstehensmöglichkeiten des Menschen als beschränkt anzusehen. Castoriadis geht es also nicht um die Beherrschung durch das Bewusstsein (Fink dazu S. 196: "Das analytische Vorhaben [...] schließt es ein,[...] dass wir nicht Herren im eigenen Haus sind [...]") , sondern um die Realisierung des Unbewussten. Allerdings besteht Castoriadis an dieser Stelle auf eine gesellschaftliche Komponente: die individuellen Phantasmen entstehen auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Imaginären [oder sind stark verflochten mit diesem--Thanu (Diskussion) 11:46, 18. Nov. 2013 (CET)].

Was haltet ihr von dieser Interpretation des Textes: Das Unbewusste ist nicht rational verstehbar, weil es sich bei diesem eben gerade um etwas Irrationales handelt. Der Mehrdeutigkeit der Gefühle, Fantasien usw. ist niemals gerecht zu werden, indem sie erklärt wird. Indem das Unbewusste mit einem Anspruch von Klarheit angegangen wird, ist dasjenige was ihm gerade wesentlich ist, die Mehrdeutigkeit, ausgelöscht.

Das wäre vielleicht auch eine Antwort auf den obigen Beitrag von S. Für das Unbewusste gibt es kein oberflächiges oder tieferes Verstehen und Verstehen ist auch nicht falsch, sondern vielmehr unangemessen. Verstehen fasst nie das, was in seinem Kern nicht verstehbar und rationalisierbar ist. Castoriadis dazu: "Ebenso stellt der Begriff einer dem Subjekt eigenen Wahrheit eher ein Problem dar denn eine Lösung" (Vgl.: Castoriadis: ebda., Seite 176). Selbst wenn ich all das Unbewusste in mir verstünde, wäre ich es noch nicht los, würde es weiter in mir wirken. Und nocheinmal Fink dazu: "Dabei gelangen wir nicht zu einem verstehen des Genießens des Analysanten, sondern bloß zu einem Aufspüren dessen und einer Arbeit damit" (Vgl.: Seminartext, S. 317).

Hier schließt sich dann natürlich das Problem des Relativismus an. Wie damit umgehen, dass etwas nicht auf den Punkt gebracht werden kann, sich jeder Definition, jeder abschließenden Beschreibung usw. entzieht?--Thanu (Diskussion) 13:30, 17. Nov. 2013 (CET)



Ich fand den Text großartig und habe daher keine Fragen, schließe mich also 'nur' der Diskussion an. Ich finde die obige Interpretation Thanus zum Unbewussten relativ treffend, würde aber den Schluss, dass Mehrdeutigkeit ausgelöscht würde zunächst mit dem Teil - wo du Castoriadis zitierst - verknüpfen: dass der Begriff der Subjekt-eigenen Wahrheit eher ein Problem darstelle: Fink betont mehrmals, dass es um eine Veränderung gehe, nur allein diese Bewegung, die wie er schreibt, von AnalysantInnen selbst oft nicht verstanden würde (vgl. bspweise Fink 2012:325). Es ist vielleicht eine Art eigene Wahrheit, die 'durchschritten' wird? Wahrheit ist hier natürlich nichts Allgemneines, weder in Gültigkeit noch in Verbindlichkeit. Ich glaube nicht, dass es darum geht, das Unbewusste "loszuwerden".

Interessant finde ich folgendes Zitat von dir: "die individuellen Phantasmen entstehen auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Imaginären", würde dem aber nicht so ganz zustimmen. Das gesellschaftliche Imaginäre, wäre vlt. in Bezug auf den Fink-Text eben das, was sich um Verstehen und Bedeutung zentriert - das Imaginäre (vgl. ebd. 298), unser "Standardmodus als menschliche Wesen" (ebd. 299), in dem Sinn 'für-mich' zugeschrieben wird, also Verstehen/Erkennen/Wissen, falls man das so zusammenfassen kann. Also Gewohnheiten zugewandt bleiben, "Erklären heißt auf Bekanntes zurückzuführen" (vgl. ebd. 300, Fußnote). Eingebettet in diesen Modus ist dieser natürlich prägend für "individuelle Phantasmen", im weitesten Sinne vielleicht sogar die Matrix der Realität, aber ich würde durchaus Raum für 'subjektive Phantasmen' lassen, denn was jedeR Einzelne dann damit 'macht', ist eben individuell?

Eine Überlegung noch: Die Art und Weise, wie Fink das Symbolische und Imaginäre erläutert, könnte dazu führen, nicht mehr von einer Symbolischen Ordnung zu sprechen, sondern eher einer Imaginären (also vor allem in Bezug auf Texte, die eine kulturtheoretische Perspektive 'haben' und Reales der Symbolischen Ordnung gegenüberstellen, als wäre letztere unsere gesellschaftliche Matrix?) --CoS (Diskussion) 21:09, 17. Nov. 2013 (CET)

Ich wollte in meinem Beitrag nicht den Eindruck erwecken Mehrdeutigkeit oder das Unbewusste loswerden zu wollen. Es ging mir darum, dass rein intellektuelles Verstehen der Mehrdeutigkeit und dem Unbewussten, nach Fink, nie gerecht werden kann. In einem rein intellektuellen Verstehen, was die Phänomene ja auf den Punkt zu bringen versucht, wird die Mehrdeutigkeit ausgelöscht.--Thanu (Diskussion) 11:41, 18. Nov. 2013 (CET)


Wir wollen in der Pyschoanalyse also dem Unbewussten Raum geben, indem es sich in Versprechern und zweideutigen Metaphern etc. zeigt. Wenn im unbewussten aber keine unserer bekannten Gesetzmäßigkeiten gilt und es sich unserer Vorstellungskraft gänzlich entzieht, wie können wir dann davon ausgehen dass in einer Psychoanalyse einer Besserung des Zustandes der PatientIn zugearbeitet wird. Es könnte ja genauso schlechter werden.--Marius Menholz (Diskussion) 11:45, 18. Nov. 2013 (CET)


Folgenden Satz fand ich relativ wichtig und ich wollte wissen ob ich ihn richtig verstanden habe:

„Es ist die Aufgabe des Analytikers […] zu hören was der Analysand tatsächlich sagt, nicht nur das, was er zu sagen beabsichtigt hat, oder was wir glauben, dass er es herüberbringen wollte. (S. 304) Kann ich mir das folgendermaßen vorstellen?:

- Hören was der Analysand tatsächlich sagt, (wörtwörtlich, inklusive Versprecher etc.)

- nicht nur das was er zu sagen beabsichtigt hat (Bewusster Sachinhalt der Vermittelt werden soll)

- oder was wir glauben, dass er es herüberbringen wollte (Bewusster Sachinhalt plus unserer Projektionen)

--Marius Menholz (Diskussion) 12:01, 18. Nov. 2013 (CET)


Noch eine Frage die sich vielleicht mehr an Menschen richtet, die sich bezüglich unterschiedlichen Schulen der Psychoanalyse auskennen: Der Text richtet sich ja an andere PsychoanalytikerInnen und ruft dazu auf, dass diese weniger "verstehen wollen" sollen. Dabei bezieht er sich stark auf Lacan. Wie stehen denn AnyltikerInnen mit einem anderen Ansatz zu solchen Standpunkten? Geht es denn bei der Deutung, die oft in Zusammenhang mit Psychoanalyse genannt wird, nicht genau darum, Zusammenhänge herzustellen und Angebote zum Verstehen zu geben? --Marius Menholz (Diskussion) 14:10, 19. Nov. 2013 (CET)


Nach dem Lesen des Textes ist für mich nicht nachvollziehbar in welchem Verhältnis "verstehen " und "deuten" zueinander stehen. Wenn ich an die psychoanalytische Praxis denke, fällt mir auf, dass Deutung zum Aufdecken des Latenten zum Manifestem dient: Zuerst wird der Analysand anhand der Erzählung auf etwas aufmerksam gemacht, was dann im weiteren Schritt geklärt, vom Analytiker interpretiert und vom Analysanden durchgearbeitet wird. Wie seht ihr das? --Ekaterina Kremsner (Diskussion) 16:49, 19. Nov. 2013 (CET)


Ein weitere Argument dafür, dass das Verstehen nicht der Sinn der Psychotherapie sein kann, liefert Derrida. Er verstand intersubjektive Kommunikation, als Bündel von Spuren, das heißt, Nichts hat eine fixe Bedeutung; um etwas zu verstehen, muss man auf etwas Anderen verweisen. Sogar die Lektüre des eigenen Werkes wird dem Autor neue Kenntnisse bringen. Damit erklärt Derrida den Menschen lediglich zu seinen eigenen Spur. Im Fall der Psychoanalyse findet eine Selbstreflexion statt, ein Verweis auf die eigene (ausgesprochene) Gedanken. Somit kann das Verstehen nicht das Ziel der Therapie sein, da es ist davon auszugehen, dass jede neue Reflexion neues Material (Spur) hervorbringt. Der Psychoanalytiker darf nicht zum Kleriker werden, der den Gläubigen bis zu seinem Todesbett begleitet.

Der Psychoanalytiker muss zwischen Praxis und Ausbildung unterscheiden können. Die Analysantinnen wollen bestimmte Sache verarbeiten und nicht ausarbeiten, (außer sie besucht die Analyse wegen Vergnügen, Zeitvertreib, Wissbegierde usw.) Verstehen ist nur der Analytikerin notwendig, die eine allgemeine Theorie des Geistes haben muss, damit sie verschiedene Fälle gleich gut verstehen kann, umseitig wird die Analysantin eine Therapie und einen Fall haben, ihr reicht die positive Veränderung aus. --Hétszűnyűkapanyányimonyók (Diskussion) 10:22, 20. Nov. 2013 (CET)

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Meine Frage: Wenn Bedeutung schädlich für den Prozess ist, heist das nicht einfach nur das die Deutung eine schlechte oder Flasche war?

Fink schreint zu behaupten, dass das ich die Bedeutung nutz um das Unbewusste auf Distanz zu halten, dinge Rationalisiert um sich nicht mit ihnen im richtigen Modus zu beschäftigen, stimmt das so uneingeschränkt?--KugelHutBaum (Diskussion) 10:32, 20. Nov. 2013 (CET)



Ich habe mich noch nicht eingehender mit der Thematik befasst, mir hat der Text jedoch sehr gefallen, aufgrund seines Praxis-Bezugs und der Verbindung zur Erkenntnistheorie - schließlich sollte es doch der Aufgabe der Philosophie entsprechen kritisch und konstruktiv zu begleiten wo "verstanden" werden will (In Wissenschaft und Alltag, wie auch allen anderen "Disziplinen"). Nur einige Punkte seiner Kritik scheinen mir auf erster Sicht doch etwas unausgereift, vielleicht einfach überspitzt - aber was meint Ihr?

"Es gibt keine Notwendigkeit für den Analysanten , etwas zu wissen, damit es ihm besser geht [...]" (298) - Ja, aber korreliert es nicht stark?

"Einige Kliniker mögen entgegnen, dass das, was sie mit Verstehen meinen, etwas sei, das man bis in die Knochen spürt." (314) - Man sollte doch meinen, dass mit Verstehen von Praktikern jenseits der Bewusstseinspsychologie auch nicht die hier herangezogene Wörterbuchdefinition des kognitiven "Begreifens" (als "intellektuelles Zu-Fassen-Kriegen") zutrifft! Wer behauptet denn tatsächlich, dass ein Verstehen auf bewusst-kognitiver Ebene hinreichend sei? Eher sollte es doch der sog. "Einsicht" im Prozess des Durcharbeitens entsprechen, welche immer AUCH "affektiv" ist (was i.G.z. "kognitiv", etwas dualistisch-reduktionistisch wirkt, doch wohl meist das Tiefere, Ganzheitliche (eben das Wesen bzw. die Seele bewegende) ausdrücken soll) . Es sollte doch gerade zur Frage stehen wie ein solch tiefer-gehendes Verständnis zustande kommt. Dass ein Verstehen nun praktisch nichtig ist, da nur die "Veränderung" zählt (selbstverständlich, wer sollte das bezweifeln?) ist doch ein pragmatischer Fehl- bzw. Kurzschluss ("Wer heilt hat recht"), was weder der Intention noch dem Niveau des Textes entspräche.

Natürlich können wir nie etwas Verstehen, so wenig wir etwas verifizieren können. Doch geht es hier doch um den praktischen Umgang mit dieser Erkenntnis der Demut. Wie so oft bleibt daher die Frage, inwieweit das hier vertretene, vielleicht phänomenologische Ideal des Theorie- und Wert-freien Aufnehmens bzw. "Zuhörens" in der Praxis möglich ist?

"Um das einen Schritt weiter zu tragen, möchte ich dafür argumentieren, dass jegliches Verstehen als irreführend, wenn nicht als schlichtweg falsch anzusehen ist, da Verstehen immer partiell, vorläufig, vielschichtig, unvollständig und projektiv (imaginär) ist." (315)

Im hermeneutischen Zirkel des Verstehens ist gerade das Vorläufiger der Antrieb, weshalb es nur wegführende oder voranbringende Interpretationen gibt (was sich im therapeutischen Prozess "in vivo" eher zeigt als in jeder erkenntnistheoretischen Auseinandersetzung). Dass Interpretation wie Deutung nur gemeinsam im Prozess Sinn macht sollte denke ich Konsens sein. (Fink drückt den aktiven Part des Analysanten (sic!) ja auch in der Schreibart des Wortes aus.). Wird der analytische Prozess nicht gerade durch sie geleitet? Auch wenn sich Fink dessen sicher bewusst ist geht er m.E. hier leider zu wenig darauf ein, vielleicht tut er das woanders, vielleicht unterschlägt er es auch um seinen Standpunkt klar zu machen, denn er ist berechtigt: die Betonung bzw, Konzentration auf das Verstehen kann das Zuhören kompromittieren - das Verstehen damit jedoch eben auch selbst!

-- 22:37, 20.11.13, Update --Joel (Diskussion) 18:10, 21. Nov. 2013 (CET)


Ich persönlich denke, dass das das "hier vertretene, vielleicht phänomenologische Ideal des Theorie- und Wert-freien Aufnehmens bzw. "Zuhörens" in der Praxis" durchaus möglich ist. Aber nicht, solange die 'Ausbildung' dort hin, so Statt hat, wie es aktuell der Fall ist. Meine Erfahrungen im Propäd.Propädeutikum sind die, dass es rein um Wissen geht. So-tickt-der-Mensch und wir wissen das jetzt. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, das es hier um eine Art Macht geht. Man lernt "Schablonen", die man dann anwenden und runterbeten können soll. Das ist nicht zielführend sondern grob fahrlässig.

Dieses wert-freie Zuhören, Aufnehmen von Eindrücken ist möglich - wenn vlt. auch hier und da nachträglich, aber so oder so, es berührt eine Grundhaltung. Diese zu erlangen - das ist ein Weg, den vor allem künftige PraktikerInnen zurücklegen sollten.

"Wird der analytische Prozess nicht gerade durch Interpretation geleitet" (wenn ich deinen letzten Absatz richtig...deute): Ja und nein und manchmal vielleicht: Leider ja. Wie meinst du das, dass Interpretation und Deutung nur gemeinsam im Prozess Sinn machen? Deutung = Interpretation, um mal eine platte Gleichung einzuwerfen. Die Deutung, die ein Analytiker einbringt, sind klarerweise relevant, weg-bereitend, inspirierend, vielleicht irritierend oder schockierend. Aber eben diese Deutungen dürfen nicht von vermeintlichen Verstehensprozessen geleitet sein. Deutung solle nicht erfolgen auf Grund von sowas wie: "Ah, der sagt das, damit meint der/die sicher das, weil in der Theorie (oder 'meiner Erfahrung nach') ist das so, ich weiß, dass er eigentlich das will" - eine Interpretation soll erfolgen aus einem "Mitschwingen". Und für dieses "Mitschwingen" bedarf es quasi eine Art Mut von Seiten des Analytikers, ein offener Geist, der sich (aus)sagen traut -> Jenseits von einem Festklammern an "Wissen"?! --CoS (Diskussion) 00:00, 21. Nov. 2013 (CET)


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Im Grunde geht es genau darum, für den Weg zu einer Art 'Enlightement' gibt es keine bestimmte Richtung, den Weg muss man selbst gehen - und ein/e AnalytikerIn führt, ohne zu führen, zeigt auf, ohne zu bestimmen, oder so?!! --CoS (Diskussion) 00:30, 21. Nov. 2013 (CET)


Schöner kann man es nicht formulieren! Bleibt nur zu hoffen, dass die Widrigkeiten der Praxis keinen Zynismus aufkommen lassen. Was ich bisher von Praktikern gehört habe hat dahingehend aber auch einen Optimismus aufkommen lassen, da in der Praxis wohl trotz aller "Schablonen" in Ausbildung und Berufspolitik eine gewisse Freiheit im therapeutischen Prozess möglich ist (die wohl nicht so groß ist um als Narrenfreiheit größeren Schaden anzurichten als die einschränkenden Strukturen und Berufspolitiken).

Gerade viele der Grundbegriffe würde ich gerne einmal gemeinsam klären. Ich kann mir gut vorstellen, dass trotz diskursherrschender Definitionen viele recht unterschiedliche Konnotationen von "Interpretation" und "Deutung" etc. bestehen. Ich sehe aufgrund meines geistes- bzw. humanwissenschaftlichen Hintergrund z.B. den Begriff "verstehen", im Gegensatz zum kausal-reduktionistischen "erklären", als unabschließbaren, dialogischen und diskursiven Prozess. Er stellt sich dem, notwendig auf Kontrolle hinauslaufenden, positivistischen Paradigma entgehen! Bin mir jedoch bewusst, dass er selten so verwandt wird, und auch im Text von Fink diese Differenz nicht auftaucht; Was nicht zuletzt wohl auch an den Anforderungen der Praxis liegt in der es nie genug Ressourcen gibt. Selbst wenn in langjährigen Therapien einiges an Zeit vorhanden sein mag, bleibt mir eine Skepsis ob diese hier genug berücksichtigt wurden. --Joel (Diskussion) 18:22, 21. Nov. 2013 (CET)