2.12.2010 Kaplan, Ann E. (1983): Is the Gaze Male?

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Dass dieses Dominanz-Unterwerfungs- Muster aus Konstruktionsmaßnahmen eines "phallozentristischen" Patriachalsystems im westlichen Kapitalismusprozess hervorgegangen ist, hängt auch mit der, sich noch immer durchsetzenden Stereotype zusammen, dass Technik und im weitesten Sinne die Technik des Filmens eine maskuline Angelegenheit ist, bei der die Frau als Passivum in eine Position der Objektiviertheit gedrängt wird. Doch es besteht, wie auch im Text erwähnt, die Fragwürdigkeit über die Notwendigkeit eines solchen dominance-submission-Musters. Dass man als Frau, um den Blick zu aktivieren und zu besitzen, sich in eine maskuline Position begeben muss, rührt von der diamentralen Gegenüberstellung von Mann und Nicht-Mann her. Die These, dass Frauen als das "Unausgeprochene", jedenfalls als Negativum zum Männlichen, positioniert ist, steht vorm Hintergrund einer starr festgelegten, sprachlichen Polarisierung und Oppositionierung der Geschlechterdifferenz, die auf basale Furcht vorm anderen aufgebaut ist. Kaplan spricht hierbei von der Notwendigkeit auf irgendeine Weise, diese begrifflichen Polaritäten zu transzendieren. Ich frage mich aber, wie dies in einem neoliberalen Kapitalismussystem, in dem der claim: "sex sells" nachhaltigste Effektivität bestitzt, möglich sein soll.--L.M. Steiner 15:57, 2. Dez. 2010 (UTC)


Liebe KollegInnen,

Kaplans Text „Is the Gaze Male?“ enthält zahlreiche Stellen, die mich in gewisser Weise stutzig werden ließen. Aus Platzgründen werde ich hier jedoch lediglich eine Passage aus dem Originaltext herausgreifen, die mich nach der Lektüre leider sehr verwirrt zurückließ. Die Autorin schreibt:

For Lacan, woman [sic!] cannot enter the world oft he symbolic, of language, because at the very moment of the acquisition of language, she learns that she lacks the phallus, the symbol that sets language going through a recognition of difference; her relation to language is a negative one, a lack.“ (Kaplan 2000, 120)

???

Ich dachte immerzu, dass Lacan den „Phallus“ als Symbol (!) für einen Mangel, dessen sich beide (!) Geschlechter im Durchlauf durch das Spiegelstadium bewusst werden, auffasst. Vom „Phallus“ als einem explizit geschlechtlichen Spezifikum (wie das biologische Glied eben eines ist) war doch nie die Rede. Dass die Frau im Allgemeinen aufgrund ihrer rein biologischen Disposition nicht fähig sein soll, in die Ordnung des Symbolischen einzutreten, kann ich nun so gar nicht nachvollziehen…--Carina Miesgang 16:11, 2. Dez. 2010 (UTC)


Ich finde, dass sich der Text sehr kritisch mit der feministischen Filmtheorie auseinandersetzt. Dabei ist Kaplan offenbar darum bemüht, weniger Antworten zu liefern als Fragen zu stellen, z. B. ob es einen „weiblichen“ Blick geben kann, ob die Darstellung der Frau im Kino rein unter einem männlichen Blick zu verstehen ist, etc. Aber sobald man auf diese Dinge hingewiesen hat, ist es offenbar schwierig hier einen Schritt weiter zu gehen. Kaplan bringt dies mit dem Satz: „… it is hard to see, how women can move forward from these awarenesses.” (S. 130) zum Ausdruck. Auch ihre Konklusion, dass man starre Gegensätze wie Mann/Frau, Aktiv/Passiv etc. überwinden soll, halte ich für zu schwach. --Philip Waldner 17:05, 2. Dez. 2010 (UTC)


Was mich am Text unter anderem erstaunt hat war, dass Kaplan zwar die historische Bedingtheit der Erfahrungen von Patientinnen Freuds anerkennt, Freuds eigene geschichtliche Einbettung jedoch nicht einmal erwähnt. Das heißt Freuds Aussagen werden weiter geschrieben als transzendente Bestimmungen. Was dann natürlich nur noch bleibt sind Lücken im System, die besetzt werden können. Dem Anspruch Kaplans nach gesellschaftlicher Veränderung würde ein Hinterfragen der Rede über die Realität der Geschlechter an sich wahrscheinlich mehr nützen, denn diese Rede ist es, die eine gesellschaftlliche Ordnung im Grunde bestimmt, wenn man Lacan ernst nimmt. --Christine Brandner 20:08, 2. Dez. 2010 (UTC)


C.Schulz: Welche Frage mir auf dem Heimweg noch einfiel: L.Mulveys Konzept der Maskerade was sich doch auch auf den "Phallus" bezieht (?): Ich verstand das so: Die Maskerade, also das Verhalten,oder das eigentlich eher 'sich-empfinden' der Frau was schlussendlich als eine Art Feedback an "den Mann" dient, als 'Antwort' auf das männliche "Phallus haben", wiederum das "Phallus sein" der Frau? Also die Maskerade. welche 'dem Mann' überhaupt erst ermöglicht sich als (stereotyp) 'männlich' zu empfinden, also den Phallus 'gibt' (quasi der schmachtende Blick der Frau an den Mann, klischeehaft gesprochen). ?! Und noch zum Schluss: In der Strassenbahn die Nebensitzerin die Heutezeitung lesend folgende Schlagzeile: geschlechtergerechte Gesundheit: Mann oder Frau? There´s no way out ;-) --chris.oliver 20:28, 2. Dez. 2010 (UTC)


Frau Kadi, erlauben Sie mir, zu stolpern, genauer, in eine Frage/eine Überlegung hineinzustolpern, derer ich mir selbst noch nicht so ganz sicher bin, die aber trotzdem schon gewisse Konturen angenommen hat, um die es mir eigentlich geht. Vermutlich ist die Überlegung auch äußerst banal, trotzdem formuliere ich sie: Abgekürzt geht es mir darum, mich dem Begriff der »Differenz« bei Lacan etwas anzunähern, der im Seminar stets »konturhaft« präsent ist und mich plötzlich im Begriff der ›Geschlechter‹ mit einem großen Fragezeichen konfrontiert.

Das Geschlechtsverhältnis wäre im symbolischen Raum nach den bisherigen Ausführungen eher als »Rollen«-Verhältnis (Rollen, genauer: Positionen) zu verstehen. Inwiefern diese Rollen notwendigerweise eine gewisse Dominanzstruktur (wie Herr/Knecht) impliziert wäre hier nun eine sekundäre Frage. Es scheint, als könne man sogar soweit gehen und den ganzen Fragenkomplex rund um Mann/Frau im symbolischen Raum auf dieser sekundären Ebene abhandeln. Das Geschlechtsverhältnis wäre hier nicht das Verhältnis von ›biologischen Geschlechtern‹, die sich gegenübertreten, sondern ist als Differenzverhältnis aufzufassen. Statt Differenzverhältnissen könnte man auch von Stellungen/Positionen der (barrierten Subjekte) sprechen. Betrachten wir den symbolischen Raum näher: Wenn Lacan auch Sprache nicht nur als Sprache (beispielsweise unter Berücksichtigung von Levi Strauss) versteht, so möchte ich diese Komplexität kurz der Frage wegen reduzieren: Betrachten wir Sprache in der Nachfolge von de Saussure einfach als System von Verweisbeziehungen, die sich lediglich auf Differenzen gründen (dem Lacan so weit ich das verstanden habe auch zustimmt), dann eröffnet sich hier der Ansatzpunkt für eine primäre, dem Geschlechtsverhältnis vorausgehende Frage:

[Lesart 1]
Analog zum Differenzverhältnis der Sprache geht – so scheint es mir und ich bin mir hier äußerst unsicher – Lacan auf der vorsprachlichen Ebene von einer Differenzstruktur aus. (Gewiss, Differenz als solche ist natürlich nur innerhalb des symbolischen Raumes denk- und artikulierbar. Derartige Überlegungen seien aus Gründen der Reduktion ebenfalls ausgeblendet.) Ich beobachte, dass es hier ein gewisses analoges Strukturverhältnis gibt:
Gerade weil es das Geschlecht (und damit eine Differenz) gibt, ist der Eintritt in den symbolischen Raum möglich. So würde ich Ihre heutige Feststellung zu deuten versuchen, dass Lacan darauf besteht, dass »Geschlecht und Tod« notwendig sind, um überhaupt in den symbolischen Raum einzutreten. Ich setzte also Geschlecht und Differenz gleich.
Warum diese Gleichsetzung? Exkurs: Eintritt in den Raum der Sprache bedeutet auf der Ebene der ›Alienation‹ die Ausbildung einer gewissen Differenzstruktur. Es wird unterschieden zwischen demjenigen leeren Sprechen, welches sich innerhalb der symbolischen Ordnung sagen kann (Realität) und dem vollen Sprechen, welches auf dasjenige verweist, welches von der Sprache noch nicht eingeholt wurde (Reale). Das ist natürlich mit der ›Separation‹ eng verknüpft; Ich springe direkt zur genitalen Phase: Das Kind möchte Ein-und-Alles der Mutter sein, es möchte den Ort belegen auf den sich das begehren der Mutter richtet. Dieser Ort ist eben der Phallus mit dem negativen Vorzeichen: »Was will Sie – das möchte ich sein – aber was ist es [wirklich], was sie, die Mutter begehrt?« Das Begehren ist also die große Unbekannte, das X, das nicht (negatives Vorzeichen) eingeholt werden kann. Wir sind damit natürlich schon längst im symbolischen Raum.
Interessant finde ich (aber vielleicht beobachte ich das falsch), dass das Begehren auf das Begehren des Anderen gerichtet ist. Das heißt, das Begehren besetzt den Ort, den es nicht besetzen kann (was ist es wirklich, was sie will). Der Phallus ist deshalb eine symbolische Funktion, weil er eben dasjenige in der symbolischen Ordnung markiert, worauf dieses Begehren sich gebündelt sieht (Ursache des Begehrens). Bla bla bla.
Das heißt, es geht hier um ein Differenzverhältnis zwischen dem eigenen Begehren und dem Begehren des Anderen. Eine Differenz, die nicht eingeholt werden kann, weil sie nie einholbar ist. Die Signifikanten-Kette bei Lacan ist analog zu denken: Ein Signifikant verweist immer auf einen anderen Signifikanten, von wo aus – rückwirkend – ein vorgängiger Signifikant bestimmt werden kann.
Jetzt bin ich da, von wo ich meine Frage stellen möchte: Kann es sein, dass das Geschlecht nur deshalb als Grundvoraussetzung für den Eintritt in die symbolische Ordnung gedacht wird, weil bereits das ›biologische Geschlecht‹ Ausdruck eines bestimmten Differenzverhältnisses ist? Es scheint, als ob die ›biologische geschlechtliche Differenz‹ als eine Art Zündkerze für den Motor des Begehrens dient, als Funke, der ein nicht mehr zu löschendes (außer durch den Tod) Feuer entfacht. Ich hoffe, der nebelhafte Raum meiner Frage lichtet sich etwas.
Wenn wir die Geschlechter streichen, dann treten wir nach Ihrer heutigen Feststellung nicht in den Raum der Sprache ein. Nach meinen stotternden Ausführungen würde ich nun folgende Begründung geben: weil die ›biologischen Geschlechter‹ bereits eine der Sprache vorgängige Differenzstruktur markieren, die eine differentielle Grundvoraussetzung dafür bilden wie wir in den symbolischen Raum eintreten.
[Lesart 2]
Gegenfrage: Ist der psychoanalytische Diskurs auch dann möglich, wenn wir die ›biologischen Geschlechter‹ streichen und das Geschlecht erst auf der Ebene des symbolischen als bestimmte Positionsverhältnisse (Differenzverhältnisse) ansiedeln?
Im Sinne der heutigen Diskursion müsste man die erste Lesart noch etwas nachschärfen: Ich habe zuvor der Einfachheit wegen einfach Geschlecht und Differenz gleichgesetzt. Ich wollte hier bewusst etwas forcierender formulieren: Genaugenommen ist der Vater nur die symbolische Funktion des Namens-des-Vaters, also ebenfalls eine Position im symbolischen Raum. Da es sich um eine symbolische Position handelt, scheint es mir kein Widerspruch zu sein, hier die Vermutung anzustellen (das habe ich vorher in Bezug auf den Phallus absichtlich nicht erwähnt), dass eine ›biologische Frau‹ diese Position (Phallus-Sein) einnehmen könnte. Falls nun diese Lesart die adäquatere ist, dann kann man die ›biologischen Geschlechter‹ streichen, weil so der Begriff ›Geschlecht‹ nur auf der symbolischen Ebene verständlich wird. Damit wird für mich aber Ihre heutige Feststellung, dass die »Geschlechter und der Tod« für den Eintritt in die symbolische Ordnung notwendig sind, unverständlich. Begründung: Geschlecht und Tod sind dann nachrangige (oder zumindest beim Eintritt hergestellte) Effekte der symbolischen Ordnung und könnten dieser nicht mehr vorgängig sein. Vielleicht ist aber gerade meine Annahme einer Vorgängigkeit hier der Fehler.

Sie sehen, die Frage der ›biologischen Geschlechter‹ und einem Verständnis der Geschlechter auf der symbolischen Ebene verwirrt mich gänzlich. Vielleicht vermische ich aber auch nur die unterschiedlichsten Kategorien. Für eine auflösende Hilfestellung bin ich sehr dankbar.--9876543210 21:51, 2. Dez. 2010 (UTC)