16.12.2010 Creed, Barbara (1993): Woman as Monstrous Womb: The Brood

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Maria Ilona: Beim Durchlesen von Barbara Creeds Artikel und deren Auflistung spezifischer Filme ist mir als hervorstechendstes Merkmal folgendes aufgefallen: Die meisten Filmemacher thematisieren und dämonisieren die Frau als ein "reines Transport- und Produktionsmittel" von unnatürlichen Lebewesen (Frau = Reproduktionfähigkeit und Zurückstufung auf tierische Instinkte). Warum wird hier die Fähigkeit der Frau zu gebären als "link to the animal world" verstanden? Kann es sein, dass viele Filmemacher ihr Publikum nicht nur schockieren wollen, sondern damit gleichzeitig ihre eigenen Ängste und Vorstellungen verfilmen? Insbesondere in "The Brood" wird Nolas Zorn als Folge auf "the disgust of her husband at her maternal, mothering functions" (S. 45) beschrieben. Man läßt sie zombieartige, total von ihrer Mutter abhängige, unfertige Lebewesen gebären. Nolas Entwicklung wird als Folge schlechter Kindheitserfahrung mit ihre eigenen Mutter begründet(welche ihrerseits bereits Opfer ihrer Mutter war....). Dass sie der Vater nicht schützte, legt sie als Schwäche des Mannes aus. Wenn nun die destruktive Tendenz vererbt ist, warum nur von mütterlicher Seite auf die Tochter bezogen? Wie sieht das bei Söhnen aus? Es gibt unzählige Bespiele für psychische Störungen bei Söhnen, welche sich aus den mütterlichen Fängen nie befreien können (Muttersöhnchen bis ins hohe Alter).

Der Aberglaube, dass eine Schwangere ein fellbedecktes Kind gebärt nur weil sie während der Schwangerschaft ein Bild von einem fellbedeckten Wesen erblickte herrscht auch heute noch bei vielen Völkern vor. Selbst in Österreich hört man von älteren Frauen am Land immer wieder solche Märchen. Eine Frau erschreckt sich während der Schwangerschaft und schon bekommt sie eine Missgeburt!! Noch ein Aberglaube: Monotheistische oder andere Religionsgemeinschaften suchen in Verbindung mit extremen Missbildungen bei Kindern die Schuld häufig bei der Frau, die sich mit dem Teufel vereinigt haben soll (dieser Glaube war insbesondere im Mittelalter, aber auch heute noch bei gewissen Naturvölkern vorhanden). --Joechtl 13:10, 15. Dez. 2010 (UTC)


Mit Creeds Text steht nun erstmals nicht mehr der Penis im Zentrum der Geschlechterdifferenz, sondern die Gebärfähigkeit der Frau. Anders als der Penis, der als sichtbares äußeres Geschlechtsorgan weit weniger Rätsel aufgibt, ist die Gebärmutter durch ihre Verborgenheit prädestiniert dafür zu etwas Mysteriösem zu werden. Der Mann mag den Wunsch haben, wie die Frau Leben schenken zu können, gleichzeitig handelt es sich dabei aber um einen so wundervollen und wunderlichen Vorgang, dass sich daraus, auch geschichtlich bedingt, „unheimliche“ Fantasien entwickelt haben.--SarahG 10:54, 16. Dez. 2010 (UTC)

In diesem Text wird mit Bezugnahme auf einschlägig bekannten Horrorfilmen, in denen im weitesten Sinne das "Gebähren" einen wichtigen Implikator darstellt für Entfremdungseffekte, die beim Publikum ausgelöst werden sollen, die Unkontrollierbarkeit des, in der symbolischen Ordnung befindlichen Individuums, egal ob Mann oder Frau, gegenüber Naturprozessen klar. Es geht um diese mysteriöse, fremde mütterliche Macht, die ihre Stärke durch die Verschränktheit mit dem Natürlichen an sich bezieht. Ein nicht steuerbares Wachsen lässt die morphologisch gesetzten Grenzen des Leibes, die für Selbstidentifikation aussschlaggebend sind erweitern und mutieren. Creed erwähnt auch die Geburt des larvenähnlichen Wesens in "The Fly". Prodagonistin Veronica, die Mutter fürchtet sich selbst vor dieser ihrem Geschlecht inhärenten, nicht bewusst beeinflussbaren oder beendbare Fähigkeit, etwas völlig anderes aus sich selbst hervorzubringen. Ihre eigene biologische Natur ergreift die Kontrolle und ihre Angst besteht in dem daraus resultierenden Herausfallen aus der symbolischen Ordnung, die ihr Schutz durch Gesetze des sozialen Gesellschaftsgefüges geboten hatte. Mit der gekonnten Überspitztheit in Hollywoodproduktionen, wie Aliens und The Brood, wird der mütterlich-natürliche Gewaltakt des Wachsens und der Geburt , bei der dieses, einmal angelaufene, nicht mehr aufhaltbare, genetische Programm solch eine Komplexität erreicht hat, dass es sich von dem künstlichen Innenklima des mütterlichen Uterus los reißt, um nach außen zu gelangen, so inszeniert, dass Affekte, wie Angst oder Abscheu beim Publikum jedenfalls erwirkt werden.--L.M. Steiner 15:17, 16. Dez. 2010 (UTC)



Ähnliche Irritationen, wie sie bereits Kollegin Joechtl weiter oben formuliert hat, sind auch mir während und nach der Lektüre des Textes „Woman as Monstrous Womb: The Brood“ (1993) von Barbara Creed durch den Kopf gegangen, weshalb auch ich an dieser Stelle einen entsprechenden Einwand einbringen möchte:

Mit welcher Berechtigung meint man zu sagen, die weibliche Gebärfähigkeit, ihr gesamter Gebärapparat seien „abject“(!)?

Zitat: „The womb represents the utmost abjection for it contains a new life form which will pass from inside to outside bringing with it traces of ist contamination – blood, afterbirth, faces.“ (Creed, 49)

Klar ist der Geburtsakt mit Gewalt, Schmerzen und Blut verbunden, doch der Behauptung (Creeds), dass dieser ursprünglich als etwas Niedriges, mit Ekel und Angstvisionen Besetztes zu klassifizieren sei, möchte ich keineswegs so ohne Weiteres zustimmen. Für mich handelt es sich bei der beschriebenen Haltung eindeutig um eine kulturell/sozial bedingte Degradierung des durch die Frau vollendeten menschlichen Reproduktionsprozesses. Diese soziokulturelle Betrachtungsweise kommt für mich in dem in Rede stehenden Text viel zu wenig bis gar nicht zur Sprache.--Carina Miesgang 17:25, 16. Dez. 2010 (UTC)


Dr. Raglan provoziert seine Probanden in einer extraordinären Therapie dazu, negative Gefühle als körperliche Merkmale zu veräußerlichen. In diesem Sinne macht Nolas ausgelagerte Gebärmutter das Mentale physisch. Ihre tierischen Gesten, wie das selbst freigebissene, blutüberströmte Erzeugnis mit der Zunge trocken zu lecken, geben der filmischen Wahrnehmung den Rest. Durch die Freilegung der Gebärmutter, die nicht mehr im Bauch liegt, sondern aus dem Bauchnabel herauswächst, konzipiert sich Nolas körperliche und soziale Fraulichkeit zentral durch das zur Schau gestellte Element des (vielfachen) Gebärens: Eine zweischneidige Überspitzung der explizit weiblichen Fähigkeit der Mutterschaft, die zwar deren produktive Kraft eindrucksvoll in den Vordergrund stellt, allerdings nur im Zuge körperlicher Entstellung.

Die Unterscheidung, die Descartes zwischen Körper und Geist vornimmt und die heutzutage in westlichen Ländern primär als Vorstellungsgrundlage dient, wird undeutlich. Psyche und Soma werden im makaberen Geburtsvorgang zueinander gerückt. Mentale Deformationen wachsen zu materialisierten Anomalitäten aus, schlussendlich in Form von Nachkömmlingen. Diesen wird bereits vor der Geburt im euphemistischen "Mutterleib" eine Fähigkeit zur empathischen Verhaltensweise genetisch eingeschrieben, über die sie telepathisch verfügt.

Die Abjektion, die als Abgrenzungsfolge/Verwerfung etwa die fundamentale Funktion der Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Anderen überhaupt erst ermöglicht, so eine mögliche These, wird hier unabgeschlossen bleiben bzw. gar nicht erst einsetzen können, da die Mutter sich durch die ihr äußerlich gewordene Gebärmutter immer schon selbst mit einer dauerhaften Abjektion konfrontiert sieht. Unter diesen Voraussetzungen sind die Hervorgebrachten gar nicht in der Lage, eine Loslösung von ihrer Mutter zu initiieren, (geschweige denn vollständig durchzuführen) die zu keiner Zeit Heimeligkeit, sondern nur Repression darzustellen vermag. Die Unheimlichkeit haftet ihr an. Es besteht für die Nachkommen zu keiner Zeit die Möglichkeit einer Rückkehr zu etwas Bekanntem, meint Heimeligem, von dem man getrennt wurde, weil sie die Repression durch einen von der Mutter abgestoßenen Uterus stets mit sich bringen. Drei Dramen „conception, sexual difference, desire“, die sich eigentlich ebendort zum ersten Mal abspielen, werden hier in personam von der Mutter obstruiert. An Nola wird das Unheimliche in seiner Totalität und überspitzt dargestellt. De facto verweisen abjekte Phänomene wie Menstruation und Kindesgeburt auf eine enge Verknüpfung der Weiblichkeit mit der Natur, die die Integrität der patriarchalen symbolischen Ordnung durchbricht. --Zwakkelmann 22:17, 16. Dez. 2010 (UTC)


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