Überraschungsforschung (Text)
Alles zu bezweifeln oder alles zu glauben, das sind zwei gleichermaßen bequeme Lösungen, denn beide entheben sie uns des Nachdenkens. Henri Poincaré, >>La science et lhypothèse<<
Phantasie ist wichtiger als Wissen Albert Einstein (1897-1955)
Elke Romirer, MatrNr. 0104584, A 297
Inhaltsverzeichnis
- 1 Vorwort
- 2 Einleitung
- 3 Emotion
- 4 Überraschung
- 5 Lernen
- 6 Zusammenfassende Darstellung und Schlussbemerkungen
- 7 Literaturverzeichnis
Vorwort
Im Zuge des Seminars Geld Macht Spaß Bildung, wurden an die Teilnehmer der Lehrveranstaltung Referatsthemen verteilt. Mein gewähltes Thema war Überraschungsforschung, da ich den Titel äußerst interessant fand. Bis dahin hatte ich keine konkrete Vorstellung, um was es sich bei Überraschungsforschung handelt. So nutzte ich die Gelegenheit um mich eingehender damit zu beschäftigen. Da sich mein Forschungsgebiet in dem Themenblock Spaß befand, war es mir ein Anliegen diese Komponente in mein Referat mit einzubeziehen. Bei der Literaturreschere stieß ich auf den Artikel Mit Humor geht alles besser, der sich mit der Komponente Spaß im Unterricht befasst. Aus der anschließenden Diskussion meines Referats, regten besonders zwei Themen zur verstärkten Diskussion an. Dies war zum Einem, ob es sich bei Überraschung tatsächlich um eine Emotion handelt, die als positiv erlebt wird. Zum Anderen war dies die Frage, ob der Lehrstoff, wenn dieser von positiven Emotionen begleitet wird besser gemerkt wird. Um diese Diskussionsbrennpunkte zu berücksichtigen und sie in angemessener Form zu beantworten, stellen sie in der vorliegenden Arbeit meine Hypothesen dar.
Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Lernen und Emotionen, mit spezieller Betonung der Emotion Überraschung. Emotionen begleiten Menschen jeden einzelnen Tag ihr ganzes Leben lang. So gibt es Tage an denen Menschen fröhlich, unbeschwert und heiter durch das Leben gehen, an anderen Tagen werden sie von Traurigkeit, Wut oder Furcht begleitet.
Von Kindesbeinen an besteht ein wesentlicher Teil unseres Lebens aus Lernen. Als Baby werden die ersten Schritte oder Sprechen gelernt. Anschließend gilt es in der Schule Mathematik, Literatur oder Geschichte zu lernen. Wird eine Reise in ein fernes Land unternommen, ist es nicht unwichtig, ob die landesweite Sprache gesprochen bzw. verstanden wird. Auch im späteren Berufsleben heißt die Devise: lebenslanges Lernen. So kann es sein, dass die Absolvierung von Weiterbildungsseminaren ein wichtiger Bestandteil des Berufs ist. Die vorliegende Arbeit versucht eine Verbindung zwischen Lernen und Emotion herzustellen. Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, in wie weit Emotionen einen Lernprozess in positiver Weise beeinflussen können.
Das Thema der Arbeit ist als pädagogisch relevant zu sehen, da untersucht wird, welchen Einfluss Emotionen auf den Lernprozess haben.
Ausgegangen wird von folgender Fragestellung: Kann die Emotion Überraschung Lernerfahrungen intensivieren und werden durch diese Emotionalisierung Lernerfahrungen positiv verstärkt? Es soll geklärt werden, ob Inhalte besser gemerkt werden, wenn sie von positiven Emotionen begleitet sind.
Ausgehend von der Fragestellung, wird als erste Hypothese angenommen, dass es sich bei Überraschung um eine Emotion handelt, die als positiv erlebt wird. Als zweite Hypothese wird vermutet, dass Inhalte, die von einer angenehmen erlebten Emotion begleitet werden besser gemerkt und somit leichter wieder abgerufen werden können.
Zur Beantwortung der Fragestellung und der damit verbunden Hypothesen erfolgt eine literarische Auseinandersetzung mit der Thematik.
Um die Fragestellung ausreichend zu beantworten wird folgendermaßen vorgegangen. Zunächst wird durch das Kapitel Emotion in die Thematik eingeführt. Dabei werden grundlegende Informationen über das Entstehen, die Funktion und den Einfluss den Emotionen auf Informationsverarbeitungsprozesse ausüben dargestellt. Das anschließende Kapitel widmet sich der Emotion "Überraschung". Dabei werden Entstehung und Eigenschaften von Überraschung vorgestellt. Das folgende Kapitel behandelt das Thema Lernen, dabei wird versucht Emotion und Lernen in Beziehung zu setzten. Am Ende erfolgt eine zusammenfassende Auseinandersetzung mit der in der Einleitung formulierten Fragestellung und der ihr zugrundeliegenden Hypothesen.
Emotion
Dieses Kapitel dient als Einführung in die Grundlagen der Emotionen. Zunächst erfolgt eine Definition des Begriffs Emotion. Weiters wird auf deren Physiologie eingegangen. Anschließend wird im Detail auf die Funktion von Emotionen eingegangen. Abschließend wird die Rolle der Emotionen im Informationsprozess behandelt. Am Ende des Kapitels erfolgt eine Zusammenfassung mit Schlussbemerkungen.
Begriffsbestimmung
Psychologen definieren eine Emotion als ein komplexes Muster von Veränderungen, das physiologische Erregung, Gefühle, kognitive Prozesse und Verhaltensweisen umfasst. Diese treten als Reaktion auf eine Situation auf, die ein Individuum als persönlich bedeutsam wahrgenommen hat. (Zimbardo, Gerrig, 1999).
Einer der ersten der sich mit dem Thema Emotion auseinandergesetzt hat, war Charles Darwin in seinem Werk The Expression of Emotions in Man and Animal (1872). Darwin richtete seine Aufmerksamkeit auf die adaptiven Funktionen der Emotion, die er nicht als unkalkulierbare, individuelle Zustände ansah, sondern als hochspezifische, koordinierte Wirkungsweisen des menschlichen Gehirns. Laut Darwin sind Emotionen spezialisierte erbliche Gemütszustände, die zur Bewältigung einer bestimmten Kategorie immer wiederkehrender Situationen im Leben dienen. (Zimbardo, Gerrig, 1999) Es wird davon ausgegangen, dass die primären Emotionen (Glück Freude, Trauer, Furcht, Wut, Überraschung und Ekel) in der Evolution der höheren Primaten und der Menschen als Mechanismus der Informationsausgabe über ablaufende Motivationen entwickelt wurden. Zum Beispiel signalisiert Furchtausdruck und Weglaufen Gefahr, oder teilt Trauer nach Verlust Isolation oder Hilfsbedürfnis mit. (Birbaumer, Schmidt, 1999). Emotionen entstehen in den meisten Fällen ganz unvermittelt, oftmals so plötzlich, dass unser bewusstes Selbst gar nicht daran beteiligt ist. Oft wird nicht einmal erkannt, welcher Auslöser zur Entstehung einer spezifischen Emotion geführt hat. Bewusste Auslöser von Emotionen sind von mannigfacher Natur. Jeder Mensch hat bzw. erwirbt im Laufe seines Lebens ein eigenes, individuelles Spektrum an Emotionsauslösern. So haben einige Leute große Angst vor Spinnen, sie verfallen in hypochondrische Panik schon beim Anblick des pelzigen Krabbeltieres, andere wiederum zeigen sich von diesen kleinen Tieren unbeeindruckt. Paul Ekmann spricht auch von universellen Auslösern, die fast allen Menschen kulturübergreifend gemein sind. (Ekmann, 2004).
Es gibt es nicht nur universelle Auslöser von Emotionen, sondern auch universelle Reaktionen, die in unterschiedlichen Kulturen auftreten und das gleiche Erscheinungsbild haben. Eine Untersuchung mit Neugeborenen aus den USA und Japan hat bestätigt, dass manche emotionalen Reaktionen universell sind. In dem genannten Experiment fassten die Forscher 5 und 12 Monate alte Babys an den Handgelenken, um dann die Hände des Babys über den Bauch zu falten. Die Reaktionen der Babies wurden auf Video aufgezeichnet. Es zeigte sich, dass Säuglinge beider Kulturen ihre Gesichtsmuskulatur nach denselben Mustern bewegten. Sie entwickelten einen ähnlichen Ausdruck des Leidens. Das Experiment konnte weiter zeigen, dass die negativen lautlichen Äußerungen und die physischen Anstrengungen ähnlich waren. (Zimbardo, Gerrig, 1996).
Physiologie der Emotion
Die primären Emotionen sind Reaktionsmuster, die in vielen Kulturen gleich ablaufen. Wobei ihre Dauer selten Sekunden überschreitet. Dies ist die Zeitspanne, die maximal für die ununterbrochene Dauer eines Gefühls angegeben und in der gleichzeitig verstärkte physiologische Reaktionen (z.B. Herzratenanstieg) gemessen werden. Die Zeit vom Auftreten eines emotionalen Reizes bis zur Messung erster gefühlsspezifischer Reaktionen im Gehirn kann im Extremfall wenige ms sein. Bis zum Auftreten einer voll ausgebildeten primären Emotion begleitet von dem entsprechenden Ausdruck müssen aber mindestens 70-100 ms. vergehen. (Birbaumer, Schmidt, 1999)
Durch die Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus (über das vegetative Nervensystem) wird der Körper, auf emotionale Reaktionen vorbereitet. Die Balance zwischen den beiden Systemen ist abhängig von Qualität und Intensität des Reizes. Erfolgt eine unangenehme Reizung ist der Sympathikus aktiver, bei angenehmer Reizung der Parasymapthikus. Starke Emotionen wie z.B. Angst aktivieren das Notreaktionssystem des Körpers, das ihn schnell und unbewusst auf drohende Gefahr vorbereitet. Das sympathische Nervensystem steuert die Abgabe von Hormonen der Nebennierenrinde. Diese wiederum veranlassen die inneren Organe zur Ausschüttung von Blutzucker, zur Erhöhung des Blutdrucks und zur verstärkten Schweiß- und Speichelbildung. Ist die Notsituation vorüber wird die Ausschüttung der aktivierenden Hormone durch den Parasympathikus gehemmt. Die Koordination der hormonalen und neuronalen Aspekte der Erregung erfolgt durch das limbische System und den Hypothalamus. Das diese Systeme kontrollieren Emotionen und Angriff-, Verteidigungs- und Fluchtmuster. Im limbischen System kommt der Amygdala ( dem Mandelkörper) große Bedeutung zu, da sie als <<Tor zur Emotion>> und als Gedächtnisfilter dient. (Zimbardo, Gerrig, 1999)
Die Funktion von Emotionen
Im Folgenden werden werden einige Funktionen von Emotion näher betrachtet. Diese sind die motivierende, die soziale und die kognitive Funktion.
Motivation und Erregung
Emotionen gelten oft als Auslöser für gesetzte Handlungen. Sie motivieren zum Handeln in Bezug auf ein tatsächlich erlebtes oder ein vorgestelltes Ereignis. Zum Beispiel kommt plötzlich dem Lenker eines Autos auf der selben Fahrbahn ein Fahrzeug entgegen. Um einen Zusammenstoß zu verhindern, wird eine Handlung gesetzt (diese kann bewusst oder unbewusst erfolgen). Emotionen ermöglichen es sich mit wichtigen Ereignissen auseinander zu setzen, ohne lange darüber nachdenken zu müssen (Ekmann, 2004). Emotionen richten das Verhalten auf spezielle Ziele und halten es aufrecht. (Zimbardo, Gerrig, 1999) So gibt es Menschen, die um die halbe Welt fliegen würden um einer geliebten Person nahe sein zu können, oder im Kampf für Ideale oder das Vaterland opfern Manche sogar ihr Leben. Emotionen können auch Auskunft bzw. Rückmeldung über den eigenen motivatonalen Zustand zu geben. Durch die Intensivierung bestimmter Lebenserfahrungen signalisieren sie, dass eine Reaktion von außerordentlicher Bedeutung ist oder der ein Ereignis selbstrelevant ist. So sind Emotionen in der Lage innere Spannungen bewusst zu machen. Dies kommt zum Vorschein, wenn wahrgenommen wird, dass eine Person unvernünftig oder unangemessen auf eine bestimmte Situation reagiert. Wird auf eine leichte Kränkung durch einen Freund übermäßig stark reagiert, können dadurch verborgenen Gefühle wie Wut oder Eifersucht bewusst gemacht werden. (Zimbardo, Gerring, 1999)
Soziale Funktion
Die soziale Funktion von Emotionen liegt in der Regulierung sozialer Interaktionen. Im positiven Sinn verbinden sie Menschen, im negativen Sinne schaffen die Distanz zwischen Menschen. (Zimbardo, Gerrig, 1999). So ist man eher dazu geneigt auf Menschen die einem anlächeln ein weitaus positveres Gefühl zu entwickeln, als zu denjenigen die den morgendlichen Gruß mit einem griesgrämigen Gesicht entgegnen mit negativ besetzten Gefühlen in Verbindung zu bringen. Wenn Menschen veranlasst werden, sich wohl zu fühlen, sind sie eher dazu geneigt, sich auf unterschiedlicher Art hilfsbereit zu zeigen. Eine Untersuchung zeigte, dass Sich Versuchsteilnehmer, die sich durch einen Fehler schuldig fühlten, eher dazu bereit waren, in einer darauffolgenden Situation als freiwillige Helfer zu fungieren. Emotionen helfen oft bei sozialer Kommunikation (bewusst oder unbewusst). Zum Beispiel weicht man zurück, wenn jemand Wut entbrannt zu herumzuschreiben beginnt. Oder es werden stark negative Emotionen, wie Wut oder Hass aus Respekt vor dem Status oder der Macht eines anderen Menschen unterdrückt. Ein Grossteil der menschlichen Kommunikation findet auf in Form von einer lautlosen Sprache emotionaler expressiver nonverbalen Botschaften statt. (Zimbardo, Gerrig, 1999).
Emotionale Wirkung auf kognitive Prozesse
Emotionen dienen kognitiven Funktionen, indem sie beeinflussen, wohin die Aufmerksamkeit gerichtet wird, wie andere und das eigene Selbst wahrgenommen werden und wie verschiedene Merkmale von Lebenssituationen interpretiert und erinnert werden. Wissenschaftler haben belegt, dass emotionale Zustände großen Einfluss auf das Lernen, das Gedächtnis, die soziale Urteilsfähigkeit und die Kreativität haben. Darüber hinaus sind Emotionale Reaktionen der Einordnung und Organisation persönlicher Lebenserfahrungen von großer Bedeutung. (Zimbardo, Gerrig, 1996).
Emotionen und Informationsverarbeitung
Die Rolle der Emotion in der Informationsverarbeitung wurde von Gordon Bower 1981, 1991) und seinem Team untersucht. Erlebt ein Mensch in einer bestimmten Situation eine bestimmte Emotion, so ist sie nach Bowers Modell als Teil eines Zusammenhangs im Gedächtnis festgehalten. Ausgehend von diesem Darstellungsmodell des Gedächtnisses kommt es zu einer stimmungsabhängigen Verarbeitung bzw. zu einem stimmungsabhängigen Abruf.
Eine stimmungsabhängige Verarbeitung findet statt, wenn Menschen zur Aufnahme von Information sensibilisiert werden, die mit der momentanen Stimmung übereinstimmen. Steht zum Beispiel ein Lehrstoff mit der vorherrschenden Stimmung in Einklang wird ihm eher Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser wird besser aufgenommen und mit ausführlicheren Assoziationen verarbeitet. Eine Untersuchung in denen Menschen gebeten wurden, ihren Gesundheitszustand zu beurteilen, zeigt den Einfluss der stimmungsabhängigen Informationsverarbeitung. Waren die Probanden traurig, waren sie eher dazu geneigt anzugeben, dass sie in der Vergangenheit häufig von Krankheiten und Beschwerden geplagt wurden. Waren sie jedoch in einer emotional neutralen Verfassung, war die Anzahl der angegeben Beschwerden und Krankheitsvorfälle deutlich geringer. Der Einfluss von Stimmung auf die Kognition wird durch eine weitere Untersuchungen bestätigt. So zeigte sich, dass fröhliche Menschen mehr kreative Lösungen bei Standardtests zur Kreativität entwickelten, als emotional neutral gestimmte oder schlecht gestimmte Personen. (Zimbardo, Gerrig, 1999).
Unter stimmungsabhängigem Abrufen wird der Abruf eines vergangen emotionalen Ereignisses aus dem Langzeitgedächtnis verstanden. Dieser tritt auf, wenn die betreffende Person wieder in der gleichen Stimmung ist wie bei einem früheren Ereignis. Ist ein Mensch traurig, so neigt er dazu, sich an negative Ereignisse aus der Vergangenheit zu erinnern. Im Gegensatz dazu, ruft ein glücklicher Mensch eher schöne Momente aus der Gedächtnis ab. Auch bei depressiven Patienten, tritt dieser Verzerrungseffekt häufig auf. Durch ihre negative Grundstimmung veranlasst sie vermehrt negative Erinnerungen wachzurufen, was dazu führt dass ihre depressive Stimmung aufrecht erhalten wird. (Zimbardo, Gerrig, 1999).
Resümée
Emotionen sind in der Evolutionsgeschichte tief verwurzelt. Sie dienen seit jeher, zum Informationsgewinn über ablaufende Handlungen. Auslöser von Emotionen können individueller oder universeller Natur sein. So wird auch von universellen emotionalen Reaktionen gesprochen, dies bestätigte eine Untersuchung mit Neugeborenen. Emotionen sind oft auslösend für gesetzte Handlungen, dies beeinflusst das soziale Gefüge und die Interaktionen die innerhalb diesen erfolgen. Des weiteren haben Emotionen großen Einfluss auf das Lernen, das Gedächtnis und die Kreativität eines Individuums. Dies wird im Prozess der Informationsverarbeitung ersichtlich. So funktioniert die Verarbeitung von Information besser, wenn der Lehrstoff mit einer positiven Grundstimmung im Einklang ist. Dies hat zur Folge, dass dem Lehrstoff größere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch das Hinwenden der Aufmerksamkeit, Inhalte besser behalten werden und diese leichter reproduzierbar sind ist größer, als bei einem Inhalt der sich nicht mit der vorherrschenden Stimmung deckt. Auch beim Abrufen von Information spielen Emotionen eine wichtige Rolle, so erfolgt auch hier eine enge Verknüpfung zwischen Emotion und Lerninhalt. Für die eingangs gestellte Forschungsfrage mit den dazugehörigen Hypothesen ist dies soweit von Bedeutung, als festgestellt werden konnte, dass Emotionen im Prozess der Informationsverarbeitung eine essentielle Rolle spielen. Im wesentlichen wird dadurch die zweite Hypothese gestützt die besagt, dass Inhalte die von einer angenehm erlebten Emotion begleitet werden, besser gemerkt und somit leichter wieder abgerufen werden können.
Überraschung
Dieses Kapitel widmet sich der Emotion Überraschung. Zunächst erfolgt eine Begriffsbestimmung, anschließend wird das kognitiv-evolutionäre Modell von Überraschung vorgestellt. Hinterher wird Überraschung über den Zugang der Erwartungshaltung behandelt. Abschließend wir auf den Experimentellen Rahmen von Überraschung eingegangen. In der zusammenfassenden Darstellung werden die wichtigsten Ergebnisse des Kapitels aufgezeigt.
Begriffsbestimmung
Laut Gernot Horstmann, kann Überraschung als Reaktionssyndrom aus Veränderungen des subjektiven Erlebens, des Verhaltens sowie der Physiologie beschrieben werden. Im subjektiven Erleben tritt ein charakteristisches Überraschungsgefühl auf, das hedonisch eher neutrale Qualität aufweist und von relativ kurzer zeitlicher Dauer ist (Shand, 1914). Die Veränderungen des Verhaltens umfassen vor allem einen bestimmten nonverbalen insbesondere mimischen Ausdruck (Darwin, 1872; Ekmann & Friesen, 1975), weiterhin Veränderungen der Körperhaltung und eine Orientierung der Sinnesorgane auf den überraschenden Reize, sowie eine Unterbrechung der gerade ausgeführten Handlung (z.B. Darwin, 1872). Als physiologische Merkmale der Überraschung gelten eine kurzzeitige Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit der Haut sowie eine kurzzeitige Abnahme der Herzrate (Niepel, 2001). (vgl. Horstmann, 2001)
Manche Emotionsforscher zählen Überraschung nicht zu den Emotionen, weil die sie der Ansicht sind, dass sie weder angenehm noch unangenehm sei, und sie auf dem Standpunkt stehen alle Gefühle müssten entweder das eine oder andere sein. Nach Paul Ekmann, dem führenden Wissenschaftler im Bereich des mimischen Emotionsausdrucks, zufolge fühlt sich Überraschung für die meisten Mensch an wie eine Emotion. In dem Augenblick, in dem versucht wird herauszubekommen, was eben passiert ist, bevor zu dem einen oder anderen Gefühl umstellen wird oder auch emotionslos weitergemacht wird, kann sich Überraschung durchaus gut oder schlecht anfühlen. (Ekmann, 2004) Laut Ekmann, gibt es kulturübergreifende Überlappungen im Hinblick auf die Ausdruckssprache des Gesichts. Er und seine Mitarbeiter konnten nachweisen, dass die Spezies Mensch über ein universelles Ausdrucksrepertoire verfügt. (Zimbardo, Gerrig, 1996) Dieses Repertoire besteht aus sieben Emotionen, die weltweit in gleicher Weise erkannt und ausgedrückt werden, dazu zählen: (1) Fröhlichkeit, (2) Überraschung, (3) Wut, (4) Ekel, (5) Furcht, (6) Traurigkeit und (7) Verachtung.
Kognitiv evolutionäre Modell
Der Kern des Modells sind die durch überraschende Ereignisse hervorgerufenen mentalen Prozesse. Es wird angenommen, dass dadurch eine dreistufige Sequenz von mentalen Prozessen in Gang gesetzt wird. Das Modell behandelt hauptsächlich solche kognitiven Prozesse, die (1) durch Überraschung verursacht werden, die (2) den eigentlichen Überraschungsmechanismus bilden und die (3) regelmäßig in der Folge von Überraschung auftreten. (Meyer, Reisenzein, Schützwohl 1996).
Überraschung durch Schemaabweichung
Dem kognitiv-evolutionären Modell zufolge wird Überraschung durch unerwartete Ereignisse hervorgerufen. Wobei Unerwartetheit als Abweichung eines in Gang gesetzten kognitiven Schema angesehen wird. Schemata lassen sich als informelle Theorien über Objekte, Ereignisse und Ereignisabfolgen (einschließlich Handlungen und Handlungsabfolgen) begreifen. Es handelt sich um organisierte Wissensstrukturen, die Wahrnehmung, Denken, Handeln beeinflussen. Schemata dienen der Interpretation gegenwärtiger Ereignisse (einschließlich Erinnerungen) sowie die Vorhersage zukünftiger Ereignisse und damit letztlich der flexiblen, adaptiven Planung und Steuerung des Handelns. (Horstmann, 2001). Die tatsächlichen Gegebenheiten und das vorhandene Schema müssen übereinstimmen, damit Interpretation und Vorhersage zum Zwecke der Handlungssteuerung funktionieren können. Da sich Umweltgegebenheit verändern können und das Wissen über die Umwelt häufig unvollständig ist müssen die vorhanden Schemata immer wieder einer neuen Prüfung unterzogen werden. Wird das gegenwärtige Schema falsifiziert, so muss es verändert werden, ist dies nicht der Fall wird es beibehalten. Eine Schemaabweichung führt dazu, das der Überraschungsmechanismus in Gang gesetzt wird. (Reisenzein, Meyer & Schützwohl,1996)
Aufbau der Überraschungsfunktion
Die momentane Handlung wird abgebrochen, der gerade ablaufende Verarbeitungsprozess wird unterbrochen. Die Aufmerksamkeit orientiert sich an dem überraschenden Ereignis und es entsteht das Überraschungsgefühl. Die kognitiven Prozesse der Aufmerksamkeitsorientierung und der Unterbrechung der Verarbeitung schaffen die Vorraussetzung für die Analyse und Bewertung des überraschenden Ereignisses. In den meisten Fällen führt dies dann zu einer Schemaveränderung. (Horstmann, 2001)
Biologische Funktion
Der Begriff der biologischen Funktion entstammt der Evolutionstheorie und bezeichnet diejenige Wirkung eines vererbten Merkmals, das die Überlebens- und Fortpflanzungschancen des Individuums und seiner genetischen Verwandten erhöht und somit die Ausbreitung des Merkmals innerhalb der Art begünstigt. (Horstmann, 2001) Das kognitiv evolutionäre Modell analysiert die Bedingung und Wirkung von Überraschung unter Berücksichtigung evolutionstheoretischer Überlegungen. Meyer et al (1996) gehen davon aus, dass Überraschung ein phylogenetisch alter Mechanismus ist, der sich im Laufe der Evolution lange vor der Entstehung der menschlichen Spezies herausgebildet hat. Mit der Adaption von Überraschung sind zwei Ziele verbunden. Einerseits soll Überraschung dem Individuum eine unmittelbar angepasste Reaktion (kurze Anpassung) auf das überraschende Ereignis verhelfen. Andererseits soll Überraschung zu einer Veränderung des fehlerhaften Schemas führen, und somit die Vorraussetzung für die Vorhersage des Ereignisses und damit für das angemessene Handeln (langfristige Anpassung) wieder geschaffen werden. Um das Ereignis zu verstehen und sein Eintreten in Zukunft besser vorhersagen zu können, erfolgt eine Suche nach den Ursachen sowie deren Analyse.
Überraschung unter Berücksichtung der Erwartungshaltung
Überraschung erfüllt eine wichtige Funktion bei der psychischen Verarbeitung und Regulation von Ereignissen in der unmittelbaren Umwelt des Individuums. Immer dann, wenn eine unerwartete Veränderung in den momentan wirksamen Reizen des Wahrnehmungsfeldes eintritt und wenn entsprechende Anpassungsleistungen des Individuums erforderlich sind führt Überraschung zu einem situationsangemessenen Handeln des Organismus. Hauptmerkmal von Überraschung ist die Reaktion auf ein Ereignis, das anstatt eines anderen erwarteten Ereignis ohne vorherige Hinweisreize eintritt. Vorraussetzung ist, dass eine gegenwärtig wirksame Erwartung besteht, die sich auf einen bestimmten Inhalt bezieht. Zum Beispiel, der Besuch eines Freundes wird für den Nachmittag erwartet. Erwartung bezeichnet eine Prozessvariable, ein hypothetisches Konstrukt und ist im subjektiven Erleben unmittelbar vorhanden. Auf das Problem unterschiedlicher Grade der Bewusstheit von Erwartung (unter Umständen somit auch die Grade der Überraschung) kann hier nicht genauer eingegangen werden. Die Stärke der Erwartung ist eine Funktion verschiedener Variablen: (1) Der Stärke von gelernten Verknüpfungen zwischen Hinweisreizen, die das kritische Ereignis ankündigen, (2) des Grades an kognitiver Klarheit der gegebenen Erwartung, (3) ihrer Aktualität (unmittelbar bevorstehendes Ereignis), (4) der subjektiven Wahrscheinlichkeit, mit der das Ereignis eintritt und der (5) Bedeutsamkeit oder Wichtigkeit, die das Ereignis für die betreffende Person hat. Die Antizipation des Ereignisses kann mit einer positiven oder negativen Gefühlstönung einhergehen. (Voss, 1983) Ferner ist es in Betracht zu ziehen, dass Erwartung sich nicht auf externe Ereignisse in der unmittelbaren Umwelt des Individuums richten. Auch Annahmen, die im Verlaufe eines Denkprozesses gebildet und geprüft werden, lassen sich als gedankliche Vorausnahmen von bestimmten Ergebnissen begreifen. Entscheidend für den Überraschungseffekt ist dabei, dass nicht die Falsifikation einer Hypothese, sondern das Fehlen einer spezifischen Hypothese, d.h. sozusagen der spontane Einfall, zu einer Lösung des Denkproblems führt. Beispiel dafür ist das sogenannte Aha-Erlebnis. (Voss, 1983)
Schreck vs. Überraschung
Überraschung kann als Emotion gelten, Schreck hingegen nicht, obwohl das Wort oftmals synonym verwendet wird. Im Fall von Schreck wird ein eintreffendes Ereignis fehlerwartet, im Unterschied zu einem unerwarteten. Schreck lässt sich als eine hauptsächlich defensive Reaktion auf einen unerwarteten, plötzlichen (ohne vorhergehende Hinweisreiz) eintreffenden Reiz verstehen (Voss, 1983). So unterscheiden sich die beiden Zustände auch in ihrem Erscheinungsbild.
Bei einer Schreckreaktion werden die Augen zugekniffen, die Augenbrauen sind gesenkt und die Lippen sind fest angespannt. Im Gegensatz dazu, sind bei einer Überraschungsreaktion die Augen weit aufgerissen, die Augenbrauen angehoben und das Kiefer fallt nach unten. Zusätzlich unterscheidet sich Schreck von Überraschung noch in drei weiteren Punkten. (1) Der Zeitrahmen von Schreck ist noch begrenzter als der von Überraschung. Der entsprechende Gesichtsausdruck erscheint binnen einer Viertelsekunde auf dem Gesicht und ist nach anderthalb Sekunden vorüber. Er ist von so kurzer Dauer, das er schon bei kurzem Zwinkern übersehen wird. (2) Vermag die Mitteilung, dass im nächsten Augenblick ein unerwartetes Ereignis (z.B. ein lauter Knall) erfolgen wird, die Intensität der Reaktion bei den meisten Menschen zwar abzuschwächen, nicht aber ganz zu verhindern. Überraschung wird nicht mehr empfunden, wenn gewusst wird was erwartet werdem kann. (3) Schließlich kann die Schreckreaktion nie ganz unterbunden werden, selbst wenn genau erklärt wird, wann das Ereignis eintritt (der Knall erfolgen wird). Die meisten Menschen vermögen alle äußerlich sichtbaren Anzeichen einer Emotion bis auf ein Minimum zu unterdrücken, insbesondere, wenn sie darauf vorbereitet sind. (Ekmann, 2004). Schreckreaktionen sind bereits in den ersten Lebenstagen eines Neugeborenen zu beobachten. Überraschung kann erst auf der Basis von bereits vorhanden kognitiven Schemata (wie im vorigen Abschnitt erläutert), die eine antizipatorische Handlung begründen, eintreten. (Voss, 1983).
Effekte der Überraschung
Überraschung ist häufig von dem Eindruck eines Stillstehens des Denken und Handelns begleitet. Überraschung vermittelt ein kurzfristiges Gefühl des Dissonanz der zusammengehörigen Systemkomponenten. Dies macht den Motivcharakter von Überraschung aus. (Voss, 1983) Laut Wundt (1911) zählt Überraschung zu den indifferenten Spannungsaffekten. Indifferent, deswegen als die plötzliche Lösung der Spannung sowohl zu freudiger Überraschung als auch zu Bestürzung oder Entsetzen führen kann. Barlett und Izard (1972) führten eine Untersuchung durch. Sie versuchten zu zeigen, dass Situationen in denen Überraschung auftritt, als angenehm erlebt werden und bei den befragten Personen mit erlebtem Selbstbewusstsein und mit Impulsivität und Spannungsgefühl verknüpft sind. Die Versuchsteilnehmer wurden gebeten, sich eine Überraschungssituation vorzustellen und gleichzeitig eine Einschätzskala mit Adjektiva für 8 fundamentale Emotionen zu bearbeiten. In diesem Versuch wurde Überraschung am stärksten mit Freude, Interesse verbunden. In geringerem Maße mit Furcht und Schüchternheit assoziiert. Des weiteren ist der Effekt der Aufmerksamkeitsverteilung und das Einsetzen explorativer Handlung im Zusammenhang mit Überraschung von großer Bedeutung. So ist Überraschung auch immer von einem Neuheitscharakter begleitet (zum Beispiel steht nicht der erwartete Freund vor der Tür sondern eine fremde Person). Überraschung setzt ein motivationales Handlungssystem in Gang, das seinerseits zu bedeutenden Veränderungen in den emotionalen und vor allem kognitiven Strukturen. So kann auch gesagt werden, dass die allgemeine Wirkung von Überraschung, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt über einen mehr oder weniger längeren Zeitraum hinweg zu richten, gleichbedeutend ist, mit der Etablierung von Interesse und Begeisterung (Voss, 1983).
Untersuchung von Überraschung
Durch die Erforschung der Emotion Überraschung wird versucht Licht auf die Entwicklung, Natur und Funktion von Emotionen allgemein. Der Grund dafür ist, das Überraschung mit ursprünglichen Emotionen wie z.B. Furcht oder Ärger eine Reihe zentraler Merkmale teilt. (1) eine kennzeichnende Erlebnisqualität, die in der Intensität variieren kann; (2) Objektgerichtetheit (normalerweise über etwas überrascht); (3) verursacht durch kognitive Einschätzungsprozesse (4) das Vorhandensein eines charakteristischen Gesichtsausdrucks und (5) typischer physiologischer Reaktionen (vermutlich derjenigen, die auch für die Orientierungsreaktion auf neue Reize charakteristisch sind) wahrscheinlich (6) alter phylogenetischer Ursprung (das wird durch Existenz ähnlicher Reaktionen bei anderen Spezies nahegelegt) und damit zusammenhängend eine plausible Funktion welche eine Lösung auf ein wiederkehrendes Anpassungsproblem darstellt. (Meyer, Reisenzein, Schützwohl, 1996) Darüber hinaus bietet die Untersuchung von Überraschung eine Reihe von methodischen Vorteilen, gegenüber Untersuchungen mit anderen Emotionen. Überraschung kann leicht und zuverlässig im Labor induziert werden (wobei auch einen ausgezeichnete Kontrolle über ihren zeitlichen Beginn und ihre Intensität besteht) neben dem subjektiven Erleben stehen mehrer brauchbare objektive Indikatoren von Überraschung zur Verfügung (Unterbrechung oder Verzögerung von gerade ablaufenden Handlungen; nonverbaler Ausdruck; physiologische Reaktionen). Die Erforschung der emotionalen Reaktionen auf überraschende Ereignisse lässt sich leicht von Überraschung selbst auf andere Emotionen ausweiten. Es scheint, dass fast alle Emotionen auch auf überraschende Ereignisse hin auftreten. Beispielsweise kann eine Überraschung in Ärger oder Zorn übergehen und somit in diesem Kontext untersucht werden. Während die Verarbeitung erwarteter Ereignisse typischer weiser automatisch, schnell und unbewusst abläuft, dürfte die Analyse unerwarteter und damit überraschender Ereignisse in einer eher willkürlich, langsameren, und bewussten Form vor sich gehen (Meyer, Reisenzein, Schützwohl, 1996).
Resümée
In diesem Kapitel wird deutlich, dass Überraschung zu den Emotionen gezählt werden kann. Sowohl die Tatsache, dass Überraschung zu den sieben weltweit universellen Emotionen gerechnet wird (Ekmann, 2004), als auch der Umstand, dass im Rahmen von Untersuchung von Überraschung und damit verbunden Schlussfolgerungen auf andere Emotionen, lässt deutlich werden, dass es sich bei Überraschung um eine Emotion handelt. Durch das Modell der Schemaabweichung wird hervorgehoben, dass Überraschung mit einer Neuverteilung der Aufmerksamkeit einhergeht. Dies unterstreicht auch die Erwartungshaltung die mit der Emotion Überraschung verbunden wird. Es handelt sich nicht immer um äußere Gegebenheiten, die einer Prüfung unterzogen werden. Überraschende Momente sind auch bei Denkprozessen gegenwärtig (Aha-Erlebnis). Barlett & Izard (1972) konnten durch eine Untersuchung bestätigen, dass Überraschung am stärksten mit Freude und Interesse korreliert. Zum einen wird dadurch die erste Hypothese bestätigt, die besagt, dass es sich bei Überraschung um eine Emotion handelt. Zum Anderen wird durch die Untersuchung von Barlett & Izard experimentell nachgewiesen, dass Überraschung als positive Emotion wahrgenommen wird.
Lernen
In diesem Kapitel wird Lernen im Hinblick auf die eingangs formulierte Fragestellung analysiert. Zu Beginn erfolgt eine detaillierte Begriffsbestimmung, danach wird ein Modell vorgestellt, welches Emotion und Lernen thematisiert. Anschließend wird auf die Komponente Spaß im Lernprozess eingegangen. Gegen Ende wird über das Phänomen des downshifting der Einfluss von Angst auf den Lernprozess thematisiert. Den Abschluss bildet eine zusammenfassende Darstellung mit auf die Forschungsfrage bezogenen Schlussbemerkungen.
Lernen ist ein psychischer Prozess, der zu einem großen Teil Produkt der genetischen Ausstattung des Menschen ist. Laut Zimbardo & Gerrig erben Menschen, wie andere Lebewesen, eine spezifische Lernfähigkeit. Ob und in welchem Ausmaß dieses vorhandene Potential genutzt wird, hängt von den individuellen Erfahrungen ab.
Begriffsbestimmung
Lernen wird als ein Prozess definiert, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut. Lernen ist nicht direkt zu beobachten. Es muss aus den Veränderungen des beobachtbaren Verhaltens erschlossen werden. (Zimbardo, Gerrig, 1996).
Veränderungen im Verhalten
Lernen hat augenscheinlich stattgefunden, wenn es zu einer Veränderung im Verhalten kommt. Wenn jemand etwas beigebracht wurde oder selbst neue Fähigkeiten erworben wurden, dies können beispielsweise Fahrradfahren oder große Perfektion bei Videospielen sein. An der Verbesserung von Leistung lässt sich Lernen ablesen. Häufig ist es der Fall, dass diese Leistung nicht alles was gelernt wurde präsentiert. Zum Beispiel kann es in Testsituationen zu einem Versagen durch Prüfungsangst kommen oder die gestellten Prüfungsfragen sind zu spezifisch. Wenn die Motivation sehr hoch oder sehr niedrig ist, ist die Leistung unter Umständen kein guter Indikator für Lernen. Im ersten Fall ist die Motivation so hoch, dass sie die optimale Ausführung des Verhaltens hemmt. Im zweiten Fall ist nicht genügend Motivation vorhanden um eine angemessene Leistung hervorzubringen. Schließlich kann auch ein Motiv dominieren, dass der gerade geforderten Leistung entgegen gesetzt ist. Allgemeinbildung findet keinen Niederschlag in typischen Verhaltensänderungen. Zum Beispiel die Beschäftigung mit fernöstlichen Religionen oder das Verständnis für moderne Kunst. In diesem Fall wurde möglicherweise ein Potential für eine Veränderung des Verhaltens erworben, das Einfluss darauf haben kann, welche Bücher gelesen werden oder auf welche Weise seine Freizeit verbracht wird. Eine solche Veränderung wirkt sich eher indirekt auf die erbrachten Testleistungen aus. Die Definition von Lernen enthält aus folgendem Grund den Ausdruck ..oder im Verhaltenspotential, zumal Lernen stattgefunden haben kann, obwohl es sich zu einer bestimmten Zeit nicht in der Leistung gezeigt hat.
Stabilität
Um den gelernten Inhalt auch zu behalten, muss die Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspotential relativ stabil sein. Wer einmal in seinem Leben schwimmen gelernt hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit ab diesem Moment schwimmen können. Einige Veränderungen des Verhaltens sind jedoch nur temporär. So erweitern sich die Pupillen, wenn sich die Helligkeit des Lichtes verändert, oder ist der Lenker eine Fahrzeuges müde oder unaufmerksam kann dies Auswirkungen auf den Fahrstil haben. Diese Verhaltensweisen bauen auf Erfahrung auf, sind jedoch nicht von Dauer. In diesem Fall kann nicht gesagt werden, dass Lernen vorausgegangen ist. Andererseits wird manches von dem was einmal gelernt wurde vergessen, oder durch das was später gelernt wurde verändert. Aus diesem Grund ist in der Definition nur von ..relativ stabilen Veränderungen.. die Rede. Veränderungen durch Lernen sind zwar langanhaltender als durch Ermüdung, haben aber nicht notwendig für allezeit Bestand.
Erfahrung
Das was einem Menschen im Laufe seines Lebens widerfährt wird als Erfahrung bezeichnet. Normalerweise handelt es sich dabei um Interaktionen mit der Umwelt. Erfahrung umfasst Informationsaufnahme, sowie die Auswertung und Umsetzung der erworben Information. Darüber hinaus die Äußerung von Reaktionen, die die Umwelt beeinflussen, wie zum Beispiel beim Erlernen von Autofahren. Lernen vollzieht sich nur durch Erfahrung. Psychologen versuchen zu ergründen, welche Teile des Verhaltens durch Erfahrung verändert werden können und wie solche Veränderungen entstehen.
Emotion und Lernen
Das hier verwendete Bild wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt. Sobald das Bild auf den ursprünglichen Webseiten ([www.neuropaedagogik.de]) verfügbar ist, wird an dieser Stelle das zugehörige Link eingetragen.
Wie schon im ersten Kapitel erwähnt, ist unser Gehirn mit einem emotionalen Filter ausgestattet. Über diesen Filter steuert unser Gehirn den Wahrnehmungsprozess. Die Emotion wird dabei ohne Umwege im Langzeitgedächtnis gespeichert. Während dies bei Information nicht der Fall ist. Information wird erst Wiederholung und Übung im Langzeitgedächtnis gespeichert. Aus der Grafik ist ersichtlich, dass Information zuerst in das Ultrakurzzeitgedächtnis, dann in das Arbeitsgedächtnis, von diesem in das Kurzzeitgedächtnis und erst dann in das Langzeitgedächtnis gelangt.
Diese Erkenntnisse haben einen direkten Einfluss auf das Handeln. Aus dem Modell wird deutlich, dass Emotionen die Aufnahme von Information von vorneherein beeinflussen. So ist eine rein kognitive Vermittlung von Wissen langsam und ermüdend. Es erhöht den Widerstand und führt somit zum Vergessen. Auch wenn es sich um äußerst wichtiges Wissen handelt, wird es vom Lernenden nicht angewandt werden bzw. angewandt werden können. Ein emotionsgeladener Lernprozess, wird zwar sehr intensiv sein, führt jedoch dazu, dass nur die Emotion und nicht das vermittelte Wissen abgerufen werden kann.
Demzufolge wird eine gelungene Informationsaufnahme und verarbeitung über das Gefühl der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstandes und einer positiven, emotionalen Grundbefindlichkeit erreicht. (http://www.neuropaedagogik.de/page2.html- Fassung 2001)
Spaß am Lernen
Kinder lernen besser, wenn der Schulstoff amüsant verpackt ist. Ein lockerer Spruch oder witziger Zusammenhang gräbt die Inhalte tiefer ins Gedächtnis und sorgt für ein entspanntes angstfreies Unterrichtsklima. Erklärt wird das folgendermaßen: Lachen verbessert die Leistungsfähigkeit unseres Denkorgans. Laut dem Lachforscher Rod Martin beschleunigt Lachen unter anderem den Herzschlag und erhöht so die Sauerstoffversorgung des Gehirns. Außerdem verschafft Humor eine Pause von den Problemen des Alltags und Momente der Befreiung. Wer lernt, sich über seine Missgeschicke zu amüsieren, anstatt den Ärger in sich hineinzufressen, fördert seine Kreativität und findet leichter Problemlösungen. In diesem Zusammenhang wurde an der University of Wisconsin folgendes Experiment durchgeführt. Den Probanden wurden 30 Wörter vorgelesen. Anschließend wurde der einen Hälfte der Versuchspersonen ein witziger Videoclip gezeigt, der anderen Hälfte nicht. Eine Woche später konnten sich die Personen die den witzigen Film sahen, an doppelt so viele Begriffe erinnern, als die Gruppe die ihn nicht sah. Der Tübinger Erziehungswissenschaftler Dieter Kassner stellte mittels Fragebogenerhebung fest, dass ein bestimmtes Maß an pädagogischer Erheiterung ein entspanntes und angstfreies Unterrichtsklima schafft. Hinzu kommt, dass Kinder die viel zu lachen haben, besser im Stande sind Aggressionen abzubauen. Davon profitieren sie nicht nur selbst, sondern auch die gesamte Klasse bzw. ihr gesamtes Umfeld. (Liebertz, Mit Humor geht alles besser)
Downshifting
Das Gehirn lässt sich mit der Linse einer Kamera vergleichen. Bei Herausforderung, Interesse öffnet es sich um Information aufzunehmen und schließt sich bei der Wahrnehmung von Bedrohung, die Hilflosigkeit auslöst. Dies gilt auch für den Lernprozess. Erlebte Angst ist mit einer Verengung des Wahrnehmungsfeldes verbunden. (Arnold, 2002) Der Begriff des downshifting drückt dies aus. Darunter ist eine psychologische Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung gemeint, die von einem Gefühl der Hilflosigkeit und Erschöpfung begleitet ist. Durch downshifting können unterschiedliche höhere kognitiver Funktion beeinträchtigt werden. So kann es das Lernen und Problemlösen behindern, ja sogar verhindern. Darüber hinaus wird auch jegliche Art von Kreativität gehemmt. (Arnold, 2002)
Resümée
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Lernen stattgefunden hat, wenn es zu einer sichtbaren Veränderung im Verhalten kommt. Die Veränderungen durch Lernen haben jedoch nicht für allezeit Bestand. Die weiteren Erfahrungen spielen für den Lernprozess eine wesentliche Rolle. Emotionen korrelieren sehr stark mit der Lernerfahrung. Eine gelungene Informationsaufnahme und -verarbeitung wird über eine positive Grundbefindlichkeit und der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstandes erreicht. Durch eine Untersuchung konnte bestätigt werden, dass Humor Kreativität fördert. Angst hingegen verhindert Lernen und Problemlösen. Diese Ergebnisse sind für die eingangs formulierte Fragestellung von großer Bedeutung. Sie verdeutlichen, dass positive Emotionen im Lernprozess dazu führen, dass Information besser aufgenommen, gemerkt und wieder abgerufen werden kann.
Zusammenfassende Darstellung und Schlussbemerkungen
Um das Ergebnis dieser Arbeit darzustellen, ist ein Rückblick auf die in der Einleitung formulierten Forschungsfrage zweckmäßig. Ziel war die Beantwortung der Fragestellung: Kann die Emotion "Überraschung" Lernerfahrung intensivieren und werden durch diese Emotionaliserung Lernerfahrungen positiv verstärkt? Diesbezüglich wurden zwei Hypothesen formuliert. Zum einen wurde angenommen, dass es sich bei Überraschung um eine Emotion handelt, die als positiv erlebt wird. Zum anderen, dass Inhalte, die von einer angenehm erlebten Emotion begleitet werden besser gemerkt und leichter wieder abgerufen werden können.
Die erste Hypothese kann aufrecht erhalten werden. Die Tatsache, dass von Untersuchungen über Überraschung auf Emotionen geschlossen werden kann zeigt, dass es sich bei Überraschung um eine Emotion handelt die Charakterister von anderen Emotionen teilt. Diese Merkmale sind (1) eine kennzeichnende Erlebnisqualität, die in der Intensität varrieren kann; (2) eine Objektgerichtetheit (Überraschung erfolgt normalerweise über etwas); (3) verursacht durch kognitive Einschätzungsprozesse, (4) das Vorhandensein eines charakteristischen Gesichtsausdrucks und (5) typischer phylogenetischer Reaktionen wahrscheinlicher (6) alter phylogenetischer Ursprung und damit zusammenhängend eine plausible Funktion welche eine Lösung auf ein wiederkehrendes Anpassungsproblem darstellt. (Meyer, Reisenzein, Schützwohl, 1996).
Ebenso wird diese Hypothese von Paul Ekmann, dem führenden Wissenschaftler im mimischen Gesichtsausdruck, gestützt. Ekmann zählt sie zu den sieben Emotionen die universell und kulturübergreifend vorhanden sind. Dazu zählen: (1) Fröhlichkeit, (2) Überraschung, (3) Wut, (4) Ekel, (5) Furcht, (6) Traurigkeit und (7) Verachtung. (Ekmann, 2004)
Auch für die zweite Hypothese konnten bestätigende Aspekte gefunden werden. So korrelieren Emotionen sehr stark mit der Lernerfahrung. Die Prozesse der stimmungsabhängigen Verarbeitung und des stimmungsabhängigen Abrufen verdeutlichen dies. Eine stimmungsabhängige Verarbeitung findet statt, wenn Menschen zur Aufnahme von Infomationen sensibilisiert werden, die mit der momentanen Stimmung übereinstimmen. Steht beispielsweise ein Lernstoff mit der vorherrschenden Stimmung in Einklang wird ihm eher Aufmerksamkeit geschenkt. Unter stimmungsabhängigen Verarbeitung wird der Abruf eines emotionalen Ereignisses aus dem Langzeitgedächtnis verstanden. Dies tritt auf, wenn die betreffende Person wieder in der gleichen Stimmung ist, wie bei einem früheren Ereignis. Dieser Verzerrungseffekt tritt bei depressiven Patienten häufig auf. Die negative Grundstimmung veranlasst sie negative Erinnerungen wachzurufen, somit erhalten sie ihre depressive Stimmung aufrecht. (Zimbardo, Gerrig, 1999).
Des weiteren wird die zweite Hypothese durch das Modell von Lernen und Emotion, das im Abschnitt Lernen besprochen wurde, bekräftigt. "Demzufolge wird eine gelungene Informationsaufnahme und -verarbeitung über das Gefühl der subjektiven Bedeutung des Lerngegenstandes und einer positiven, emotionalen Grundbefindlichkeit erreicht." (www.neuropaedagogik.de/page2.html). Aus diesem Modell wird ersichtlich, dass Emotionen die Aufnahme von Information von vorneherein beeinflussen. Eine rein kognitive Wissensvermittlung, ist weniger effektiv als jene die von Emotionen begleitet wird.
Als weiterer bestätigender Aspekt der zweiten Hypothese kann das an der University of Wisconsin durchgeführte Experiment gelten. In dieser Untersuchung wurden den Probanden 30 Wörter vorgelesen Anschließend wurde der einen Hälfte ein witziges Video vorgeführt, der anderen Hälfte nicht. Das Ergebnis des Experiments lautet: Eine Woche später konnten sich die Personen, die den witzigen Film sahen an doppelt so viele Begriffe erinnern als die Gruppe die ihn nicht sahen. Hinzu kommt eine Untersuchung von dem Tübinger Erziehungswissenschaftlers Dieter Kassner. Er stellte mittels Fragebogenuntersuchung fest, dass ein bestimmtes Maß an pädagogischer Erheiterung ein entspanntes und angstfreies Unterrichtsklima schafft.(vgl. Liebertz, 2005). Dieser Aspekt ist in Bezug auf Lernen von großer Bedeutung. Durch Angst kommt es zu einer Verengung des Wahrnehmungsfeldes und dies beeinflusst den Lernprozess. So führt dies dazu, dass Lernen und Problemlösen dadurch behindert, ja sogar verhindert werden. (Arnold, 2002).
Im Hinblick auf die Fragestellung ist folgendes anzumerken: Laut H. G. Voss, ist die allgemeine Wirkung von Überraschung , die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt über einen mehr oder weniger längeren Zeitraum hinweg zu richten, gleichbedeutend mit der Etablierung von Begeisterung und Interesse. Wie zuvor besprochen, ist eine positve Haltung gegenüber Lerninhaltinhalten lernfördernd. Daraus kann gefolgert werden, dass die Emotion Überraschung (aufgrund ihrer Aufmerksamkeitssteuernden Funktion) Lernerfahrungen intensiviert.
Literaturverzeichnis
Arnold M.: Aspekte einer modernen Neurodidaktik Emotionen und Kognitionen im Lernprozess. Schriften der Philosophischen Fakultät der Universität Augsburg Nr. 67, Verlag Ernst Vögel, München, 2002.
Barlett, E.S., Izard, C.E.: A dimensional and discrete emotions investigation of the subjective expericence of emotions. in: Izard C.E.:Patterns of emotions: A new analysis of anxiety and depression. Academic Press, New York, 1972, S. 129-172.
Birbaumer N., Schmidt R.F.: Biologische Psychologie. 4. Auflage, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1999.
Ekmann P.: Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen richtig erkennen und interpretieren. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag. München. 2004.
Euler, H., Mandl, H.: Emotionspsychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. Urban & Schwarzenberg, München-Wien-Baltimore, 1983, S. 177-182.
Gerrig R.J., Zimbardo P.G.: Psychologie. 7. Auflage, Springer Verlag, Berlin-Heidelber-New York, 1999.
Horstmann, G.: Die Unterbrechungsfunktion der Überraschung. Ein neues experimentelles Paradigma und eine Überprüfung der Automatizitätshypothese. Dissertation, Universität Bielefeld, 2001.
Liebertz Ch.: Mit Humor geht alles besser. In: Gehirn und Geist. Verlag Spektrum der Wissenschaft, 2005, S. 76-79.
Meyer, W.-U., Reisenzein, R., Schützwohl A.: Reactions to Surprising Events: A Paradigm for Emotion Research. appeared in: N. Frijda (1996, Ed.), Proceedings of the 9th conference of the International Society for Research on Emotions (pp. 292-296).
Voss, H.G.: Überraschung und Interesse - Der emotions- und motivationspsychologische Rahmen. In: Emotionspsychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. Urban & Schwarzenberg, München-Wien-Balitmore, 1983. S. 177-182.
Wundt, W.: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 3. Band, Engelmann, Leipzig, 1911.
www.neuropaedagogik.de/page2.html