Über Hippias (PJS)

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Hippias I Präsentation 06.12.07:

Die Mindmaps die bei der Hippias I Präsentation vom 06.12. verwendet wurden, können Sie hier downloaden. Mindmaps zu Hippias I

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schön

Wodurch ist Schönes schön?


Kalon2.jpg


[287c]

...und würde sagen, o Fremdling aus Elis, sind nicht die Gerechten durch die Gerechtigkeit gerecht? Antworte also Hippias, als ob jener dich fragte.

HIPPIAS: Ich werde antworten, Allerdings durch die Gerechtigkeit.

SOKRATES: Also ist dieses doch etwas, die Gerechtigkeit?

HIPPIAS: Freilich.

SOKRATES: Und die Weisen sind durch die Weisheit weise, und alles gute durch das Gute gut?

HIPPIAS: Wie anders?

SOKRATES: So nämlich daß dieses alles etwas ist, und keineswegs doch daß es nichts wäre?

HIPPIAS: Freilich, daß es etwas ist!

SOKRATES: Ist also nicht auch alles schöne durch das Schöne schön?

HIPPIAS: Ja durch das Schöne.

SOKRATES: Welches also doch auch etwas ist?

HIPPIAS: Allerdings etwas. Aber was will er nur?

SOKRATES: So sage mir denn, Fremdling, wird er sprechen, was ist denn dieses, das Schöne?

HIPPIAS: Will der nun nicht wissen, wer dieses fragt, Sokrates, was schön ist?

SOKRATES: Nein dünkt mich, sondern was das Schöne ist, Hippias.

HIPPIAS: Und wie ist denn dies verschieden von jenem?

SOKRATES: Dünkt es dich etwa gar nicht verschieden?

HIPPIAS: Nein gar nicht.

SOKRATES: Du weißt es freilich gewiß besser. Indes sieh nur Guter, er fragt dich ja nicht was schön ist, sondern was das Schöne ist.


Begriffsakrobatik

mit Kommentaren von --anna 17:33, 13. Dez. 2007 (CET)

[300d St]

SOKRATES: Und doch schwebt mir gar viel dergleichen vor der Seele, aber ich traue ihnen allen zusammen nicht, weil du es nicht auch siehst, der Mann der unter allen jetzt lebenden am meisten Geld mit der Weisheit verdient hat, sondern nur ich der ich nie das mindeste verdient habe. Nun besinne ich mich ob du nicht Spott mit mir treibst und mich wissentlich hintergehst, so deutlich und so zahlreich erscheint es mir.

HIPPIAS: Niemand kann ja sicherer erfahren als du, Sokrates, ob ich Scherz treibe oder nicht, wenn du nur versuchen willst zu sagen, was dir denn so erscheint. Denn so wirst du gleich sehen, daß es nichts ist. Denn gewiß wirst du niemals finden, daß was weder mir zukommt noch dir, dieses doch uns beiden zukomme.

Hippias beruft sich auf den Alltagverstand. Wenn zum Beispiel A keine Frau ist und B keine Frau ist, so können nicht beide zusammen weiblich sein. Oder wenn weder A, noch B die Ilias auswendig können, so können sie beide zusammen auch nicht auswendig. (Das ist aber offenbar schon problematisch. Vergleiche: Wenn weder A noch B den Dichter der Ilias angeben können, dann können sie es auch zusammen nicht.)

SOKRATES: Was sagst du, Hippias? Vielleicht hast du recht, und ich verstehe es nur nicht. Höre aber doch deutlicher von mir, was ich sagen will. Denn mir scheint, was mir nicht zukommt zu sein und ich nicht bin, und auch du nicht bist, doch uns beiden zukommen zu können, und anderes wiederum was uns beiden nicht zugeschrieben werden kann, daß wir es wären, jedem Einzelnen zuzukommen.

HIPPIAS: Noch größere Wunder hast du da wieder ausgesprochen, als du nur eben vorher aussprachst. Denn bedenke nur, wenn wir beide gerecht sind, müßte es dann nicht auch jeder von uns beiden sein, oder wenn Jeder von uns ungerecht wäre, wären wir es dann nicht auch beide? Oder wenn Beide gesund, dann nicht auch Jeder? [301 St.] Oder wenn jeder von uns beiden krank wäre, verwundet, geschlagen, oder was sonst jedem von uns müßte begegnet sein, käme dann nicht auch dasselbe uns beiden zu? Eben so wenn wir beide golden wären oder silbern oder elfenbeinern, oder wenn du willst edel weise geehrt alt jung oder was du sonst willst was Menschen sein können, wenn wir das beide wären, ist nicht ganz notwendig, daß auch jeder von uns es sein müßte?

Sokrates beginnt ein Variationsspiel. Hippias wiederholt das Allgemeinverständnis. Doch Sokrates verweist auf Fälle wie diesen: Wenn jede von 2 Personen allein ist, sind sie zusammen allein? Es hängt davon ab, wie man den Besitz von Eigenschaften konstruiert. Ob die Zuschreibung eines Prädikates an eine Trägerin isoliert erfolgt, oder ob sie abhängig ist von einer Beziehung zwischen den Trägerinnen.

SOKRATES: Allerdings freilich.

HIPPIAS: Aber niemals, Sokrates, siehst du auf das Ganze, und eben so wenig die mit denen du zu reden gewohnt bist, sondern ihr nehmt euch das Schöne und so auch jedes andere um daran zu klopfen besonders in euren Reden und zerlegt es. Darum entgehen euch ganze große Hauptstücke in dem Wesen der Dinge. Und jetzt bist du so unbedacht gewesen, daß du meinst es könne irgend eine Beschaffenheit oder Eigenschaft geben, die zwei Dingen zusammen wohl zukomme, jedem einzelnen aber nicht, oder wiederum jedem einzelnen zwar von zweien, beiden zusammen aber nicht. So unnachdenklich und unüberlegt und einfältig und unverständig seid ihr.

SOKRATES: So müssen wir uns behelfen, o Hippias, wie die Leute im Sprichwort zu sagen pflegen, nicht wie einer will, sondern wie er kann. Aber du besserst uns jedesmal um vieles, wenn du uns zurechtweisest. So auch jetzt, soll ich dir noch deutlicher zeigen, wie einfältig wir waren, ehe du uns zurechtgewiesen hast, indem ich dir sage was wir über die Sache denken, oder soll ich es dir nicht sagen?

HIPPIAS: Neues wirst du mir freilich nicht sagen, Sokrates. Denn ich weiß schon von Allen die sich mit Reden abgeben, wie es mit ihnen steht. Wenn es dir aber lieber ist, so sage es nur.

SOKRATES: Lieber ist es mir freilich. Wir nämlich, Bester, waren, ehe du uns das gesagt hattest, so weit zurück, daß wir in der Meinung standen von mir und dir zum Beispiel, daß jeder von uns beiden Einer wäre, und daß dieses, was jeder von uns wäre, beide zusammen nicht wären, denn so wären wir nicht Einer sondern Zwei, so einfältig waren wir. Nun aber sind wir von dir belehrt, daß wenn wir Beide Zwei sind, auch Jeder von uns Beiden Zwei sein muß, und wiederum, wenn Jeder von uns Beiden Einer ist, auch notwendig Beide nur Einer sind. Denn nach den Hauptstücken vom Wesen der Dinge, wie Hippias sagt, kann es ich unmöglich anders verhalten, sondern was Beide sind das ist auch jeder von beiden, und was jeder das sind auch beide. Davon bin ich also jetzt durch dich überzeugt, und sitze hier. Nur das zeige mir noch zuvor, Hippias, ob wir beide ich und du nur Einer sind, oder ob du Zwei bist und ich auch Zwei?

Die Pointe Sokrates' liegt darin, die Verallgemeinerung zu blockieren, die Hippias aus einem plausiblen Beispiel bezieht. Dazu arbeitet er mit einer Erweiterung des Vorrates an Beispielen. Er betrachtet nicht nur individuelle Eigenschaften, die Einzelnen zukommen können ("weiblich"), sondern Aussagen zweiter Stufe. Die Prädikatenlogik erster Stufe fasst Begriffe als Eigenschaften von Mengen. "weiblich" ist genau eine Menge von Personen. Zahlen sind als Eigenschaften von Mengen definiert: "2" ist die Eigenschaft aller Mengen, die zwei Elemente enthalten. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass ein Individuum, sofern es mit einem anderen Individuum zusammengenommen wird, nicht als Einzelnes, wohl aber in diesem Verbund, zu jener Menge gehört, die 2 Elemente enthält.

HIPPIAS: Was meinst du nur, Sokrates?

SOKRATES: Eben dieses was ich sage. [302 St.] Denn ich fürchte mich vor dir deutlich zu reden, weil du mir böse bist, da du Recht zu haben glaubtest. Aber doch sage mir das noch, ist nicht jeder von uns Einer und hat dies wirklich an sich, Einer zu sein?

HIPPIAS: Freilich.

SOKRATES: Und nicht wahr, wenn einer, so ist auch jeder von uns ungerade? Oder hältst du Eins nicht für ungerade?

HIPPIAS: Ich gewiß.

SOKRATES: Sind wir also auch beide zusammen ungerade, da wir doch zwei sind?

HIPPIAS: Unmöglich, Sokrates.

SOKRATES: Sondern gerade sind wir beide. Nicht wahr?

HIPPIAS: Freilich.

Die Eigenschaft 2. Stufe wird sozusagen auf die erste Stufe heruntergezogen. Die Aussage über eine wirkliche Beschaffenheit wird ebensobehandelt, wie die Aussage über Mengen von Individuen mit wirklichen Beschaffenheiten.


SOKRATES: Ist nun etwa weil wir beide gerade sind deshalb auch Jeder von uns beiden gerade?

HIPPIAS: Wohl nicht.

SOKRATES: Also ist es wohl nicht ganz notwendig, wie du doch eben sagtest, daß was beide sind auch jeder Einzelne, und was jeder Einzelne auch beide sein müssen.

HIPPIAS: In solchen Dingen nicht, aber in allem was ich anführte.

Das ist eine sehr verständliche Reaktion des Hippias.

SOKRATES: Das ist mir genug, Hippias. Denn ich bin auch mit diesen Dingen schon zufrieden, wenn nur einiges sich so zu verhalten scheint, anderes aber auch nicht. Denn ich sagte ja selbst, wenn du dich noch erinnerst, woher uns diese Rede gekommen ist, daß die Lust durch das Gesicht und durch das Gehör nicht vermöge desjenigen schön sein könnten, was jeder von beiden zwar zukäme, beiden zusammen aber nicht, noch auch vermöge dessen, was beide zusammen zwar wären, jede einzeln aber nicht, sondern vermöge dessen was beiden zusammen und auch jeder einzeln zukäme, weil du doch zugabst, daß sie beide schön wären und auch jede einzeln. Darum meinte ich, daß sie vermöge des ihnen beiderseits einwohnenden Wesens schön wären, da sie doch beide schön sein sollen, nicht aber vermöge des einer von ihnen fehlenden, und das glaube ich auch noch. Also sage mir wie von Anfang, wenn die Lust durch das Gesicht und die durch das Gehör beide schön sind und auch jede, muß nicht das was sie schön macht beiden gemeinschaftlich einwohnen und auch jeder?

Das ist nun ein neuer Ansatz, nämlich eine Überlegung, die den Besitz von Eigenschaften mit der Wesensfrage verknüpft. Auf Grund welcher Gegebenheit sagen wir, dass eine Wiese und das Rapidtrikot beide grün sind? Welcher Faktor erklärt, dass wir in der Lage sind, aus einer Menge von Dingen jene auszusuchen, die eine bestimmte Qualität besitzen? Worin besteht es, grün zu sein. Diese ontologische Frage hat nur indirekt etwas mit den Zahlenverhältnissen zu tun.

HIPPIAS: Freilich.

SOKRATES: Können sie nun etwa deshalb schön sein, weil beide und auch jede einzeln Lust sind? Oder müßten nicht alsdann die übrigen alle eben so gut schön sein als diese? Denn für Lust erkannten wir sie doch eben so sehr wenn du dich erinnerst.

HIPPIAS: Ich erinnere mich.

SOKRATES: Sondern weil sie durch das Gesicht und durch das Gehör kommen, deshalb ward gesagt wären sie schön.

HIPPIAS: Das wurde gesagt.

SOKRATES: So überlege denn ob ich Recht habe. Wir sagten nämlich, wie ich in Gedanken habe, dieses wäre schön, nicht alles Angenehme, sondern was durch das Gesicht und durch das Gehör käme.

HIPPIAS: Richtig.

SOKRATES: Ist nun dies nicht etwas was beiden gemeinschaftlich zukommt, jeder von beiden aber nicht? Denn wie wir auch schon vorher sagten, jede von beiden entsteht doch nicht aus beiden, sondern beide aus beiden, jede von beiden aber nicht. Ist es nicht so?

HIPPIAS: So ist es.

SOKRATES: Nicht also dadurch ist doch jede von beiden schön, was nicht auch jeder von beiden zukommt. Die Entstehung aus beiden kommt aber nicht jeder für sich zu. So daß man von dieser Erklärung aus zwar sagen darf daß beide zusammen schön sind, daß aber jede von beiden, darf man nicht. [303 St.] Oder was sollen wir sagen? Folgt das nicht?

HIPPIAS: Es scheint wohl.

SOKRATES: Sollen wir also sagen beide zusammen seien zwar schön, jede von beiden aber nicht?

HIPPIAS: Was hindert uns?

SOKRATES: Dieses dünkt mich wird uns hindern, Lieber, weil es einiges gab was den Dingen so zukommt, daß wenn es beiden zukommt, es auch jedem einzelnen zukommen muß, und wenn jedem einzeln, auch beiden, alles nämlich was du anführtest. Nicht wahr?

HIPPIAS: Ja.

SOKRATES: Was ich aber anführte damit verhielt es sich nicht so, wozu eben dieses das einzeln und beides selbst auch gehörte. Ist es so?

HIPPIAS: So ist es.

SOKRATES: Zu welchem von beiden, o Hippias, dünkt dich nun das Schöne zu gehören? Zu denen welche du anführtest, wie wenn ich und du stark sind wir es auch beide sind, und wenn ich und du gerecht, auch beide, und wenn beide, dann auch jeder einzeln, ist es so auch wenn ich und du jeder schön sind, daß wir es dann auch beide sind, und wenn beide, dann auch jeder von beiden? Oder hindert nichts, daß sowie wenn zwei Dinge zusammen gerade sind doch jedes von ihnen sowohl ungerade sein kann als gerade, und wenn von zwei Dingen jedes einzeln unbestimmbar ist, doch beide zusammen sowohl bestimmbar sein können als auch ebenfalls unbestimmbar, und viel anderes dergleichen was mir wie ich dir sagte vorschwebte. Zu welchen von beiden willst du nun das Schöne rechnen? Kommt es dir etwa eben so vor wie mir? Denn mir scheint es sehr unvernünftig, daß wir beide sollten schön sein können und doch jeder von uns einzeln nicht, oder jeder von uns einzeln wohl, beide zusammen aber nicht. Wählst du also dieselbe Seite wie ich oder die andere?

HIPPIAS: Ich gewiß dieselbe, Sokrates.

SOKRATES: Daran tust du sehr wohl, damit wir noch von einer weiteren Untersuchung los kommen. Denn wenn das Schöne zu diesen Dingen gehört, so kann nicht das durch Auge und Ohr kommende Angenehme schön sein. Denn dieses durch Auge und Ohr macht nur beides schön, jedes für sich aber nicht. Dies war aber unmöglich wie wir beide übereingekommen sind, Hippias.

HIPPIAS: Darin sind wir übereingekommen.

SOKRATES: Unmöglich also ist das durch Auge und Ohr kommende Angenehme schön, weil wenn dies schön sein soll, etwas unmögliches folgt.

HIPPIAS: So ist es.



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Sokrates (PR Hrachovec, 2007/08)