"Naturästhetik und ökologische Ethik"

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Was ist Umwelt bei Keitsch, welche Umwelt ist schützenswert und womit kann die Schützenswürdigkeit der Umwelt begründet werden?

Im dritten Kapitel ihres Buches Naturästhetik und ökologische Ehtik stellt Keitsch naturästhetische Konzepte von Aristoteles bis Adorno vor. Sie erklärt, was zu jeder Epoche unter Natur bzw. Umwelt verstanden wird, wie diese gesehen wird, und welcher Umgang mit ihr vorherrschend war.

Bei Aristoteles und Plotin gilt Schönheit als „wohlgegliederte[s] Ganze[s]“(Keitsch 2003, S. 39), und ist nicht einzelnen Kategorien, wie zum Beispiel der Kunst, zugeordnet. Die Schönheit des wohlgegliederten Ganzen zeigt sich in ihrer harmonischen Ausführung, der ebenmäßigen Wohlgeformtheit und der nützlichen Eigenschaften. „Alles Schöne ist gut, geordnet und nützlich.“ (Keitsch 2003, S. 42) Diese Ordnung inkludiert auch den Menschen unter den Umständen, dass dieser um die Schönheit und deren Sinn weiß, und sein Verhalten danach ausrichtet. Dieses Verhalten und somit ein „sittliches Leben“, besteht darin, selbstbeherrscht und diszipliniert ein Mittelmaß zu leben, und nichts davon extrem zu betreiben. Um das individuelle Ziel des Lebens braucht sich niemand zu sorgen, weil jedes Lebewesen ohnehin automatisch die Selbstverwirklichung anstrebt. Das Ziel der Existenz ist jedem einzelnen Wesen „von Natur aus“ mitgegeben, „jedes Sein trägt Ziel und Zweck in sich selbst“ (Keitsch 2003, S. 40). Daraus folgt für den Menschen die Berufung „in Wahrheit Mensch zu werden“ (Keitsch 2003, S. 41).

Ab dem Anfang des Christentums veränderte sich der Blick auf die Natur und ihr Zusammenhang mit der Ethik. Ein Gott wird erfunden und zum Schöpfer der Welt erklärt. Die antiken Ansichten Platons erfahren erst im 3. Jahrhundert eine Widerbelebung – in der Schönheitslehre Plotins. Hier ist der Sinn des Daseins die Rückbesinnung an den Ursprung, das Ur-Eine, welches mit diesem Gott gleichgesetzt wird. Alles Lebende, von diesem Gott ex nihilo erschaffen, verfügt je nach “Gotterfülltheit” (Keitsch 2003, S. 45) über mehr oder weniger “Vollkommenheit” (Keitsch 2003, S. 45). Natur wird als Gegenstück zu dieser Gottheit gesehen, an welcher der Mensch teilhaben und die Gottheit erkennen kann.

Die Renaissance schenkt der Natur Beachtung, indem Menschen sie methodisch beobachten, dadurch zu neuen Wissen gelangen und zu neuen Einfällen inspiriert werden. Auf diesem Weg entstandene Erkenntnisse haben den selben Status wie Wissenschaft. Ästhetik und Wissenschaft stellen noch keine getrennten Bereiche dar. Petrarcha, ein Mitbegründer des Humanismus und Verfechter der Wiederbelebung der Antike, befreit die Natur vor der Reduzierung auf ihre Nützlichkeit, welche auf den Menschen gerichtet ist. Dadurch beginnt ein Prozess der Verweltlichung, der dem Menschen erlaubt, sich von der Natur abzugrenzen. Die Natur hat ihren Platz als ein wichtiger ästhetischer Bereich, dies zeigt sich beispielsweise in der “modernen Landschaftsbetrachtung” (Keitsch 2003, S. 47), die in der Renaissance ihre Wurzeln hat.

Spinoza kombiniert die Erkenntnislehre von Descartes und die neuplatonische Kosmotheologie. Mit den philosophisch-religiösen Vorstellungen zur seiner Zeit ist dies nicht zu vereinbaren, da er sich nicht für die Bibel interessiert und an keinen personifizierten Gott glaubt. Spinoza ist für einen Pantheismus, welcher besagt, dass das Göttliche in allen Lebewesen und Dingen gleichermaßen vorhanden ist, und setzt “das kosmische Maß als Prinzip menschlichen Handelns” (Keitsch 2003, S. 53)

Das Naturverständnis der deutschen Aufklärung ist geprägt von Kant und seiner Metaphysik des Naturschönen. Kant stellt den Zusammenhang zwischen Logik, Ethik und Ästhetik über die Vernunft her, so verortet er den Ausgangspunkt jener in das Subjekt. Der Mensch soll mit Hilfe seiner Vernunft allgemeingültige Prinzipien für sein Verhalten entwicklen und sich damit eine verpflichtende Selbstgesetzgebung entwerfen, welche seiner Natur - nämlich einem “vernünftig handelnde[m] Wesen.” (Keitsch 2003, S. 63) – entspricht.

In der Romantik wird das Vernunftsdenken der Aufklärung kritisiert. Das Leben in Städten ruft den Wunsch hervor zur Natur zurückzukehren, als "Sprache" der Natur gilt die Poesie. Diese wird im Wesen des Menschen und in seinen Gefühlen gesehen, welches sich im Außen in der Natur spiegelt. Eine Einheit von Mensch und Natur, welcher Subjektivität zugesprochen wird, wird angestrebt, jedoch nicht aus Vernunftsgründen, sondern aus Liebe zu Natur. Der Mensch hält sich für "von Natur aus gut" (Keitsch 2003, S. 80), und nimmt an, dass diese Eigenschaft durch die Zuwendung zur Natur noch erweitert wird.

In der Moderne verliert die Natur ihre Vorbildfunktion für das Kunstwerk und ihre Inspiration für die Ethik. Sie wird sogar als ideenlos und banal gesehen. Nur die Kunst ist in der Lage, durch ihre Originalität und Schöpfungskraft, Schönheit darzustellen. Die Einstellung des Menschen zur Natur wandelt sich als Folge der Industrialisierung und den Auswirkungen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Natur.

Adorno erklärt die Natur in seiner Ästhetischen Theorie zu etwas Unnützen für die Benutzbarkeit der Zivilisation, etwas, das nicht zur Verfügung steht. Die Umwelt befindet sich jenseits des Zugriffs durch Menschen. Diese unverfügbare Natur vergleicht sie mit der "inneren Natur des Menschen" (Keitsch 2003, S. 97), welche nie ganz von außen kontrolliert werden kann. Beiden sieht er als ein "Moment der Unabhängigkeit" und somit Freiheit. „Der Freiheit der Natur entspricht unserer Freiheit (...)" (Keitsch 2003, S. 101). Die Unbeherrschbarkeit und Unbenutzbarkeit der Natur bezeichnet er mit Nicht-Identität, und gibt ihr damit einen anerkannten Wert in ihrer Unverfügbarkeit. Die Natur ist etwas, das nicht von menschlicher Hand geschaffen wurde, etwas „Nicht-Gemachtes“ (Keitsch 2003, S. 102), im Gegensatz zur Kunst, etwas „Gemachten“ (Keitsch 2003, S. 102). Als Hilfe die Natur vor menschlicher Ausbeutung zu bewahren hofft Adorno auf die Kunst und deren „ästhetischen Schein“ (Keitsch 2003, S. 102).