"Eine Ästhetik der Natur"

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Stephanie Holzhuber über einen Text von Martin Seel



Martin Seel bezeichnet in seinem Buch „Eine Ästhetik der Natur“ Kunst und Natur als Einheitsphänomene der Ästhetik. Daher erden beide Begriffe von mehreren oder aber auch bis hin zu allen Dimensionen der Ästhetik her verstanden. Kurz zur Einleitung muss erwähnt werden das Seel allgemein von drei wichtigen Dimensionen der Ästhetik spricht, nämlich der Imagination, der Korrespondenz und der Kontemplation welche im folgenden Absatz kurz erklärt werden. So bezieht sich die imaginative ästhetische Wahrnehmung auf Kunstwerke, es handelt sich hierbei um eine bildhafte Wahrnehmung von Sinnhorizonten, in denen Gegenstände oder Situationen für den Mensch zugänglich sind. Die korresponsive Wahrnehmung bezieht sich hingegen unmittelbar auf die Gestalt und den Ausdruck eines Raumes oder eines Gegenstandes und mittelbar auf die Lebenskonzeption der Wahrnehmenden. Im Gegensatz zur Korrespondenz versucht die Kontemplation sich von der Orientierung am Sinn Abstand zu nehmen. Sie konzentriert sich auf die „reine“ Betrachtung der Dinge. Somit könnte man sie auch als die Praxis der Distanz bezeichnen. Allgemein definiert Seel sieben große Unterschiede zwischen der Natur und der Kunst. So kann Kunst beispielsweise auch ohne die Natur mit einzubeziehen existieren. Andersherum allerdings wäre dies nicht möglich.

Kunst ist außerdem noch größtenteils stark oder schwach inklusiv selten sogar exklusiv imaginativ, während Natur immerzu stark inklusiv ist. Sie ist in ihrer Erscheinung beständiger als die Kunst. Die Natur umfasst immer die Imagination der Kunst. Als gelungene Kunstwerke kann man potenzierte Einheitsphänomene bezeichnen, da sie sich reflexiv auf die Erzeugung ihrer Einheit beziehen. Außerdem beschäftigen sie sich auch mit der Konstruktion anderer Werke. Natur kommuniziert stets mit der Kunst. Hingegen die Kunst nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit anderen Werken und auch der Natur Gespräche führt. Einer der zentralsten Unterschiede zwischen Kunst und Natur ist aber der, dass Natur zufällig ein Werk sein kann, hingegen Kunst notwendigerweise ein Werk sein muss.

Der Raum der Natur kennt keine Werke, das Objekt der Kunst aber ist ganz Werk.

Allerdings sind in der Natur auch Werke zu finden. Manche wurden durch den Menschen geschaffen und andere sind durch die Natur selbst entstanden. Zum Beispiel LandArt oder Gartenkunst. Ein weiterer Unterschie ist der, dass die Einheit der Natur okkasionell und die Kunst strukturell ist.

Die Einheit der Natur liegt in ihrem Zeit-Sinn, die Einheit des Kunstwerkes dagegen in seiner Sinn-Zeit.

Die Einheit der Natur liegt in seiner Betrachtung der veränderlichen Attraktion sinnhafter, sinnfremder und bildhafter Erscheinungen. Wenn ein Kunstwerk auf die Natur reflektiert wird, so bleibt sein imaginativer Charakter über, unabhängig davon wie interferentiell oder integrativ es auch sei. In der temporalen Koexistenz der Natur trennt sich die strukturelle Koexistenz eines Werkes und verwandelt sich in die ungebundene Interaktion ästhetischer Komponente. Allerdings ist das gesamte Werk nicht auf die völlige Natur übertragbar. Somit ist die Natur keine Abbildung der Kunst.

Kunst möchte außerdem, im Gegensatz zur Natur verstanden werden. Wenn man ein Kunstwerk versteht, dann versteht man auch seine Konstruktion. Zwar steht in der Natur der Verstehensvollzug nicht im Vordergrund jedoch wird dies von der ästhetischen Naturwahrnehmung nicht zur Gänze ausgeschlossen. Das Verstehen gilt hier einerseits als imaginatives Potential der Kunst und andererseits der individuellen Lebenssituation. Um ein Kunstwerk wirklich zu verstehen, müssen wir seine ästhetische Logik verstehen. Da es diese operative Logik in der Natur nicht gibt, können wir sie auch nicht hundertprozentig verstehen. Während Kunst ein Element einer selbständigen Sphäre des Lebens bleibt, steht die Natur stets in einem Lebenszusammenhang. Die Kunst aber bleibt ein Medium, an dem sich die Wirklichkeit bricht. Somit wird sie ebenfalls ein Teil dieser Lebenswirklichkeit.

So ist die Natur, im Gegensatz zur Kunst, nicht vorwiegend als ästhetische Einstellung entstanden. Natur wird durch materielle Eingriffe des Menschen verändert und verändert sich allerdings auch selbst. Kunst, nicht nur das sie die Geschichte ihrer verstehenden Bedeutung überdauern, entstehen und dauern. Kunstwerke sind geschichtliche Objekte. Sie stehen außerdem in einem geschichtlichen Verhältnis. Zwar kann auch ästhetische Natur zu einem Ort der Geschichte werden, allerdings hält sie sich durch ihr Dasein als mehr oder weniger autonomer Lebenszusammenhang, auch wieder davon fern. An dieser Stelle muss aber erklärt werden, dass diese eben defenierten Unterschiede sich nicht auf spezielle Fälle beziehen sondern rein allgemein zu betrachte sind Ästhetische Natur wird oft als Vorbild für die Wahrnehmung und Konstruktion prozessualer Individualität künstlich erfundener Formen gewählt. Ästhetische Kunst indessen dient als Vorbild der Differenz und Pluralität ästhetischer Dimension in der Natur.

Logisch wäre also, dass es einen Bezug auf gelungene Kunstwerke geben muss, damit es die perfekt schöne Natur geben kann. Aber es muss keinen inhaltlichen Bezug auf die Natur geben, damit gelungene Kunst vorkommen kann. Da es aber sehrwohl den Sinn für das Naturschöne geben muss, scheint es, dass hier, wie auch bei Schelling die Schönheit der Natur geschützt werden muss.


Literatur:

SEEL, Martin „Eine Ästhetik der Natur“, 1. Auflage, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1996