"Architecture and the Aesthetics of Continuity"

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Reinhard Stanzl über einen Text von Arnold Berleant



Die Frage welche Umwelt schützenswert ist, verlangt zunächst nach der Beantwortung der Frage was Umwelt überhaupt ist. Mit Hinsicht auf die Architektur lässt sich ein Wandel bzw. eine Entwicklung des Verständnisses von Umwelt nachzeichnen, welche einen aktuellen Begriff von Umwelt prägt.

In grauer Vorzeit musste der Mensch sich mit einer feindseligen, furchteinflössenden und mystischen Wildnis arrangieren. Als Jäger, Sammler, meist Nomade, galt es sich dem Laufe der Natur zu unterwerfen und sich vor der Witterung und Raubtieren zu schützen. Mit der Sesshaftwerdung begann der Ackerbauer und Viehzüchter die Wildnis zu zähmen, sie zu kultivieren und zu verändern. Eine immer größere Anzahl von Natur wird genutzt, bearbeitet, verändert und gestaltet. Dienliches wird vermehrt, Bedrohliches und Unnützes vernichtet. Aus Wildnis wird die Landschaft gemacht. Durch Hebung des Effizienzpotentials der Arbeitsteilung, rückt der Mensch näher zusammen und erfindet Wege des Zusammenlebens in enger Gemeinschaft. Es entsteht das Dorf und in dichterer Konzentration die Stadt. Damit fügte der Mensch eine weitere bauliche Barriere zwischen sich, seinem Zuhause und der Wildnis ein. Das Haus befindet sich in der Stadt, welche wiederum von Landschaft umgeben ist. Die Wildnis wiederum findet nur mehr an der äußeren Peripherie dieser Landschaft statt.

Spätestens mit der Industriellen Revolution Ende des 18 Jahrhunderts wird die Wildnis endgültig zur Landschaft. Die menschenleere Wildnis wird verklärend in die literarische Fiktion abgeschoben oder als Feriendestination für Abenteurer vermarktet. Die moderne Wissenschaft, Motor der Industrialisierung, befördert schließlich den Glauben an die menschliche Allmacht.

Doch aktuell rufen, die nicht-mehr-existierende Wildnis und die Landschaft in ihrer ausgebeuteten Form, dem Menschen mit Vehemenz die reziproke Abhängigkeit zwischen ihm und der Natur wieder in Erinnerung. Weder das Haus, noch die Stadt, noch die industrialisierte Landschaft, vormals scheinbare Garanten für unsere Sicherheit vor der Natur, können uns vor den verzögerten Auswirkungen unseres Handelns beschützen.

Was nun, zurück zur Wildnis? Aber die Wildnis ist nicht mehr. Was einzig vorhanden ist, und in der Hand des Menschen vorhanden ist, ist die Natur. "It is well to remember that just as the concept of a landscape is a human construct, the landscape as a geographical area is a human construction"(3).

Würde man nun die Landschaft als die neue Natur annehmen und weiter die Verbindungen und Kontinuitäten nicht berücksichtigen, so wäre das Problem nicht gelöst. Es gilt den Gegensatz zwischen Natur und Mensch allgemein auszusöhnen, wie es aktuelle soziale, politische Bewegungen und speziell die Umweltbewegung versuchen. Es bedarf eines integrativen Begriffes von Umwelt, der die Verbindung und nicht die Teilung, die Kontinuität und nicht die Trennung zwischen Mensch und Landschaft impliziert. Die Umwelt also als integratives Kontinuum denken: "Environmental continuity leads us to recognize that every environment of which we are part - that is, every human environment - is a living landscape, or to offer a cognate neologism, a humanscape."(4)

Der Zusammenhang und die ganzheitliche Konstitution der den Menschen umgebenden Umwelt als humanscape ist der Schlüssel zur Beantwortung der Frage: Womit die Schutzwürdigkeit der Umwelt begründet werden kann?

Die Landschaft zeichnet sich gegenüber der Wildnis durch die Eigenschaft der Gestaltbarkeit aus. D.h. die Landschaft hat nicht nur einen Gebrauchswert, sondern kann auch gestaltet werden und bildet damit einen weiteren Topos für die Architektur, gleich dem Gebäude oder der Stadt.

Moderne Strömungen der Architektur inkorporieren zuvor angestammte Gegenüberstellungen wie Form und Funktion, Schönheit und Nutzen, Ästhetik und Zweckmäßigkeit. Der organischen Architektur, zum Beispiel, geht es um die organische Zusammenführung von Architektur mit den verschiedenen Elementen der Kunst, der Natur und allen anderen menschlichen Lebensbereichen. Damit wird die Stellung des Gebäudes im physischen und sozialen Kontext aufgegriffen und integriert.

Unter naiver Betrachtungsweise sind Straßen urbane Korridore, Ein-/Ausfahrten urbane Türen, Plätze urbane Sozialräume und Häuser urbane Zimmer. Obwohl sich die Größenordnungen unterscheiden sind durchaus vergleichbare Überlegungen bezüglich der Form, Funktion, Ästhetik und Nutzen zu stellen und in Bezug auf den physischen und sozialen Zusammenhang zu berücksichtigen. Eine Trennung zwischen Gebäude und Stadt ist somit immer schwieriger zu treffen; das Gebäude scheint in die Stadt auszufliessen.

Aber die Stadt befindet sich ja auch nicht im leeren Raum, sondern ist selbst in eine Landschaft eingebettet. Bemühen wir wieder die Phantasie, so werden die Landstraßen zu Korridoren, die Felder und Wälder zu Räumen, die Bäume zu Säulen, die Wiese zum Teppich, das Blätterdach zur Decke und die Sonne zur Lampe. Umgekehrt fällt es vielleicht leichter, wenn zum Beispiel die Decke in der Kirche das Himmelsgewölbe darstellt, wenn steinerne Blumen Kapitelle schmücken, und so weiter. Es lässt sich also eine veritable Homologie und Kontinuität zwischen der Architektur des Gebäudes, der Stadt und der Landschaft aufstellen, nicht zuletzt weil die Ersteren die Letztere oft imitieren.

An diesem Beispiel der Architektur zeigt sich deutlich die humanscape als stetige Reziprozität des Menschen mit der Umwelt. Folglich muss der Umweltschutz, bzw. Landschaftsschutz, als aktiver konstruktiver Selbstschutz des Menschen angesehen werden.


Literatur:

(1) http://www.autograff.com/berleant/index.html (09.10.2008)

(Kansas, Universtiy Press of Kansas, 1997)

(2) Berleant, Arnold, Living the Landscape: Toward an Aesthetics of Environment, (Kansas, Universtiy Press of Kansas, 1997)

(3) Ebd. S.121

(4) Ebd. S.8