"Unverfügbare Natur und Ökologische Ethik": Unterschied zwischen den Versionen

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Olivia Gold über einen Text von Anne Kemper
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'''Was ist Umwelt bei Kemper und welche Umwelt ist schützenswert?'''
 
'''Was ist Umwelt bei Kemper und welche Umwelt ist schützenswert?'''
  

Aktuelle Version vom 10. Juni 2009, 13:23 Uhr

Olivia Gold über einen Text von Anne Kemper


Was ist Umwelt bei Kemper und welche Umwelt ist schützenswert?

Bevor Anne Kemper darauf eingeht, was Umwelt ist und welche Umwelt schützenswert ist, kritisiert sie die mangelhafte Genauigkeit in Bezug auf bestimmte Begriffe bei derartigen Argumentationen. Als ungeklärt definiert sie die Begriffe u.a. „Ausbeutung der Natur“, „Gleichgewicht der Natur“, „Intaktheit des Ökosystems“, „Artenvielfalt“ und „Haushalt der Natur“ (Kemper 2001, S. 19). Was ist darunter genau zu verstehen? Oberflächlich betrachtet, mögen diese Formulierungen zwar klar sein, doch bei genauerer Betrachtung stellt sich die Frage, was das Gleichgewicht der Natur darstellt, und ob Menschen dieses überhaupt wahrnehmen oder erkennen können. Wie ist der Zustand, in dem sich die Natur befinden sollte? Gibt es überhaupt einen solchen Soll-Zustand? Inwiefern kann beurteilt werden, was gut oder wichtig für die Natur ist? Ziele und Absichten der Natur und Umwelt, so es welche geben sollte, sind eher unbekannt. Der Natur kann keine Subjektivität unterstellt werden, also auch kein Plan oder Wille. „Jedes Naturdenken liefert nur ein "Konstrukt" von Natur, dessen Hintergrund eine bestimmte menschliche Praxisform darstellt.“ (Kemper 2001, S. 28) Die Wahrheit dahinter, welche Zielsetzungen die Natur tatsächlich verfolgt, oder ob sie überhaupt auf einen Zweck hinausläuft, bleibt uns verborgen. Es ist außerdem schwierig etwas Positives oder Negatives über die Verfassung der Natur auszusagen. "Nur durch die Existenz wertender Menschen, denen Dinge etwas ausmachen, gebe es soetwas wie einen besseren oder schlechteren Zustand der Welt." (Angelika Krebs (1996), "Ökologische Ethik I: Grundlagen und Grundbegriffe", in: J. Nida-Rümelin (Hg.), Angewandte Ethik, S. 352)


Womit kann die Schützenswürdigkeit der Umwelt begründet werden?

Ein wichtiges Ziel des Umweltschutzes ist die Erhaltung oder Wiederherstellung eines „globalen klimatischen Gleichgewichts“ (vgl. Kemper 2001, S. 20). Läuft das Gleichgewicht aus dem Ruder, kann es zu Naturkatastrophen kommen, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen, und katastrophale Folgen haben können. „Erhalt und Schutz von stabilen Naturhaushalten [sind] in erster Linie Gebote der Klugheit (...), nicht in sich selbst wertvoll, sondern zu Zwecken menschlichen Überlebens und Wohlergehens, also aus pragmatischer Sicht unabdingbar.“ (Kemper 2001, S. 20) Um die Lebensbedingungen möglichst gut aufrecht zu erhalten, ist eine Entscheidung für den Umweltschutz und dessen Durchführung eine intelligente Vorgehensweise. Der Grund für den Umweltschutz wäre das Überleben der Spezies unter möglichst guten Lebensbedingungen. Die Natur wird somit zum Zweck für menschliches Wohlbefinden degradiert.

Doch Kemper sucht nach einem Grund für den Schutz der Natur, der sich nicht aus teleologischen Beweggründen ableiten lässt. Sie vertritt die Meinung, dass es bei der Motivation zum Umweltschutz und zum Erkennen der Schönheit der Natur, nicht nur um das Bestreben geht, den eigenen Lebensraum nicht zu zerstören und eventuelle Rohstoffe und Bodenschätze weise zu verwenden. Sie fragt nach diesem „Mehr“. Sie stellt die Frage, was uns dazu animiert die Schönheit der Natur zu erhalten und zu verteidigen. „Worin besteht dieses über Klugheitsanforderungen hinausgehende „Mehr“, was macht so empfänglich für die Rhetorik einer Selbstzwecklichkeit von Artenvielfalt und natürlichen Ökosystemen(...)?“ (Kemper 2001, S. 21)

Der Anthropozentrismus zum Beispiel orientiert sich am Menschen, welcher als Mittelpunkt aller Überlegungen behandelt wird, und ihm alles andere unterordnet. Abgeschwächte Begriffe für anthropozentrisch wären zum Beispiel „anthroporelational“ oder „anthroponom“ (Kemper 2001, S. 24). Dies verweist auch auf die Gebundenheit von jedweder Umweltethik, an das menschliche Ermessen und Denken. Die Eigenschaft, die den Menschen eine besondere Stellung in der Natur einräumt, liegt an seinem autonomen Willen, welcher ihm erlaubt, seine Triebe, Bedürfnisse und Motivationen zu reflektieren und sich so mit Hilfe der Vernunft, für oder gegen mögliche Handlungen zu entscheiden. Darüber hinaus können sich Menschen auf allgemein gültige Richtlinien in Bezug auf die Natur und den Umweltschutz einigen und daran halten. Als Verbindung zwischen Anthroporelationalität und der Eigenwertigkeit der Natur wäre folgender Punkt zu beachten. Eine Umweltethik, die nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellen will, sondern von einer „Eigenwertigkeit außermenschlicher Natur“ (Kemper 2001, S. 25) ausgehen möchte, beruft sich trotzdem auf menschliche Werte, aufgrund einer menschlichen Sichtweise. Da es nun mal Menschen sind, die diese Umweltethik entwickeln. Außerdem können über die Vorstellungen und Wünsche der Natur nur Vermutungen angestellt werden, diese entstehen ebenfalls innerhalb menschlichen Denkens und menschlicher Vorstellungen.

Wie sieht es nun mit diesem „Mehr“ als Grund für den Schutz der Umwelt aus? Dieses „Mehr“, welches die Natur um ihrer selbst Willen schützenswert macht. Wie kann Natur für Menschen etwas in sich selbst Wertvolles sein, ohne anthroporelationale Sicht? Als einen Vorschlag zitiert Kemper, dass wir die Schönheit unserer Umwelt nur dann zu schätzen wissen, wenn wir keine Funktionalität dahinter bemerken. „Schön erscheint uns Natur nur da, wo sie uns in ihrem An-sich-Sein entgegentritt, (...) nur in den Aspekten, in denen sie nicht unmittelbar funktional ist, vermag Natur schön zu sein.“ (Kemper 2001, S. 26)

Kant definiert das Naturschöne als „Zweckmäßigkeit ohne Zweck. (Kemper 2001, S. 31) Die Faszination des Naturschönen wurzelt in der „unbestimmbaren Bestimmtheit“ (Kemper 2001, S. 31). Das menschliche Interesse an der Naturästhetik liegt also gerade nicht in der Funktionalität der Umwelt für den Menschen, sondern in ihrer Zwecklosigkeit und Nichtinstrumentalisierung.