WALCH, Martina (Arbeit1)
Martina Walch, a0809856 m.walch@ktv-krems.at
Arbeit 1
180248 IK Methoden und Disziplinen der Philosophie (Übung), WS 08/09 Gruppe Richard Heinrich/Sebastian Baldinger
Ringvorlesung Methoden und Disziplinen der Philosophie am11.12.2008 von Josef Rhemann
PHILOSOPHIE ALS ALLGEMEINE WISSENSCHAFT VOM MENSCHEN
Josef Rhemann verweist in seiner Vorlesung in der Frage nach dem Mensch-Sein auf die Frage nach dem Sein. Damit in Zusammenhang stellt sich die Frage nach der logischen Begründung einer Ontologie der Anthropologie.
Die philosophische Anthropologie ist die Lehre vom Menschen, was er ist oder besser wer er ist. Seine Stellung in der Gesamtwirklichkeit wird beleuchtet, seine Einbindung in die belebte und unbelebte Natur, und seine Abgrenzung. Grundlegend ist die Frage: Wer ist der Mensch? Schon die Sophisten mühten sich diese Frage zu beantworten. Die frühen griechischen Philosophen beschäftigten sich eher mit der Frage nach dem Sein der Natur.
Am Anfang standen die ionischen Naturphilosophen, die nach dem materiellen Ursprung des Kosmos fragten.
Für Thales von Milet (624 – 546) war das Sein das Wasser. Wasser als das Feuchte, das Leben ermöglicht. Er beachtet allerdings auch schon die Aggregatszustände Wasser, Dampf und Eis als Symbol der Wandlung. Alles Sein ist Werden, endlose Veränderung. Somit auch das Sein des Menschen als ewiges Entstehen und Vergehen. Von seinen Nachfolgern wird zunächst die Luft als Symbol für das Sein, das Unendliche angenommen.
Anaximander schafft den Begriff der „arche´“. Das Sein der Welt, der Urstoff, ist das „Apeiron“, das Grenzenlose, Gestaltlose, Bestimmungslose. Heraklit hielt dagegen eine allgemeine Gesetzmäßigkeit, den Logos, für das eigentlich Beständige und wollte mit diesem Gesetz den Zusammenhang der Gegensätze erklären. Parmenides vertrat den Standpunkt, das wahre Seiende schließe das Nichtsein aus. Deshalb könne das Seiende weder entstanden noch vergänglich sein, es sei vielmehr einzig, ewig, unbewegt und somit von der sinnlich wahrnehmbaren Welt verschieden. Pythagoras (582 -492) bestimmt die Natur durch mathematische Ordnungen und Strukturen. Anaxagoras verbindet die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde als unveränderliche Elemente und versucht die Natur zu erklären aus kleinsten, unvergänglichen Teilchen, deren Bewegung geordnet und gelenkt wird. Er sieht das begründet durch das schöpferische Prinzip, den Beweger, Allesbeweger.
Schließlich wäre noch Demokrit (460 – 371) zu erwähnen, für den das Sein der leere und unendliche Raum ist, durch den sich die Atome bewegen. Mechanische Gesetze bestimmen ihre Bewegung. Wenn sie sich vereinigen, entstehen die materiellen Erscheinungen, Körper aller Art, Menschen, Gegenstände, Planeten, Götter. Wenn sie sich trennen, vergehen sie. Das alles folgt notwendigen mechanischen Gesetzen.
Die Sophisten fragten nun nicht mehr nur nach der Natur, dem Sein der Natur, sondern nach dem Menschen. Damit beginnt die philosophische Anthropologie.
Protagoras stellt den Menschen als Maß aller Dinge in den Mittelpunkt, wie bereits bei Gorgias, den zweifelnden Menschen. Allerdings ist für ihn der Mensch bereits handlungsfähig. Somit wird der Mensch zum Gegenstand des Denkens. Urteilskraft, Individualität und Kritikfähigkeit werden ihm zugeschrieben. Auch die Philosophen der Antike sehen den Menschen im Mittelpunkt, im Zentrum des Denkens. Der Mensch, das Individuum, das aber nach inneren göttlichen Werten handelt. Er ist das Maß aller Dinge, folgt aber einem göttlichen Plan. Bei Aristoteles (384 – 322) ist aber das Seiende eine Einheit aus Stoff und Form. Dem Stoff entspricht der Körper, der Form die Seele. Einerseits sei der Mensch Einheit von Körper und Seele, andererseits ein sich auf ein vollkommenes Ziel hinbewegendes Wesen. Die eigentliche Lebensaufgabe des Menschen sei seine Zielverwirklichung. Das Ziel eines jeden menschlichen Lebens sei die Glückseligkeit. Ziel wäre die vollkommene Ausbildung als Vernunftwesen, das in der Lage ist, ethisch und tugendhaft zu leben. Das letzte und höchste Ziel nach Aristoteles ist für den Menschen seine Gottförmigkeit. Aristoteles Ansichten beeinflussten nachhaltig die abendländische Philosophie. Im 20. Jahrhundert steht die Anthropologie nun wieder im Mittelpunkt, die moderne philosophische Anthropologie findet ihre Entwicklung in den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Philosophische Anthropologie im engeren Sinn als philosophische Disziplin entsteht gegen Ende der 1920er Jahre. Als Hauptvertreter gelten Max Scheler (Die Stellung des Menschen im Kosmos) und Helmuth Plessner (Die Stufen des Organischen und der Mensch). Philosophische Anthropologie im Sinne Schelers und Plessners erforscht die Wesensmerkmale des Menschen.
Josef Rhemann schlägt in seiner Vorlesung den „Lebensbegriff“ als Schlagwort für das 20. Jahrhundert vor, die Frage nach dem „Sein“. Damit spannt er den Bogen zu Kants berühmten vier Fragen:
-Was kann ich wissen? - Was sind die Grenzen meines Wissens, wie kann ich sie bestimmen- letztendlich auch: Was weiß ich?
-Was soll ich tun? - Wie soll ich mich, mein Handeln, meine Tätigkeit organisieren?
- Welchen Leitlinien soll ich folgen? Dem Kategorischen Imperativ?
-Was darf ich hoffen? - In der Frage des Hoffens steckt wieder die Frage nach der geglückten Lebensführung. Was ist uns wichtig, wie ist die menschliche Lebens- führung geprägt, durch welche Werte? Kann Glück für alle erreicht werden? Wie können wir uns unser Glück verdienen?
Die Beschäftigung mit diesen drei Fragen – dem Wissen, dem Sollen und dem Hoffen auf Glück führt uns zur vierten Frage:
-Was ist der Mensch? -Wie gestaltet sich unser Menschsein?
-Wie beeinflusst der gegenwärtige Wissensstand unser Menschsein? was ist wissbar – was könnten wir besser wissen? „Was kann ich wissen?“ –wird meist angewendet als „Was will ich wissen?“ – nicht zuletzt von Kant selbst, wenn man seinen Ausspruch betrachtet: Die Menschheit sei in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen…. Die Menschen anderer Hautfarbe hätten ein weit geringeres Talent…sind weit tiefer… Das zeigt, wie auch große Gelehrte Vorurteile ihrer Zeit verinnerlichen. Selbst ein Denker wie Kant bleibt befangen. Dabei lehrte zu seiner Zeit, zwischen 1736 und 1747, in Halle und Wittenberg Amo Guinea-Africanus, ein schwarzer Philosoph – in lateinischer Sprache… -Wie können wir unser Handeln verbessern, unsere Strategien organisieren? Wie lässt sich der kategorische Imperativ heute umsetzen? Wenn wir Freiheit als höchstes moralisches Prinzip bei Kant ansehen – haben wir uns bewährt? Haben wir unser Menschsein positiv gestaltet, über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut?
-Nach Wissen und Handeln, bzw. mit Wissen und Handeln ist die dritte Dimension des Menschseins eben die Frage nach dem Glück. Wissen und Sollen, theoretische und praktische Vernunft bestimmen unser Menschsein.
Rhemann teilt Philosophie ein in:
Philosophie 1) als Allgemeinwissenschaft, 2) als Orientierungswissenschaft, 3) als allgemeine Wissenschaft vom Menschen.
nach ihm beinhaltet die Frage „Was ist der Mensch?“ folgende Fragen: - die Frage nach der Welt des Menschen, nach Sein - die Frage nach Stellung, Positionierung des Menschen - die Frage nach kognitiver, begrifflicher Verarbeitung des Menschlichen in der Welt Seins - die Frage nach Bedingungen und Voraussetzungen, sozialen Voraussetzungen des auf der Welt Seins - letztendlich wiederum die Frage nach geglückter Lebensführung
So wird das Menschsein als Prozess des Werdens zur Freiheit erschlossen. Wir sind in die bewegte Natur gestellt und müssen uns selber als Lebewesen bestimmen und begreifen.
Nach Helmut Plessner ist das Lebewesen Mensch zentrisch und exzentrisch positioniert. Der Geist wird durch Zusammenführen der Außenwelt, Innenwelt und sozialer Mitte gebildet. Plessner sieht den Menschen als Gesamtheit und entwickelt eine Wesensanthropologie. Grundlegend ist für ihn die Positionalität der offenen, exzentrischen Form, die der geschlossenen, zentralen Positionalität des Tieres gegenübersteht. Der Mensch als exzentrisches Lebewesen kann aus sich selber heraustreten und sich reflektorisch beobachten, d.h. er kann sich von sich selbst distanzieren und bewusst über sich reflektieren, er wird sich selbst zum Gegenstand und muss sich zu dem bestimmen, was er ist. Dadurch werden alle Handlungen, Wahrnehmungen und Erlebnisse, die Um- und Mitwelt bewusst. Eine Lebensaufgabe des Menschen sei daher das bewusste Leben. Dadurch ist der Mensch in der Lage, sich seine eigene Identität zu schaffen, sein Leben in Eigenverantwortung zu gestalten.
Sind wir hier nicht wieder bei der Frage nach der geglückten Lebensführung? Der Mensch ist nicht nur Objekt des sozialen Handelns, er hat den Auftrag, Verantwortung für sein Leben selbst zu übernehmen. Eingebettet in seine Mitwelt, muss er sich, wie Rhemann formuliert, bereits als frühkindliches Individuum „in Gegenlage zu seiner Umwelt verorten“ – Gegenliegendes kognitiv einordnen und kognitiv relativieren. Die Mitwelt macht ihn - durch kultur- und geschichtsunabhängige Lernschritte - zum Individuum, dessen Lebensaufgabe eben das bewusste Leben ist.
Damit möchte ich noch an den Anfang der Vorlesung zurückgehen und Rhemanns Schlagwort für das 21. Jahrhundert erwähnen:
Anthropotechnik – laut Dudendefinition ein Gebiet der Arbeitswissenschaft, auf dem man sich mit dem Problem befasst, Arbeitsvorgänge, -mittel und Arbeitsplätze den Eigenarten das menschlichen Organismus anzupassen, d.h. die bestmögliche Gestaltung der technischen und organisatorischen Faktoren unter Berücksichtigung der menschlichen Eigenschaften und Bedürfnisse in der Weise, dass die Leistungsfähigkeit des Systems optimal ausgenutzt wird. Sicherheit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit müssen gewährleistet werden. Das komplementäre Gebiet „Faktor Mensch“ beschäftigt sich entsprechend mit der Anpassung des Menschen an die Maschine (und umgekehrt?!).
Die Anthropotechnik stellt somit einen Bereich der Arbeitswissenschaften dar, in dem Mensch-Maschine-Systeme analysiert, mathematisch modelliert und mittels Simulatoren nachgebaut werden. Eingriffe in fundamentale Funktionen des menschlichen Lebens sind durch Bio- und Gentechnologie möglich geworden. Man könnte sagen, Leittechniken der Gegenwart sind die Biotechnologie und die Informationstechnologie. Die Genomentschlüsselung ermöglicht ansatzweises Buchstabieren des genetischen Alphabetes. Jeder Maschine, jedem Computer liegt ein Bauplan zu Grunde. Aber auch wenn der Mensch auf einen empirischen Gegenstand reduziert wird, gibt es keinen Bauplan des menschlichen Denkens, der Entscheidung, Urteilsfähigkeit. Durch maschinelle Rechenprozesse kann menschliche Intelligenz bestenfalls simuliert werden. Computerisierte Intelligenzen stehen vor Grenzen. Kann eine bestehende Intelligenz eine höhere Intelligenz entwickeln?
Ulrich Beck stellt uns vor die Frage, ob mit Hilfe der Anthropotechniken in Zukunft eine qualitative Erhöhung der Menschengattung und der Individuen möglich sei. -Haben wir die Fähigkeit, unsere Spezies zu verändern, in die Gattungsgeschichte allgemein einzugreifen? - Und wenn wir sie haben, haben wir das Recht dazu? Der Mensch war schon immer bestrebt, seine Fantasien nachzubauen. Die technischen Errungenschaften ermöglichen nun weit mehr, als uns lieb ist: Beispielsweise die Erzeugung gentechnisch modifizierter Pflanzen, aus denen dann aber Nahrung erzeugt wird, deren mittel – und langfristige Auswirkung auf den menschlichen Organismus kein Mensch kennt. Oder das Klonen befruchteter Eizellen oder Embryonen zur künstlichen Produktion eineiiger Mehrlinge… Austestung von Medikamenten an Embryonen, Geschlechtsbestimmung durch Spermienselektion…. Der Einsatz von Bio – und Gentechnologie kann also fundamentale Funktionen des menschlichen Lebens verändern – es könnte etwas anderes als „Mensch“ entstehen. Rhemann meint, Gentechnologie darf die menschliche Lebenspraxis nicht beeinträchtigen – das Ergebnis muss vorprogrammiert sein. Hier möchte ich den Artikel: Die Produktion des sogenannten „Über- Menschen“ nicht vorenthalten – der „Übermensch“ als technische Aufgabe. Zitat: „ Bei der Entwicklung eines optimalen Astronauten wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, wertvolle Eigenschaften anderer Lebewesen dem Menschenkeim aufzupfropfen, ohne ihm seine spezifisch menschlichen Fähigkeiten zu nehmen. Da zum Beispiel Bein- und Beckenform des Breitnasenaffen dem Zustand der Schwerelosigkeit in einem Raumschiff beziehungsweise den Gravitätseinwirkungen besser angepasst ist als der Mensch, könnte ein Pfropfen von Affengenen auf menschliche Keime positive Ergebnisse zeitigen. Mutagene wie Thalidomid könnten zur Entwicklung von Raumfahrern mit Greiffüßen und für Jupiterexpeditionen mit Schrumpfbeinen oder Vierfüßen ausgenützt werden. Die genetische Endutopie stellt schließlich die künstliche Menschenerschaffung dar, die Züchtung eines „Übermenschen“, auf dessen Genkarte unerwünschte Eigenschaften eliminiert wurden, der jedoch andererseits über eine so überragende Intelligenz und Spezialbegabung verfügt, dass er die jetzt noch unlösbar scheinenden wissenschaftlichen und technischen Probleme der Zukunft zu lösen vermag. Die Anwendung solcher progressiver Maßnahmen zur Verbesserung des menschlichen Erbgutes schließt mannigfache Gefahren ein… - Genetiker, die heute nur die Vervollkommnung des Menschen und seiner Welt proklamieren, können schon morgen die Mittel bereitstellen, um menschliche Henker-Roboter, primitive Untermenschen zur Verrichtung gefährlicher Arbeiten, (Entseuchung radioaktiv kontaminierter Gebiete) oder gefügige Arbeitstiere zu züchten. Das Planziel, einen Über-Menschen zu schaffen und durch eine exakte Genetik die im Verlauf der Evolution erfolgte „Anagenese“ des Menschen zu beschleunigen und zu potenzieren, erscheint als ungeheure Anmaßung, die von dem amerikanischen Genetiker Joseph Muller schon vor zehn Jahren so formuliert wurde: „Wenn der Mensch erst seine Evolution selbst manipuliert, wird er ein gottgleiches Wesen nach seinem Bilde schaffen, vor dem die mythischen Gottheiten der Vergangenheit mehr und mehr lächerlich erscheinen werden… Die Erlösung des Menschen und das paradiesische Leben des Garten Eden werden also nicht mehr als utopisches Versprechen der Theologen, sondern als technische Aufgabe betrachtet, die jetzt und hier zu vollziehen ist.“ (E. Buddecke: Utopisches Denken in der Biochemie, 1967)
Wieweit sind wir von diesen „Korrekturen“ der Evolution entfernt – sind wir entfernt? Aus der Literatur kennen wir einige dieser Utopien: Den „Homunculus“ aus Goethes Faust, den „Androiden“ von Albertus Magnus. Schon der griechische Gott Hephaistos soll die Fähigkeit gehabt haben, künstliche Wesen aus Metall, selbsttätige Roboter – Wesen, zu erschaffen…
Hier möchte ich mit der Frage nach dem Sein des Menschen bzw. nach der geglückten Lebensführung den Beginn an den Schluss stellen.
Literatur:
Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes, Piper Verlag München 2008
Johann Mader: Einführung in die Philosophie, Facultas AG, Wien 2005
Winfried Noack: Anthropologie der Lebensphasen, Frank & Timme, 2007
Ulrich Beck: Risikogesellschaft, Suhrkamp, 1986
Pauer-Studer, u.a.: Philosophie zum Lesen, Verlag NÖ Pressehaus, 2005
Jean Ziegler: Imperium der Schande, Goldmann, 2008