VO "Einführung in die theoretische Philosophie" (Rhemann, Josef)
180234 VO Einführung in die theoretische Philosophie, Josef Rhemann
Inhalte: Angesichts der Perspektive, dass Erkennen nicht ohne Wissens-Konstruktionen funktioniert, ist die Frage nach der Beschaffenheit des menschlichen Wissens-Konstrukteurs zu stellen, welcher Geist, Vernunft und Denken nicht nur konstruktiv einsetzt, sondern auch aus eigener Kraft hervorbringt. Bislang als klassische Themen theoretischer Philosophie betrachtet, stellt sich heute zuweilen die Frage, ob Geist, Vernunft und Denken nicht eher als Resultate neuronaler Gehirnverschaltungen gelten sollten und ob daher weniger der Philosophie, sondern vielmehr den Neurowissenschaften das Privileg einer bevorzugten Behandlung der damit zusammenhängenden Probleme zugeschrieben werden müsste.
Dem soll in dieser Vorlesung zur Einführung in die theoretische Philosophie mit Blick auf klassische philosophische Theorieansätze nachgegangen werden, welche auf ihre Weise den Ort des Geistes, der Vernunft und des Denkens zu bestimmen suchten: Die Seele bei Platon und Aristoteles, das denkende Ich bei Descartes, das intellegible Ich bei Kant, das über Natur und Mensch zu sich selbst kommende Absolute bei Hegel, und schliesslich der aus seinem Leibinneren heraustretende, sich kognitiv exentrierende Mensch bei Plessner und Piaget als sozial interagierender Regisseur seiner neuronalen Inszenierungen.
Literatur:
PLATON: Phaidon, Politeia
ARISTOTELES: Über die Seele
DESCARTES: Meditationen
KANT: Kritik der reinen Vernunft
HEGEL: Phänomenologie des Geistes
PLESSNER: Die Stufen des Organischen und der Mensch
PIAGET: Biologie und Erkenntnis
VO vom 07.11.2009
Mitschrift: Angela Strohberger
Die Begriffe
⁃ Geist
⁃ Vernunft und
⁃ Denken
unterlagen bislang allein der westlichen Philosophie (2500 Jahre seit ihrem Bestehen). Dieses Begriffsmonopol wird von der Hirnforschung in Frage gestellt. Kognitive NeurobiologInnen betrachten Geist, Vernunft und Denken als Funktion des Gehirns, d.h. als Resultate biologischer Funktionen.
Laut Hegel ist es Aufgabe der Philosophie, ihre Zeit in Gedanken zu fassen. Heute stellen uns unter anderem die Anthropotechnik, die Bio- oder Gentechnologie vor Fragen wie: "Lassen sich Menschen kopieren?"
Dies berührt philosophische Fragen wie:
⁃ Was ist der Mensch?
⁃ Wie verstehen wir unseren Geist?
⁃ Unter welchen Bedingungen kommen neuronale Verschaltungen zustande? Reicht das Gehirn an sich? Ist es unabhängig von sozialen und emotionalen Einflüssen?
Annahme:
Das menschliche Gehirn ist nur zur Vernetzung fähig, wenn sein Träger, der Mensch, sozial interagiert.
Wann beginnt menschliches Leben?
Bei der Fusion von Samen und Ei (schließlich kann aus einem Zwetschkenkern auch kein Birnbaum werden) oder ab der Entwicklung des menschlichen Gehirns? Im Mehrzellenstadium sei der menschliche Fötus kaum von einem tierischen zu unterscheiden. Mit der Entwicklung des Gehirns in der 12. Schwangerschaftswoche ist er aber in der Lage zu interagieren.
Die Beziehung zwischen Kind und sorgender Bezugsperson bildet den Geist. Soziale Interaktion/Kommunikation sowie die Strukturierung der Emotionen werden wirksam. Mit der Darstellung des Gehirns allein lässt sich die Entwicklung des Geistes nicht klären.
Der Mensch ist ein bio-psycho-soziales Lebewesen, das mit Geist, Denken und Vernunft ausgestattet ist.
Um zu verstehen, wie Gehirn und Geist zusammenhängen, braucht es philosophisches Grundlagenwissen.
Folgende Positionen aus der Philosophie werden im Rahmen der Vorlesung behandelt werden:
Platon: Denken kann nur vernünftig sein, wenn es auf Ideen aufbaut. Und diese entspringen der Seele. Die Seele wird als höchstes Gut beachtet. Sokrates trinkt, nachdem er beschuldigt wird, die Jugend durch kritisches Hinterfragen rebellisch gemacht zu haben, bereitwillig aus dem tödlichen Schirlingsbecher: endlich sei er den Körper los und nur noch Geist.
Aristoteles: Vernünftiges Denken basiert auf der Seele, allerdings in Verbindung mit dem Körper. Er beschreibt die Seele als Organisationsprinzip des Lebendigen und unterscheidet die Körperseele von der Geistseele.
Descartes: Der Ort des vernünftigen Denkens ist das denkende Ich. (Ich kann mich über alles in der Welt täuschen, aber ich weiß, dass ich es bin, der sich täuscht)
Kant unterscheidet zwischen Verstand und Vernunft. Mit Verstandeskategorien wie z.B. Qualität, Quantität oder Kausalität bringe der Mensch eine gewisse Ordnung in die diffuse Welt. Diese Kategorien seien a priori vorhanden. Die Vernunft sei die Lehre von den Prinzipien. Der Geist ist bei Kant eher ein Randthema.
Kant fragt:
⁃ Was kann ich wissen?
⁃ Was soll ich tun? (praktische Vernunft)
⁃ Was darf ich hoffen? (Glück)
und meint, durch die Auseinandersetzung mit den ersten beiden Fragen, könne sich Hoffnung/Glück einstellen.
Hegel rückt den Geist in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen: seine "Phänomenologie des Geistes" ist eine Entwicklungstheorie desselben. Er spricht von der Arbeit des Geistes am Begriff.
Philosophische Anthropologie des 20. Jhdts
Eine zentrale philosophische Frage ist: Was ist der Mensch?
Helmut Plessner meint, Menschen sind Lebewesen. Das sei eine wichtige Grundlage, um über das Humanspezifische nachzudenken. Er entwickelt eine Struktur des Geistes und spricht von der Außenwelt, der Innenwelt und der sozialen Mitte.
Jean Piaget erstellt eine Entwicklungstheorie des Geistes, die über Kant ein Stück hinaus geht.
Die Debatte zwischen kognitiver Neurobiologie und Philosophie ist unter dem Titel "Hirn als Subjekt?" erschienen.