Kenntnisse kaufen (OSP)

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310d-e

Ich nun, der ich sein mutiges und eifriges Wesen kenne, fragte: Was hast du denn aber? Tat dir Protagoras etwas zu Leide?

Da sagte er lachend: ja bei den Göttern, Sokrates, daß er seine Weisheit für sich behält und mich nicht weise macht.

hoti monos esti sophos, eme de ou poiei

Nun, beim Zeus, sprach ich, wenn du ihm nur Geld gibst und ihn überredest, wird er dich auch wohl weise machen.

poieesei kai se sophon

Wollte doch Zeus und alle Götter, rief er aus, es beruhte nur hierauf, so ließ ich es weder an dem meinigen ermangeln, noch an der Freunde Beistand. Aber eben deshalb komme ich jetzt zu dir, damit du meinetwegen mit ihm redest. Denn ich selbst bin nicht nur zu jung, sondern habe auch den Protagoras noch niemals weder gesehen noch gesprochen, denn ich war noch ein Kind, als er das erstemal hierher kam. Aber Alle, o Sokrates, loben ja den Mann, und sagen, er wäre der kunstreichste im Reden. Warum aber gehen wir nicht gleich zu ihm, damit wir ihn noch zu Hause treffen? Er wohnt, wie ich gehört habe, bei dem Kallias, dem Sohne des Hipponikos. Laß uns doch gehen.



313a-314b

Darauf sprach ich: Wie nun? Weißt du also welcher Gefahr du gehst deine Seele preiszugeben? Oder würdest du wenn du deinen Körper einem anvertrauen solltest auf die Gefahr, ob er gestärkt werden würde oder verdorben, dann wohl erst vielfach überlegen, ob du ihn ihm anvertrauen wollest oder nicht, und zur Beratung deine Freunde herbeirufen und deine Verwandte, mehrere Tage lang der Sache nachdenkend: was du aber weit höher als deinen Körper achtest, und dem gemäß alle deine Angelegenheiten gut oder schlecht gehen müssen, je nachdem es gestärkt wird oder verdorben, die Seele, hierüber hast du dich weder deinem Vater noch deinem Bruder mitgeteilt, noch irgend einem von uns, deinen Freunden, ob du diesem eben angekommenen Fremdling anvertrauen sollst oder nicht deine Seele; sondern nachdem du gestern Abend von ihm gehört, wie du sagst, kommst du heute mit dem frühesten Morgen, nicht etwa um noch darüber irgend Gespräch und Beratung zu pflegen, ob du dich selbst ihm hingeben sollst oder nicht, sondern ganz bereit schon, dein und deiner Freunde Vermögen daran zu wenden, also als wäre dieses schon fest beschlossen, daß du auf alle Weise dich mit dem Protagoras einlassen mußt, welchen du doch weder kennst, wie du sagst, noch auch jemals gesprochen hast; sondern du nennst ihn nur einen Sophisten, was aber ein solcher Sophist eigentlich ist, dem du dich selbst übergeben willst, darin zeigst du dich ganz unwissend.

Als er dieses angehört, sagte er: So hat es freilich das Ansehn, o Sokrates, nach dem was du sagst. Ist etwa, Hippokrates, der Sophist ein Kaufmann oder Kleinkrämer in solchen Waren, von welchen die Seele sich nährt? Mir wenigstens scheint er ein solcher. Aber wovon nährt sich die Seele, Sokrates?

Von Kenntnissen (matheemasin) doch wohl, sprach ich. Daß also nur nicht der Sophist uns betrüge, Freund, was er verkauft uns anpreisend, wie Kaufleute und Krämer mit den Nahrungsmitteln für den Körper tun. Denn auch diese verstehen selbst nicht, was wohl von den Waren, welche sie führen, dem Körper heilsam oder schädlich ist, loben aber alles, wenn sie es feil haben; noch auch verstehen es die, welche von ihnen kaufen, wenn nicht einer etwa ein Arzt ist, oder ein Vorsteher der Leibesübungen. Eben so auch die, welche mit Kenntnissen in den Städten umherziehen, und jedem der Lust hat davon verkaufen und verhökern, loben freilich alles was sie feil haben; vielleicht aber, mein Bester, mag auch unter ihnen so Mancher nicht wissen, was wohl von seinen Waren heilsam oder schädlich ist für die Seele, und eben so wenig wissen es die, welche von ihnen kaufen, wenn nicht etwa einer darunter in Beziehung auf die Seele ein Heilkundiger ist. Verstehst du dich nun darauf was hievon heilsam oder schädlich ist, so kannst du unbedenklich Kenntnisse kaufen vom Protagoras sowohl als von jedem Anderen; wo aber nicht, so siehe wohl zu, du Guter, daß du nicht um dein teuerstes würfelnd ein gefährliches Spiel wagst.

Denn überdies noch ist weit größere Gefahr beim Einkauf der Kenntnisse als bei dem der Speisen. Denn Speisen und Getränke, die du vom Kaufmann oder Krämer eingehandelt hast, kannst du in andern Gefäßen davon tragen, und ehe du sie essend oder trinkend in deinen Leib aufnimmst, sie zu Hause hinstellen, und auch dann noch einen Sachverständigen herbeirufend beratschlagen, was davon du essen und trinken sollst und was nicht, und wieviel und wann; so daß es bei dem Einkauf nicht viel bedeutet mit der Gefahr. Kenntnisse aber kannst du nicht in einem andern Gefäß davon tragen, sondern hast du den Preis bezahlt, so mußt du sie in deine Seele selbst aufnehmend lernen, und hast deinen Schaden oder Vorteil schon weg, wohin du gehst. Dies also laß uns wohl überlegen, und zwar mit Älteren als wir sind: Denn wir sind noch zu jung um eine so wichtige Angelegenheit zu entscheiden. Jetzt indes, wie wir einmal unsern Sinn darauf gesetzt haben, laß uns immer hingehn und den Mann hören; haben wir ihn aber gehört, dann auch mit Anderen uns besprechen.



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