Diskussion:Lacan: Vom Subjekt, das wissen soll, von der ersten Dyade, vom Guten

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Dank des Hinweises darauf, dass in der Sitzung XVIII „Vom Subjekt, das wissen soll, von der ersten Dyade, vom Guten“ Lacan Glaube „als eine Erfahrung definiert, in der das Subjekt geteilt wird“ und „eine dialektische Öffnung der Signifikantenkette“ an dieser Stelle gelingen muss, möchte und kann ich meine Überlegungen am Schluss der letzten Sitzung etwas nachpräzisieren und in Hinblick auf die Übertragung zuallererst artikulieren.

Ausgegangen war ich von der Frage: Ist Glauben der Akt, der an die Stelle einer radikalen Insuffizienz des Wissens tritt? Dann wäre Glauben die Art, das Terrain der Bodenlosigkeit zu betreten. Aber wie? Indem ich doch einen Grund annehme, auch wenn mir mein Wissen keinen Grund zureicht? Oder indem ich mir die Bodenlosigkeit selbst zum Grund/Ungrund nehme? An dieser Stelle zeichnen sich zwei verschiedene Züge von Glauben ab.

Lacan spricht in der genannten Sitzung eingangs davon, dass in der analytischen Situation das Vertrauen eines Subjektes gewonnen wird. In diesem Zusammenhang betont er, dass deshalb der Analytiker/die Analytikerin jedoch nicht die Position eines Gottes einnimmt. Kein Gott blickt hier in das Subjekt hinein. Dennoch scheint Glauben für das Subjekt im Spiel zu sein. Auch in Hinblick auf die Übertragung?

Zur Reihung von Denken, Wissen, Lügen, Begehren und Täuschen als ebenso prominenten wie prekären Vermögen des Subjektes kommt in dieser Sitzung das Phänomen des Glaubens hinzu. Nicht minder prominent und nicht weniger prekär.

Für die Übertragung ist ein entscheidendes Moment „von welchem Ort aus es (das Subjekt, Ergänzung von mir E.S.) sich an das Subjekt wendet, das wissen soll.“ (Lacan 1964, S. 244). Es ist notwendig (soweit ich sehe) für eine wie auch immer gelingende Analyse, dass der Analytiker/die Analytikerin als das Subjekt, das weiß, installiert wird. Gleichwohl bleibt die Analysandin/der Analysand nicht gefeit davor, den Unsicherheiten einer eventuellen (und auf anderer Ebene sogar tatsächlichen) Täuschung ausgesetzt zu sein. Täuscht sie sich, täuscht er sich – im Anderen? Die Sprache weiß an dieser Stelle viel Psychoanalytisches: sich im Anderen täuschen scheint eine ausgesprochen lacanianische Wendung. Spricht Lacan in der Sitzung XI doch davon, dass das Subjekt, wenn es sich sieht, „mit Sicherheit sieht es sich im Raum des Anderen, und auch der Punkt, von dem aus es sich anblickt, ist in diesem Raum. Es ist auch der Punkt, von dem aus es spricht, dann, wann immer es spricht, ist es auch dabei, am Ort des Anderen jene wahrheitsgemäße Lüge zu bilden,...“ (Lacan 1964, S. 151).

Das radikale Schwanken des Subjektes tritt in besonderer Weise zu Tage in Lacans Revision des fort-da-Spieles. Das „kleine Subjekt“ übt sich nicht im Umgang mit Abwesenheit, indem es sie beherrschen lernt. Es übt sich in den Umgang mit der radikalen Unverfügbarkeit ein. Einübung ins Schwanken (?). Auf dem Pariser Stadtwappen ist nachzulesen: „Fluctat nec mergitur“ (Es schwankt, aber es geht nicht unter). Wäre dies nicht auch eine irgendwie tröstliche Inschrift auf dem Wappen des Subjekts, auch wenn die Schrift sich nicht (immer) erfüllt.

Glauben kann ein Subjekt anderen Subjekten oder einem Gott. Anderen Subjekten (und sich) Glauben schenken zu können, scheint (mir) äußerst notwendig, wenn auch mitunter oder sogar grundsätzlich ungerechtfertigt. Die Opazität der anderen Subjekte unterscheidet sich von der Opazität eines göttlichen Anderen. Die Möglichkeiten zu intervenieren, markieren für mich an dieser Stelle den Unterschied: Interventionen Anderer brechen in ihrer radikalen Fremdheit ein, so dass mir die Anderen immer schon opak bleiben und gewesen sein werden. Jedoch gibt es hier den Raum, die wahrheitsgemäßen Lügen auszutauschen: Prinzipiell bleibt der Schein erhalten, die Anderen sehen/verstehen etc. zu können – auch bei permanenter Verdunklungsgefahr bleibt dieser Schein erhalten. Während ein göttliches Anderes derart anders gesetzt ist, dass es in das Subjekt hineinschauen kann, das Subjekt jedoch nicht ins Göttliche. Es ist per se opak. Gibt es hier einen Schein, der zum Spiel der wahrheitsgemäßen Täuschungen einladen würde? Oder erhebt sich hier absolutes Unwissen qua Glauben letztlich doch wieder in den Stand eines Wissens, das sich von der Verheißung her speist, letztgültig geoffenbart zu werden.

Es gäbe also ein Glauben an die Schleierhaftigkeit, das sich auf der Ebene der Täuschungen bewegt und bewegen lässt. Aber gibt es das? Es wäre immer schon durchsetzt von Unglauben. Also kein Glauben, das voll und ganz Glauben wäre. (vergl. Lacan 1964, S. 250). Und es gäbe ein Glauben, das sich an der Stelle der Insuffizienz des Wissens doch wieder als Wissen erhebt, und weil es in Erwartung der Offenbarung ist – und nicht in permanenter Erwartung von nichts anderem als einer weiteren verheißungsvollen Täuschung – ist es das Scheitern des Glaubens.

Glauben scheint seine Bedeutung für das Subjekt letztlich weder in einem Grund noch einer Offenbarung zu enthüllen, sondern allein im Akt des Glaubens. (?) Ist die Übertragung etwas ähnliches? Ein „Glauben“ an etwas, das sich letztlich nicht finden:feststellen lässt, das die Analyse nicht als letzthin enthüllbar offenbart – allein der Akt des Übertragens ist die Stätte/Passage, wo etwas passiert? Die Wahrheit der Analyse ist eine Wahrheit im Akt? (Wobei der Begriff „Akt“ hier reichlich zerzaust von mir verwendet wird. Eher im Sinne von Potenz/dynamis/Möglichkeit. Und eben nicht in Hinblick auf die tatsächliche Verwirklichung, denn die bleibt ja in der Übertragung genau aus, bzw. findet anderswie statt. Siehe Breuers Frau. (Begehren des Analytikers) Darüber müsste eigens nachgedacht werden. Aber der gegebene Raum soll an dieser Stelle nicht überstrapaziert werden.)--E.S. 13:20, 6. Jun. 2008 (CEST)