Darstellungssinn und Richtungssinn (2)
Zur Diskussion der zweiwertigen semantisch-ontologischen Struktur des Wittgensteinschen "Tractatus" eignet sich wiederum eine Fotographie.
Das Foto enthält zahlreiche Bildformen: für Fenster, Ziegel, Rolläden. Der dialektische Aspekt, von dem hier ausgegangen wird, verbindet sich mit dem dargestellten Schriftzug.
Die Pointe des Fotos liegt darin, dass das Fehlen einer Aufschrift dargestellt ist. So wird es von geübten Betrachterinnen wahrgenommen. Dahinter steht die Logik, die auf den vorangegangenen Seiten entwickelt worden ist.
Das Bildradikal ist in diesem Fall die Schablone "maschinen", die im Normalfall als Darstellung einer über Geschäften angebrachten Bezeichnung aufgefasst wird. Hier gibt die Schablone visuell zu erkennen, dass diese Bezeichnung an der fraglichen Stelle nicht mehr zu finden ist. Es steht nichts anderes dort, sondern genau diese Aufschrift nicht.
Das ist eine piktoriale Variante des "beredten Schweigens". Das Fehlen des Schriftzugs teilt den Umstand mit, dass einmal einer dort zu finden war. Das wäre unmöglich, wenn nur die leere Wand zu sehen wäre. Die Abwesenheit teilt mit der Anwesenheit einen Erscheinungsspielraum. Darum kann man auch sagen: die Schablone zeigt das Fehlen. Sie repräsentiert das Bestehen einer negativen Tatsache. Das heisst: die vom Bild erfasste Wirklichkeit wird über eine Negation beschrieben.
Die Schriftschablone funktioniert in diesem Zusammenhang dualistisch. Doch diese Operation ist nur ein Teil des Fotos. Die Schablone ist auch gegen benachbarte Formen abgesetzt. Ihnen gegenüber besteht ein anderes Negationsverhältnis.
Darstellungssinn und Richtungssinn (3)
zurück zu Darstellungssinn und Richtungssinn (1) zurück zu Negation, Wahrheit und Darstellung im Tractatus zurück zu Wittgenstein (W)