Verlagsprobleme (tphff2015)

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Version vom 28. Mai 2015, 08:27 Uhr von Anna (Diskussion | Beiträge) (Vorüberlegungen zu Wissen als „nicht-rivalisierendes Gut“: comment)
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In Diskussion:Unvorhersehbare_Entwicklungen_(tphff2015) beschreibt und analysiert Euphon die Situation, in der ein junger Wissenschaftler sich finden kann, wenn ein Verlag ihm anbietet, seine Diplomarbeit zu veröffentlichen. Er erweitert diese Beschreibungen um prinzipiellere Gedanken über Wissensproduktion im Internet. Ich habe beziehe mich im Weiteren auf Ausschnitte aus Euphons Text, die in Anführungszeichen gesetzt werden.

--anna (Diskussion) 13:08, 29. Apr. 2015 (CEST)

Geschäftsmodell

Der AV Akademikerverlag gehört zur Verlagsgruppe Omni Scriptum, die sich auch auf Facebook und Google+ präsentiert.

Der Eintrag OmniScriptum Publishing Group in der deutschen Wikipedia beschreibt die Strategie, deren Adressat auch Euphon geworden ist:

Akquisemitarbeiter suchen im Internet und an Universitäten nach in Frage kommenden Autoren und schicken diesen per E-Mail ein Publikations-Angebot.[8][9] Buchcover, Klappentext etc. werden vom Autor über ein Onlineformular selbst gestaltet. Die OmniScriptum Publishing Group sagt von sich selbst, jährlich mehr als 25.000 neue Titel zu publizieren und damit „eines der führenden Verlagshäuser für akademische Forschung“ zu sein

Einschlägige Erfahrungen sind hier dokumentiert: 1, 2, 3, 4. Eine ausführliche Darstellung der Entstehung der Verlagsgruppe, die 2002 in Düsseldorf als Verlag Dr. Müller gegründet wurde, findet sich in der englischen Wikipedia.

Eine Übersicht über die wichtigsten Einzelverlage der Gruppe findet sich auf http://website.informer.com: OmniScriptum Marketing DEU GmbH (Dominik Berdin)].

Am 13.4.2015 berichtete Spiegel online über die Praktiken des Verlages:Veröffentlichte Abschlussarbeiten: Fette Fehler? Schlechte Note? Egal!

Euphons Überlegungen (Auszüge)

Ein Mittelzustand zwischen offenen und geschlossenen Türen

"Mein Urteil war: Es handelt sich hier wohl um eine Abzockerfirma, die Geld an der Arbeit von anderen verdient. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, auf das Angebot nicht zu reagieren. Ein stiller Protest. Zudem dachte ich aber auch, es sei nachteilhaft im Dunstkreis eines solchen Verlages aufzutauchen. Vielleicht würde ich in Zukunft einmal anstreben, einen gelungenen Text über einen angesehenen Verlag vertreiben zu lassen. Wäre es dann nicht unangenehm, mit einer naiven Entscheidung wie der, einer Veröffentlichung durch den „AV Akademikerverlag“ zugestimmt zu haben, konfrontiert zu werden, die einem vielleicht nachhängt? Man will sich nicht so recht abholen lassen von solch verwegen wirkenden Zeitgenossen wie dem "AV Akademikerverlag", der vielleicht nicht ohen Grund zum Verwechseln ähnlich heißt wie ein recht angesehener Verlag..."

Dass Firmen "Geld aus der Arbeit von anderen verdienen" ist genau genommen noch nicht Abzocke. Ein Restaurantführer beruht auf dem Betrieb von Restaurants, die auch die entsprechenden Informationen bereitstellen. Der Postkartenverkauf beruht darauf, dass jemand die Landschaft pflegt oder das Gebäude errichtet hat. Das ist eine neue Aussicht, die sich in der Informationsgesellschaft ergibt: die Verwertbarkeit nicht nur von Rohstoffen, sondern auch von immateriellen Produkten wie z.B. Modetrends oder Kaufverhalten.

Aus einem Einladungsbrief:

In the course of a research on the Internet, I came across a reference to your work in the field of Geography.

We are an International publisher whose aim is to make academic research available to a wider audience.

LAP Publishing would be especially interested in publishing your dissertation in the form of a printed book.

Keine dieser Aussagen ist falsch. Aber sie sind auch ein Musterbeispiel dafür, wie abhängig die Bedeutung und Bewertung von Sprachausdrücken in unterschiedlichen Kontexten sein kann. Julia Wittgenstein (!) gibt sich als Mitarbeiterin beim Verlag zu erkennen und spricht von einem fairen Angebot. Das wirft ein Schlaglicht auf die Frage, um welche Komponenten es sich in diesem Tauschgeschäft handelt.

ich arbeite für den AV Akademikerverlag (ein OmniScriptum-Partnerverlag) und beantworte gern alle aufgekommenen Fragen.

Es stimmt, dass wir viele Absolventen ansprechen. Wenn der kontaktierte Absolvent Interesse an einer Publikation hat, erhält er die Details zur Veröffentlichung und kann uns das Manuskript unverbindlich zusenden. Erst hier können wir sehen, ob sich die Arbeit tatsächlich zur Publikation eignet. Ist das der Fall, erhält der potentielle Autor ein Angebot zur kostenlosen Publikation. Alle anfallenden Kosten (z.B. für die ISBN und die Listung in allen wichtigen Katalogen) trägt der Verlag. Die Druckqualität war tatsächlich früher ein Problem, ist aber inzwischen sehr hochwertig.

Unser Angebot ist sehr fair, es entstehen dem Autoren keine Kosten (auch keine versteckten). Natürlich wird man mit der Veröffentlichung wissenschaflticher Literatur in der Regel nicht reich, da möchten wir keine Illusionen machen, aber in anderen Verlagen muss man für eine Publikation (z.B. einer Dissertation) als Autor bezahlen (und das oft nicht wenig).

Deshalb ist unser Angebot sehr beliebt, auch wenn unsere Vorgehensweise, aktiv auf potentielle Autoren zuzugehen, ungewöhnlich ist.


"Hier soll nur gesagt werden, dass die Abschlussarbeit zwar nur die ersten zaghaften Gehversuche einer Jungwissenschaftlerin enthalten mag, sie aber dennoch - wie man heutzutage so schön in Bezug auf Artefakte sagt – „wertig“ ist, aufgeladen mit Wert durch die Partizipation anderer Akteure und Institutonen, die an der Verfassung beteiligt waren. Und eben diesen Wert schöpft der AV Akadmeierverlag" ab, weil das sonst niemand tut."


Es bleibt nur das persönliche Abwägen. Bei mir schlägt der Zeiger wie gesagt auf die ablehnende Seite aus, aber damit entscheide ich mich für die staubigen Fachbereichsbibliothekenkeller. Eigentlich ist diese Überzeugung revisionsbedürftig, denn eine gewisse Offenheit ist eindeutig realisierbar. Es geht dann immer um die Mittel wie das passiert. Offenheit hat verschiedene Facetten. Eine Tür ist nicht nur entweder offen oder zu, sie kann eine Briefschlitz haben, was bedeutet, dass Anrufe von außen auch durch die den Durchgang blockierende Tür hindurch zu uns durchkommen können.


Wo also ansetzen?
  1. Es gibt nicht nur Blattläuse, sondern auch andere Tiere,
  2. Pflanzen können sich verteidigen (z. B. Tabakpflanze)
  3. Alles entsteht aus der Energie der Erde.
1. ... was den öffentlichen Zugang zu mit einer Qualitätssicherung versehenen Texten anbelangt, bin ich von einer Änderung überzeugt. Grund für diese Annahme ist das Vorhandensein der Technologie, die den freien Austausch möglich macht. Das Beispiel des „AV Akademikerverlags“ zeigt, dass diese neuen Technologien und die Innovationen, die damit verbunden sind, weder als Heilsbringer angesehen, noch völlig verteufelt werden dürfen ...

Die Antwort lautet "grüner Open Access, siehe Sammelpunkt

2. ... Es scheint also nicht illusorisch anzunehmen, dass es ohne großen Aufwand möglich ist, zu solch einer Versammlungsfähigkeit von Aspekten von Belang zu gelangen. Um dem Vorwurf entgegenzuarbeiten, ich würde das was mir gelingt von allen anderen erwarten, was das, was ich sagen möchte, unverständlich machen könnte, stelle ich die allgemeine These auf, dass mittlerweile so vieles außerhalb des designierten Bereichs der angesehenen Verlage zugänglich ist, dass sich eine Auseinandersetzung mit Fragen betreffend der Qualität von Informationen von niemandem mehr vermeiden lässt. ...
3. Und diese Lebenswelt lässt sich nur mit Gewalt reduzieren. Eine Legitimation für die reduzierende Gewalt ist schnell gefunden. Im Fall des „AV Akademikerverlags“ ist es das betrügerische Potential des Modells, vor dem schwache Vermittler bewahrt werden sollen. Das ist aber wie wenn man einen Apfel wegschmeißt, nur weil er eine braune Stelle hat. Was ist denn das Schlimmste, das passieren könnte, wenn Diplomarbeiten zugänglich gemacht werden? Das Schlimmste ist nicht, dass Halbwahrheiten und (vorläufig) falsche Schlussfolgerungen zirkulieren, welche die Leser verwirren, denn das kommt in den Wissenschaften schon länger vor und ist sogar ein essentieller Teil derselben. Das Schlimmste ist, dass man sich durch einen Wust an Texten arbeiten muss, die halt nur „nett“ sind und keine genialen Meisterwerke. ...

Vorüberlegungen zu Wissen als „nicht-rivalisierendes Gut“

Euphon argumentiert, dass das bisher in dieser Vorlesung vorgelegte Konzept „nicht-rivalisierender Güter“ genau genommen einen Widerspruch enthält. Güter sind produziert und damit verbrauchen sie Ressourcen, sie kosten etwas. Und sie werden konsumiert, d.h. an bestimmten Ort- und Zeitpunkten stehen sie nur einmal zur Verfügung. Als Beispiel führt Euphon Sonnenstrahlen an. Sie gehen auf Kosten der Substanz der Sonne und an einem Strand gibt es nur beschränkt viel Plätze, auch wenn das Sonnenbad einer Person einer anderen nichts wegnimmt.

“Jemandem, der von „nicht-rivalisierenden Gütern“ spricht und dabei von „win/win-Situationen“, muss also entgegnet werden, dass an der Stelle ein etwas bescheideneres Auftreten angebracht ist. Die Übertreibung liegt in der Annahme, dass es möglich ist, dass es eine Situation gibt, in der es nur Gewinner und keine Verlierer gibt. Dem ist entgegenzuhalten: Es gibt keine Gewinner ohne Verlierer! Statt von „nicht-rivalisierenden Gütern“ zu sprechen, wäre es eher angebracht, diese als solche Güter zu bezeichnen, die nur einen Minimalaufwand und dementsprechend so wenig Verlierer wie möglich nötig machen. Ich schlage also vor, statt von „nicht-rivalisierenden Gütern“ von „Allgemeingütern“ zu sprechen, denn besonders die negative Formulierung der ersten gaukelt eine Unbestimmtheit der Möglichkeiten (die sich aus der Abgrenzung von den eingeschränkten ergibt) vor, wohingegen die zweite Formulierung auf die generelle Eingeschränktheit hinweist.“

Auf den Fall digitaler Kopien eines Buches im Kontrast zur Lehrbuchsammlung angewandt heißt das: Es trifft zwar zu, dass pdf-Dokumente einer ungleich größeren Menge von Personen zugut kommen, aber um sie benutzen zu können benötigt man die entsprechenden Geräte, inklusive Netzverbindungen, und Strom. Der Einwand ist streng genommen korrekt und weist auf eine bisher ungenannte Voraussetzung dieser Konstruktion hin. Die Negation in „nicht-rivalisierend“ bezieht sich auf einen speziellen Sachbereich, nämlich jene Güter, für die sich unter gegebenen Umständen ein Markt aufbauen lässt. Das jährliche Gratisbuch der Gemeinde Wien ist insofern ein (künstlich erzeugtes) nicht-rivaliserendes Gut, als man von niemandem dafür Geld erhalten kann. Der Begriff wird unscharf, sobald er aus diesem Kontext extrapoliert wird. „Alle können X verwenden“ kann nicht so verstanden werden, dass beliebig viele Personen sich an einem Strand sonnen können. Es heißt, als technischer Terminus, dass sich, vorausgesetzt es existieren keine Zugangsbeschränkungen, kein ökonomischer Zusammenhang aufbauen lässt, weil kein Mangel zu organisieren ist. Diese Perspektive ergibt sich erst, sobald jemand Zäune errichtet. Der Eintritt ist dann rivaliserend, nicht aber die Benutzung des Strands zwischen den Zugelassenen.

„In dieser Allgemeinheit findet ein Prozess statt, in dem die spezifische Art des Auftretens der Allgemeinheit davon abhängig ist, wie sie zusammengesetzt wurde und in dem das, was darin passiert, die Art einschränkt, wie die Allgemeinheit sich zusammensetzen kann. Es ist hier ein politisches Moment greifbar, das ich mit dem Begriff „Allgemein“ ansprechen möchte und das, übertragen auf den Begriff „Allgemeingüter“ im Gegensatz zu dem Begriff „nicht-rivalisierenden Gütern“, eher geeignet scheint, um die Existenzweise der sogenannten „nicht-rivalisierenden Güter“ zu erklären. ...
Was bedeutet das für das Konzept der „nicht-rivalisierenden Güter“? Ich bin der Meinung, dass das Konzept als Prozess (der Reproduktion) in der oben dargestellten Weise verstanden werden sollte, der dadurch, dass es darin auch Verlierer gibt, zu einem politischen Prozess wird. Das Konzept der „nicht-rivalisierenden Güter“ krankt meiner Meinung nach daran, dass darin Voraussetzungen angenommen werden, die nicht erfüllbar und damit Versprechen gegeben werden, die nicht einlösbar sind.“

Der monierte „politische Prozess“ besteht und kann als Ergänzung und Kritik gegen den Begriff „nicht-rivalisierendes Gut“ vorgebracht werden. Allerdings greift diese Einwand nur gegen eine überzogene Deutung der Nicht-Rivalität. Es ist zu unterscheiden zwischen „Gütern“, die einem ökonomischen Regime unterliegen und anderen, für welche die dafür nötigen Bedingungen nicht gegeben sind. Anders gesagt zwischen Waren und unverkäuflichen Beständen. Die einschlägige Definition der Volkswirtschaft ist nicht politisch, wohl aber besteht eine politische Auseinandersetzung betreffend der jeweils durch sie suggerierten Grenzen.

Fairness in der Abschöpfung der „Wertigkeit“ von Abschlussarbeiten