16.10.2013 Greiner, Kurt (2007): Psychoanalyse im 21. Jahrhundert: polymorphe Wissenschaft mit Vorbildqualität
In der ersten Seminarsitzung wurde unter anderem der Begriff Trieb angesprochen und es ging natürlich um das Thema Wissenschaft/Wissenschaftlichkeit (der psychoanalytischen Theorie). Trieb wurde versucht zu umschreiben beispielsweise mit Drang, oder etwas das einen dränge. Also vielleicht könnte man sagen, etwas, das einen vor sich her schupst?! Alenka Zupancic formuliert das, glaube ich, so (falls ja, in: Das Reale einer Illusion, suhrkamp). Es geht dabei allerdings nicht darum, den Trieb auszuschalten, sich etwas abzugewöhnen oder alles derartiges, ganz im Gegenteil, vermute ich.
Wenn man nun an eine Art "Ziel" einer psychoanalytischen Kur denkt, könnte man vielleicht formulieren, dass ein Ziel sei, dass einen eben nichts mehr vor sich her schupst? Könnte das nicht für fast jeden Menschen eine Art Ziel darstellen ?
Was bedeutet das in Hinblick auf alles, was mit -therapie endet, sozusagen? Wenn Therapie als Heilung (von Kranken), Lösung von Problemen oder so verstanden würde impliziert das ein konkretes Ziel? Hat die Psychoanalyse vielleicht doch eine Sonderstellung, da sie etwas anderes be/anrührt? Und vielleicht die Frage: ist das ein relevanter Punkt, wenn es um die 'wissenschaftlichkeits"-Debatte geht? --CoS (Diskussion) 11:01, 26. Okt. 2013 (CEST)
Referat zu: Psychoanalyse im 21. Jahrhundert: polymorphe Wissenschaft mit Vorbildqualität
Ist die Psychoanalyse wissenschaftlich?
Radikaler Szientismus vs. Antiszientismus
Szientismus: Psychoanalyse erfüllt „das zentrale Kriterium der Objektivität“ (Greiner, 2007) nicht => unwissenschaftlich
Versuch Psychoanalyse zu verwissenschaftlichen -> Neuro-Psychoanalyse
Antiszientismus: „Psychoanalyse war noch nie eine Wissenschaft und soll auch nicht versuchen, eine zu werden.“ (Greiner, 2007)
Wiener Konstruktivismus „Die Wissenschaftlichkeit der Psychoanalyse steht nicht nur außer Frage, sondern ihr einzigartiges disziplinäres Erscheinungsbild liefert ein (…) Musterbeispiel für die gesamte Wissenschaftsgeneration des 21. Jahrhunderts.“ (Greiner, 2007, S. 97)
Paradigmenwechsel vom Beschreiben und Messen der Realität zur Akzeptanz der „Unumgänglichkeit des Beobachtens“ und des „Objekt-Methode-Zirkels“, der damit verbundenen Probleme und der daraus folgenden Aufgabe der traditionellen Auffassung von Wahrheit. Interessant ist nicht mehr, was objektiv „wahr“ ist – das ist nicht feststellbar – sondern ob etwas im Hinblick auf die Erreichung eines Forschungszieles funktioniert.
=> Psychoanalytik (= Gesamtheit aller Richtungen, Positionen und Ansätze der Psychoanalyse) ist wissenschaftlich!
Frage 1: Ist Psychotherapie allgemein wissenschaftlich? Ist Psychotherapie nicht immer konstruktivistisch?
Frage 2: Was bedeutet die „Unumgänglichkeit des Beobachtens“ für die Therapie? Ist Diagnostizieren überhaupt möglich?
„Zur epistemologischen Therapeutik“
Viabilitätsidee: Den Fokus von Wirklichkeit, Erkenntnis → Wahrheit auf die Relationen Subjekt-Methode-Objekt lenken, um eigene Sinngrenzen zu öffnen; reflexive Handlungserkenntnis durch methodischen Kontextwechsel
„Strangification“ Distanz zu den üblichen Handlungsvollzügen erlangen, um so eine Perspektiven-Änderung zu ermöglichen, denn erst wenn Vertrautes fremd gemacht wird, lässt es sich bestaunen (vgl. Greiner 2007:101)
Wie steht es um die Relationen oder Sinnzusammenhänge: 'Gesund – Gestört' oder 'kohärent – inkohärent'?
Mikrosysteme in diskursivem Austausch – Heterogenität innerhalb einer Fachrichtung als „unüberschätzbarer reflexionsmethodologischer“ Vorteil → anti-einheitswissenschaftliche Grundhaltung
'philosophische Probleme' (in) der Philosophie? und was die interkulturelle Philosophie hierzu beitragen kann - offener Geist in der Philosophie → Vorwurf der 'Unwissenschaftlichkeit' als ein Gewaltakt, da der eigene Standpunkt verabsolutiert wird („theoretischer Fundamentalismus“) → Konsens maximieren, ohne Ideologisierung, Ontologisierung oder Essentialisierung.
„Einig zu sein, ist göttlich und gut; woher ist die Sucht denn unter den Menschen, dass nur Einer und Eines nur sei?“ (Hölderlin: Wurzel allen Übels, Briefe und Werke, Inselverlag Frankfurt a.M., 1969, zitiert von Ram Adhar Mall im Zuge seines Vortrags „Hermeneutik der Überlappung jenseits von Identität und Differenz“, 20. März 2013 Uni Wien)
--CoS (Diskussion) 09:50, 15. Okt. 2013 (CEST)
"Keine Wissenschaft der Moderne ist auf derart erbitterten Widerstand der Zeitgenossen gestoßen wie die Psychoanalyse. Sigmund Freud selbst hat seine Lehre als Auslöser einer Kränkung beschrieben, die dem Ich die unerfreuliche Einsicht vermittelt, dass es nicht Herr im eigenen Haus ist" Artikel in der Zeitt, 08.10.2013