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Die Themen, die uns diesmal und das nächste Mal beschäftigen werden, sind, ich hab da schon in diese Richtung gesprochen das letzte Mal, sind konzentriert auf ein Philosophenpaar in der französischen Philosophie, also Derrida und Roland Barthes, das wird heute auf jeden Fall das Thema werden, und das Letzte, das betrifft also die Stimme, eine Thematik über die wir bereits sehr viel gesprochen haben. Ich habs bisher sehr stark im mediengeschichtlichen, im medientheoretischen Sinn gesehen. Die beiden Beispiele, die ich heute bringen werde, sind nicht in dem Sinn medientheoretisch, sondern anderswo angelagert, im Rahmen der Philosophie. Das erklärt, warum ichs erst am Ende bringe, weil meine ausdrückliche Konzentration auf diese Medienfragen gewesen ist. Und als letztes, damit werde ich dann enden, komme ich noch einmal auf „Stimme“ im Zusammenhang Medien-Stimme und Elektronik zu sprechen; das wird dann die nächste Stunde sein. Und die beiden genannten Philosophen sind gewählt auch deshalb, weil sie 2 Pole, die uns bislang beschäftigt haben, im Zusammenhang mit dem Vorlesungsthema, auf eine drastische und dramatische Art und Weise gegeneinander stehen lassen. Also Jacques Derrida, bekannt für „Grammatologie“, für einen Akzent auf Schrift, auf dem schriftlichen Bereich, das schauen wir uns dann in Kürze ein bißchen genauer an, wie das argumentiert wird – und zwar gegen die Stimme – also die berühmte Abhandlung „Die Stimme und das Phänomen“, von der ja schon die Rede war, und Roland Barthes als ein Impulsgeber für eine Betrachtungsweise, die die Stimme privilegiert – nein, Entschuldigung, nicht privilegiert, das ist falsch: in den Vordergrund stellt. Das war jetzt ein genau schlimmer Fehlgriff, den ich gemacht habe, denn was ich eigentlich sagen wollte, ich bin an der Stelle mir selber ein wenig voraus gewesen, es ist recht typisch für diese Gegenüberstellung und für die Methode der Philosophen, die hier angesprochen sind, dass es einerseits ein Muster gibt der Privilegierung und Unterprivilegierung. Also Derrida lebt davon, dass er darauf hinweist, dass die Stimme privilegiert wurde, und dass das aber ein ungerechtes Privileg ist und dass man dieses Privileg wieder zurückfahren muss, dass man stattdessen eine Privilegierung der Schrift vornehmen sollte. Das ist ein Tauziehen zwischen den beiden Motiven, in das Derrida seine eigene Theorie einschreibt, also durchaus in einem assoziativen Zusammenhang der klassischen Oppositionsbildungen, die man aus der Dialektik kennt, und die dann Heidegger auch weitergeführt hat, nicht dialektisch, aber in einer oppositionellen Attitüde; während auf der anderen Seite Roland Barthes, dem ich jetzt eine Privilegierung untergeschoben habe, eine Art von Denken praktiziert, die genau nicht nach solchen Schwerpunktsetzungen arbeitet, nach solchen Oppositionsverhältnissen, sondern der über Schrift durchaus viel geschrieben hat, der über Film geschrieben hat, der ein sehr exploratives, neugieriges, eindrückliches Werk im Bereich der Zeichen vorgelegt hat, und der auf der Suche nach Zeichenwelten, wenn man so sagen will, sich auch an einer Stelle beschäftigt hat, mit einigen Phänomenen der Stimme und der Musik, der gesungenen Stimme beschäftigt hat, die sich in einem Buch, „Die Rauheit der Stimme“, das sind Interviews – Le grain de la voix – wiederfinden, die nicht beanspruchen, jetzt einen Umsturz in der abendländischen Philosophie herbeizuführen, wie das die Linie Heidegger-Derrida ausformuliert, sondern beansprucht, die Augen zu öffnen, oder die Ohren zu öffnen an dieser Stelle, für eine bestimmte Thematik, und diese Thematik stark zu machen, nicht gegen etwas anderes, sondern für sich selber, Roland Barthes, der mit diesen Hinweisen in den Siebzigerjahren aber sehr effektiv geworden ist. Und zwischen den beiden gibts an der Stelle wenig Überschneidungen, man merkt das heutzutage natürlich, dass die beiden über das Thema geredet haben, aber die reden sich nicht drein, die reden von was anderem, und eröffnen damit zwei Akzente, die ich jetzt in dieser Geschichte deutlich machen möchte.

Diese Geschichte hat zunächst einmal nichts mit Derrida und Roland Barthes zu tun, sondern sagt ihnen ein Motiv, das bei beiden auftaucht und das für mich an der Stelle auch ein zentrales Konfliktmotiv ist. Die Geschichte beginnt am vergangenen Donnerstag um 21.00, als ich zufällig im ORF im Gespräch mitgehört habe, in der Mitte der Sendung eingestiegen bin - über Radio könnte man an der Stelle natürlich auch viel reden – also eingestiegen bin in ein Gespräch mit Frau Hilde Zadek. Hilde Zadek ist eine Opernsängerin gewesen, Gesangspädagogin gewesen, die in diesem Gespräch interviewt worden ist über ihr Leben. Sie ist 93 Jahre, geboren in Ostpreußen, in Bromberg, ausgebildet als Opernsängerin im damaligen Palästina, also geflohen aus Deutschland, zurückgekommen nach Wien, Kammersängerin, alle Ehrentitel abgeräumt. Was ich noch nicht geschafft hab, ist den ORF-Podcast-Download. Wenn irgendjemand von ihnen so eine Ö1-Mitgliedschaft mit angeschlossenem Podcast hat, dann krieg ichs leicht, aber ich wird mich bemühen, diese Sendung zu kriegen, um ihnen ein bißchen was vorzuspielen daraus. Und wovon ich extra sprechen möchte, ist die letzte, ziemlich am Ende dieser Sendung, gibts die folgende Passage: Es geht darum, dass diese Frau , die in einem Ort, der jetzt Polen ist, geboren worden ist, als Deutsche in Israel gelebt hat, lange in Österreich gelebt hat, und deren Schwestern alle in den Vereinigten Staaten leben und, wie sie sagt, in den Vereinigten Staaten glücklich sind, da kommt die unweigerliche Frage, das machen RadiojournalistInnen einfach gerne, wenn sie mit so einer Biographie konfrontiert sind: Ja wo sind sie eigentlich zuhause, wo fühlen sie sich zuhause und wo gehören sie hin? Welche Adresse darf ich eintragen, so mehr oder weniger. Und dann stockt sie ein wenig und sagt: „Ich hab mich das selbst auch schon gefragt, denn ich glaube, Menschen brauchen eine Wurzel, brauchen eine Heimat. Meine Schwestern haben eine gefunden in den USA. Ich bin drauf gekommen: Ich finde keine Heimat. Ich habe keine Heimat und bin an dieser Stelle sozusagen über die Landstriche verteilt.“ Hilfreich fragt die Journalistin dann: „Aber sie haben doch mehrfach gesagt, dass sie gern in Wien sind und dass sie sin Wien jahrzehntelang gelebt haben?“ Und daraufhin sagt sie, und das kann ich ihnen jetzt eben nur mitteilen, das müsste man hören. Auf jeden Fall sagt sie: „Hören sie mich sprechen?“ Eine Jüdin aus Ostpreußen, in Wien verankert seit fünfundzwanzig Jahren. Das hat mich getroffen. Also wenn ich mit Roland Barthes das kommentieren sollte, dann ist das so ein Punktum. Manche von ihnen wissen vielleicht, dass Roland Barhes eine Fotografietheorie entwickelt hat, in der es um ein Studium und Punktum geht. Ich habe ihnen jetzt vorgeführt, was Studium und Punktum ist. Studium ist die Kenntnis, die sie haben müssen: was ich ihnen gerade erzählt hab, wer die Hilde Zadek ist und wo es darum geht. Und das Punktum ist dieses kleine Moment, das praktisch ausdehnungslose Moment, das sie ins Herz trifft unter Anführungszeichen, wenn sie sich mit der Sache beschäftigen, dass eine Frau mit einem deutlich ostnorddeutschen Akzent, mit einee unglaublich eindrucksvollen Stimme, sagt: „Hören sie mich sprechen?“ und damit sagt, sie kann nie Wienerin werden. Es ist unmöglich. Mit der Stimme kann man nicht Wienerin werden. Das ist halt die Frage. Es ist die Frage, ob das stimmt. Und daher hab ich nun diese Geschichte herbeigezogen, die zwischen Roland Barthes und Derrida zur Debatte stehen würde. Denn es gibt auf diese Aussage 2 Intuitionen, und diese beiden Intuitionen möchte ich ganz einfach einmal ansprechen und kann ihnen auch wenig als Intuition erst einmal entgegenstellen. Es sind beides Intuitionen. Das eine ist, dass meine Erfahrung mir sagt, ich weiß wies ihnen mit ihrer Erfahrung geht, ob sie komplett farbenblind sind, aber meine Erfahrung ist, dass man im Bruchteil einer Sekunde, wenn eine Person spricht weiß, wo sie in etwa einzuordnen ist, also das weiß man nicht, aber man weiß genau, ob sie in Wien aufgewachsen ist, wenn man den Akzent hört. Ich übergehe die Sonderfälle, wenn eine Person so lange in Wien ist, das so gut gelernt hat, da gibt’s natürlich Täuschungen, aber es ist einfach auf eine Genauigkeit in hohem Grade festzustellen, wo eine Person sprechen gelernt hat. Das ist in Zusammenhang mit zum Beispiel dunkelhäutigen Fußballstars eine interessante Geschichte, oder nicht nur dunkelhäutigen, die können auch aus… nein, die können eben nicht aus Jugoslawien sein. Die Fußballstars, die aus Jugoslawien kommen, können auch deutsch zum Teil, aber man weiß, dass die aus Jugoslawien kommen. Aber es gibt dunkelhäutige Fußballstars, wenn sie nicht im Fernsehen da zuschauen, wer gerade interviewt wird, wissen sie genau, der kommt aus Meidling oder sonstwo, und dann schauen sie hin und es ist ein Schwarzer. Aber der fällt sozusagen an dieser Stelle in diesen Ursprungmythos. Die Intuition, die ich ansprechen wollte ist, also, da kann man sich wehren dagegen, da kann man sich nicht wehren dagegen, das hat eine Vertrautheit, diese Art von Stimme hat eine Vertrautheit, die sich abgrenzt von allen anderen Vertrautheiten. Und das ist eine Intuition, die die Hilde Zadek auch ansprechen wollte, die gesagt hat: „Wissen sie, ich kann mich hier noch so wohl fühlen: Sobald ich den Mund aufmache, ist den Leuten klar: Meine Geschichte ist nicht ihre Geschichte. Meine Heimat ist nicht ihre Heimat.“ Das ist ganz klar, in einer Weise ist das klar. Und der Grund dafür, wenn mans jetzt also weniger romantisch, sondern so ein bißchen materialistisch betrachtet, ist der Grund dafür ja leicht gesagt, nämlich: es ist eine Form von Körpertraining, nicht? Es ist eine… es hängt damit zusammen, dass, anders als in der Schrift, mit der Handschrift ist es wieder anders, die Handschrift hat etwas körperliches, weil sie entsteht aus der Körperbewegung des wirklichen Schreibens, aber in einer Form von Schrift, wie wir sie heute in aller Regel machen, im alphabetischen System, wird diese Form von Körperlichkeit, wird einfach rausabstrahiert. Und im Essay, also wenn sie dann eine Prüfung schreiben und mir Zettel abgeben, dann ist es mir völlig unmöglich, aus den schriftlichen Mitteilungen, die sie da machen, herauszubringen, ob sie aus Vorarlberg, Baden-Württemberg, Kärnten oder Wien sind, das geht nicht. Anders, wenn ich mit ihnen rede. Also diese Art von Körpernähe, die in einem gewissen Sinn sogar näher an den Körper rangeht als die Hautfarbe, das ist ja das interessante, da haben wir quasi den Hör- und den Sehsinn wieder mal beide in Operation, diese Art von Körpernähe, Geschichtsverbundenheit mit einer Lebensgeschichte einer Person, ist das, was einen dazu bringen kann, zu sagen: hier gibt es ein besonderes Nahverhältnis zwischen dem, was eine Person ist, und dem, was eine Person zu sagen hat - interessanterweise nicht zu schreiben hat – die eben einen starken Trend auf Herkunft, Ursprung, Einheit, Ganzheit und sowas ähnliches hat. Die Position dagegen kann nicht ausbleiben, und die Gegenposition wäre, das sagt die Hilde Zadek nicht, aber dafür haben es im Laufe der letzten 20, 30 Jahre getan, haben geantwortet: „Also, dass Du keine Heimat hast, das ist eine Auszeichnung. Diese ganze Geschichte mit Ursprung, Zusammenstimmen, und ‚Ich möchte nur hören, was ich immer schon gehört habe, sonst wird ich nervös‘, und ‚Wer anders klingt, der gehört nicht hierher‘, das passt doch alles nicht mehr in unsere Erfahrungswelt, in unsere multikulturelle, internationale, globale Welt. Heimat ist, wo immer ich mich wohlfühle. Diese Frage ‚Wo gehörst Du hin?‘ ist doch eigentlich fehlplatziert.“ Und wenn man diese Betrachtungsweise in den Vordergrund stellt, ist man auf der Seite von Jacques Derrida, der diese Sache mit der Schrift, in der die Körperlichkeit irgendwie abgeblendet wird, der das stark macht, und der sich unter anderem auch gegen diese Art von Ganzheitsfantasien, die mit der Stimme verbunden sind, stellt, und sagt: „Wir sind heutzutage nicht sentimental auf diese Form von Wurzel hin bezogen“, sondern, ums mal bei Derrida ein bißchen fortzuschreiben: Wo Du hingehst, wo Deine Heimat ist, das hängt ganz einfach daran, welche Staatsbürgerschaft Du hast, und eine Staatsbürgerschaft ist allemal ein Schriftstück. Die Beantwortung der Frage „Wo ist Deine Heimat‘“ muss gehen über die Einordnung in Zusammenhänge, die transpersonal sind, und die jenseits dieser engen, sentimentalistischen Zuordnung stattfinden, und die Philosophie, die er vertritt ist darum eine, die die Wirksamkeit der Schriftlichkeit, der Dokumente, dessen, was in der Schrift stattfindet, die die Differenziertheit auch, die Differenzierungen, die durch die Schriftkultur möglich sind, in den Vordergrund stellt gegenüber diese andere Bewegung. Und nun ist die Frage, die ich mithilfe der beiden Personen ansprechen möchte, oder ihnen sozusagen vorlegen möchte: Wie geht man jetzt damit um? Aus welchem philosophiegtheoretischen Kontext erklärt sich das, was der Derrida macht, und aus welchem philosophietheoretischen Kontext oder zeichentheoretischen Kontext erklärt sich das, was der Roland Barthes macht, und wie soll man damit umgehen? Wollen sie dazu was bemerken?

Wenn nicht, dann mach ich dort weiter, wo das letzte Mal schon angefangen worden ist. Nämlich mit den Beobachtungen darüber, dass Derrida seine Kritik der Position der Stimme festmacht an einer Auslegung von Edmund Husserl, der in seiner Phänomenologie Positionen vertreten hat, auf die wir jetzt gleich noch näher eingehen, und die Kritik, die Derrida an Husserl adressiert, hat jetzt von Derrida selber her gesehen einen Hintergrund, warum ihn eine Sache beim Husserl ganz besonders interessiert. Das ist für Derrida gesprochen der Heideggersche Hintergrund, die Seinsgeschichte, und insbesondere die Kritik dessen, was in der sogenannten Seinsgeschichte in den letzten zweieinhalbtausend Jahren laut Heidegger passiert sein soll; und Derrida verwendet Husserl als ein schönes Exempel, um seinsgeschichtliche Kritik à la Heidegger zu exemplifizieren und seine eigenen Anknüpfungspunkte dabei zu gewinnen und weiterzuentwickeln. Die Heideggersche Kritik an der Seinsgeschichte, die bring ich ihnen jetzt also wirklich nur in einer ganz kleinen Nussschale, die etwas zu tun hat nebenbei mit Elektronik und mit Technik, allerdings in einem hoch oppositionellen und kontroversen Sinn. Heideggers großes Einstiegswerk in die Philosophie, das „Sein und Zeit“ heißt, geht darauf hin, daß es in der abendländischen Philosophiegeschichte immer wieder wichtig und notwendig ist, Dinge in der Gegenwart bereitzustellen. „Hic et nunc“, jetzt eine Sache herzustellen. Sein erster Punkt, an dem er das in „Sein und Zeit“ macht, ist der Aussagesatz. Der Aussagesatz, der für die Wissenschaft notwendig ist als eine Behauptung, die aufgestellt wird und die verifiziert oder belegt werden kann, Aussagesätze, auf die sich das inhaltliche Arbeiten der Wissenschaften bezieht. Wenn sie das sozusagen aktuell haben wollen, Datenbanken, Bestände von Informationen, die sinnvoll verbunden werden, das sind die Dinge, mit denen Heidegger sozusagen zunächst einmal beginnt. Und zwar beginnt er so, daß er sagt: „Damit können wir nicht anfangen, damit sollen wir nicht anfangen, mit diesen aus dem Zeitzusammenhang herausgerissenen Festlegungen von Sinnbestandteilen, die wir sozusagen katalogisieren können, mit denen wir dann weiter irgendetwas tun können.“ Diese Art von Sein, das Sein von Aussagesätzen, das Sein der Gegenwärtigkeit von etwas, das mir hier vorliegt, muss unterfangen werden. In Sein und Zeit ist das das Konstrukt des Menschen, der niemals einfach immer nur in der Gegenwart lebt, sondern der von wo her kommt und wo hin will. Das heisst: die Gegenwart, und was in der Gegenwart passiert, ist für Heidegger eine Mittelstation, eine Relaisstation, angesichts dessen, das wir immer nur in die Gegenwart kommen durch eine Geschichte, und in der Gegenwart immer nur weiterkommen, weil wir eine Zukunft haben. Der Mensch ist also vergangen, gegenwärtig, zukünftig, und die Gegenwart muss aufgelöst und eingebettet werden in solche Zusammenhänge, und diese Zusammenhänge sind notgedrungen nicht theoretisch, im Sinn von wissenschaftlichen Aussagesätzen, sondern sind wesentlich praktisch, pragmatisch. Ich kann als Ausgangsposition laut Heidegger nicht den Aussagesatz nehmen, sondern etwas praktisches wie den Gebrauch von Handwerk, den Umgang durchaus auch mit Maschinen, den ich gelernt habe, den ich jemandem abgeschaut habe und mit dem ich einen Zweck verfolge. Es ist eine gewisse Ironie der Philosophiegeschichte, dass diese zeitliche Verflüsssigung der Gegenwart, die Heidegger an dieser Stelle sehr dramatisch und radikal durchführt in weiterer Folge, dass er die von der Auslösung her, vom Motiv her, von seinem Lehrer Edmund Husserl hat. Husserl, der vor Heidegger phänomenologische Untersuchungen angestellt hat, die in Zusammenhang mit menschlichen Erfahrungsabläufen, zum Beispiel interessanterweise Melodie, Husserl macht darauf aufmerksam, dass wir überhaupt nicht verstehen können, was es ist eine Melodie zu hören, wenn wir das betrachten als lauter Momentaufnahmen. Ich zeig ihnen das zwischendrin schnell, weil es ganz gut passt zu dem Thema. Das sind Cuts, Stills, aus einem Film von Peter Kubelka, nennt sich „Arnulf Rainer“. Das ist ein Ausschnitt aus den tausenden Frames, die da zerlegt sind. Sie sehen, das wird niemals ein Film, das sind aneinandergereihte Frames. Und wenn das ein Film wird, sie könnens ausprobieren, unten hab ich den Film von youtube zur Verfügung gestellt; bei dem Film funktionierts gerade nicht besonders gut, weil sie sich da nichts merken können. Weil der Film, das ist ein schönes Beispiel übrigens, ist konstruiert, und zwar schriftlich kalkuliert. Da gibt’s eine Kalkül, sie könnens abzählen. Ich kann ihnen den Kalkül sagen, wie viele Schwarz- und Weißframes aufeinanderwirken. Die VO, die ich über Kurt Kren gemacht hab, geht dann nochmal näher darauf ein: der hat seine Filme, wie man sagt, am Reißbrett konstruiert. Es ist ein typischer Fall von Schriftlichkeit, und diese Form von Schriftlichkeit ist in der gewöhnlichen Rezeption und Sinnlichkeit nicht wirklich nachzuvollziehen, in dem Sinn nicht, deswegen komm ich jetzt drauf, dass es etwas gibt, von dem Husserl gesprochen hat, nämlich einen Rückgriff in die Vorgeschichte dieses Zeitablaufes, die es einem ermöglicht, zu verstehen, was jetzt in einem speziellen Frame passiert. Das alles hab ich jetzt deswegen gesagt, weil ich sagen wollte: sie sehen eine Ironie der Philosophiegeschichte, dass Heidegger die Unternehmung der Verzeitlichung des Seins angestossen von Husserl radikalisiert hat. Bei Heidegger wird aus dieser Beobachtung, eben der in der Zeit zu betrachtenden Abwickelns von Geschehens, ohne Privilegierung der Gegenwart, wird eine philosophiegeschichtliche Totalkonzeption davon, dass es in der frühen griechischen Urzeit ein geheimnisvoll wirkendes, unverfügbares Moment der Weltgenese Sein gegeben hat, das anwesend-abwesend gewirkt hat, das sich gezeigt hat und aber unverfügbar war in diesem Sichzeigen. Da gibt es also Kategorien wie Verfügbarkeit, Unverfügbarkeit, Verbergung, und dass diese Art von Zeigen und Sich-Entziehen im Rahmen der Philosophiegeschichte sich gewandelt hat mit Platon, sagt Heidegger, hin zu einer Verfügbarkeit dessen, was ist, mit Akzent auf der Gegenwart, bis dorthin, wo wir heute die Technik haben. Also Technik ist bei Heidegger die letzte, unhintergehbare Stufe der Verfügbarkeit der Welt und der Umgebung vor dem Diktat der Gegenwart. Verfügbarkeit ist eben immer: „Ich weiß, was ich habe. Ich will es wissen, ich will es besitzen, ich lasse mich nicht darauf ein, dass ich es vielleicht nicht haben könnte.“ Warum erzähl ich ihnen das alles? Weil Heidegger auf der einen Seite von Husserl durchaus dieses Moment der Verzeitlichung übernimmt, weil aber andererseits bei Husserl auch andere Moment da sind, die Derrida zum Anlass nimmt, darauf zu fokussieren im Hinblick auf Heideggers Antipräsentismus, und bei Husserl stark zu machen, dass es da eine Gegenwärtigkeit gibt, die in Wirklichkeit dem Verdikt des Präsentismus und der Philosophiegeschichte, die in die Technik hineinführt, unterliegt. Das heisst, Derrida kritisiert ein Element, auf das er durch die Heideggersche Überlegung hingewiesen wird und macht aus dieser Kritik in großem Stil eine Kritik der gesamten Philosophiegeschichte, und nennt die jetzt nicht Seinsgeschichte, sondern Logozentrismus. Und das wars schon, was ich für den allgemeinen Rahmen sagen wollte.


Ich sag ihnen jetzt ein bißchen was über die Aussagen von Derrida über diese Gegenwärtigkeit bei Husserl, weil die nämlich ziemlich direkt mit dem zusammenhängen, was wir über Stimme gesagt haben, was ich jetzt hier gerade über Stimme und Wurzel gesagt habe, und was wir bei Walter Onk schon ausführlich besprochen haben. Nämlich diese Tatsache, dass Stimme eine Synthese zwischen Körper, „Per Sonare“, wovon Person kommt, das ist das tönende, sprechende Individuum auf der griechischen Bühne, das sich kundgibt als Schauspieler, als jemand in einem sozialen kulturellen Zusammenhang, also Persönlichkeit, Geschichte, Kulturalität, das kommt hier auf eine Art und Weise zusammen. Wenn sie jetzt noch die Schriftkritk von Platon dazunehmen, wo es darum geht, dass man eine lebendige Aufsicht braucht über die Schrift; wenn man sozusagen keine Gouvernante dabei hat, bei der Schrift, die sich da drum kümmert, dass es nicht falsch verstanden wird, dann verliert man den Sinn. Wenn man all das zusammennimmt, ist deutlich, warum man auf die Idee kommen kann, dass die Lebendigkeit in der vollzogenen Rede etwas präsentisches, gegenwärtiges hat, was, einen, wenn man beeindruckt ist von der Heideggerschen Kritik, skeptisch werden lässt, dass man sagt: „Nein, das kann nicht sein.“, das ist das Motiv, wo man der Hilde Zadek widersprechen möchte und ihr sagen möchte „Du brauchst Dir keine Sorgen machen, nur weil Du nicht so sprichst wie die Leute hier, gehörst Du trotzdem zu uns.“ Dieses Moment wird unter einer heideggerianischen Perspektive kritisierbar, und ich würde in einer Weise akzeptieren, dass es kritisierbar ist und mich darauf einlassen. Nicht aber, ohne darauf hinzuweisen, dass wenn ich diese Heimeligkeit, wenn sie so wollen, kritisiere, dass ich dabei auch Erfahrungen und Motive verliere oder distanziere, die ich in einem anderen Zusammenhang vielleicht noch brauchen werde. Also wenn dann, um es im Hinblick auf meine Gegenüberstellung zu sagen, wenn dann Roland Barthes kommt und sagt: „Hast Du Dir schon mal überlegt, was passiert, wenn der Dietrich Fischer-Dieskau Schubert singt? Wenn der Chor bulgarischer Frauenstimmen bulgarische Lieder singt?“ Dann begebe ich mich, dann verliere ich den Einstieg in die Verfolgung der Frage, was da passiert, wenn ich diese Besonderheit, die eben genannte Besonderheit der Stimme, beiseite lasse. Soweit zu dieser Gegenüberstellung. Der wichtige Punkt ist aber der, und das ist etwas, was ich quasi anbieten kann für Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts, ohne dass sie jetzt Medienphilosophie direkt in den Vordergrund stellen müssen, ist, dass Derrida seine Husserl-Kritik nicht daran anschliesst, an diese einfachen Phänomene, sondern an eine Idealisierung der Stimme, an einer Betrachtungsweise, die explizit und nachdrücklich von Husserl eingeführt wird. Da gibts sozusagen keine Debatte darüber. Und das ist eine transzendental-phänomenologische Betrachtungsweise, um das jetzt mal in einem kurzen Stichwort zu sagen, die darin besteht, dass man sagt: „Mich interessieren nicht die einzelnen Akte des Redens und die einzelnen körperlichen Vollzüge, sondern was es möglich macht in der Kommunikation zwischen Menschen, sich zu verständigen auf bestimmte Bedeutungen und auf, wie Husserl sagen würde, das Wesen und das Ausschlaggebende dessen, worüber man redet“. Phänomenologie ist dadurch gekennzeichnet, ab Beginn des 20. Jhdts, das ist die Einstiegsintuition von Husserl, dass er sagt: wir haben seit Hegel und dem Idealismus viele methodologische Reflexionen darüber gehabt, einfach philosophiegeschichtlich, mit welchen Methoden man erkennen kann, was die Bedingungen des menschlichen Subjektes sind, um aus der Vielfalt von Impulsen aus der Welt eine Welt zu konstruieren, die eine Wissenschaftswelt sein kann. Also es geht immer um solche Fragen: Wie stell ich mir den Erkenntnisapparat vor, mit dem wir die Welt zur Kenntnis nehmen? Phänomenologie ist, statt dass man auf diesen schwierigen Prozess der Untersuchung des Erkenntnisapparats zurückgreift, ein Weg, wie Husserl sagt, „zu den Sachen selbst“. Wir schauen uns an: was ist das, wovon wir sprechen? Wir sprechen von einem Ton, einer Person, einem Event, einem Gegenstand. Wie ist es möglich, das wir uns über einen Sessel verständigen? Husserls Antwort geht in die Richtung, und das ist eine traditionelle Sicht: Es gibt etwas, es gibt eine Schau des Sessels, es gibt eine intellektuelle Schau, in der wir uns dessen vergewissern können, was ein Sessel ist. Es gibt entsprechend auch eine Bedeutung des Wortes „Sessel“, welche als Standard diese Art von Wesensgegebnheit des Sessels hat. Jeder, der weiß, worum es sich handelt, wenn er von „Sessel“ redet, hat eine Einsicht in diese Zusammenhänge, die man definieren kann, die aber nicht nur Definitionsfrage ist, sondern eine inhaltliche, intuitive Einsicht. Ich geh quasi in Kreisen um das Wort herum, das sich an dieser Stelle (nicht zu Unrecht) aufdrängt. Das hat etwas mit Wesensschau, mit Platonismus zu tun, was sich bei Husserl aufdrängt. Nämlich des Fixierens der Sesselheit des Sessels, einer Basisbestimmtheit, die man im eigenen, und Husserl operiert da durchaus auch mit subjektiven Intuitionen… es gibt dieses Sesselbild oder andere solcher Bilder. Diese Intuitionen vollzieht man, indem man sagt: „ich habe eine Vorstellung vom Sessel, ich weiß, was ein Sessel ist, und dann schau ich auf dieses eine Ding da, und stelle fest, ja, das ist ein Beispiel für diese Vorstellung.“ Das ist eine Zugangsweise, die bei Husserl vorhanden ist und die man einfach platonisch nennen kann. Derrida beginnt in seiner Husserl-Exegese und Kritik auch damit, dass er sagt: „Husserl hat sich zwar sehr gegen einen Platonismus gewehrt, gegen eine ‚entartete Metaphysik‘, aber die echte Metaphysik, die darin besteht, dass man sich auf solche Wesenheiten konzentriert, und dass die einem in der inneren Wahrnehmung gegeben sind, diesen echten Platonismus, den vollzieht er geradezu.“ Und was passiert da? Das innere, intuitive Verhältnis zu diesem Sesselbild, dem Eidos des Sessels sozusagen, ist ein Verhältnis zu einer Idee im Sinn der nicht in der Zeit verwandelbaren Idee, sondern durchaus als eine in der Einmaligkeit, Erstmaligkeit und überhaupt Gegebenheit, eine Präsentheit. Präsent heisst ja immer, dass man einerseits sagen kann: Gegenwart ist eine Stufe in der Zeitabfolge, Gegenwärtigkeit ist aber auch etwas, das außerhalb der Zeit ist, also „sub specie aeternitate“, die Gegenwart von Ewigkeit, was immer so ist, so gewesen ist, was sein wird. Diese Art von Gegenwärtigkeit, das Sich-Vergewissern, an das Husserl in der phänomenologischen Intuition appelliert: „Du weißt, was ein Ton ist, Du weißt, was eine Sessel ist. Wir wissen alle, wenn wir auf diese Weise zurückgreifen, wenn wir das sauber präparieren, wenn wir die Störfaktoren rausrechnen quasi, dann wirst Du mir doch nicht widersprechen, dass Du weißt, was ein Sessel ist, und Du weißt, was das Ende der Stunde ist, was eine Uhr ist, was ein Baum ist.“ Das nun ist für Husserl ein Thema, das über die Normalerfahrung von Menschen mit ihren Sinnesorganen hinausgeht, das auf erkenntinstheoretisch/metaphysisch/prinzipiell darüber redet: Unter welchen Bedingungen können wir, mit Hilfe unserer Sinnesorgane miteinander über Bedeutungen reden? Und all die Dinge, die ich erzählt habe über die Idee, die zugänglich ist abgesehen von den einzelnen Instanzierungen der Idee, alle diese schönen Dinge kann man nun in der Stimme wiederfinden. So wie ich es beschrieben habe, nämlich in der Stimme als einem Phänomen, das anders als die Division der Sehsinne etwas Inneres hat, das haben wir bei Walter Ong auch diskutiert, das Stimme eine unsegmentierte, präsentische Art und Weise hat, und dass wenn ich spreche dieses Sprechen zusammen mit Leben, zusammen mit Sinn in einer Gegenwart aktualisiert wird. Und diese gesammelte Beobachtung, jetzt „hinaufgekickt“ zu einer Metaphysik und Phänomenologie als Ermöglichung dessen, das wir miteinander reden können, weil wir alle diese Selbstgegebenheit im Hinblick auf Formen wie Tisch Sessel usw. haben, das ist die husserlianisch-zugespitzte Art und Weise, mit den Beobachtungen über Stimme, mit denen wir uns hier beschäftigen, so umzugehen, dass man daraus ein Philosophieprinzip macht. Das ist die Darstellung, die Derrida dem Problem der Stimme bei Husserl gibt. Ich hab sozusagen jetzt in der freien Rede formuliert, was sie in dem Text durch meinen Vortrag vielleicht leichter wiederfinden. Ich habe sozusagen als Gouvernante des Textes fungiert. Ich wechsel jetzt vielleicht einmal und gehe.. der eine kleine Punkt, wenn sie den Text lesen, ist der: diese Sternchen sind im deutschen Original mit drinnen und sind Indikatoren dafür, dass Derrida an der Stelle im französischen Text die deutschen Ausdrücke verwendet, von Husserl.


Ich werde einen kurzen Sprung dahin machen und über das Zeichen und den Tod reden, das ist vielleicht da ein guter Hinweis. Also diese auch programmatische Redeweise vom Zeichen und vom Tod von Derrida ist zu verstehen als Gegenbewegung gegen diese Lebendigkeit der Stimme, gegen das höchstlebendige Verbinden von Atem und Artikulation und sinnhafter Artikulation. Ich erinnere sie nochmal da dran, diese Form, dass die Luftzirkulation, die Menschen brauchen, um leben zu können, als Bedingung des Lebens von Menschen, wird diese Luftzirkulation durch den Körper zugleich als Mittel genommen, um sich mit anderen Menschen zu verständigen. Also, es ist auch so, dass wir, wenn wir Handschrift verwenden wie schon gesagt körperliche Elemente haben, die da mit rein gehen. Aber so eng, also sie können sozusagen sprechen auch wenn sie gelähmte Hände haben oder sowas ähnliches. Die Atemorgane können nicht gelähmt sein, und sozusagen dennoch für Signifikation verantwortlich sein. Diese Form höchster Lebendigkeit à la Husserl wird nun von Derrida, und das ist seine bestimmende und auch irgendwie verführerische Strategie in „Die Stimme und das Phänomen“, in dem er das folgende sagt: „Alle die Theorien, die typischerweise auf so etwas aufbauen wie die ständig mögliche identische Wiederholung von einem Pattern“, Pattern sagt er nicht, das sage ich im Zusammenhang mit objekt-orientierter Programmierung, „alle Theorien, die davon ausgehen, dass wir fixierte, immer gegenwärtige Formen haben, diese Formen, eine Referenz auf das Sesselbild, das keine reales Bild ist, sondern eine Vorstellung des Sessels, alle diese Theorien, die so daherkommen, als könnte man das immer wieder neu abrufen, das steht sozusagen immer zur Verfügung, und wenn ich mir denk: ‚Ich mach jetzt einen Sessel‘, dann beziehe ich mich auf diese Idee und bastle dann meinen Sessel, vielleicht mit einem neuen Sessel, aber weil ich das da abrufe, hol ich mir von dort als einem Garanten immer wieder den Sessel, und wenn mir jemand sagt: ‚Du, das ist aber gar kein Sessel, was Du gemacht hast‘, dann appelliere ich an die gemeinsame Intuition dessen, was ein Sessel ist. ‚Siehst Du nicht‘, und alle anderen sehen es auch, ‚das ist ein Sessel‘. Alle diese Theorien, die so aufgebaut sind, verletzen einen wichtigen Zusammenhang, und dieser betrifft das Verhältnis von Identität und Wiederholung.“ Und Identität ist an dieser Stelle ein Terminus für Gegenwärtigkeit, für das Dasein, für diese Besonderheit, und Wiederholung ist das Repetitive, das Instantiierte. Ich komme kurz zu meiner angekündigten Klammerbemerkung. Die objekt-orientierte Programmierung, weil manche vielleicht die Sachen auch verfolgt haben, die ich vergangenes Jahr gemacht habe, die OOP, eine Form, Software zu erzeugen, die nach einem bestimmten Modell oder Muster vorgeht, und dieses Modell besteht darin, dass wir sagen, wir haben Vorbilder, Klassen, Patterns, Schemata, und ein solches Schema definieren wir zum Beispiel, wir definieren was ein Auto oder ein Sessel ist, und schreiben eine informatische Beschreibung in einer Computersprache, worin sich dieses Pattern auswirkt, und jedes Mal, wenn wir ein „Extra-Auto“ haben, dann ist das nichts anderes als die Umsetzung von diesem Design-Prinzip. Es gibt sozusagen ein Design-Prinzip, das wird umgesetzt und führt zu vielen Objekten nach dem Muster dieses Prinzips. Und man ist, vereinfacht gesagt, so ein bißchen geneigt, sich in der platonisch-husserlianischen Tradition, die Einzeldinge vorzustellen, alle als Exemplifikationen eines solchen Design-Prinzips. Darauf sagt Derrida: „Hier wird, bei Husserl, die Identität dieser Form gewährleistet in dem die Selbstaffektion, also die Einheit der Stimme, und er spricht da extra von der Selbstaffektion, in der Produktion der Stimme basiert und gegründet wird.“ Also die Selbstaffektion ist, das ich etwas hervorbringe, was mich in dieser Hervorbringung gleichzeitig trifft, und ich bin derjenige der, im selben Moment der Produzent und der Rezipient der Stimme ist. Das passt, das gehört sozusagen alles mit rein in ein kompaktes Knödel, das ist kein Fachausdruck jetzt hier. Es gibt einen kompakten Spot, einen präsentischen Spot. Ich rede und ich bin es, der sich reden hört. Und da sagt Derrida: „Da fehlt was.“ Wenn ich das so verwende wie Husserl, als zentralen Orientierungspunkt, da fehlt etwas, und in der Sprache kommt das schon zum Ausdruck, dass zwischen Produzent und Rezipient ein Unterschied ist. Selbstaffektion ist nicht einfach „Ich steh da“, es gibt nen Unterschied zwischen mir, ich kann einen Unterschied machen, zwischen mir, der was hervorbringt und mir, der das gleichzeitig wieder rezipiert. Das ist eine analytische Differenz, die da drin ist, und in der Selbstaffektion, die eine Spätfolge des Selbstbewusstseins ist, was der deutsche Idealismus immer wieder versucht hat, zu konstruieren, in dieser Idee der Selbstaffektion, die, um sie zu beschreiben, zerlegt werden muss in diese zwei Bestandteile, fliesst das aber zusammen. Wie das funktioniert ist: Ich muss ihnen mit diesen unterschiedlichen Kategorien das Feld in einer Weise eröffnen, um ihnen dann zu sagen „Plop!“, das fällt zusammen in diese Singularität, in diesen Spot. Und auf diesen Spot berufe ich mich dann, das ist meine unerschütterliche Einsicht darin: Ich rede und ich bin gleichzeitig. Die Kritik von Derrida daran ist nun zu sagen: „Ich muss das auseinanderfalten können:“ Diese Tätigkeit der Distinktion der Differenz zwischen dem, was ich produziere und dem was ich rezipiere, diese Differenz steht eigentlich am Anfang, die muss vorausgesetzt werden dieser spothaften, gebündelten Geschlossenheit. Denn sonst verstehe ich überhaupt nicht, was diese gebündelte Geschlossenheit ist, in der Terminologie von Derrida, die Identität, die darin statuiert wird, dass das zusammenfällt, braucht für ihre Genese das Auseinandergedriftetsein und dieses krieg ich nicht, das ist die Pointe von Derrida, nicht in der Stimme, denn die Stimme trägt schon all diese Assoziationen der Ganzheitlichkeit, sondern die kommen durch das Zeichen. Die kommen dadurch, dass, um legitim sagen zu können „Ich sage etwas sinnvolles“, reicht es nicht, akustisch etwas zu produzieren, sondern ich muss eine gewisse Systematik ansetzen, ich muss artikulieren. Diese Artikulation muss, wenn es eine Kommunikation sein soll, orientiert sein an der Gemeinschaft der Personen, von der ich ein Teil bin. Und all das enthält Wiederholung, enthält Zeichen, Wiedererkennbarkeit und dieses Thema der Wiedererkennbarkeit ist, eine Position einnehmen in einem Differenzierungssystem, da ist Derrida quasi Saussure-orientiert, und das klassische Beispiel für das, was hier im Hinblick auf Sprache in den Sinn kommt, ist artikulierte Sprache im Sinne alphanumerischer Sprache, von Schriftlichkeit, Zeichenhaftigkeit. Es gibt auch klarerweise die Phonologie, die die Unterscheidung auf der Ebene der Akustik ansetzt, aber das, was wirklich evident ist, ist die Zeichenhaftigkeit. Jedes Zeichen ist abhängig davon, dass es Wiederholung geben kann, es gibt kein (Sprach-)Zeichen, das einmal und nur einmal verwendet werden kann. Sprachzeichen sind immer dadurch gekennzeichnet, dass man sie zurückbeziehen kann auf anderes Vorkommen von eben diesen Zeichen, und diese konstitutive Wiederholbarkeit steckt im Hintergrund hinter diesem Einheitspunkt, der die Stimme ist, sofern Stimme etwas ist, in dem ein sinntragendes/-verwandtes/-vertrautes Wesen sich äußert, und darum ist die Differenz des Zeichensystems und nicht die Einheit des Stimmvollzugs das, wonach wir uns orientieren müssen. Und die propagandistische, um jetzt nochmal zur Schlagzeile zu kommen, das geniale Logo dieser Idee, das Derrida an der Stelle erfunden hat und als Marke in diesem Zusammenhang einführt, ist eben der Terminus „différance“, différance der, wenn sie präderridaresk denken und dieses Wort sehen, da tendieren sie dazu, wenn sie ein bißchen mitarbeiten im Wiki, gleich hinzuschreiben „typo“, da hat sich jemand vertippt, différence schreibt man auf französisch mit e; also was Derrida macht, ist das folgende: Er nimmt das französische „différence“ und arbeitet damit, dass man ausgehen möchte davon, dass es eine 1:1 Entsprechung gibt zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, und „différence“ schreibt man eben mit e, und damit gibt es einen schönen Ausgleich zwischen Sprache und Schrift, und diesem Ausgleich wirft er so einen schönen Prügel vor die Füße, in dem er sagt: „Jetzt tausch ich den Vokal aus, mach aus dem e ein a, und hörst Du den Unterschied? Ich hör keinen Unterschied:“ Weil man différance nach französischen Ausspracheregeln genauso ausspricht wie différence, ich sags jetzt absichtlich paradox. Das heißt, es ist möglich, das ist die Pointe, auf eine genialere Weise als das, was der Walter Ong gesagt hat, dass man in der Schrift selbstverständlich Unterscheidungen machen kann, die man im gesprochenen Wort nicht machen kann. In dem Moment, wo man in die Schrift reingekommen ist, hat man einen ermesslichen Reichtum an Zusatzdistinktionen, und ein kleines Beispiel, das aber Signalwirkung erhält, ist dieser Vokalwechsel hier, der jetzt von Derrida ausgebeutet wird, wenn sie so wollen. Ich hab ihnen die Literatur zur différance jetzt hier nicht hingeschrieben, das finden sie an vielen, vielen Stellen selber, da gibt’s wirklich Massen von Literatur darüber. Eine kleine Bemerkung zum deutschen darauf: Man kann den Effekt im deutschen reproduzieren, in dem man Differenz mit e und ä schreibt. Das ist einfach der selbe Effekt.

Dieses kleine zur Signalwirkung gewordene Wechselspiel der Vokale wird von Derrida dazu ausgenützt, in einer zu 95 % auf Heidegger aufruhenden Geste, zu sagen: In dieser Entdeckung, dass der Tod und die Zeit hinter der Identität steckt, Identität als Gegenwart, und Zeitlichkeit und Tödlichkeit als eine Dimension hinter der Identität, die ich erschliesse dadurch, dass ich mich der Schrift widme und nicht der Stimme, findet sich ein Faktor, der der abendländischen Philosophie abgeht, nämlich der Faktor der Unverfügbarkeit einer Wirkmacht hinter der Verfügbarkeit, hinter der verfügbaren Anwesenheit. Das ist etwas, was Heidegger die ontologische Differenz nennt, eine besondere Art von Unterschied: Seiendes ist, was in der Welt begegnet, Gegenstände, alles mögliche, die Metaphysik denkt das Seiende, und dann denkt die Metaphysik nach Heideggerscher Terminologie die Seiendheit des Seienden, also das, was dahintersteckt, dass es das gibt, was es gibt. Heidegger denkt das Sein des Seienden, und das ist nicht einfach das, was dahintersteckt, dass es etwas gibt, sondern da, was es möglich macht, dass das Seiende in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich gibt und sich wieder entzieht. Und das Sein Heideggers ist in Differenz zum Seienden, die ontologische Differenz ist die Differenz zwischen dem Sein und dem, was das Seiende als Verfügbarkeit ergibt, und in dieser ontologische Differenz muss man sich einlassen, damit man zum Beispiel auch die Technik richtig versteht, damit man auch der Technik standhalten kann. Also das Antworten auf die Technik, ich sag ihnen das als Randbemerkung, damit sie sehen, also es hat größte Auswirkungen gehabt in der Technikphilosophie, und auch jetzt, wenn sie Fukushima sehen: In dem Filmseminar, das ich schon ein-, zweimal erwähnt hab, haben wir ein Interview gehabt mit Arno Böhler, der auch ziemlich in diese Richtung geht: Die Beschwerde der modernen Technik besteht darin, dass wir das Sein beherrschen und verwalten wollen, glauben, das tun zu können und nicht sehen, dass das das Ergebnis aus einer Seinsgeschichte ist, die uns verblendet, die Technik als letzte Möglichkeit erscheinen lässt, statt dass wir uns darauf einlassen, wo denn Seiendes herkommt im Sinne der Nichtverfügbarkeit, der Angewiesenheit des Menschen auf Natur und auf Geschichte. Ich sage ihnen das deshalb, damit sie ermessen können, wie und warum Heidegger hochaktuell ist in der Anwendung vieler Leute, die gerade im Hinblick auf Fukushima sagen: „An der Stelle sieht mans doch wieder: Wir haben geglaubt, wir beherrschen die Natur, doch die Natur zeigt sich als unbeherrschbar, und der Glaube an Risikobeherrschung, der Glaube daran, dass man das, was Natur ist, dingfest machen und verwalten kann, erweist sich als grauenvoller Irrtum. Wir müssen mit Heidegger philosophieren und nicht mit den Kräften der Technik.“ Das ist sozusagen der Hintergrund, warum ontologische Differenz unter anderem noch immer sehr hoch im Kurs steht. Und alle diese Ausführungen müssen sie jetzt im Zusammenhang sehen mit der différance, die Derrida hier hat, diese différance, wenn sie sichs in den späten Passagen von „Die Stimme und das Phänomen“ anschauen, übernimmt die Funktion des Seins als ein sinnspendendes Prinzip, das sag ich absichtlich ein bißchen flapsig, Prinzip wär natürlich wieder etwas, was so nicht genannt werden kann, was der Stimme als Herkunftsort der nicht verfügbaren Differenz vorhergeht. Mehr darüber ist glaube ich nicht nötig zu sagen. Ich wollte die eine Richtung nennen, in der in der philosophischen Fachdiskussion im Anschluss an Husserl-Heidegger-Derrida eine solche rund um die Stimme und auch Kritik der transzendentalen gelagerte Funktion der Stimme gelagerte Denkbewegung festzustellen ist. Kleine Besinnungspause. Wie fang ich das an? Also zum Einhören hab ich willkürlich 4 Lieder aus youtube mal dahingestellt, die alle das gemeinsam haben, dass wenn sie sichs anhören, sie veranlasst werden, sich Gedanken über das Verhältnis von Musik, Wort und Stimme zu machen. Das ist etwas, was Roland Barthes in einer genialen, aber auch sozusagen nur kurzen Intervention gebracht hat, über das ich jetzt reden werde. Die Lieder spiel ich nicht, aber etwas, das ich gerne spielen möchte, weil es ein Geheimtipp ist, den ich ans Herz legen möchte, und weil es auch etwas aufgreift, was ich ganz am Anfang gesagt habe über Vorlesungsrezeption und Vorlesungsstreaming. Harvey Goldberg, ein in den frühen Achtzigern gestorbener Historiker, Theoretiker, Marxist, der die längste Zeit an der University of Wisconsin gearbeitet hat, hat faszinierende Vos gehalten über Nachkriegsgeschichte. Das kleine Segment, das ich ihnen vorspielen möchte, ist ein Exzerpt aus etwas, das er über Arbeitermitbestimmung in Deutschland sagt, und bevor ich da jetzt weiter motiviere oder sowas, spiel ich ihnen jetzt einfach das kleine Ding vor:

[Harvey Goldberg]

Was sagen sie dazu?

Ich mein, diese Art von Gesang, es ist eigentlich ein agitierter Gesang in einer VO. Also jeder, der das das erste Mal hört, nehme ich an, stellt sich mal vor: „Was ist denn das?“ Der beginnt schon so aufgeregt. Wenn man die ganze VO sieht, kann man nachvollziehen, dass er sozusagen Kadenzen hat. Es ist einfach ein Sprechgesang, der hinaufgeht, hinaufgeht, hinaufgeht um dann wieder (senkt die Stimme, Anm.) runterzugehen, und eine Form von Zusammenhang zwischen dem, wann er wieder runtergeht, und dem, was er sagt. Also eine Form von sachbezogener Körpernachdrücklichkeit in dem was auf der anderen Seite eine historische Darstellung des Problems der Arbeiterselbstmitbestimmung in den deutschen Betrieben in der Adenauerzeit ist. Dass es diese Form hat, die völlig unmöglich ist, wie sie sagen, in der Schrift wiederzugeben, und die Effekte hat, etwas darzustellen. Und da würd ich sagen: Es gibt 50 von diese Vos, und wenn Du die alle gehört hast, schreibt sich der Rhythmus dieser Darstellung in Deine Einschätzung der Situation der Linken im Nachkriegseuropa sozusagen mit ein. Du kannst dann nicht mehr daran denken, was es bedeutet hat, in Deutschland, Frankreich oder Italien Widerstand gegen die Staatsgewalt zu leisten, ohne zu hören, wie er das sagt. Das ist ein Effekt, den ich jetzt in die akademische Welt ein bißchen hinein nehmen möchte. Da werd ich nicht mehr darüber reden, das nur sozusagen als ein Ansatz Worum es bei Roland Barthes geht, ist einerseits ein Hinweis darauf, wie der Körper und die Stimme und der Sinn zusammenhängt, und dann eine Auseinandersetzung zwischen der Singweise von Fischer-Dieskau und einem Charles Panzéra, auf den ich auch nicht speziell eingehen werde. Ich bring dann das nächste Mal noch ein bißchen was von dem und komm dann am Ende zur Elektronik. Danke.