25.11.2010 Lacan, Jacques (1964): Seminarsitzung IX, aus: ders.: Das Seminar. Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse
Liebe KollegInnen,
An einer Feststellung, die Lacan im Zuge seiner IX. Seminarsitzung im Zusammenhang mit dem „Zu-sehen-Geben“ (Lacan 1980, 122) gegenüber dem Blick, das seinerseits den „Appetit des Auges“ (Ebd.) stille, tätigte, stieß ich mich bei der Lektüre des Textes ganz besonders. Es ist dies die Folgende:
„Dieser Appetit des Auges, den es zu speisen gilt, macht den zauberischen Wert der Malerei aus. Wir suchen diesen auf einer viel niedrigeren Ebene, als man annehmen könnte: in dem nämlich, was es mit der wahren Funktion des Augorgans auf sich hat, das Auge voll Gefräßigkeit, das der böse Blick ist.“ (Ebd.)
Dass das Auge prinzipiell ein, wie Lacan es drastisch bezeichnet, „gefräßiges“ Organ ist, dem stets nach Reizen und Eindrücken dürstet, scheint auch mir zweifelsohne evident. Dass das menschliche Auge in seiner „wahren Funktion“ (!) allerdings nur dem „bösen Blick“ Ausdruck zu verleihen vermag, leuchtet mir keineswegs ohne Weiteres ein. Noch viel weniger, wenn Lacan weiter unten im Text behauptet:
„Es ist, betrachtet man die Universalität der Funktion des bösen Blicks, überraschend, daß es nirgends auch nur die Spur eines guten Blicks, eines Auges, das Segen bringt, gibt“ (Ebd.)
Der liebende Blick der Mutter/des Vaters dem eigenen Kind gegenüber, der innige Blick zweier Verliebter, der vertrauensvolle Blick zwischen Geschwistern etc., hier kann doch nicht der „böse Blick“ und mit ihm dessen „tödliche Funktion“ (Ebd.), wie Lacan später auch schreibt, vorherrschen, oder?--Carina Miesgang 19:57, 24. Nov. 2010 (UTC)