Kommentare - MuD09 - Gruppe4 - 18.11.
Simon Pötschko: Immanuel Kant kann man mit ziemlicher Sicherheit zu einem der größten Philosophen der Welt zählen und es dürfte auch niemand überrascht sein oder verneinend aufspringen wenn diese Behauptung in die Öffentlichkeit getragen wird. In seiner Schrift Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen unternimmt er die Unterscheidung der Philosophie in Philosophie nach dem Schulbegriff und Philosophie nach dem Weltbegriff. Ich denke, will man die Philosophie versuchen zu definieren so kann man sie mit einem Menschen vergleichen. Wie der Mensch durch seine Beziehungen, die er zu anderen Mitmenschen hat, gekennzeichnet und entscheidend „geformt“ wird, so ist auch die Philosophie im Allgemeinen von den Beziehungen zu den anderen Wissenschaften gekennzeichnet und im Besonderen durch die sehr wichtige Beziehung der Philosophie nach dem Schulbegriff und der nach dem Weltbegriff. Wie sich aber der Mensch primär anhand seiner Handlungen definiert, die er auf dem Hintergrund seines Netzes an Beziehungen vollzieht, so gilt dies auch für die Philosophie, die ihre Wesensbestimmung daraus erhält, wie sie die Beziehung ihres theoretischen Teiles (Philosophie nach dem Weltbegriff) und ihres praktischen (Philosophie nach dem Weltbegriff) in die Tat umwandelt. Frau Prof. Nemeth hat in diesem Zusammenhang von einer Kluft zwischen den beiden Bereichen der Philosophie gesprochen. Ich bin der Ansicht, dass hier dasselbe gilt wie für viele andere Bereiche auch und zwar, dass das eine ohne das andere keinen Sinn, radikal ausgedrückt, keine Daseinsberechtigung hat. Ethik muss sich auf die Theoretische Philosophie berufen, die wiederum in ihrem Denken sich nicht zu weit von der Welt, die sie zu bedenken hat, entfernen darf bzw. sie darf diese zu bedenkende Welt nicht zu weit wegfahren lassen und muss bei ihr bleiben.
Im Text von Kant fiel der Begriff der Nützlichkeit im Zusammenhang mit der Philosophie nach dem Weltbegriff. Ich gehe davon aus, dass Kant den Begriff nicht so gedacht hatte, wie ich ihn jetzt ausführen werde, jedoch nehme ich mir diese Freiheit in der Hoffnung nicht allzu großen Schaden anzurichten. Wenn wir den Begriff der Nützlichkeit nach heutigem Verständnis nehmen, so müsste man zuallererst klären zu welchem Zweck etwas Nützlich sein soll. Gehen wir aber von diesem Kriterium mal weg und betrachten die Philosophie als eine Disziplin, die ihm Dienste der Gesellschaft steht und somit einen Nutzen für sie erfüllen müsste. In diesem Zusammenhang fällt mir der Name des deutschen Populärwissenschaftlers Richard David Precht ein. Seiner Ansicht nach, verfehlt die Philosophie, wie sie heute an Hochschulen betrieben wird, das Ziel der Gesellschaft nützlich zu sein, da ihre Erkenntnisse und Errungenschaften nicht nach außen getragen werden. Er prangert den Zustand an, dass Geisteswissenschaftler im Allgemeinen sich nicht darum kümmern ihr Wissen der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen und er bezeichnet wissenschaftliche Arbeiten, welche durchaus publiziert werden, als „Briefe an Freunde“. Betrachten wir nun den von Precht dargelegten zustand als zutreffend und der Realität entsprechend, so scheint es mir, als laufe die Philosophie, im Boot der Geisteswissenschaften, Gefahr ihre Wesensbestimmung zu sehr auf den theoretischen Teil zu fokussieren und somit veranlasst sie, dass sich die zu bedenkende Welt immer weiter entfernt. Am Schluss meines Kommentars möchte ich es mir nicht nehmen lassen eine kleine Provokation anzubringen. Wenn Kant am Anfang unseres Textausschnittes seine Teilung der Erkenntnisse darlegt, stellt er es in keinster Weise in Frage, ob die Philosophie überhaupt Erkenntnisse hervorbringt. Wenn wir uns nun wieder in unsere heutige Zeit begeben und von der gesicherten Erkenntnissproduktion der Philosophie und mit ihr der gesamten Wissenschaften ausgehen, so möchte ich ein interessantes Zitat des italienischen Literaten Umberto Eco als Denkanstoß angeben. Er behauptete, in unserer Zeit, sei alles schon einmal gesagt worden und wir könnten nichts mehr Neues sagen bzw. hervorbringen. Alles was wir tun könnten, so Eco, sei es das bereits gesagte neu zu interpretieren und wenn man so will neu zu sagen.
Frederick Tekook: Die Auszüge aus dem Werk, die Professor Nemeth uns gegeben hat, alleine faszinieren mich schon, ich finde den Satz "Denn die Philosophie ist die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft zeigt" auf der zweiten Seite könnte man auch unverändert als Überschrift für die Vorlesung von Professor Gotz nehmen.
Wie dem auch sei, das in dieser Stunde wiederholt angesprochen "Spannungsverhältnis" ist sicherlich ein sehr fruchtbarer Boden für eine Entwicklung, ich denke da an Heraklit, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Dem stimme ich auch zu, beruht doch (wie ich bei der Diskussion über die zweite Gotz-Vorlesung mal anführte) unsere komplette Wahrnehmung auf Antagonismen. Aufgrund einer solchen Überlegung scheint es mir nahezu paradox zu sein, die Philosophie als "Orchideenfach" abzutun. Jedoch ist es innerhalb der universitären Gefielde wohl die Philosophie (nach Kant argumentiert) im Schulbegriffe, die diese Aufgabe übernimmt. Es war auch interessant, sich über die direkte Rolle der Philosophie für die Gesellschaft Gedanken zu machen.
Allerdings möchte ich da noch etwas weiteres einführen, das sicherlich vielen Leuten gar nicht klar ist, nämlich die "Arbeit am Begriff". Auch wenn ein Philosoph den scheinbar selben Begriff benutzt, den ein jeder kennt, meint er natürlich in seinem Sprachgebraucht einen ganz bestimmten Teil innerhalb dieses Begriffs und ist dem gesellschaftlich allgemeinen Begriff ständig voraus. Dennoch findet auch im Begriff, wie ihn die Allgemeinheit versteht, eine Entwicklung statt, die ich für fundamental wichtig halte, weil sie einem jeden Einzelnen mehr Perspektiven öffnet, den Horizont erweitert.
Elke Karpf: Ich möchte mich auf Kants Ansicht, was zu einem Philosophen gehört, beziehen - "Cultur des Talents und Geschicklichkeit, um sie zu allerlei Zwecken zu gebrauchen" und "Fertigkeit aller Mittel zu beliebigen Zwecken" sowie zu Frau Dr. Nemeths Auffassung: Kant will zeigen, dass Philosophie auch außerhalb der Universität in sozusagem außerphilosophischem Rahmen, z.B. im Rahmen von Kunst und Literatur passiert: Ein Wort, das auch in der letzten Übung von einem Kollegen gefallen war, war "Zusammenarbeit". Mag die Philosophie auch theoretisch einen Selbstzweck haben, praktisch halte ich die Zusammenarbeit mit Vertretern aller möglichen Sparten der Wissenschaft z.b. der Medizin, aber auch Praktikern des täglichen Lebens wie Malern, Lehrern... für unerläßlich. Die Theorie, das universitäre Philosophieren, ist wichtig, aber ich sehe einen Philosophen als jemand, der Denkanstöße liefert und zusammen mit Menschen, die über Fachwissen verfügen, Lösungen für Probleme ausarbeitet. Er hat eine ergänzende und beratende Bedeutung - im Sinne einer Dienstleistung, so meine ich - die höhere Qualität von Arbeitsinhalten entstehen lassen kann. Aber eine WERTUNG, wer wozu besser befähigt ist oder wer besser reflektieren kann oder wer höheren Nutzen für die Gesellschaft hat, wozu es in der Übung manchmal Meldungen gibt, ist völlig überflüssig und fehl am Platz. Es geht um ZUSAMMENARBEIT.
Mathias Pöschko: Was mich sehr angesprochen hat, jetzt beim Wiederlesen des Hand- outs, das ist der Unterschied zwischen Philosophie lernen und philosophieren lernen; das aber nur im Bezug zum Thema, ob man denn Philosophen überhaupt brauche und ob sie nicht eigentlich Lasten wären: Wäre nicht gerade das etwas, womit Philosophen dienen, was sie einbringen könnten? Die Leute philosophieren lehren? Und sie so zu zivilisierten, auch erfülllten Menschen zu machen, die fähig sind zu begründen, zu denken, überprüfen, zu argumentieren, im weitesten Sinne die Wahrheit zu suchen?
Zur bereits angesprochenen Zusammenarbeit: Für nicht falsch halte ich es zu definieren, worin der Nutzen von Philosophen liegt. Das ist ein ganz realistischer Ansatz. Und übringens für Zusammenarbeit ganz und gar nicht bedeutungslos.