Herbert Hrachovec (MuD 09)/Audimax-Besetzung
"Am Donnerstag wurde gegen 13 Uhr das Audimax der Universität Wien durch Studierende aller Studienrichtungen und Universitäten besetzt. Die Besetzung des Audimax ist der bisherige Höhepunkt einer Uni-übergreifenden Protestaktion, die sich vorrangig gegen die UG-Novelle 09 richtet und sich mit der Besetzung der Akademie, sowie internationalen Bildungsprotesten solidarisiert." Quelle: unibrennt.at
Dieser Event bietet viel Stoff für Diskussion und bietet die Möglichkeit, über das Studieren hier in Wien, die Bologna-Architektur sowie über Bildung allgemein nachzudenken.
Inhaltsverzeichnis
Forderungen
Der offizielle Forderungskatalog reinkopiert. Zum Zerlegen, Kritisieren oder Verfeinern:
Die Forderungen der Studierenden sind:
* Re-Demokratisierung und Stärkung der Mit- und Selbstverwaltung in allen Bildungseinrichtungen! * Ausfinanzierung der Unis! * Selbstbestimmtes Lernen und Leben ohne Konkurrenz- und Leistungsdruck! * Freie Masterzugänge! * Keine verpflichtende STEP! * Abschaffung aller Bildungs- und Studiengebühren! * Keine Aufnahmeprüfungen! * Unabhängige Lehre und Forschung! * Schluss mit prekären Dienstverhältnissen für Lehrende, Angestellte und ArbeiterInnen! * Genug Studienplätze für alle! * Abschaffung der Erweiterungscurricula! * Flexible und selbstbestimmte Studienpläne!
Quelle: freiebildung.at
Linksammlung (bitte erweitern)
"Offizielle" Protestseiten
- Aktion der Akademie der Bildenden Künste: [1]
- Freie Bildung.at
- UniBrennt.at (Übersicht über in den Plena besprochenen Punkte)
- TU-BRENNT
Web 2.0 (Blogs, Twitter, Livestreams, ...)
- Twitter-Tags #audimax und #unibrennt
- Facebook-Gruppe: In Solidarity with the occupations in Vienna (Austria) for Free Education! und Audimax-Besetzung in der Uni Wien
- Video-Livestream vom Audimax
Reaktionen
- "Presse"-Chefredakteur Michael Fleischhacker: Logik statt Twitter
- Vom Flashmob zu #unibrennt: Kollektive Organisation in Realtime
- Heute.At: Audimax-Besetzung hält an
- Andreas Lindinger: Unmut der Studierenden am Höhepunkt!
- Telepolis: Studentenrevolte in Wien
- Das geheime Netzwerk der Studierenden
- Hurra, Hurra, die #unibrennt - Politics 2.0
- Michael Zachbauer - Die Basis und die Demokratie
- Weitere Medienberichte
Videos,Bilder
- Bildstrecke - Audimax-Besetzer: Volksküche, Kulturprogramm und rege Diskussionen
- Der Einmarsch der Protestler in HS 1 in eine Philosophie-Vorlesung
Allgemeine Beiträge zu Bologna, Bildung
Beiträge zum Thema
Beitrag von Herbert Hrachovec in der Übung 23.10.2009
Hintergründe und Bedeutung der Bologna-Architektur
Teilweise Transkription von Herbert Hrachovec's Anmerkungen zum Protest in der letzten Übungs-Einheit (23.10.2009):
Was bedeutet die Umstellung auf Bologna-Architektur? (....) Die nationalen Regierungen geben bestimmte Kompetenzen ab und deligieren sie an ein europäisches Gremium. Gerde in den Bildungsfragen ist es so, dass größere Empfindlichkeit herrscht. Speziell in Österreich hat der österreichische Staat schon im UG2002 seine Kompetenz in der Gestaltung des Bildungswesens aufgegeben.
Seit hunderten Jahren war es so (bis 2002), dass das österreichische Parlament die Studiengesetzte beschlossen hat. Der Nationalrat hat abgestimmt, was die Studien zu enthalten haben. Das war parteiliche Sache und war deshalb nur zu ändern, wenn der Nationalrat eine Änderung beschließt. Die Universitäten waren nachgeordnete Einheiten des Österreichischen Wisenschaftsministeriums.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie werden die neuen Studienpläne erstellt?
Siehe Skizze:
Die EU gibt die Regelungen nicht im Einzelnen vor, sondern sie enthaltne "catch phrases" wie: Module, ECTS-Punkte, etc. die Unis hatten die Aufgabe, ihre Studien nach diesen Prinzipien umzustellen. Eine Konsequenz war, dass die Diplomstudien in Bachelor und Master zusammengeschnitten wurden.
Die Zwangsmaßnahme des Minsiteriums war: "Wenn ihr bis 2011 nicht umgestellt habt, werdet ihr von uns weniger Geld bekommen."
Das hat alles sehr viel Opposition erzeugt (in AT und DE). 80% der Lehrenden haben sich in ihrer Würde gekränkt gefühlt, weil das gegen die klassischen akademischen Gebräuche geht. Das ist eine traditionelle/konservative Opposstionsgruppe.
Das Diplomstudium-Regime
Gelichezitig gibt es etwas Anderes zu Bedenken:
- Die Vorstellung, dass Studienbeschränkungen für den Master die Leute mit billigen Kurzstudien abspeisen, damit man sie schnell wieder weg bekommt.
Das ist eine berechtigte Kritik. Die Gegenseite davon ist:
- Im Diplomstudium-Regime hat die Universität Wien eine Absolventinnenquote von unter 50% gehabt. Die Uni Wien hat gelehrt und gelehrt und nur die Hälfte der Studierenden haben einen akademischen Grad bekommen.
Was noch bedenlicher ist: Eine große Anzhal der Studierenden, die irgendwann verschwunden sind, sind im 8. Semester verschwunden. Das ist, wenn Sie mir das gestatten, keine erhebende Bilanz einer Einrichtung, die dafür da ist, dass sie Leute mit nachprüfbaren Qualifikationen versieht.
Durch die hohe/steigende Anzahl der Studierenden in den 70er bis jetzt ist eine Infrastruktur überfordert, die darauf ausgerichtet war, dass von einer Jahrgangskohorte 7-10% der Österreicherinnen es auf die Universität schaffen. Mitttlerweile sind es schon ca. 27-30% der Maturantinnen, die an die Uni gehen.
Nach den alten Regeln führt das zu Folgendem:
- Die Studierenden, die extra motiviert sind, können unter großen ziemlich freien Bedingungen sich ihre Studien selbst gestalten (ca. 1/3 bis 1/4)
- Dann gibt es Leute, die stottern sich dahin, ohne große Überzeugung, und im Prinzip frustriert.
- Und dann gibt es Leute, die mit dem gar nicht zurecht kommen und rausfallen.
Das ist eine der Motive, warum man gesagt hat:
- Bevor wir im 4. Jahr des Studiums Dropouts produzieren, machen wir lieber ein kleineres Studium, soddass diese Leute dann wenigstens einen akademischen grad haben.
Ausgangspunkt: Ich komme an die Uni und möchte das Bidlungsangebot frei nutzen.
Die Zahl der Dropouts in den Sozialwissenschaften:
- In der Kultur/Sozialanthropologie (2007/08) gab es nach 3 Semestern einen Drop-Out von 49%
- In der Politikologie einen Ausfall von 37%
Wir haben mit der folgendnen Stituton zu tun: es kommen motivierte Studierende daher und über 1/3 ist nach einem Jahr wieder verschwunden. Jetzt muss man fragen, wie man damit umgeht. Da gibt es offensichtlich ein Mis-match auf mehreren Ebenen.
Die STEP als Versuch
Die STEP ist ein Versuch des Gesetzgebers, diese Sache irgendwie zu organisieren.
Wenn ich Studierende höre, die sagen: "Die STEP ist dafür, die Studierenden rauszuschmeißen", dann sage ich: "Das ist aber nicht das, was im Gesetz steht": "Der positive Erfolg bei allen Lehrveranstaltungen berechtigt jedenfalls zur Absolvierung der weiteren Lehrveranstaltungen und Prüfungen". Das kann nur heißen: Nach der STEP kann man weiterstudieren, das heißt aber nicht, dass man sie gemacht haben MUSS. Es gibt keine andere Deutung.
In den erläuternden Bemerkungen wird extra dazu gesagt, dass die Universitäten das Recht haben, Regelungen zu finden, die zulassen, dass man in der STEP bestimmte Module noch nicht haben muss, um weiter studieren zu können.
Man kann darüber lange reden. Aber für mich geht es um das Problem zwischen Plakativität mit Effekt und Inhaltlichkeit. Ich sage das deswegen, weil ich gerade als Vorsitzender der Curricularkommission damit beschäftigt sein werde, Dinge umzusetzen, die möglichst sinnvoll sind. Ich bin der Auffassung, dass ein Zustand, in dem 47% der Studierenden im ersten Jahr veroren gehen, nichts Wünschenswertes ist. Eine STEP, wo man fragt: Seid ihr richtig angekommen, wisst ihr, was euch erwartet, wollt ihr euch das nicht besser überlegen, ist also durchaus sinnvoll.
Zwei vielsagende Aussagen
Eine Kollegin zitiert auf Facebook zwei Aussagen von Vortragenden und kommt dann zu ihrer Schlussfolgerung:
- "Wir haben keinen Platz mehr. Die Wartelisten für das nächste Semester sind auch schon voll. Wir können nur noch die absolut Besten durchlassen."
- "Ich weiß, dass ihr was könnts, aber wir müssen auch Leute durchfallen lassen, die was können."
Ich hab an der Uni Wien genug gehört und gesehen, um sagen zu können, dass man nicht grundlos protestiert.
Und dann habe ich einen Kommentar auf Facebook gefunden: "bei vorhandensein von Zeit wär i hingangen, wengan Bier und den vielen Mädels :o)"
In der Spannung dieser zwei Aussagen befinde ich mich, wenn ich die Protestaktion beschreiben müsste. Einerseits finde ich es berechtigt, weil die Situation in einigen Studien nicht zumutbar ist, andererseits findet man unter der Menge der Protestlern sehr viele, die die ganze Aktion als eine große Party sehen. Eine sehr lesenswerte Beschreibung der Lage findet sich im phsblog unter dem Titel "Das geheime Netzwerk der Studierenden", der genau diese Heterogenität für eine Stärke des Protests hält. Es wird eine temporäre Pressesprecherin zitiert: “Ich spreche nicht für alle. Wir sind basisdemokratisch organisiert, das ginge nicht anders. Die Leute würden sonst abhauen, wenn sich eine einzelne Gruppierung in den Vordergrund drängt”
Bin auf eine Diskussion gespannt. --Andyk 22:15, 25. Okt. 2009 (UTC)