Benutzer:Patrick Lang
Patrick Lang (0749501)
Transkript in Bearbeitung!
Inhaltsverzeichnis
Prüfungsmodalitäten
Ich begrüße Sie zu dieser letzten Vorlesung in diesem Semester. Nächste Stunde 10 Uhr, findet hier die schriftliche Prüfung statt. Die Prüfung läuft so ab, dass Sie einen Text von mir bekommen werden. In diesem Text aus der Literatur werden zu dem Themenkomplex, den ich ihnen vorgetragen habe, Positionen vertreten und ich erwarte mir von Ihnen dass Sie diesen Text, vor dem Hintergrund dessen, was sie hier gehört haben, sachkundig kommentieren, kritisieren, weiter ausführen. Die Idee dahinter ist die, dass diese Veranstaltung nicht so sehr darauf aus ist Ihnen möglichst viele Fakten über die Themen mitzuteilen, die dann zu Fragen werden, sondern hauptsächlich dazu dienen soll, ihnen Möglichkeiten vorzustellen mit den entsprechenden Themen kreativ umzugehen. Solche Herhausforderungen, solche Gedanken – von denen sicher viele in der Alltagsdiskussion in der Mediendiskussion immer wieder zu finden sind – zu identifizieren, entsprechend aufzuarbeiten und philosophisch kompetent zu verarbeiten.
Übersicht über diese letzte Sitzung
Die Aufgabe dieser letzten Sitzung besteht darin, jetzt auf der einen Seite einige von den Strängen zusammenzuknoten, die ich Ihnen dargelegt habe und auch, das ist ein-, zweimal schon angesprochen worden in der Diskussion, Ihnen eine Position vorzustellen die jetzt nicht direkt in der Philosophiegeschichte drinnen steckt und auch zu erkennen gibt, was meine eigene Auffassung, meine Vorschläge im Zusammenhang mit diesem Themen wären. Es ist ja nicht so, dass ich mit Positionen unbedingt gespart hätte im Rahmen des bisher gesagten, aber es ist wahrscheinlich sinnvoll hier auch noch mal einen Schlussakzent zu setzen. Ich habe allerdings, das muss ich gleich sagen bevor Sie meinen, dass ich mich jetzt frei bewege und nicht mehr auf klassische Philosophen beziehe, zur Basis dessen was ich Ihnen hier vortrage, erstmal noch und wieder einen klassischen Philosophen genommen. Nämlich Wittgenstein, der mir hilft dabei. Es ist auch nicht so, dass ich zu Datenbanken schon Sachen geschrieben hätte, die nichts mit diesen klassischen Philosophen zu tun hätten aber das werde ich Ihnen vielleicht noch einmal in der Literatur nächste Woche als Link zur Verfügung stellen. Ich glaub für den Duktus dieser Vorlesung, die doch stark mit solchen großen „Philosophen“ zu tun hatte, ist es einfach besser das auch an der Stelle von Wittgenstein zu erörtern und ich greife jetzt noch mal zurück zu dieser endgültigen Verknotung auf die Einleitung der vergangenen Vorlesung [1] die, wenn Sie sich erinnern ja darauf hingewiesen hat, dass ich zwei Hauptlinien verfolgt habe.
Zwei Hauptlinien der Vorlesung
Das eine ist die Linie, die die Vertreter des humanistischen Bildungsideals als die von außen heran gekommene Katastrophe darstellen, das ist also, wenn ich es mal in Sciencefiction Termini ausdrücken kann, die Theorie der externen Aliens, die die Kultur ruiniert haben. Und diese externen Aliens sind aus dieser Sicht diejenigen, die seit dem Einbrechen der Logik, seit dem Wiener Kreis, seit dem Positivismus, seit den Datenbankingenieuren infrage gestellt haben, was das entsprechende klassische Bildungsideal ist und die Auseinandersetzung, der Machtkampf besteht. ich habe damit begonnen, wenn Sie sich erinnern ganz am Anfang, zum Beispiel zwischen den Bürokraten, zwischen den EU-Managern, die die Bildung kommerzialisieren, die die Bologna-Architektur einklagen, die das alles nur mehr verrechenbar und verwaltbar machen gegen das alte Bildungsideal. Das sind sozusagen die externen Katastrophenszenarien die da gespielt werden. Und dann gibt es als zweites, wenn ich beim Sciencefiction Inventar bleibe, dann gibt es auch den Genre der internen Aliens. Also es bricht aus dem Organismus des Menschen plötzlich eine Fehlgeburt hervor, die dann die Frage stellt was ist denn in mir geheimnisvolles verborgen was da herauskommt und was das Leben dramatisch infrage stellt. Und das ist die Linie, die ich ihnen begonnen habe, also angedeutet habe bei Hegel und Heidegger darzustellen. Das sind Theoretiker, die der Auffassung sind die Misere des Bildungsbegriffs – über die kein Zweifel besteht – geht zurück auf einen Keim der angelegt ist im Bildungsbegriff selber. Das heißt da brauchen wir niemanden von außerhalb des Weltalls, sondern wir müssen die Aufgabe so sehen, dass das eine in der griechisch abendländischen Tradition angelegte Tendenz ist, die letztlich dazu geführt hat dass wir in der Situation sind. Und was bleibt uns, also mit Battleship Galactica auswandern in einen anderen Bereich, in eine andere Form von Denken, von Existenz wie immer. Das sind – ich sage es schon mit einer gewissen Pointe – die dramatischen Situationseinschätzungen und Schlussfolgerungen, die sich in dieser Dramatik durchaus – das möchte ich doch sagen, ich habe es Ihnen nur am Rande immer wieder mal angedeutet – von den wichtigsten philosophischen Prononciationen wie zum Beispiel den Brief über den Humanismus [2] bis in das wöchentliche Feuilleton der deutschen Qualitätszeitungen, die das immer wieder noch neu diskutieren, unter diesen Voraussetzungen ziehen. Davon distanziere ich mich aber jetzt in dieser letzten Stunde.
Rückgriff auf den Tractatus
Ich bringe Ihnen keine Antwort darauf, wie sie sich da orientieren sollen, sondern ich beginne noch mal mit einem Rückgriff auf den Tractatus und das was Wittgenstein im Tractatus gemacht hat. Das in der besonderen Hinsicht dass ich Ihnen ja schon ausgeführt habe, dass es zwischen Platon und dem Tractatus eine sehr starke Affinität gibt. Das habe ich im Zusammenhang mit Aussagesätzen und Weltstruktur, Weltordnung argumentiert [3]. Hier will ich es ein bisschen Modularisieren, in eine etwas andere Richtung bringen, die auch erkennbarer etwas zu tun hat mit dem Bildungsbegriff. Diese Richtung würde ich so einleiten und so motivieren dass ich Sie darauf aufmerksam mache, dass es für Wittgenstein, in der frühen Phase und dann auch späteren Phasen einen interessanten anknüpfungswürdigen Begriff gibt und dieser Begriff heißt Lebensform.
Lebensform vs. Lebensformen
Lebensform ist nun etwas, was Ihnen nicht als erstes einfallen wird, wenn sie über Bildung und Datenbanken sprechen. Aber mir scheint es hilfreich und wichtig zu sein sich da einmal genauer zu erkundigen und die Sache genauer anzusehen. Und ich glaube man kann zeigen, dass das, was in der Wittgensteindiskussion unter dem Titel Lebensform läuft wesentliche wichtige Aspekte beiträgt zu dem Thema Bildung und Datenbanken, von dem ich geredet habe. Eine erste äußere Annäherung diesbezüglich kann so ausschauen, dass Sie sich erinnern an Formulierungen von der Art und Weise „reiß dich zusammen“, „gib deinem Leben eine Form“, „versuch mal an dieser Stelle eine Gestalt in dein Leben zu bringen“. Lebensform ist ein Begriff, der steht dafür, dass eine Person einen Halt gefunden hat: Diesen Halt gefunden hat, aber jetzt nicht am Haltegriff und auch nicht unbedingt an irgendeiner einzelnen Überzeugung, sondern dass der Halt, den diese Person hat, darin besteht dass sie sich einer bestimmten Habitualität, Ritualisierung einen eingespielten Ganzen von Gewohnheiten, gesellschaftlichen Praktiken einordnet. Also der Halt, den man hat in der Familie oder der Halt, den man hat im Sprotclub oder der Halt, den man hat in der wissenschaftlichen Existenz hat. Das ist nicht etwas, was sozusagen einfach zu benennen wäre, wo man nicht sagen kann, das hängt daran dass ich am Samstag zum Fußballspiel gehe oder so etwas, sondern das hängt in einer sozial verteilten Praktik von Gesprächsthemen, von Einschätzungssystemen, von Handlungsoptionen, in denen man da drinnen ist. Das hat, was ich jetzt gesagt habe, sehr was kolloquiales, ist auch so gemeint und das interessante ist jetzt zu sehen, dass das wenn man unter den Aspekt Lebensform anspricht, wenn man sagt, das ist eine Form, die das Leben hat, dann kommt man schon relativ nahe an diese Idee, die im Rahmen des Bildungsdiskurses ein wichtiger Punkt ist. Nämlich wenn sie jetzt Form ein bisschen platonisch sehen, wenn Sie es nicht als einen neutralen und viel verwendbaren Begriff sehen, sondern wenn Sie noch ein bisschen was durchhören von „dem Leben eine Form gegeben“ – das ist nicht nur ein guter Ratschlag, sondern das ist auch eine Wert besetzte Vorstellung, eine „gute Form geben“, eine „richtige Form geben“, eine Form, nach der es sich lohnt zu leben –, dann ist dieser Formgebungsprozess etwas, das sehr gut in die platonische Entwicklung der Selbstwerdung, des sich Orientierens an den Ideen in sich hat.
Der platonische Bezug
Und wenn ich das sage muss ich notgedrungen, und das ist jetzt das interessante, was mich von der platonischen Auseinandersetzung geradewegs in die Auseinandersetzung um die wittgensteinschen Lebensform- Überlegungen hineinbringt, dann muss ich auch das Folgende sagen. Dann habe ich mit dem platonischen Bezug auch mitübernommen, die Diskrepanz, die wir diskutiert haben zwischen den Schaulustigen, zwischen denen, die hier und dort sind, die sich alles mögliche interessante anschauen, die aber, wie wir der Länge und Breite festgestellt haben, nicht in der Lage sind, die Challenge, der Ideen geleiteten Selbstgestaltung zu übernehmen. Das war die Richtung, die uns in die Philosophie und in die Bildung gebracht hat. Diese Richtung führt dazu, dass wir nicht verlorengehen zwischen verschiedensten Ausprägungen des menschlichen Lebens, was immer halt grad angesagt ist, sondern dass wir ein Prinzip haben, das wir etwa haben, das jenseits der Tagesaktualität, wie man heute sagt, liegt und in der Lage ist ein stabiles Orientierungspotenzial zur Verfügung zu stellen. Ich erinnere Sie an das aus der Platondiskussion.
Die Diskrepanz
Und das interessante im Zusammenhang mit der Lebensform und dem Wittgenstein ist jetzt das folgende: Dass zum einen im Tractatus selbst so eine Vorstellung von Lebensform vorkommt, die etwas mit dem platonischen Ideal zu tun hat, auch wenn, und gerade wenn sie abgekoppelt ist von der Wertehierarchie. Darauf will ich kurz zu sprechen kommen. Und das zweite, was noch interessanter und wichtiger ist, ist dass es beim Wittgenstein in der Weiterbearbeitung dieser Tractat-Idee einen interessanten kleinen Weg, eine Sprachexkursion gibt, die inhaltlich ausgesprochen wichtig ist, interessant ist und auch diskutiert worden ist. Nämlich die Tatsache dass beim Wittgenstein nicht nur vorkommt Lebensform, sondern auch vorkommt und äußerst häufig vorkommt, der Ausdruck Lebensformen, der Plural davon. Und das ist nun eine Beobachtung, zunächst einmal im wittgensteinschen Œvre, die aber gehörige prinzipielle Konsequenzen hat. Weil nämlich Lebensformen, wenn man sie als ernsthaften Plural nimmt, nicht das hergeben, was ich gerade vorhin beschrieben habe, als eine Lebensform, sondern Lebensformen gibt es viele. Es gibt die Junkie-Existenz, es gibt die Couch-Potato-Lebensform, sie können es sich aussuchen. Das sind alles im Prinzip Lebensformen, die den Bedingungen entsprechen, die ich Ihnen gerade genannt habe. Es gibt die Lebensformen der Leute, die große Plakate schreiben „Peter Pacult ist ein Verräter“ und so etwas ähnliches. Das heißt nun, dass sich in dem Unterschied zwischen Singular und Plural von Lebensform und Lebensformen die platonische Unterscheidung wieder findet, zwischen dem einen Idealzustand auf den hin sich zu orientieren ist, und der Schaulust, der Vielfältigkeit, der οἱ πολλοί (hoi polloi), der Menge. Es ist interessant zu sehen, es findet sich hier wieder, es findet sich aber in keiner Weise in diesem systematischen, bildungstheoretischen Zusammenhang, den ich bisher immer wieder angesprochen habe, sondern an einer überraschenden anderen Stelle, und das ist etwas, das mich interessiert. Sie können nämlich das, worum es inhaltlich geht unbeschwerter diskutieren, wenn Sie nicht ständig die Phrasen aus dem Diskurs des Untergangs, des Abendlands oder aber der Freiheit und des Fortschritts durch Bildung im Auge haben, sondern wenn sie stattdessen das diskutieren unter dem Aspekt von Lebensform und Lebensformen. Das habe ich ein bisschen vor für heute, das möchte ich Ihnen ein wenig ausbuchstabieren. Und dafür beginnen mit einem noch mal Verweis auf die für die Lebensführung relevanten kurzen Passagen im Tractat, drei davon hier [4] mal zusammengefasst.
Die Grenzen meiner Sprache} bedeuten die Grenzen meiner Welt."' (Tractatus Logico-Philosophicus 5.6) Die Welt und das Leben sind eins."' (T 5.621) Ich bin meine Welt"' (T 5.63)
Wenn sie hier mit ein bisschen Schlussfolgerung an die Sachen heran gehen, dann können Sie als einigermaßen gesicherte Tractatus-Postition auch vertreten, „ich bin meine Lebensform“. Wenn die Welt und das Leben eins sind, und ich bin meine Welt, dann bin ich mein Leben und ich bin, da die Welt eine Form hat, in meiner Welt als Lebender auch meine Lebensform. Die Person bewegt sich in einem allumfassenden Spach-Lebens-Welt-Zusammenhang. Wir können über den nicht drüber gehen, aber als Ganzes, das Mystische, ist das Wissen davon dass es diese Lebensform als Ganzes gibt. Sie erinnern sich, es ist wichtig zu sehen, dass eine Basisstrategie des Tractatus darin besteht dass er den Übergang kappt, den Übergang, den Stufenweisen, sozusagen nachvollziehbaren Bildungsweg, der uns natürlich allen extrem vertraut ist, der, das muss mach auch sagen, das Wesen der primären, sekundären und tertiären Erziehung ausmacht. Dieses ganze bio-soziale Prozessgefüge, das die universitäre Bildung abschließt, und dass sozusagen eine Nachbildung, in der Gesellschaft des Aufstiegs aus der Höhle sein soll, das wird einfach gekappt. Es gibt zwar die Form, es gibt die Form als Ganzes, aber dort kommt man nicht hin indem man Stufe für Stufe in der Welt hinaufsteigt. Darüber habe ich ja lange geredete. Obwohl das so ist, ist beim Wittgenstein im Tractat festzuhalten, es gibt noch diese eine Form, das ist ein Restbestand aus der Einheitsspekulation, die Sie bei Platon finden. Im Tractatus, indem die Welt als Ganzes geordnet ist, ist auch das menschliche Leben, das sich sozusagen einpasst in diese komplette Weltordnung ein Leben, das eine richtige Leben, das wenn man es verstanden hat eine Stabilität und eine Endgültigkeit für das Leben verbürgt. Das ist im Prinzip ein wenig eine Veränderung, ein wenig eine Erweiterung aber keine prinzipielle Erweiterung von dem, was ich ihnen bisher zum Tractatus gesagt habe. Und jetzt kommt der nächste Schritt. Jetzt kommt ein Blick auf das, was beim Wittgenstein dann nachher kommt, weil schließlich und endlich ist der Tractatus 1921 erschienen und Wittgenstein hat gehörig viel noch nach dem Tractatus gedacht und ich bringe Ihnen hier mal gleich ein Zitat im Zusammenhang mit Lebensformen, das 16 Jahre später ist, aus 1937, und das hier zunächst einmal dafür steht, dass Wittgenstein von dieser Lebensform, der einen Welt, dem einen Leben hinüber wechselt in den Plural in die Lebensformen.
Ich will sagen: es ist charakteristisch für unsere Sprache, daß sie auf dem Grund fester Lebensformen, regelmäßigen Tuns, emporwächst. (MS 119, 74v)
Wenn Sie sich das ansehen was damit gesagt ist, dann werden Sie vielleicht jetzt die Verbindung herstellen können zu dem Problem, das ich schon präludiert habe. Nämlich dass ich, wenn ich jetzt plötzlich von festen Lebensformen regelmäßigen Tun ausgehe, ich plötzlich eine – wenn ich es von oben herunter beschreibe – doch bemerkenswerte Desorientierung im neutralen Sinn habe. Eine Desorientierung deshalb, weil ich jetzt nicht mehr die eine Lebensform habe, sondern ich habe regelmäßiges Tun, ich habe innerhalb dieses regelmäßigen Tuns feste Lebensformen und die haben nun keine Orientierung im Einen und im Zusammenfassenden mehr.
Der Zustand bevor Platon die Schrauben angezogen hat
Da kommt ein Faktor dazu den man natürlich extra lange bearbeiten muss, das ist dieser Faktor der Praxis. Während im Tractat die Sprache als ein klares logisches Gebilde, logisch mathematisch fundiert aufgebaut wird, und sozusagen direkt verkoppelt mit einer Erkenntnistheorie und Ontologie die davon ausgeht dass die Welt aus Sachverhalten besteht. ! Fünf Jahre später ist Wittgenstein schon ziemlich wo anders, vor allem ist er in einer Situation wo er sagt, Sprache ist eingebettet, Sprache hat etwas zu tun, nicht einfach mit der logischen Klarheit, sondern etwas zu tun mit Verhaltensweisen, Handlungsweisen von Menschen. Sprache kann nur verstanden werden als eine Tätigkeit, die Personengruppen ausführen, zusammen mit einer größeren Anzahl weiterer Handlungsmuster. Es ist auch der Grund dafür warum hier in den Manuskripten sich nicht nur Lebensformen finden, sondern auch Handlungen, Handlungsformen. Es gibt Varianten dazu, die heißen für unsere Sprache die sich auf den Grund fester Handlungen, fester Handlungsformen aufbaut. Und diese Sichtweise ist nun, man könnte es so sagen, eine Deutung des Wechsels vom Singular in den Plural ist die, dass der Wittgenstein aus dem platonisierenden Gesamtheitsanspruch im Trtactat zurückfällt, oder zurück geht, wie immer Sie es haben wollen, in den Zustand bevor Platon die Schrauben angezogen hat. Also in den Zustand der Schaulustigkeit, in den Zustand von dem Platon gesagt hat das ist genau philosophisch unzufrieden stellend, dazu brauchen wir, um das zu überwinden, um die Menge zu überwinden brauchen wir die Formen. Und die ganzen Formen wiederum verankert in einer Form, in der Form des Guten. Wittgenstein geht den Weg retour, in einer gewissen Art und Weise, und zwar geht er den Weg nicht retour, das ist eines der faszinierernsten Features in der wittgensteinschen Philosophie, vielleicht sogar das faszinierernste Feature, dass er nicht so wie Heidegger sagt, wir schauen uns jetzt Platon an und finden in Platon den Keim des Verderbens angelegt. Sondern, Wittgenstein kritisiert sich selber. Wittgenstein sagt das was ich getan habe, im Tractatus, ist eine platonische, generalisierte Wertvorstellung, die ich selber jetzt wieder in Frage stelle. Und indem er sich, und den Tractatus kritisiert vollzieht er einen Schritt zurück in der Philosophiegeschichte und konfrontiert uns mit der Frage, wenn ich nicht mehr überzeugt bin von diesen Einheitsformen, dann bin ich zurück bei den Lebensformen und dann bin ich zurück – um es hier sehr drastisch und dramatisch zu sagen, aber von der Sache her vertretbar – in einen Relativismus, in einer sophistischen, in einer nicht respektabel philosophischen Wahrheitsuntersuchung, weil in dem Moment mit dem ich mit den verschiedenen Lebensformen operiere, und die zulasse als verschiedene Kontexte von Sprachen, und nicht mehr die Kriterien habe, wie ich mich aus diesen verschiedenen Lebensformen zu einen gedeihlichen sozial Privilegierten ganzen hinauf transformiere, in dem Moment habe ich im gewissen Sinn die klassische Philosophie verloren, sie sozusagen zurückgenommen. Es gibt Philosophie natürlich auch im Modus des Relativismus. Aber die Pointe, das Antriebsmoment, das eigentlich von mir auch immer vorausgesetzt worden ist in diesen Bildungsanspruch – ich habe in dieser Veranstaltung zum Beispiel nicht über unterschiedliche Bildungskonzepte gesagt, es gibt natürlich plurale, multikulturelle, etc. Bildungskonzepte, die versuchen sich frei zu halten von den Typisierungen und Zuspitzungen, die wir hier haben, das will ich nicht infrage stellen –, mir geht es in der Vorlesung tatsächlich um einen gewissen traditionellen, bis wenn sie so wollen um eine Polemik um eine Großbaustelle der klassischen Philosophie verlassen wird, wenn man in den Plural hinein geht.
Der Exegetenstreit
Nicht umsonst haben die Wittgenstein ExepertInnen das zum Anlass genommen, eine ganz angeregte und vielgestaltige Diskussion zu führen, darüber wie man jetzt mit dem Phänomen umgeht das bei Wittgenstein sich Lebensform und Lebensformen, beides zusammen findet. Das kann man als eine gelehrte Diskussion über die Textinterpretation bestimmter Wittgenstein Passagen nehmen, aber das was das ganze beflügelt ist nicht einfach nur zu schauen, warum steht da das Eine und da das Andere, sondern was es beflügelt, ist dass dahinter die genannte Problematik des normorientierten Vernunftbegriffes und auf der anderen Seite des Relativismusses steht. Das ist im Hintergrund zu hören, wenn man sich ansieht was die Exegetinnen und Exegeten, im Zusammenhang mit der Frage Lebensform oder Lebensformen sagen. Ich bringe ihnen da nur ein paar Hinweise.
Ich habe die genaueren Zitate in einem Beitrag angegeben, den sie hier [5] als pdf haben, das ist ein Beitrag den ich im April bei einem Symposium über Lebensformen vorgetragen habe. Was ich Ihnen jetzt hier sage baut einerseits auf diesem Beitrag auf, führt es aber noch in Richtungen weiter, für die ich da noch keine Zeit hatte. Also wenn sie die Sekundärliteratur dazu genauer anschauen wollen, dann finden Sie die unter eben diesem Link.
Was ich heraushebe, um Ihnen das jetzt mal aus der Sicht der interne Textdiskussion ein bisschen plastisch zu machen, ist ein Beitrag von Newton Garver [6]. Newton Garver, ein Wittgenstein-Forscher der mehrfach in Wittgenstein-Symposien war, der mehrere Aufsatzsammlungen über Wittgenstein geschrieben hat und der an einer Stelle sozusagen besonders erfolgreich, oder provokant gewesen ist in seiner wissenschaftlichen Arbeit. Diese eine provokante Stellungnahme, die dann eine wissenschaftliche Folgediskussion ausgelöst hat, bezieht sich genau auf das Thema Lebensform bei Wittgenstein. Und da geht es um das folgende. Es ist sozusagen eine Beobachtung, die ich für sehr amüsant empfinde und die man sich gut merken kann als ein Indiz dafür, in welche Richtungen der Wahrnehmungen und Auffassungen uns unsere Lebensform bringt. Also ein handgreifliches Beispiel für die Abhängigkeit zwischen Lebensformen und Verständnis, Verständlichkeit. Es gibt ein berühmtes Zitat aus den „Philosophischen Untersuchungen“ und in diesem Zitat – das ist der zweite Teil des Satzes den ich ihnen hier vorlese – heißt es:
"... und eine Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen."
Das ist ein Ausgangspunkt für viele von diesen Diskussionen und Newton Garver hat nun folgendes herausgefunden und beginnt damit, seine Artikel, dass er sagt es ist doch sehr interessant dass es mindestens drei Fälle von hoch anerkannten WissenschaftlerInnen und Wittgenstein-ForscherInnen gibt, die diesen Satz zitieren und die den so zitieren dass sie sagen: „... und eine Sprache vorstellen heißt sich Lebensformen vorstellen“. Die zitieren diesen Satz und ersetzen instinktiv Lebensform durch den Plural, durch Lebensformen. Die Zitate finden Sie in dem genanten Artikel. Das ist deswegen spaßig, und in der genannten Art und Weise signifikant weil – und das ist auch so ein bisschen die Absicht von Newton Garver dahinter – weil wir in einem postmoderen multidimensionalen Verständnis den Wittgenstein und die Rede von Lebensformen ganz instinktiv und sofort als Plural auffassen. Er spricht von Lebensformen, er spricht von Lebensform, das kann sozusagen nur heißen dass er von diesen Lebensformen spricht, in dem Sinn, den ich vorhin auch gerade zitiert habe. Und, eine genaue Aufmerksamkeit auf den Text stellt an dieser Situation fest – ja interessanterweise geht es da um einen Singular. Das heißt wir stehen vor der Frage einer Lebensform hier auch und da gibt es natürlich jetzt auch eine gewisse Freiheit der Interpretation, so wie ich Ihnen das betont habe, diesen Satzteil, "... und eine Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen.“, ist dies normale Rhythmik der Sprache. In den Betonungen, die hier drinnen stehen ist klar, dass das „eine Lebensform vorstellen“, dass das der unbestimmte Artikel ist und dass der unbestimmte Artikel suggeriert dass es verschiedene Formen gibt und eine Form davon wäre sozusagen die, die jeweils in Frage kommt. Es ist also im normalen deutschen Sprachduktus dieser Gebrauch von „eine Lebensform“ durchaus verträglich mit vielen anderen Lebensformen. Die Pointe und die provokante Position von Newton Garver ist jetzt die, dass er zweifellos ein bisschen unterstützt dadurch, dass das im Englischen anders aussieht und anders klingt, und dass er nicht das Deutsche hier mit rein nimmt, dass er nämlich eine Deutung vorlegt die das „eine“, was man ja im Prinzip auch machen könnte als ein Zahlwort nimmt. „Eine Sprache vorstellen heißt sich eine Lebensform vorstellen.“ Und wenn ich dieses „eine“ als Zahlwort lese, dann habe ich die Reminiszenz aus den Tractatus, wo es eine Sprache und eine Lebensform gibt, hineininterpretiert, per Betonung, und kann damit – das ist natürlich etwas interessantes in dem Zusammenhang – auch hinweisen auf gewisse Kontinuitäten im Werk von Wittgenstein, indem ich auf den Singular bestehe und darauf hinweise, dass auch der späte Wittgenstein eine Ganzheit hier noch im Auge gehabt hat und nicht sich verloren hat in verschiedene Lebensformen.
Wie sieht die menschliche Lebensform aus?
Das ist die Stoßrichtung der Interpretation von Newton Garver und die Problematik, die sich damit verbindet ist natürlich als nächstes die, und wenn ich nicht die schöne Logik und Mathematik im Hintergrund habe, die der Tractat hat, wie schaut denn dann die menschliche Lebensform aus? Wenn ich die nicht in der allgemeinen Form des Satzes realisiert finde, von der ich das letzte Mal gesprochen habe, wo ist denn das dann anzutreffen? Und dazu gibt es eine Auskunft von Newton Garver, die durchaus intern Wittgensteinianisch aufrecht zu erhalten ist und die darauf fokussiert ist, dass auch der späte Wittgenstein noch sagt, es gibt sehr wohl eine Gemeinsamkeit der menschlichen Sprache. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass es viele verschiedene menschliche Sprachen gibt, aber es gibt etwas, was allen menschlichen Sprachen gemeinsam ist. Und das ist nun nicht platonisch gefasst. Das interessante dabei ist jetzt dass diese Figur „es gibt etwas das allen menschlichen Sprachen gemeinsam ist“, das ist eine sozusagen letztlich noch immer ganzheitliche, metaphysische Struktur, die aber von Wittgenstein nicht expliziert wird als die Vernunftstruktur oder so etwas, sondern von der Wittgenstein sagt das ist ein Faktum der Naturgeschichte. Die Natgeschichte hat dazu beigetragen, hat hervorgebracht das Folgende: Dass es Kommunikationssysteme gibt, zwischen Organismen. Es gibt ein Kommunikationssystem zwischen Bienen, und es gibt ein Kommunikationssystem zwischen Ameisen, zwischen Vögel, was immer und es gibt ein Kommunikationssystem zwischen menschlichen Wesen. Und das Kommunikationssystem zwischen menschlichen Wesen, als Ganzes betrachtet, abgehoben von andern Kommunikationssystemen, ist die menschliche Sprache. Wittgenstein hat solche Beispiele, um hier den Unterschied zu machen zwischen den Kommunikationssystemen, dass er etwa sagt, wenn du einen Hund hast und gut mit diesem Hund reden kannst, dann kann man dem Hund so etwas zuschreiben wie er freut sich auf sein Frauerl. Also Freude angesichts von Indikationen kann man ihm zuschreiben. Aber man kann dem Hund nicht zuschreiben, dass er an gestern denkt. Dass er sozusagen aus Erinnerung macht. Um nur ein Beispiel zu bringen. Bestimmte involviertere Formen der sprachlich vermittelten Kommunikation greifen nicht, oder nur metaphorisch. Diese ganze Gedankenlinie ist in gewisser Weise zusammengefasst unter dem bekannten Diktum von Wittgenstein: Wenn ein Löwe sprechen könnte, dann könnten wir ihn nicht verstehen. Darüber ist viel gerätselt worden, wie man das auslegen soll. Eine der Grundideen, die dahinter ist, ist die dass wenn das, was der Löwe spezifisch und einzigartig ist, in einer Sprache auszudrücken wäre, per impossibile dann muss der generische Unterschied zwischen Mensch und Löwe, darin auswirken dass wir diese Sprache nicht verstehen könnten. So fremd uns Löwen eben sind.
Kommentar aus dem Auditorium
Gleichwohl ich inzwischen erkannt habe, dass die Sprache eine hohe Bedeutung hat, zumindest in der Philosophie, und daher als eigener Zweig behandelt wird. Ist sie meines Erachtens für die Kommunikation nur ein Medium. Sie ist für die menschliche Erkenntnis sicher von hoher Bedeutung, die Sprache, aber nicht für die Kommunikation. Dabei gebe ich zu bedenken dass man in der Kommunikation weiß, dass von dem, was rüber kommt an Verständnis nur ungefähr 40% in den Worten liegt und in der Sprache liegt und 60 % nonverbal. Dasselbe gilt wenn man bedenkt, dass heute die Kommunikation zwischen den Menschen über Medien sich stark abspielt, die oft nur in Bildern sprechen.