Global Mindset (PSI)

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Gyges2.jpg

Wir haben in dieser Einheit den von Anna vorgeschlagenen Rahmenplot des Spiels mit einigen Modifikationen festgelegt, der im Wesentlichen die Metapher des Höhlengleichnisses aufnimmt und mit einer neuen Pointe versieht. Ich werde eine kurze visuelle und deskriptive Zusammenfassung geben. Falls etwas falsch oder unklar formuliert/dargestellt wurde, bitte intervenieren. Das Mindset ist - denke ich - offen für Feintuning. Damit ist gemeint:

  • Man kann, was die Wahl von Kulisse, Epoche, Rätsel betrifft, versuchen, die Wahrscheinlichkeit der Userin zu erhöhen, sich in die IF hineindenken zu können. Dabei gibt es sehr viele Freiheiten und Möglichkeiten. Es findet dafür im Anschluss an die nächste Seminareinheit eine Zusammenkunft statt, in der wir uns im Film eXistenZ nach möglichen Elementen umschauen, die wir in unsere IF einbauen können.
  • Die Frage, wie der Weg aus der Höhle und ins Licht geführt werden kann, ist IMHO auch noch nicht ganz geklärt. Ich habe unten ein paar Gedanken dazu formuliert.
  • Die Frage, wie der Wiedereintritt in die Entscheidung (König töten oder Alternative/n) aussehen soll, ist auch noch nicht fix. Gerade weil es sich um "die Moral von der Geschicht'" handelt, ist wichtig, darüber exzessiv zu diskutieren. Ich denke, dass man die Ausgangsgeschichte ein wenig verändern sollte, sodass die Entscheidung nicht mehr die sein soll: Entweder töte ich den König oder ich denke darüber nach, wie man verhindern kann, dass jemand den König tötet, sondern auf jeden Fall eine andere. Unten habe ich ein paar Vorschläge dazu gemacht.
Visualisierung: Irritation, Aufstieg und Sinkflug

Erläuterungen und Überlegungen von Andyk

1. Ab in die Gedanken

Ausgegangen wird von der Thai-Implementierung der Gyges-Geschichte: Gyges hat einen unsichtbaren Ring und indem er ihn benutzt, ist er frei von den sozialen Konsequenzen seiner Handlungen. Schlussendlich hat er die Chance, den König zu töten und die Macht an sich zu reißen.

1a: Nimmt er die Chance wahr, ist das Spiel gewonnen (eventuell mit einer kurzen bissigen Bemerkung).

1b: Nimmt er die Chance nicht wahr, und überlegt, was er tun soll, führen ihn diese Überlegungen langsam in eine Gedankenwelt, die mit dem Zustand "In-der-Höhle-sein" beschrieben werden kann. Die Dunkelheit darüber, wie er handeln soll, lässt ihn das Gyges-Szenario nochmals vor seinen Augen ablaufen. Dabei spielt er jedoch nur die Betrachter-Rolle und der "Täter" ist ein NPC.

Die Höhlenbewohner wissen ja nicht, dass sie in der Höhle sind. Darum kann man Gyges einfach weitermachen lassen. Er erlebt eine Episode, in der ein NPC eben das tut, wovor er zurückgeschreckt ist. Er läuft ihm nach, will ihn stellen, rutscht aus und schlägt gegen eine Wand, die unerwartet nachgibt. Dann könnten die von Andy angesprochenen Rätsel folgen. Als Endergebnis trifft Gyges dann auf die politeia-communities. --anna 15:04, 2. Mai 2009 (UTC)
Ich sehe den NPC weniger als einen neuen Charakter, der auftaucht und dieselbe Geschichte noch einmal durchspielt. Das würde plötzlich einen neuen Plot beginnen. Eher betrachtet Gyges die Situation aus einem außenliegenden Blickwinkel. Das ist ein erster Schritt aus der Simulation heraus - statt es zu erleben bzw. darin zu agieren, sieht er es sich als Fallbeispiel an. Nur dabei statt mittendrin :-) Ich könnte mir sogar Szenarien vorstellen, in denen zwischen der vorläufigen Entscheidung gegen den Mord und der Höhle statt zusätzlicher Szenen nur ein Stück überleitender Text kommt.
Aber vielleicht ist noch ein anderer Punkt wichtig: Nach deiner Beschreibung gleitet Gyges im Rahmen seines Nachdenkprozesses langsam in die Höhle. Meiner Vorstellung nach steckt er von Anfang an drin, auch wenn er das zunächst nicht weiß. --H.A.L. 12:37, 4. Mai 2009 (UTC)

2. Aus der Dunkelheit in die Erleuchtung

Die Aufgabe während der oben beschriebenen Reflexions-Phase in der Dunkelheit ist, sich irgendwie loszureißen und in eine Überlegung über den Staat zu kommen. Von der Dunkelheit zur Sonne also.

Überlegungen dazu

Platon kommt zum Staat über die Frage der Gerechtigkeit, dessen Wesen man nur "schauen" könne, wenn man weiß, wie die Staatsordnung aussieht und wie die Leute darin erzogen werden.

Wenn man sich fragt: "Wie kann ich erreichen, dass Gyges den König nicht tötet?" so liegt es nahe, dass man antwortet: Durch richtige Erziehung, wo Gyges die Alternative, den König zu töten, gar nicht in Betracht zieht. Für die richtige Erziehung muss aber das gesamte Zusammenleben so aufgebaut sein, dass die Lernprozesse notwendig dazu führen, dass die Leute gerecht sind. Flashlight -> Die Politeia erscheint umrahmt von einem hellen Schimmer.

Der Weg wird aus der Höhle wird von Platon als mühsam beschrieben; Ich würde hier durchaus ein Rätsel einbauen, um zur Sonne zu gelangen. Das könnte aus einem Sci-Fi-Zusammenhang sein; ich werde demnächst mal meine Buch- und Filmsammlung abgrasen (Für Rätsel ist Cube immer wieder gut geeignet).

Man muss der Spielerin zunächst zu verstehen geben, dass es sich bei Platons Staat um etwas wahnsinnig großartiges handelt. Sokratella könnte erscheinen und sagen: "Mach dir selbst ein Bild davon."

Da bin ich nicht sicher. Es gibt eine mehrschichtige Situation: Platon als Klassiker, der alles erfunden hat; unsere Auseinandersetzung mit Platon, die einerseits sehr nachgeordnet ist, andererseits aber einige Vorkehrungen ablehen muss; schließlich Personen, die die IF spielen und wenig vom Platontext wissen. Wie soll das in Gyges umgesetzt werden? Eine Möglichkeit wäre, ihm die positive Utopie durch die Sprecherinnen der communities anzubieten, ihn selbst aber neugierig und ein wenig skeptisch sein zu lassen. Sokratella (klingt ein wenig wie "Nutella") könnte ihn dabei unterstützten. --anna 15:13, 2. Mai 2009 (UTC)
Ich denke mir, wenn man sich zur Sonne emporkämpft, dann muss dieser Aufstieg von einer starken Motivation begleitet werden; einer Aussicht darauf, dass der Ort, wo man ankommt, unvergleichlich ist. Erst wenn man oben ist - das ist der Punkt, wo Die Truman Show endet - kommt man nach der Akklimatisierung drauf, dass dieser Ort auf Dauer auch nicht befriedigend ist (Bei Platon könnte man fragen: Warum bleibt der, der aus der Höhle gekommen ist, nicht oben? Weil er den anderen sagen will, dass er Recht hatte? Dass sich seine Mühen gelohnt haben? Wenn man die Wahrheit kennt und alleine dasteht, ist das offenbar noch kein Lohn für die Mühen). Die Phase der Akklimatisierung habe ich in der Skizze mit Sinkflug bezeichnet. Ich denke, dass die Akklimatisierung durch unsere Szenarios zustande kommt. Auf dem Weg hin zu den Szenarien aber sollte die Spielerin ein bisschen zu viel von der Platonischen Idee überzeugt werden. Mit diesem "Übersteuerungseffekt" wären unsere Auseinanderseztungen mit Platon IMHO besser platziert, denn in fast jedem guten Plot muss die Leserin/Betrachterin/Spielerin die Möglichkeit haben, gewisse Schwankungen durchzumachen; sich einmal auf die eine Seite, einmal auf die andere Seite zu schlagen. Gute Plots schaffen es außerdem am Ende sehr oft, den Rezipienten keine fertige Deutung der gesamten Geschichte darzulegen; oft muss man das Werk mehrmals durcharbeiten, um für sich selbst die Hinweise zu sortieren. (Mir gefällt Sokratella übrigens auch nicht. Schlagt mich nicht, aber: Sokratina finde ich ebenfalls nicht toll - Setarkos (m), Soteskra (w) ist eleganter :P. Aber es ist wohl tatsächlich unklug, wenn unser Proxy von Sokrates - wie auch immer er heißt - beim Aufstieg die Rolle des Platon-Fürsprechers einnimmt, wir nehmen da wohl besser einen der Ja-Sager wie Glaukon))--Andyk 19:30, 2. Mai 2009 (UTC)
Das hat etwas für sich. Mehrschichtige Situationen sollte man nicht sofort als mehrschichtige Situationen präsentieren, sondern jeder Seite Zeit geben, sich zu entfalten, insofern ist es schlüssig, daß der platonische Staat vorübergehend das Nonplusultra ist.
Nachdem mir Bai ganyos Idee, Sokrates als Chatbot wiederzugeben, so gut gefallen hat, habe ich ihn in meinen Notizen immer als "SocraBot" geführt. In einem jüngeren Entwurf ist mir der Name "Task Ores" eingefallen. Sonst habe ich jetzt auch keine Ideen. "Sokratella"/"Sokratina" sind vom Konzept her interessant, weil beides italienische Diminutive sind: Sokrates für die Westentasche. Ändert aber auch nichts daran, daß sie eigenartig klingen.
Teraskos, Staskore, Korestas, Skoresta, Rakestos, Skoraste,... --H.A.L. 07:46, 3. Mai 2009 (UTC)
Bei Truman ist es zwar ein Nach-oben-Kämpfen, aber es geschieht aus Neugierde, angestoßen von den internen Widersprüchen seiner Höhlenwelt. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Energie des Aufstiegs und der etablierten Utopie, das ist hier unser Problem. Vom Ausbruch her ist die zu erreichende Welt real/wahr/ganz. Aber wenn man beginnt, sie zu beschreiben, handelt man sich wieder Zweifel ein. Vielleicht so: der Unterschied besteht darin, dass es nicht mehr Zweifel sind, die zu einer drastischen Weltveränderung führen.
Die Übersteuerung wäre der Effekt des Schwungs zur Überwindung der Widersprüche. Das Problem ist nur, dass wir bisher noch nicht so diskutiert haben. Es gab Plato-Referate und Skepsis, nicht die Annäherung an seine Absichten.
Skoraste oder Skoresta finde ich schön. --anna 18:18, 3. Mai 2009 (UTC)

3,4,5: Der Sinkflug innerhalb der 4 Szenarios

Dann beginnt man mit dem ersten Szenario. Nachdem ein Szenario zu Ende ist, kann man durch Drehen des Rings ins nächste Szenario wechseln. Dabei ändert sich auch die Identität der Spielerin. (AKA: Es ist fraglich, ob man durch die ständigen Identitätswechsel nicht zuviel zerstreut wird; Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die einzelnen Szennarios zusammenhanglos für sich existieren; möglicherweise ist die Sokratella-Beratung das strukturierende Element, das den Zusammenhang herstellt)

Die Szenarios sollten so aufgebaut sein, dass jeweils Hinweise vorkommen, wo die uneingeschränkte Überzeugung, dass Platons Staat ein großartiges, ewiges und unumstößliches Paradigma ist, immer mehr ins Bröckeln gerät. Trotzdem soll man bei aller Kritik, die man bezüglich der einzelnen Ausgestaltungen vorbringen kann, die Deutung offen halten, dass Überlegungen der Art: "Wie soll ein Staat aussehen?" sinnvoll und legitim sind.

Diesen Spagat zwischen Kritik und tlw. Legitimität eines solchen Vorhabens zu vermitteln, wird unsere Herausforderung sein.

6. Der Endgegner

In dem letzten Szenario (Schritt 6), wird letztendlich ein (verbaler) Kampf mit dem "Endgegner", dem Philosophen-König, geführt, der die Überzeugungen Platons über Wahrheit, Gerechtigkeit, das Gute, ... verteidigt, und zwar trotz aller Widerreden und Gegenargumente von Sokratella und der Spielerin. (Das könnte verdeutlichen: Das, was Platon geschrieben hat, können wir nicht verändern, aber wir können, indem wir durch Platon "hindurchgegangen" sind und seine problematischen Argumente erkannt haben, erkennen, dass wir uns noch immer in einem Gedankenexperiment, in der Reflexion befinden und uns im "alltäglichen Leben" noch immer nicht entschieden haben.)

7. Wieder-Entritt (Vorschlag)

Zweite Phase (Vorschlag)

Damit beginnt der Re-Entry in die alte Unterscheidung (aus Schritt 1), wobei sich die Situation ein wenig verändert hat, weil man selbst durch die Gedanken ein anderer geworden ist (AKA: Falls jemand Silent Hill 2 gespielt hat: Man befindet sich zum Beispiel in einem Krankenhaus, das am Anfang ganz hell und wie frisch gebaut aussieht. Ab einem bestimmten Zeitpunkt, nachdem man etwas für die Geschichte wichtiges erfahren hat, ändern sich die Texturen der Mauern und Türen; auch die Menge der zugänglichen Räume und der Handlungsmöglichkeiten verändert sich.) Es bestehen nun mehrere Möglichkeiten, das Spiel enden zu lassen:

  • (a) Gyges tötet den König und übernimmt die Macht. (AKA: Wie Frau Sinn schon erwähnt hat, ist das eine etwas problematische Moral der Geschichte, falls man dadurch das Spiel gewinnen kann. Die Spielerin hat all die Mühen auf sich genommen und entscheidet trotz vollem Bewusstsein und dem Wissen, das selbst die beste und gut gemeinte Ideologie ihre Tücken und gefährlichen Abgründe hat, den König zu töten und die Macht für sich zu beanspruchen. Problematisch, würde ich sagen ;) )
    • Auch wenn man kein Problem damit hat, einen König zu töten };-), ist das unbefriedigend, wenn man am Ende genau dasselbe tut wie am Anfang. Wenn die Reflexion über ein Problem nicht auf lange Sicht neue Handlungsmöglichkeiten aufdeckt, warum reflektiert man dann überhaupt? --H.A.L. 14:35, 4. Mai 2009 (UTC)
  • (b) Gyges geht zurück in die Höhle und redet über das, was er "geschaut" / worüber er nachgedacht hat. (AKA: Diese Alternative finde ich etwas weniger problematisch. Jedoch besteht die Gefahr, in einen unendlichen Regress von Nachdenken und Diskussion zu kommen; wenn man jetzt wieder dieselbe Alternative wie zu Beginn wählt, umgeht man dadurch die eigentliche Schwierigkeit der ganzen Sache: dass man in seinem alltäglichen Leben herausgefordert wurde, eine Entscheidung zu treffen und sich dafür in die Reflexion zurückgezogen hat. Jedoch würde ich sagen, will und kann man nicht ewig in der Betrachtungsrolle bleiben, sondern muss irgendwann "Täter" sein. Das würde für die Alternative (a) sprechen, doch es wäre traurig, gäbe es innerhalb der Entscheidung Täter/Nachdenken nur die Alternative: Mord oder Platon. Einerseits gibt es andere Taten als Mord, andererseits gibt es andere Betrachtungen als Platonische Staatslehre.)
  • (c) Wenn man im zweiten Buch 359d nachliest, dann steht dort, dass Gyges der Legende nach "Hirt im Lohndienst" war. Es besteht die Möglichkeit, dass er nach diesem Trip einfach wieder zu seiner Schafsherde geht und seinen Job macht, geheilt von dem Streben nach Macht. Dafür entschließt er sich jedoch, in seiner Freizeit jedes Monat interessierte Leute zu Gesprächen auf seiner Alm einzuladen, um über neue gesellschaftliche Perspektiven zu beraten. (Den letzten Satz habe ich hinzugefügt, damit die Moral der Geschicht' nicht zu konservativ wird im Sinne: Trotz aller geistigen Anstrengung bleibt nur ein Ergebnis: Bleib bei dem, was du gelernt hast, was deine Eltern immer schon getan haben, was Dorftradition ist, was sich gehört, was nützlich ist, was man später einmal im Beruf braucht, etc...)
    • Scheint mir der brauchbarste Ansatz zu sein, aber er gehört ausgebaut. Im Prinzip ist damit auch keine neue Möglichkeit eröffnet, denn Gyges hatte ja zuvor schon die Option, Hirte zu bleiben. Wenn es um sein Machtstreben geht, müssen wir uns fragen: Warum ist er davon geheilt? Woher kommt überhaupt sein Machtstreben? Vielleicht wollte er ja gerade dem miesen Leben als Schafhirt entfliehen. Oder er wollte irgend etwas erreichen, vielleicht hatte er ja ein bestimmtes politisches Ziel. (Wenn uns etwas gutes einfällt, könnten wir es in Rückblenden einbauen, denn im wirklichen Leben muß man sich auch manchmal daran erinnern, warum man das alles eigentlich macht.) Ich denke, wenn wir den Mord wirklich überflüssig machen wollen, brauchen wir ein übergeordnetes Ziel, zu dem der Mord ein Schritt zu sein scheint, das aber auch ohne erreicht werden kann. Die anderen Lösungen scheinen mir einfach das Problem zu haben, daß sie das moralische Dilemma nicht lösen. --H.A.L. 14:35, 4. Mai 2009 (UTC)
  • (d) Außerdem besteht die Möglichkeit, den Ring an jemand anderen weiterzugeben, auf dass der Beschenkte einen ähnlichen Prozess durchmacht (auch mit dem Risko, dass er den König sofort tötet).
  • (e) Der Ring könnte sich auch als Hirngespinst und Folge eines Sonnenstiches herausstellen.

--Andyk 22:28, 30. Apr. 2009 (UTC)


Vorschläge zum Feintuning

Der Ring als Seelenteleporter

Was haltet ihr davon? Vielleicht sollte Gyges nicht unsichtbar werden, sondern: Das Drehen des Rings (oder ein anderer Mechanismus) versetzt ihn in eine Person, und zwar für eine bestimmte Zeit (oder so lange er will). Er kann seine Gedanken und Taten entweder beobachten oder "steuern". Das ist vom Film Being John Malkovich geklaut. Die Vorzüge wären:

  • Das Töten des Königs garantiert eigentlich keine Machtposition, denn normalerweise kommt dann der älteste Sohn auf den Thron und nicht Gyges. Wenn Gyges sich aber in die Person reintransformiert, merkt niemand etwas von der Machtübernahme.
  • Das Drehen des Rings hatte bislang zwei unterschiedliche Effekte: Unsichtbar werden (am Anfang) und (für die Switches zwischen den politeia-communites) teleportieren. Außerdem schlüpfte Gyges nach der zweiten Funktion auch in andere Personen. In-Person-schlüpfen von Anfang an wäre deswegen konsequenter. Der Ring muss trotzdem defekt sein; man kann schließlich nicht wählen, in welche Person man sich hineinversetzen will. Das passiert für die Spielerin nach einem nicht nachvollziehbaren Prinzip (so wie eine verrückt gewordene Zeitmaschine).
  • Bei Being John Malkovich kann die "Seele" der ursprünglichen Person sich stellenweise noch zur Wehr setzten, wenn ihr etwas völlig gegen den Strich geht (und die Person, die vom Körper Besitz ergriffen hat, noch ungeübt ist). Das würde uns erlauben, (1) die Spielerin fernzusteuern, (2) sie eine "innere Stimme" hören zu lassen und (3) sie aus dem Körper zu werfen und zum nächsten Szenario überzugehen, sobald "die Mission erfüllt" ist.
  • Die Implementierung ist voraussichtlich nicht schwer (Change player to Martin Heidegger und evt. diese Extension)

H.A.L. 11:49, 4. Mai 2009 (UTC) - ein paar Assoziationen zur Einbindung der Höhle

Ich wollte eigentlich nur schnell die assoziativen Verbindungen notieren, mit denen ich die Gyges-Geschichte in das Höhlengleichnis einbette. Hat dann aber länger gedauert.

aus der Situation aussteigen

Wenn man mit einer Situation konfrontiert ist (und der Mensch befindet sich ja ständig in irgendeiner Situation, mit der er zurecht kommen muß) dann kann man das tun, was innerhalb eines Möglichkeitsspielraums das beste für einen ist (d.h. sich anpassen), oder man kann die Situation als ganzes in Frage stellen. Das wird natürlich besondern dann interessant, wenn die Situation irgendwie nicht optimal ist. Zum Beispiel könnte ich Kellner sein und um ein nicht ganz alltägliches Mischgetränk gebeten werden, sagen wir Weißwein und Orangensaft, das nicht auf der Karte steht. Wenn ich mehr am Protokoll interessiert bin als am Kunden, kann ich das höflich zurückweisen, andernfalls kann ich es zwar problemlos mixen, aber dann habe ich vielleicht das Problem, daß das Bonierungssystem computerisiert ist und nur die Eingabe bekannter Getränke vorsieht, und ich kann zwar ein Achtel Weißen bonieren, aber keinen Achtelliter Orangensaft. Dann kann ich mich wieder entschuldigen, ich kann vorschlagen, alternativ einen Doppelten zu mixen und ein Viertel Weiß und einen kleinen Orangensaft zu bonieren, oder ich kann den Preis selbst berechnen und das Bonierungssystem mit einem handgeschriebenem Zettel umgehen.

In politischen Diskussionen spielt diese Sichtweise häufig eine Rolle, wenn sich Leute nicht darüber einig sind, ob eine gewisse Rahmenbedingung "nun einmal" Teil der menschlichen Natur - und damit unkritisierbar - ist oder aus einer veränderbaren sozialen/geschichtlichen Entwicklung resultiert. Zum Beispiel gibt es meines Wissens in der Kapitalismusdebatte einen gewissen Streit darüber, ob ein stabiles ökonomisches System denkbar ist, das nicht letzten Endes eine Variante von Marktwirtschaft ist bzw. ob man bestimmte historische Systeme so deuten kann. Auch Proponenten autoritärer Systeme argumentieren, daß es notwendig ist, die Grundrechte in gewisser Weise zu beschränken, um überhaupt ein stabiles System etablieren zu können. Dahinter stecken häufig Voraussetzungen wie "Die Menschen werden nie auf breiter Basis zu mündigen Entscheidungsträgern mit politischer Kompetenz bringen, das liegt in ihren Genen." Das heißt, es wird darüber gestritten, ob / inwiefern es möglich ist, aus einer Situation herauszutreten. (Wobei man noch zwischen den Fragen unterscheiden kann, ob es grundsätzlich auch anders ginge bzw. ob man persönlich einer bestimmten Bedingung entkommt.)

implizite Vorannahmen

Dabei gehört das Verlassen der Situation zu den Spezialitäten der Philosophie, denn eines ihrer Hauptthemen sind die Grundlagen, auf denen menschliches Denken aufbaut. Es gehört zum Handwerkszeug der Philosophin, einen Gedankengang oder einen Diskurs zu untersuchen, die impliziten Vorannahmen herauszufinden, zu formulieren und zu evaluieren (bzw. die expliziten Vorannahmen zu evaluieren, was wiederum meist den Rekurs auf deren Vorannahmen mit sich bringt). Dazu paßt irgendwie auch dieser Duktus von "einen Schritt zurücktreten und sich die Sache ansehen", den wir ja im Übergang von Gyges zur Höhle dabeihaben.

Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel für implizite Vorannahmen ist das Neun-Punkte-Rätsel (Aufgabenstellung, Hintergrundinfo in der Wikipedia (Spoilers!)), das meist unter dem Schlagwort "kreatives Denken" abgehandelt wird. Es zeigt exemplarisch, wie sich Leute unbewußt zusätzliche Bedingungen auferlegen, die gar nicht zur Aufgabenstellung gehören. Der Unterschied zu den oben erwähnten Diskussionen ist, daß dort die Aufgabenstellung nicht wohldefiniert ist. Wie ich ein gutes und glückliches Leben führen kann, hängt von den "Naturgesetzen" ab, d.h. von den Rahmenbedingungen, die ich nicht verändern kann, und über diese können wir nur spekulieren. "Der Mensch ist so beschaffen, daß er immer den Drang zur Akkumulation von Macht haben und danach handeln wird, egal in welchen Verhältnissen er lebt" ist eine unentscheidbare Voraussetzung. (Das könnte für uns wichtig sein, weil es ja zur Aufgabe der Spielerin gehört, die Regeln herauszufinden, nach der die Welt funktioniert.)

Weiterleitung zu Platon

Das paßt gut zum Höhlengleichnis, denn "aus seiner Welt heraustreten" ist eine schlüssige Metapher für "aus seiner Situation heraustreten". Tatsächlich kann man eine Situation, in der ich eine vorhandene Alternative nicht erkenne, so beschreiben, daß ich gewisse Dinge nicht sehen kann, weil ich von meinem, ahem, mindset gefesselt bin.

Den Bezug zu Gyges könnte man noch näher untersuchen. Zunächst erinnert der Standpunkt von Thrasymachos/Glaukon an jene pessimistische Einstellung von "Fressen oder gefressen werden", und man könnte darüber reden, wie sich das zu "aus der Situation heraustreten" verhält. (Obwohl ich nicht sicher bin, ob ich nicht etwas Unpassendes hineininterpretiere. Eigentlich sagt das Gyges-Beispiel aus, daß ich andere ungeniert fressen würde, wenn der Gesellschaftsvertrag mich nicht vor dem Gefressenwerden schützen würde. Es sagt nichts darüber aus, warum ich überhaupt fressen möchte.) Das gilt gerade hier für die Gyges-Situation, wo man nur gewinnt, wenn man den König tötet. Allerdings funktioniert die Implementation ein bißchen anders. Den König muß ich nicht töten, weil er mich sonst töten würde, sondern a) um selbst König zu werden und b) weil das die Logik des Spiels erfordert (das hatten wir glaube ich schon einmal angesprochen). Das können wir natürlich gut für das Hinterfragen der Situation ausnutzen, wenn wir es fälschlich so aussehen lassen, als ob es notwendig wäre, den König zu töten - wird der Spieler darauf hereinfallen? Dabei müßte allerdings die Möglichkeit, an dem ganzen Setting zu zweifeln, schon vorher angedeutet werden. Wenn es Spielregel ist, den König zu töten, dann kann man dem Spieler kaum vorwerfen, daß er den König tötet. (Überhaupt gehört es zu den Eigenheiten von Fiktion und besonders von Computerspielen, daß Spielerinnen dort ohne Bedenken Dinge tun, die im wirklichen Leben unmoralisch wären. Vor allem, wenn das zu den Spielregeln gehört. Wir müßten den Spieler noch darauf hinweisen, daß es zu den Features der IF gehört, daß man eine moralische Entscheidung simulieren kann / sollte.) - Zu a) ist zu sagen, daß die Tötung auf Machtstreben beruht, und damit, wie Andyk schon gesagt hat, auf der Voraussetzung "Um glücklich zu werden, muß ich so viel Macht akkumulieren wie möglich". (Nach der Lektüre von Winkler glaube ich, daß das nach griechischem Verständnis - und damit auch für Platon - notwendig war, um überhaupt zu überleben bzw. kein jämmerliches Leben zu führen.) Dagegen könnten wir argumentieren. Natürlich kann man auch das als der-Frage-Ausweichen interpretieren, denn die grundsätzliche Frage, was mich dazu motiviert, eine unmoralische Handlung zu unterlassen, wenn er wichtig für mich ist, ist damit nicht gelöst. Was wir argumentieren können, ist, daß sich die Spannung zwischen Moral und Eigennutz in den meisten Fällen relativieren läßt.

künstliche Realitäten

Um eine künstliche Realität überzeugend zu präsentieren, habe ich grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Ich kann die Illusion perfekt präsentieren, oder ich kann die Wahrnehmung bzw. Reflexion des Getäuschten einschränken. In Träumen bin ich ständig mit Wahrnehmungen konfrontiert, die es in der Realität nie gäbe, zum Beispiel sehe ich mich selbst vor mir. Das wäre ein glasklares Zeichen dafür, daß meine Situation nicht echt ist. Mein Bewußtsein ist im Traum aber derart eingeschränkt, daß ich nichts merke. In einem Film könnte man so etwas nicht glaubwürdig darstellen, deshalb muß die Illusion perfekt sein, d.h. genau so aussehen wie die Wirklichkeit. In Matrix haben die Leute in der Matrix die selben geistigen Kapazitäten wie außerhalb, aber sie merken nichts, weil alles exakt so aussieht wie die wirkliche Welt.

Ich habe mich gefragt, ob die Menschen in der Höhle wissen, daß sie gefesselt sind. Die einfache Antwort ist nein, aber das hat etwas Eigenartiges. Wie kann ich an eine Wand gefesselt sein, ohne das zu merken? Eher würde ich das als etwas sehen, das sie als selbstverständlich hinnehmen, weil sie nichts anderes kennen. Sie können glauben, daß der Mensch ein von Natur aus gefesseltes Wesen ist, sie können die Stricke als integralen Teil des Körpers sehen wie wir unsere Arme, sie können davon ausgehen, daß der Mensch nicht von der Wand abheben kann, wie wir nicht vom Boden abheben können. Die große Erkenntnis wäre nicht: ich bin gefesselt, sondern: ich könnte auch ungefesselt sein. Man kann sagen, die Menschen haben eine falsche Vorstellung von sich selbst (und zugleich von ihrer Welt). Das erinnert an den von Marx geprägten Begriff des "falschen Bewußtsein", der in Richtung "ideologische Verblendung" geht.

Matrix und Lebensqualität

Die Matrix funktioniert hier anders als die Höhle. Die Menschen in der Matrix wissen, daß der Mensch nicht gefesselt ist, ihnen wird aber ein ungefesselter Körper vorgegaukelt, während ihr wirklicher Körper gefesselt ist. Für Platon ist das vielleicht von Bedeutung, denn es gehört zu seiner Aussage, daß das Abbild nur ein Abglanz der Realität ist, das könnte heißen: Wer das Wahre gesehen hat, wird von seinem Schatten nicht mehr beeindruckt sein.

Das führt mich auf einen weiteren Unterschied zu Matrix. Dort ist die wirkliche Welt dystopisch und unangenehm, während die Matrix ganz nett ist, zum Beispiel gibt es dort zumindest Sonne. Bei Platon dagegen ist es die Realität, die strahlt. Bei der Truman-Show gibt es keine qualitativen Unterschiede in diesem Sinn. In Dark City ist die falsche Realität tatsächlich alptraumhaft.

Dabei ist interessant, daß innerhalb der Matrix jene Leute privilegiert sind, die schon einmal draußen waren und Zugriff auf den Code haben, denn sie können sich nach Belieben noble Acessoires programmieren. Es gibt in der Matrix eine Fülle an schicken Kostümen und Requisiten, die (wenn ich mich recht erinnere) hauptsächlich den Protagonisten vorbehalten sind, zusammen mit den dramatischen Kameraeinstellungen. Bei Platon sind die Zurückkehrenden einerseits privilegiert, aber andererseits unbeholfen. Bei Platon ist nicht vorgesehen, daß man die Simulation von der Realität aus manipulieren kann.

die Illusion in der IF

Ob wir das implementieren können, kann ich nicht sagen. Der Switch von der Gyges-Geschichte zur Höhle verweist doch ziemlich stark auf eine virtuelle Realität: Die Gyges-Geschichte ist die Simulation innerhalb der Höhle, die nicht vorgibt, die Höhle wäre ganz normal, sondern es gäbe gar keine Höhle. Eventuell könnten wir mit einem Simple-CYOA-Spiel anfangen und dann auf richtige IF erweitern, aber dann müßten wir Gyges erst wieder neu schreiben. Ansonsten können wir auf die Spielsteuerung eingehen. In einer IF kann man das Geschehen nur mit einem fixen Set an Programmen beeinflussen, damit sind die Spieler in der IF eingeschränkt wie in einer Höhle. Das wäre aber mehr eine Pointe für das Spielende. Damit könnten wir auf die wirkliche Welt als sozusagen nächstes Level verweisen. - Eventuell könnten wir die Höhle als eine Art Flaschenhals machen; innerhalb der Gyges-Szene stehen alle Kommandos zur Verfügung, aber sowie man in der Höhle aufwacht, findet man sich physisch gefesselt vor. Ob das von der Metaphernlogik her funktioniert, kann ich jetzt nicht sagen.

Jedenfalls ist der Weg "hinaus" gedoppelt - aus der Illusion in die Höhle und aus der Höhle in die wirkliche Welt. Das ist bei Platon nicht so. Dort fängt alles damit an, daß die Illusion gebrochen wird. Das hängt damit zusammen, daß der Protagonist des Gleichnis auf seinen Erkenntnisweg keinen Einfluß hat. Sowie er von seinen Fesseln befreit ist, wird er gezwungen, sich umzudrehen, und dann wird er gegen seinen Willen nach oben gezerrt - ein Ablauf, der anscheinend die meisten von uns nicht befriedigen kann. Deswegen hat mir die Einbindung der Gyges-Story in dieser Weise so gut gefallen, weil der Weg nach oben mit Zweifel beginnt - den ersten Schritt mache ich, indem ich die Situation in Frage stelle. Die Entwicklung fällt nicht irgendwie vom Himmel herunter, sondern kommt ganz aus mir selber.

Deshalb gefällt es mir nicht so, wenn Gyges gegen eine Wand schlägt, das macht den Aufstieg zu zufällig. Genausogut hätte er beim Kampf mit dem König gegen eine Wand schlagen können. Man müßte irgendwie den Weg hinaus direkt mit dem Zweifel verbinden. Gyges müßte sich fragen: Warum soll ich das tun? Was ist hier überhaupt los? In welcher Situation bin ich? Sozusagen, daß Truman erst den Dolch weglegt und sich die Umgebung einmal genauer ansieht, um festzustellen, daß das nur Kulissen sind. Für uns heißt das: eine Art finden, in der die Spielerin das Spiel fragen kann: Worum geht es hier eigentlich?

Mit einem Gerät, das den Spieler in andere Personen versetzt, könnte das funktionieren. Bevor ich Gyges töte, will ich noch ein paar andere Blickwinkel ausprobieren, und ich stelle fest, daß einige davon künstliche Intelligenzen sind und Programme referieren, die nicht zur simulierten Welt gehören. Vielleicht kann ich mich neben Personen auch in Dinge hineinversetzen, und vielleicht herausbekommen, daß einige davon nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Vielleicht wissen ja auch der König und ein paar Leute in seinem Umfeld, daß etwas nicht stimmt, schließlich haben sie als Machthaber Zugang zu geheimen Akten. Und warum will die Königin eigentlich unbedingt ihren Mann loswerden? Wer bitteschön leitet einen Umsturz auf höchster Ebene in die Wege, weil sein Liebhaber so schöne Augen hat? Gibt es vielleicht zwei verfeindete Lager, von denen niemand etwas weiß? Aber warum? Ein großes Geheimnis, das die Regierung spaltet? Vielleicht vertuscht der König etwas, das andere Kräfte aufdecken wollen?

Und wenn ich darüber nachdenke, kann mich die Player character requires persuasion daran hindern, gewisse Dinge zu tun. Ich hatte schon überlegt, daß man mit dieser Distanz zu sich selbst einen traumartigen Zustand modellieren könnte. Man könnte damit das Handlungsspektrum einschränken. Vielleicht merkt das die Spielerin erst, wenn sie am Hof ist und Dinge tun könnte, die die Illusion gefährden.